Es war nicht später als neun. An einem Sonntag. Trotzdem stand jemand draußen und klopfte gegen die Außentür. Christian war bereits draußen und joggte. Malin konnte den Lärm nicht ignorieren und hatte keine Wahl, als zur Tür zu gehen und sie zu öffnen, um dem Idioten zu sagen, dass er aufhören sollte. Sie trank ein Glas Wasser auf dem Weg, um zu versuchen, die Kopfschmerzen und die Übelkeit zu mindern.
»Ich habe euch angezeigt«, war das Erste, was er sagte, nachdem Malin geöffnet hatte.
Scherman.
Der anstrengendste Nachbar der Welt.
»Sie haben geschrien und die Musik so laut abgespielt, dass die Scheiben klirrten. Bis drei Uhr nachts! Wir haben keine Minute geschlafen. Und dann hat noch jemand über den Zaun auf unser Grundstück gepinkelt. Margit liegt mit Migräne im Bett, dank Ihnen!«
»Ich habe meinen Geburtstag gefeiert«, sagte Malin und blinzelte in dem ungewohnt scharfen Morgenlicht.
»Das gibt Ihnen nicht das Recht, sich so zu benehmen, wie Sie wollen.«
»Also bitte, wie oft veranstalten wir denn ein Fest? Ein paarmal pro Jahr.«
»Vier Mal im letzten Jahr und drei Mal in diesem, bis jetzt«, sagte Scherman und fuchtelte zornig mit dem Zeigefinger in der Luft.
»Das darf man auch, es ist unser Haus«, wandte Malin ein.
»Nein, das darf man nicht. Nicht solche Orgien. Ich habe Sie angezeigt und werde Sie auch weiterhin anzeigen. Jedes Mal, wenn Sie stören oder die Kinder schreien oder Sie das Auto ein paar Minuten mit laufendem Motor stehen lassen.«
Malin sah sich um. Gab es jemanden, der sie hörte? Nein, nur einen Mann in einem schwarzen Auto auf der Straße, aber es waren keine Nachbarn draußen. Zum Glück.
Aber Scherman war noch nicht fertig.
»Und dann müssen Sie noch die Hecke schneiden, die zerkratzt einem beim Vorbeifahren den Lack. Und putzen Sie sich die Zähne, Sie stinken ja.«
»Du lieber Gott, irgendwann ist doch mal gut! Nur weil Sie nie im Leben einen lustigen Tag hatten. Ich habe tatsächlich meinen Geburtstag gefeiert! Da darf man eine Party veranstalten. Und im Unterschied zu Ihnen weiß ich, wie man feiert! Haben Sie gesehen, wer gestern alles hier war? Das halbe Promi-Schweden. Sie sind einfach nur neidisch. Fahren Sie zur Hölle!«
Malin knallte die Tür zu und ging in die Küche. Dieser verdammte Scherman. Verbitterter Scheißopa. Sie warf zwei Brausetabletten in ein Glas Wasser, schluckte Apfelsaft direkt aus dem Karton und zerdrückte zwei Eier über der Bratpfanne. Rühreier waren ein gutes Katerfrühstück.
Es war ein gelungener Abend gewesen. Die Schriftstellerin Carina Hellman hatte einen Schnapswettbewerb veranstaltet, die Kolumnistin Johanna Larsson hatte das Hardrockkaraoke geleitet, in dem der Fernsehmoderator Magnus Lundin gewonnen hatte, dank Kajal und einem nackten Oberkörper. Einige hatten zwar deutlich über die Stränge geschlagen, und es wären beinahe Streit oder Knutschszenen ohne Einverständnis ausgebrochen, aber es hatte sich alles in Wohlgefallen aufgelöst. Wie immer. Jeder wusste, dass bei Malin Broman stets die Post abging. Schön, dass man hier feiern konnte ohne diese lästigen Kameras.
Sie sah sich um. Im Haus herrschte totales Chaos. Und die Putzfrau würde erst nachmittags kommen. Malin hatte eigentlich ausschlafen wollen, aber das hatte dieses Arschloch Scherman verhindert. Sie musste versuchen, noch einmal einzuschlafen. Die Söhne waren bei Christians Eltern in Danderyd, sie würden klarkommen.
Sie drehte die Platte des Induktionsherds ab und aß das Rührei direkt aus der Pfanne. Dann legte sie sie einfach nach oben auf den Stapel mit dem ganzen anderen dreckigen Geschirr vom Vortag. Zum Glück war gegen Ende des Fests nicht mehr so viel gegessen worden, nachdem das Personal nach Hause gegangen war. Es war eine Selbstverständlichkeit, in den letzten Stunden der Party keine Außenstehenden dabeizuhaben. Man wusste ja nicht, was passieren konnte, und es war schwer, so viele Leute unter Aufsicht zu halten, damit keiner von ihnen heimliche Aufnahmen von den TV -Stars und Künstlern machen konnte, die immer auf Malins Festen dabei waren und stets in Fahrt kamen, wenn es spät in der Nacht wurde. Es galt »What happens at Malin’s stays at Malin’s«, so, wie sie es immer verkündete.
Es klingelte an der Tür.
Malin trank ihre aufgelösten Brausetabletten und ging hin, um zu öffnen. Vielleicht war die Putzfrau ja früh dran? Das wäre wunderbar, wo sie ohnehin schon wach war.
Aber es war wieder Scherman.
Blutend, schmutzig und mit ein paar ausgeschlagenen Zähnen.
Er sah tatsächlich aus, als wäre er vor Angst gelähmt, dachte Malin. Der Nachbar warf einen hastigen Blick nach hinten über die Schulter.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie vorhin belästigt habe«, stammelte er. »Es wird nie wieder passieren. Sie können gerne Ihre Feste feiern.«
Er sah erneut zur Straße, nickte und ging dann nach Hause.
Malin blickte ihm nach und bemerkte dabei, dass der Mann aus dem schwarzen Auto sich gegen die Motorhaube gelehnt hatte, mit verschränkten Armen. Scherman machte einen weiten Bogen um den Mann herum.
»Hallo, hast du dich geprügelt?«, rief sie Scherman nach, bekam aber keine Antwort. Er verschwand in seinem Haus und begann die Vorhänge an seinen Fenstern zuzuziehen.
»Haben Sie ihn geschlagen?«, rief Malin dem Mann am Auto zu. Er antwortete nicht, sondern öffnete nur die Autotür und setzte sich hinein. Sie ging zum Auto. Ihr war es egal, was die Nachbarn dachten, wenn sie sie ungeschminkt und mit verfilztem Haar sahen.
»War es so? Ja?«, fuhr sie fort.
Der Mann sah ihr direkt in die Augen und drehte den Autoschlüssel.
»Haben Sie mir auch die Blumen geschickt?«, fragte Malin.
Jetzt hatte sie das Auto erreicht, aber er antwortete immer noch nicht. Sie klopfte an das Seitenfenster.
»Ob Sie die Blumen geschickt haben, habe ich gefragt! Wer sind Sie?«
Der Mann trat aufs Gaspedal, und das Auto rollte los. Malin versuchte sich das Kennzeichen zu merken, brachte die Ziffern aber sofort durcheinander.
Als sie das Auto nicht mehr sehen konnte, ging sie zu Scherman und klingelte, aber er öffnete nicht.
Sie sah sich um. Plötzlich fühlte sich ihre herrliche Wohngegend unangenehm an, geradezu erschreckend. Vielleicht war es nur der Kater. Vielleicht aber auch nicht.
Gab es hier noch mehr seltsame Fremdlinge? Sie fühlte sich beobachtet. Aber als sie sich umsah, konnte sie niemanden entdecken.
Sie ging hinein und zog die Jalousien und Gardinen zu.