»Bitte, bitte, bitte. Tu es nicht! Bitte …«
Du lieber Gott.
Harald Moberg war gezwungen, den Blick aus reiner Verachtung abzuwenden.
Lars-Erik Thun war schon immer ein Schlappschwanz gewesen.
Wie konnte man so viel Angst vor einem Benzinkanister und einer Motorsäge haben? Oder vor dem nach wie vor klebrigen Blut auf dem Fußboden?
Das Video, das in dem nach Schimmel riechenden Keller an die raue Wand geworfen wurde, erschreckte Harald Moberg nicht.
August Sandin sägte den Kopf von Jan Schildt ab und schoss sich anschließend in den Schädel.
Und?
Moberg war auf Hunderten von Jagden gewesen, und der Anblick von Blut verursachte weder Angst noch Übelkeit in ihm.
Im Übrigen waren es ohnehin nur Verrückte, die mordeten, und Schwächlinge, die sich umbringen ließen. Die Stärksten überlebten.
Diese Idioten hatten keine Ahnung, dass er die Videos der Polizei gezeigt hatte, dass er vor diesen Drohungen nicht in die Knie ging. Seine Frau und seine Angestellten vermissten ihn natürlich schon und hatten längst die Polizei verständigt, die selbstverständlich schon auf dem Weg war.
Die bedeutendsten Staatsbürger wurden von den Kameraden in Blau stets priorisiert. Genau so, wie es sein sollte.
Nichts konnte ihnen passieren, das war Moberg klar. Warum sollte er weinen und sich erniedrigen? Genau das wollten sie ja, diese Kidnapper, dass sie vor ihnen im Staub krochen. Um dort um ihr Leben zu betteln.
Diese Freude wollte Moberg ihnen nicht geben. Er freute sich bereits darauf, die Polizei auf sie zu jagen. Oder noch besser, vielleicht ein paar Balten auszuleihen, die sie sich ordentlich zur Brust nahmen. Moberg hatte Kontakte.
Sie waren Tiere. Kranke Tiere. Und kranke Tiere entfernte man. Ohne Sentimentalität oder Mitleid.
Er kontrollierte seinen Anzug. Voller Flecken und zerknittert. Maßgeschneidert, aber jetzt konnte man ihn nur noch wegwerfen. Hatten diese Idioten überhaupt eine Ahnung, was der gekostet hatte? Das Hemd stank nach Schweiß. Es war warm hier unten im Keller, und die Bartstoppeln juckten. Thun hatte offensichtlich nur einen bescheidenen Bartwuchs, zusätzlich zu allem anderen, was ihn kläglich erscheinen ließ. Er sah immer noch frisch rasiert aus. Aber die Linien mit den Pünktchen von der Haartransplantation und der dunkle Fleck im Schritt sagten alles, was man über ihn wissen musste.
Die Kette rasselte, als Moberg versuchte, die Stellung zu ändern, in der er saß, aber der unglücksschwangere Laut übertönte immerhin Thuns Schluchzen.
Jetzt saß hier also Thun und hatte Angst davor, dass Moberg ihn umbringen würde, genau wie in diesen Videos, die sie zugeschickt bekommen hatten. Und dann würde er sich das Leben nehmen? Moberg hätte dem anderen erklären können, dass dieser Gedanke vollkommen absurd war, aber er genoss es, Thun eine Weile leiden zu sehen. Wenn man so schwach war, konnte man zur Strafe ruhig auch ein bisschen leiden.
Aber am Ende hatte er genug.
»Reiß dich zusammen!«, brüllte er Thun an. »Zeig mal ein bisschen Rückgrat, du benimmst dich genau so, wie sie es wollen. Du erniedrigst dich!«
»Dann lassen sie uns vielleicht gehen? Wenn sie das Gefühl haben, dass wir uns ausreichend erniedrigt haben.«
Thuns Stimme zitterte, aber schließlich konnte er den Strom der Tränen einigermaßen stoppen, und Moberg beschloss, sich ein bisschen Schlaf zu gönnen.
Mit steifem Nacken und schmerzendem Rücken wurde er von etwas Nassem an seiner Wange geweckt. Er öffnete die Augen und blickte direkt in den Schritt des maskierten Drecksacks, der sie hierher geführt hatte. Und dieses Ekel stand vor ihm und pisste ihn an.
»We have a friend for you«, sagte der Maskierte und zeigte auf die dicke Bunkertür. Moberg hob die Schulter und neigte den Kopf, um zu versuchen, ihn am Anzugstoff abzutrocknen, aber Thun, der zur Tür sah, keuchte auf.
Moberg öffnete die Augen und betrachtete Thun, der auf die Person starrte, die gerade hereingekommen war.
Thun war am Boden zerstört.
Die Tränen rannen seine Wangen herunter, und er sah auf den Boden, weigerte sich, weiter die Person zu betrachten, die sich langsam auf sie zubewegte.
»Nein, nein, nein …«, wimmerte er leise. Und Moberg wurde plötzlich ganz kalt im Leib.