69

Murphy Estate in Surrey war ein neu gebauter Palast in neoklassischem Stil. Als stammte er aus Wiedersehen mit Brideshead , oder es war zumindest so gedacht. Marmorboden und Bärenfelle, große, offene Kamine überall, Stuckaturen und Kronleuchter an der Decke. Das Hauptgebäude war drei Stockwerke hoch, mit zehn Schlafzimmern, acht Badezimmern und sieben Salons für den gesellschaftlichen Umgang. Ein Kinosaal, eine Bowlingbahn und ein fünfzig Meter langer Swimmingpool, sowohl drinnen als auch draußen.

Daneben stand ein separates Haus mit einem riesigen Ballsaal für große Feste und hinter den Häusern eine Reihe von Wohnhäusern für das Personal. Dreißig Hektar Grundstück, umgeben von einem Elektrozaun, mit Bewegungsmeldern und Kameraüberwachung mit eigener Stromversorgung. Anlagen für Tennis, Polo und Tontaubenschießen. Ein angelegter Park mit Hirschen, Rebhühnern und Fasanen. Ein Lusthaus und eine Garage für elf Autos, abgesehen von den Parkplätzen des Personals auf der Rückseite der Häuser.

Auf dem Hubschrauberlandeplatz stand ein Airbus ACH 160 , eine Luxusmaschine, die ein großer Schritt nach oben im Ambitionsniveau des Herstellers und eine Trumpfkarte im Kampf um die vermögendsten Kunden war. Das Interieur war aus einer Zusammenarbeit zwischen Airbus und dem Yachtdesigner Harrison Eidsgaard hervorgegangen.

Abgesehen von dem Gefühl, dass andere Hersteller Lichtjahre entfernt waren, hatte das Modell große Seitenfenster, die den Passagieren eine wunderbare Aussicht erlaubten, und gleichzeitig war die Schallisolation besser als bei konkurrierenden Maschinen. Jedes Exemplar war minimalistisch eingerichtet nach den spezifischen Wünschen des Kunden. Und dieser Kunde hatte vier große Loungesessel aus weißem Leder, einen Teppichboden, einen OLED -Schirm mit Wi-Fi-Verbindung, wandverschraubte Vasen aus Kristallglas sowie einen Champagnerkühler gewählt. Der Käufer war das Anwaltsbüro mit dem höchsten Stundensatz in London, das in Mayfair angesiedelte Giles, McKeown, Meier & Stretch.

Der Hubschrauber hatte in dieser Ausführung einhundertvierzig Millionen gekostet, wurde aber als absolut notwendig für die Firma erachtet. Eine Ausgabe, die man mehrfach wieder einnehmen würde, davon war man überzeugt.

Ausnahmsweise waren sämtliche Gründer der Firma mit auf dasselbe Treffen gefahren, und jetzt saßen alle vier auf der einen Seite des sechs Meter langen Tisches, auf den einst der rasende Heinrich VIII . gehämmert hatte.

Die vier trugen ihre maßgeschneiderten Anzüge, ihre handgenähten Schuhe und ihre Seidenhemden und betrachteten die Herrscherin des Schlosses. Umgeben von vierundzwanzig weißen Rosen und exakt einhundert von Tom Fords »Fucking Fabolous« Duftkerzen.

Alla Borisowna Romanowitsch war vollkommen in Schwarz gekleidet. Ein kleiner Pillbox-Hut mit schwarzem Schleier für das nach wie vor hübsche Gesicht und ein Seidenkleid mit V-Ausschnitt, das sie während einer privaten Modenschau ausgesucht hatte, die Chanel für sie veranstaltet hatte, nachdem die Meldung vom Weggang ihres Mannes eingetroffen war.

Ihre Unterarme waren mit ellenbogenlangen schwarzen Handschuhen bekleidet. Die rechte Hand blätterte zerstreut in den Prospekten, die ihr die eingeflogenen Rechtsanwälte überreicht hatten. Schlösser an der Riviera, große Häuser in Mayfair, luxuriöse Datschen auf der Krim. Privatjets, Hermès, Dior, Lanvin, Bvlgari, Tiffany, Rolex, Manolo Blahnik, der gesamte Luxus, den die ihr angebotenen Milliarden kaufen konnten.

Idioten.

Glaubten sie wirklich, sie damit beeindrucken zu können?

Sie war versucht, einfach Nein zu sagen, nur weil die vier Männer geglaubt hatten, dass sie sie mit so einfachen Mitteln locken könnten. Aber sie würde nett sein. Einfach nur, weil sie nicht länger abhängig war von ihrem unberechenbaren Gatten. Dieses Schwein, das immer die mageren rumänischen und asiatischen Sklavinnen vorgezogen hatte, die man erniedrigen und quälen konnte. Dank Alla Borisnowas Vater hatte der sadistische Aleksandr Aleksandrowitsch Romanowitsch niemals versucht, Hand an sie zu legen.

Sie schob die Prospekte mit gelangweilter Miene zur Seite. Die vier Ritter der Wirtschaftsjuristerei warteten atemlos.

Nach einer kurzen Pause streckte Alla die Hand aus, die von einem Diamanten mit vierundzwanzig Karat im Smaragdschliff geschmückt wurde, und nahm den Federhalter von Montegrappa. Ihr Lieblingsstift aus achtzehn Karat Gold mit Bildern mexikanischer Götter.

»Ich will nichts mit seinen Geschäften zu tun haben«, sagte sie mit leicht angeekelter Miene.

Dann unterschrieb sie den zweihundertseitigen Vertrag an allen Stellen, den das Rechtsanwaltsbüro mit Post-it-Zetteln markiert hatte. Sie schloss alles mit einem Schluck von ihrem Dom Pérignon von 1996 ab, dem einzigen Jahrgang, den sie trank.

Sir Ian lächelte.

»Herr Jadoweg wird sehr zufrieden sein.«