Sie haben mich nie wirklich verlassen: Mathieu, Patrick, Paul, Armelle. Selbst Anne. Während ich meinen Platz in der Welt fand, wieder in der Stadt heimisch wurde, in der ich aufgewachsen war, und sich die Wohnung, die ich mir mit Pierre teilte, allmählich in einen Ankerpunkt verwandelte, wir beide immer beliebter wurden und viele andere, Freunde und Bekannte, anzogen, war immer öfter von meinem Charisma die Rede, worüber ich herzhaft lachen musste. In der Zwischenzeit arbeitete ich als Aushilfslehrer, nahm an Auswahlprüfungen der Schulbehörde teil und wurde Beamter. Ich entdeckte die Welt, mit dem Rucksack auf dem Rücken, schlief auf Behelfsbetten, in stillgelegten Bahnhöfen, auf Flughäfen. Ich schrieb auch und verfolgte die technologischen Entwicklungen: Die mechanischen Schreibmaschinen wurden zu elektrischen, dann elektronischen Schreibmaschinen, dann kamen die Computer, die Laptops, die zunehmend leichter und leistungsfähiger wurden. Als mein Vater Mitte der neunziger Jahre an Darmkrebs starb, blieb meine Mutter weniger hilflos zurück, als ich gedacht hätte: Sie bekam schnell Kontakt mit anderen Witwen, trat einer Wandergruppe bei, machte einen Töpferkurs, fing mit Aquarellmalerei an und gründete Leseclubs. Diese Witwen luden mich eines Tages ein, bei einem ihrer literarischen Treffen eine Lesung zu machen, kurz nachdem mein vierter Roman erschienen war, der in Schottland spielte. Nach einer Rundreise durch Indonesien lernte ich meine spätere Frau kennen. Wir ließen uns nicht aus den Augen, an dem Abend, zu dem wir beide eingeladen worden waren. Sie erzählte mir, dass sie aus dem Elsass stammte, aber seit zwei Jahren in Paris lebte. Bei der Nennung der Hauptstadt, in die ich seither keinen Fuß mehr gesetzt hatte, außer wenn ich einen Zug, ein Flugzeug oder sonst etwas nehmen musste, bekam ich eine Gänsehaut. Ihretwegen ging ich wieder durch die Straßen und Boulevards. Doch in das Stadtviertel, in dem sich das Lycée D. befand, bin ich nie wieder zurückgekehrt.
Meine Töchter wurden größer. Andere Erinnerungen verblassten, doch die Gesichter, die ich in jenem Pariser Winter getroffen hatte, blieben, zart und zäh, in einem Winkel meines Gedächtnisses haften.
Bis ich eines Sommers auf der Autobahn an Bordeaux, Arcachon und dem Hinweisschild nach Biscarrosse vorbeifuhr: sechsunddreißig Kilometer.
Manchmal treten sie aus meinem Marionettentheater hervor, klar und deutlich.
Wenn ich nachts am Steuer sitze, wenn sich die Müdigkeit einstellt, wenn ich meinen Sitz gerader stelle, um keine Verspannungen zu bekommen, wenn ich anfange, auf das Lenkrad zu trommeln. Urplötzlich tauchen die Bilder auf der Windschutzscheibe auf. Oft sehe ich zuerst nur die Spitze einer brennenden Zigarette, ein Päckchen John Player Special. Doch dann stürzen sie auf mich ein. Ein- oder zweimal musste ich sogar den nächstbesten Parkplatz anfahren. Ich gab vor, ich sei erschöpft.
Ich weiß nicht, warum sie immer noch da sind.
Es gab so viele bedeutsamere Momente in meinem Leben, Begegnungen, die mich geprägt haben, Gegenden, die ich nur ungern wieder verlassen habe. Es gibt diese Frau, die die meine geworden ist und mit der ich längst untrennbar verbunden bin, unsere beiden Töchter, die für mich Quell all meiner Freuden und Sorgen sind, meine Bücher, die jedes Mal etwas mehr der menschlichen Natur freilegen, meinen Beruf, der mich die Hälfte meiner Zeit bestimmt, meine Freunde, die zu mir stehen und inzwischen jeden meiner Sätze für mich zu Ende führen könnten. Das alles gibt es, und doch lebt dieser Winter von damals in mir fort, auf einer Hafenmole, die ins Meer der Erinnerungen hineinreicht.
Doch ich begreife bis heute nicht, was das soll.
Ich weiß nur, dass ich, nachdem ich nach der Rückkehr aus den Sommerferien Patrick Lestaings Brief gelesen hatte, am Abend lange durch die Stadt gewandert bin, diese Stadt, in der ich inzwischen so häufig erkannt werde. Ich musste dringend eine Runde drehen.