Jared
I ch weiß nicht, wie oft ich sie in dieser Nacht genommen habe, wie oft sie meinen Namen zum Mond hinauf geschrien hat.
Ich weiß nur, dass es unzählige Male waren. Mit gefesselten Beinen, manchmal gefesselten Händen und noch viel öfter in völliger, demütiger Freiheit. Als sie irgendwann auf meiner Brust eingeschlafen war, wusste ich, dass sie diesmal bleiben würde. Und während ich sie noch beobachtet hatte, ihrem Atem lauschte, hörte ich, wie die Tür sich leise öffnete und auch offen blieb. Erst da schlief auch ich ein.
»Guten Morgen, Icelady«, raune ich sanft, als sie sich langsam bewegt. Sie dreht sich zu mir herum und verkriecht sich fast in mir.
»Lord«, sagt sie und kichert verschlafen, doch es fühlt sich gut an. Fühlt sich richtig an. »Das wird ein harter Tag.« Ihre Fingernägel kratzen sanft über meinen Rücken und da ist nichts mehr an Misstrauen in ihrer Stimme. Nichts mehr an Kälte.
»Du meinst deine Mädchen?«
Sie nickt. »Und damit meine ich nicht mal, dass jede von ihnen scharf auf dich ist.« Wieder kichert sie und setzt sich vor mir auf.
Ich streiche ihr einige Haarsträhnen hinters Ohr und stütze mich mit der Hand an meinem Kopf ab. »Da kann ich doch nur gewinnen«, sage ich zwinkernd und werde dann ernst. »Ich muss zu den Jungs. Muss mit ihnen sprechen.«
»Darf ich dich begleiten?«, fragt sie zaghaft.
»Das musst du sogar, ab jetzt gehst du nirgends mehr ohne mich hin!«
»Das klingt beängstigend«, sagt sie und streicht mit ihrer Hand über meine Wange.
»Das sollte es auch.« Ich ziehe sie wieder in meine Arme und schiebe ihr unerbittlich meine Zunge in den Mund. Sofort erwacht mein Schwanz wieder zum Leben.
»Könnt ihr auch noch was anderes als ficken?« Es ist Tiff, die mit mindestens fünfzehn Mädchen auf das Feld tritt.
Mila stöhnt leise und ebenso genervt auf und ich lächle sie an.
»Am liebsten nicht«, antworte ich, springe von der Liege auf und spüre die Blicke der Ladys genau, während ich nackt in meine Jeans steige.
»Ich habe ihm alles erzählt«, sagt Mila und streift sich ebenfalls ihre Sachen über. »Er ist nicht der, für den wir ihn gehalten haben.«
Als ich mein Shirt über den Kopf ziehe, frisst Paula mich beinahe mit ihren Blicken auf. »Ich glaube, er ist genau das, wofür wir ihn halten«, sagt sie und ich lache dunkel.
»Finger weg«, zischt Mila und stellt sich vor ihren Mädchen auf, die sie genauso liebt wie ich meine Jungs. »Diese Art der Folter findet nicht mehr statt.« Sie klingt nicht zickig, eher erhaben.
»Schade«, murmeln ein paar der Frauen, während ich an Milas Seite trete, und meinen Arm um sie schlinge.
»Ist das jetzt was Festes?«, will Tiff wissen.
Milas Blick sucht den meinen und ich küsse sie sanft. »Fester geht nicht«, kommt knurrend aus meiner Brust.
»Und wer ist dann der Spitzel?«, fragt Pat.
»Das werden wir herausfinden«, erkläre ich Milas Frauen. Frauen, die sie in den zwei Jahren, die sie von zu Hause fort ist, aus den Machenschaften ihres Vaters befreit hat. Frauen, die sonst verkauft worden wären oder jetzt hier in New York für ihren Mafia-Vater arbeiten müssten. Sie hat mir so vieles während der unendlichen Male, die wir uns geliebt haben, erzählt und ich hätte nie gedacht, dass sie so stark ist. Was sie in diesen zwei Jahren alles versteckt aufgebaut hat. Was sie für diese Frauen macht, für ihre Schwester. Eine Schwester, mit der sie nie zerstritten war. Eine Schwester, die ihr alles geglaubt hat, als Mila sich ihr damals mitteilte. Eine Schwester, die ebenso stark ist wie Mila. Weil sie dortgeblieben ist. Weil sie ein Spitzel direkt unter ihres Vaters Augen ist.
»Was heißt zusammen?«, fragt eine der Frauen.
»Zusammen heißt, dass die Germains ab heute mit den Boys agieren. Zusammen heißt, dass wir nicht mehr alleine sind. Dass wir jetzt Menschen haben, denen wir vertrauen können. Noch außerhalb unseres Kreises.«
Tiff grinst breit. »Sind das viele? Und sind die alle so heiß wie du?«
Mila schüttelt den Kopf, doch ich muss lachen. »Vor allem sind sie noch vollkommen unwissend und wir müssen jetzt unbedingt zu ihnen!«
»Scheiße«, ruft Pat und ihre Augen liegen auf einem kleinen Handmonitor. Sie ist plötzlich blass.
»Was?«, fragt Mila beherrscht.
»Da stehen eine ganze Menge Leute oben vor dem Haus und die sehen nicht sehr kontaktfreudig aus.«
Ein paar der Frauen fangen an zu wimmern. »Hat er uns gefunden? Wird er uns jetzt töten?«
Zeitgleich bewegen Mila und ich uns auf Pat zu. Doch als ich auf den Monitor sehe, weiß ich, dass alles gut wird und auch Mila grinst.
»Was?«, fragt Pat scharf.
»Wir müssen gar nicht mehr zu ihnen fahren«, sage ich gedehnt langsam, ergreife Milas Hand und ziehe sie mit mir zur Tür in die Freiheit. »Meine Jungs sind schon ganz von alleine gekommen.«
Ich ziehe gerade die Tür auf, als Sams Fuß mir schon entgegenkommt und er fast in mich hineinstolpert.
»Alter«, ruft er erstaunt aus, als er Mila an meiner Seite und hinter uns die ganzen Frauen sieht. Sie alle sind hier! Meine ganze Familie und sie alle sehen mich an, als ob ich eine Erscheinung wäre. Nur Sarah, die dicht hinter Sam steht, lächelt.
»Nehmt die Waffen runter«, sage ich und trete zur Seite.
»Nur über meine Leiche«, knurrt Sam und kommt mit Sarah bis auf meine Höhe.
»Das verstehe ich«, äußert Mila. »Ihr könnt eure Waffen mitnehmen.«
Ich sehe sie erstaunt an und ziehe sie wieder in meinen Arm. »Das macht mich verdammt scharf, wenn du mir und meinen Jungs so sehr vertraust«, raune ich und ziehe meine Zunge über ihren Hals.
»Ist ja ekelhaft«, höre ich Sids manchmal piepsige Stimme.
»Das kannst du laut sagen«, mault Tiff, ergreift Sids Hand und zieht sie mit in das Innere dieses wahnsinnigen Bauwerks, das von außen aussieht wie ein stinknormales Beachhouse.
»Ich bin gespannt«, raunt Derrik und tritt ebenfalls ein.
Erst als all meine Jungs in der Halle stehen, schließe ich die Tür hinter uns und warte auf Milas Vorangehen, denn hier oben kenne ich mich noch nicht aus.
»Kommt, lasst uns in den Garten gehen.«
Erst nachdem ich meinen Jungs, meiner Familie, versichert habe, dass ich bis zur Nacht selbst ein Gefangener in diesem genialen Versteck war, waren sie bereit, Mila zuzuhören. Wenn man von Sam absieht, der Sarah fest im Griff hat, sie an sich drückt und Mila und ihre Mädchen ansieht, als würde er ihnen gleich den Skalp nehmen.
»Wie habt ihr mich überhaupt gefunden?«, will ich wissen, nachdem Mila grob umrissen hat, wer und was die Germains sind und ich sie beinahe ebenso besitzergreifend halte wie Sam sein Mädchen.
»Fire«, knurrt Sam. »War verdammt unartig.«
Sie grinst unter seinem Arm und Frost verdreht die Augen. »Ich finde, ich war verdammt mutig. Was die Jungs nicht auf die Kette bekommen haben, habe ich übernommen.«
»Sie ist der Anmeldetussi gefolgt«, erklärt Frost. »Ohne dass sie es vorher mit uns abgesprochen oder Verstärkung mitgenommen hätte!«
»Du bist mir gefolgt?«, fragt Tiff erstaunt. »Wann?«
Von Mila kassiert Tiff einen bösen Blick.
»Gestern Morgen«, erklärt Sarah. »Nachdem du aus der Praxis gekommen bist.«
»Das mit dem unauffällig üben wir dann noch mal«, raunt Mila.
»Da bin ich gerne behilflich«, flachst Lucien.
»Mich würde viel eher interessieren, warum ihr dann erst jetzt hier aufschlagt?«, sage ich.
»Seit wann rennen wir blind in irgendwelche Dinge hinein?«, fragt Derrik.
»Von dir in den letzten Wochen abgesehen«, gibt Sam grantig an mich hinterher.
»Vieles ist jetzt anders«, erkläre ich den Jungs und ziehe Mila noch etwas näher an mich heran.
»Wir haben etwas zu besprechen«, knurrt Sam. »Unter vier Augen.«
Ich nicke und wir beide stehen auf. »Pass auf sie auf«, richtet Sam sein Wort an Frost und deutet auf Sarah, was Milas Mädchen wieder kichern lässt. Außer Sarah. Die verdreht die Augen. »Das habe ich gesehen, Fire«, raunt er, und dann folge ich ihm zurück in die Halle.
»Hör mal, Sam …«
»Hör du zu! Im Mothers liegt ein halb toter Mann und wir wissen noch nicht, in welchem Verhältnis er wirklich zu deiner Mila steht. Die Sache ist wirklich prekär. Sagt dir der Name Petrano etwas? Es freut mich ja, dass du dazu imstande bist, auch mal nur eine Frau zu vögeln, aber hier haben wir es mit der slowenischen Mafia zu tun und …«
»Stopp, Alter!« Er sieht mich an, und ich habe das Gefühl, dass er mir am liebsten eine reinhauen möchte. »Wer liegt halb tot im Mothers? Und beruhig dich, das mit Milas Vater, das weiß ich.«
»Seit wann?«, zischt er.
»Seit ich Mila heute Nacht das Hirn herausgevögelt habe, du Idiot. Wer liegt im Mothers?«
»Ihr Anwaltsscheißer Phil. Er arbeitet für ihren Alten.«
»Fuck«, entfährt es mir. »Er ist der Spitzel.«
»Ah, es gibt tatsächlich noch etwas, dass du noch nicht wusstest?«
»Komm, wir müssen das den Frauen und vor allem Mila sagen.«
»Und wenn sie dich an der Nase herumführt, Alter? Wenn wir den Peros zu groß geworden sind und sie uns nur ausschalten wollen?«
Ich schüttle energisch den Kopf. »Diesmal liegst du meilenweit daneben, Sam! Aber wenn wir so weit sind, dann werden die Peros sich wünschen, sie hätten uns ausgeschaltet!«
Er ergreift meinen Arm und zieht mich zu sich herum. »Jared, wenn du der Ärztin vertraust, dann versuche ich es auch. Aber die ganzen Frauen, die sie da um sich schart … wir können nicht unser ganzes Leben umstellen, weil du einen guten Fick gefunden hast. Das Risiko …«
Ich mache einen Schritt vor und baue mich vor Sam auf. »Mila ist kein Fick! Schnallst du das? Oder habe ich Sarah jemals als deinen Fick abgetan?« Ich bin so geladen, dass diesmal ich der bin, der Sam am liebsten eine reinhauen möchte.
»Er hat recht«, höre ich hinter mir Milas Stimme. »Andersherum hätte ich auch bedenken.« Sie tritt zu uns und als ich sie in meinen Arm ziehen will, winkt sie ab und hält Sam ihre Hand entgegen. »Alles, was meinen Vater und seine Organisation betrifft«, sagt sie leise, »du und eure Jungs, ihr werdet alles von mir erfahren! Was euch betrifft, so werde ich niemals verlangen, dass ihr uns in alles einweiht.«
Sam begutachtet ihre Hand, sieht ihr dann in die Augen, und als ich die beiden betrachte, erkenne ich, dass sie fast dieselbe Dunkelheit in sich tragen. Ihre beider Augen sind wie dunkle Löcher.
»Ich würde Jared mein Leben anvertrauen«, gibt sie hinterher und streckt Sam immer noch ihre Hand hin.
Ich bin so verdammt stolz auf meine Icelady.
Endlich erscheint so etwas wie ein Lächeln auf Sams Gesicht und als er ihre Hand ergreift, zieht er sie plötzlich an sich und Mila stöhnt auf. »Wenn du wirklich zu Jared gehörst, dann gehörst du auch zu uns«, raunt er.
»Das reicht dann jetzt«, brumme ich und Sam lässt endlich von Mila ab.
»Solltet ihr das ausbauen wollen«, sagt Sarah, die ihren Kopf aus der Tür streckt, »wäre ich schon gerne dabei.«
Ich zwinkere ihr zu und gemeinsam gehen wir zurück zu unseren Familien.
Nachdem wir Mila und den Germains mitgeteilt haben, was und wer Phil eigentlich ist, sehe ich, wie sehr ihr diese Information zusetzt. »Ich habe sowieso nicht verstanden, was du an dem Armleuchter gefunden hast.«
»Etwas halt«, sagt sie bedrückt. »Ich wollte nie etwas Körperliches, aber als ich Emma zurückließ und plötzlich ganz alleine dastand, war ich froh, eine Art Freund zu haben.«
»Schöner Freund«, schnaubt Zuzanna. »Aber was machen wir jetzt mit diesem Freund?«
»Ich muss mit Emma sprechen. Muss wissen, was mein Vater mit Phil beabsichtigt hatte.«
»Warum ist sie damals nicht einfach mit dir gegangen?«, will Sid wissen.
»Wären wir beide gegangen, hätte irgendwann nach meinem Vater ein anderer Petrano die Peros übernommen. Und wir hätten niemals alle diese Frauen befreien können«, sagt Mila und blickt über ihre Mädchen.
»Deine Schwester hat das immer arrangiert?«, will Derrik wissen.
»Wir zusammen. Emma hat mir ziemlich oft die Schiffsdaten der Frachter mit Datum und Uhrzeit durchgegeben. Wir konnten nicht immer alle befreien, das wäre zu auffällig gewesen. Und manchmal hat es nicht geklappt, aber wäre Emma damals nicht bei diesem Monster geblieben, ginge es jeder Einzelnen hier jetzt verdammt dreckig!«
Die Frauen nicken und heften ihre Blicke auf Mila. Und ich weiß, sie würden genauso ihr Leben für sie geben wie jeder Einzelne von uns es aus unserer Familie tun würde.
»Ich hatte eine ganze Menge Geld mitgehen lassen. Emma und ich haben das über Monate geplant. Mit diesem Geld haben wir über einen Mittelsmann dieses Anwesen gekauft. Für die Leute draußen sah es so aus, als würde der neue Besitzer nur renovieren oder etwas umbauen. Doch in Wahrheit steckt beinahe das ganze Geld unterirdisch. Dazu die Waffen, die wir anschaffen mussten und die Männer, die ich jedes Mal für die Hafenarbeit, die Käufe oder Überfälle bezahlen musste … ich war gezwungen, die Praxis zu führen. Das Geld brauchen wir einfach nebenher. Außerdem ist diese Arbeit eine perfekte Deckung. Zumindest dachte ich das bis …«, sagt sie leise und ich spüre, wie ihre Hand zittert. »Dass er die ganze Zeit wusste, wo ich bin und was ich mache … das verstehe ich nicht. Warum hat er mich nicht von seinen Männern holen lassen? Gegen die Peros hätte ich keine Chance gehabt.«
»Und ihr seid euch sicher, dass er nichts von Emma und dir weiß?«, fragt Sarah.
»Er hätte uns längst umgebracht, wenn er von unserem Plan wüsste.«
»Was ist euer Plan, Mila?«, frage ich und halte ihre Hand.
Ihre Augen fahren zu meinen und ich sehe wieder das Funkeln darin. Diesmal allerdings steckt es voller Hass. »Wir werden ihn töten! Ihn bezahlen lassen und ich will es selbst machen.« Ihre Stimme knurrt beinahe und mir beschert das einen leichten Ständer. »Und bis wir einen Weg gefunden haben, das zu tun, ohne dass die Petranos uns damit in Verbindung bringen können, befreien wir so viele Mädchen, wie es nur geht.«
Stolz sehe ich ihr in die Augen und kann nicht fassen, dass ich so für eine einzelne Frau empfinde. Meine Frau! Der nie wieder im Leben jemand etwas antun wird! Ich weiß nicht, was ihr Vater ihr angetan hat, darüber haben wir noch nicht gesprochen, aber ich weiß, sollte Mila es doch nicht selbst fertigbringen, werde ich derjenige sein, der diesen Wichser von dieser Welt fegt!
»Was machen wir jetzt mit diesem Phil?«, will Zuzanna wissen und Frost nickt zustimmend.
»Mit Phil würde ich mich gerne unterhalten«, sagt Mila, und ihre Stimme ist zum Fürchten.