Nie hatte sich Roveg mehr über zwei Laru gefreut, die Nachtisch brachten.
Er war viel zu betrunken für diese Auseinandersetzung. Was auch immer es für ein Gesöff war, das Ouloo Pei gegeben hatte, es hatte sein Hirn zum Schmelzen gebracht, und er war einer solchen Diskussion gerade weder mental noch intellektuell gewachsen. Er wollte zwar keine schlimmen Zustände in der Galaxis, aber genauso wenig wollte er darüber reden. Er hatte schon genug Schwierigkeiten, ohne dass er auch noch über die Probleme diskutierte, die er nicht lösen konnte. Er wünschte sich lediglich eine Lösung für seine eigene Misere, und wenn er die nicht haben konnte, wollte er sie zumindest für eine Weile vergessen. Und da das offensichtlich auch keine Option mehr war, wollte er wenigstens ein Stück Kuchen.
Er wusste zwar nicht, wie viel Ouloo und Tupo von dem Gespräch mitbekommen hatten, ergriff jedoch die Gelegenheit, es zu beenden. »Und Sie, Ouloo?«, witzelte er laut. »Was ist Ihre Meinung zu den sozialpolitischen Nöten der Galaktischen Union?«
Ouloo stand da und hielt ihr Tablett mit den aufwendigen Desserts fest, als wüsste sie nicht, was sie sonst tun sollte. »Ich will, dass alle sich vertragen, und ich will Nachtisch für Sie machen«, sagte sie ruhig.
Roveg begann zu lachen. »Ein bewundernswertes …«
Ouloo drehte den Kopf in seine Richtung. »Nein«, sagte sie, wobei sich ein Hauch von Ironie in ihre Stimme schlich. »Das ist kein Scherz.« Sie stellte das Tablett im Gras ab und blieb auf allen vieren stehen. Sie sah niemanden an und wirkte ein wenig unsicher. »Ich weiß nicht viel über Politik oder … oder über Grenzen oder worüber sonst Sie sich hier streiten. Und wahrscheinlich sollte ich mich damit auskennen, denn es ist bestimmt verantwortungslos, dass ich nicht weiß, wie alles funktioniert, aber … es ist einfach alles so viel. Ich kenne mich nicht mit der Geschichte Ihrer jeweiligen Spezies aus, jedenfalls nicht richtig. Ich durchschaue nicht all die … die Kleinigkeiten, die alles in Bewegung halten. Aber ich muss mich auch nicht damit auskennen, um zu sehen, wenn etwas nicht funktioniert. Wenn etwas falsch ist.« Sie hob den Kopf und sah Speaker an. »Was Ihrem Volk passiert ist – was ihm immer noch passiert – ist falsch. Es ist zutiefst falsch, und es tut mir leid, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe.« Sie sah Pei an. »Was Ihrem Volk an der Grenze widerfährt, ist falsch. Da ist etwas ganz und gar nicht in Ordnung, und niemand sollte so leben müssen. Und Roveg – was Ihnen zugestoßen ist, ist falsch. Aber wie soll man das lösen? Wie soll man das alles lösen?« Sie schaute wieder auf den Boden. »Ich habe keine Ahnung. Nicht den allergeringsten Schimmer. Wenn eine Politikerin hierherkäme und sagen würde: »Das hier ist mein Plan, um all das in Ordnung zu bringen, und deswegen ist mein Plan der beste«, würde ich ihr wahrscheinlich sofort glauben. Ich würde sagen, ja, das klingt logisch, ich bin froh, dass Sie die Sache regeln, was für eine Erleichterung. Aber dann würde am nächsten Tag ein anderer Politiker kommen und sagen: »Äh, nein, das ist ein ganz schlechter Plan, und hier sind viele komplizierte Gründe dafür«, und ich würde sagen, ja, das klingt ebenfalls logisch. Und wissen Sie was? Eigentlich ist es mir egal, wer von beiden recht hat, solange die Probleme gelöst werden. Ich habe keine … keine Ideologie. Ich kenne nicht die richtigen Wörter, um über diese Dinge zu streiten. Ich kenne mich mit der Wissenschaft dahinter nicht aus. Wahrscheinlich klinge ich jetzt einfältig. Aber ich wünsche mir einfach, dass sich alle vertragen und dass für jeden gesorgt ist. Das ist alles. Ich will, dass alle glücklich sind, und es ist mir egal, wie wir das schaffen.« Sie atmete aus, ihre großen Nüstern blähten sich. »Das ist meine Meinung dazu.«
Für einen Augenblick waren alle still – sogar Tupo, der etwas abseits stand, den Hals tief gesenkt.
»Ich weiß Ihre Worte zu schätzen«, sagte Pei knapp. Sie blickte zu Speaker hinüber, dann genauso schnell wieder weg. »Aber Sie können nicht alles mit Kuchen in Ordnung bringen.« Sie drehte sich um und ging den Weg entlang zu ihrem Shuttle.
Roveg seufzte, die Atemlöcher an seinem Unterleib weiteten sich. »Nun, alles vielleicht nicht«, sagte er, ging zu Ouloos Tablett hinüber und nahm sich die großzügigste Portion, wobei er dankbar den Rumpf wippen ließ.
Ouloo sah Speaker entschuldigend an. »Es tut mir so leid, dass ich Ihnen keinen anbieten kann«, sagte sie.
»Das macht nichts, wirklich«, sagte Speaker. Ihre geschmeidige Stimme war vorübergehend brüchig geworden, erholte sich jedoch bereits wieder. Roveg wusste nicht, ob er bewundern sollte, wie schnell sie sich gefangen hatte, oder ob er sie ermuntern sollte, mehr zu schreien. Offenbar hatte sie es gebraucht.
»Hmm«, machte Roveg und schluckte hastig einen Mundvoll köstlich fluffige Füllung hinunter. »Sie können ihr Kuchen zu ihrem Schiff bringen.«
»Oh«, sagte Ouloo. Ihr durchhängender Hals hob sich ein wenig. »Oh, daran hatte ich gar nicht gedacht.«
»Ja, wir haben heute Morgen wunderbar miteinander gefrühstückt«, sagte er in einem verzweifelten Versuch, das Thema zu wechseln und die Stimmung zu heben. Tat er gut daran, das Gespräch in diese Richtung zu lenken? Er hatte keine Ahnung. Erst mal redete er einfach nur. »Ich habe die Speisen zubereitet, sie hat sie in ihren Anzug gepackt, und dann ist sie zu mir gekommen. Es war sehr nett.«
Speakers Laune besserte sich nicht so leicht wie die von Ouloo. »Die ganze Aufregung tut mir so leid«, sagte sie, ohne jemand Bestimmten zu meinen.
»Ich denke nicht, dass das Ihre Schuld war«, sagte Roveg. Er aß noch einen Bissen, der genauso köstlich war wie der erste. Sterne, wieso ergänzten sich Zucker und Alkohol nur so gut?
»Ich würde das nicht zu persönlich nehmen«, sagte Ouloo zu Speaker. »Ich meine, sie ist …« Sie riss die Augen auf. »Äh … Sie wissen schon, sie steht unter Stress, so wie wir alle …«
Roveg beugte sich zu Speaker vor. »Die gute Captain flimmert«, sagte er.
Ouloos Fell bauschte sich. »Ich habe versprochen, nichts zu sagen!«
»Sie haben ja auch nichts gesagt«, sagte er. »Das war ich.«
»Oh«, sagte Speaker. Man hörte ihr deutlich an, dass sie keine Ahnung gehabt hatte und es ihr auch egal war. »Verstehe.« Sie schwieg kurz. »Aber irgendwie glaube ich nicht, dass dieses Gespräch anders verlaufen wäre, wenn sie nicht flimmern würde.«
Ouloo schwenkte den Hals um ihre Beine und blickte sich nach allen Richtungen um. »Hat einer von Ihnen gesehen, wo Tupo hingegangen ist?«
Beide sahen sich um. Roveg hatte nicht mitbekommen, wie das Laru-Junge gegangen war, und Speaker anscheinend ebenfalls nicht. Tupos Kuchentablett stand immer noch auf dem Boden, aber das Kind war verschwunden.
»So ein Schlingel«, sagte Roveg.
»Ser kann Streitereien nicht leiden«, sagte Ouloo mit einem Seufzer. »Mit mir streitet dieses Kind sich zwar den lieben langen Tag, aber bei anderen ist es ihm zuwider. Ser ist so sensibel.« Sie schnaubte. »Sieht so aus, als hätte ser ein paar Stück Kuchen mitgenommen. Sterne, dabei habe ich sihm doch gesagt, dass einer genug ist. Und wie soll ich das jetzt sirer Meinung nach alles wieder ins Haus bringen?«
»Kann ich vielleicht helfen?«, fragte Speaker.
»Oh«, sagte Ouloo überrascht. »Äh – na ja, wenn es Ihnen nichts ausmacht …«
»Überhaupt nicht«, sagte Speaker.
»Ich kann aber nicht als Einziger hier herumsitzen und Kuchen essen«, wandte Roveg ein.
Speaker musterte seinen Kuchen und die viertelvolle Flasche, die neben ihm lag. »Im Moment wäre das wahrscheinlich am besten«, sagte sie neutral.
Roveg wollte widersprechen, spürte jedoch, wie der noch unausgesprochene Satz sich in nichts auflöste. Er hatte keine Ahnung, was er hatte sagen wollen. Er streckte die Hand aus und nahm sich ein weiteres Stück Kuchen für später. »Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte er.