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Jane saß allein zu Hause auf dem Fernsehsofa und verfolgte die Ereignisse schweigend.

Man konnte es einfach nicht glauben.

Vollkommen unfassbar.

Trotzdem sah sie es mit eigenen Augen. Das, woran niemand geglaubt hatte, war plötzlich möglich geworden.

Die Berliner Mauer fiel. Sie wurde von extatischen Ostdeutschen in Stücke gehackt, die Hilfe von jubelnden Westberlinern bekamen.

Die Leute halfen sich gegenseitig hinauf und begannen auf der Mauer zu tanzen, bei der es bislang lebensgefährlich gewesen war, sich ihr auch nur zu nähern.

Verbissene ostdeutsche Grenzsoldaten standen daneben und sahen zu. Der Reporter machte sich zum Dolmetscher für die Verwunderung der gesamten Welt, dass so etwas geschehen konnte.

Dass die Grenzsoldaten die Massen nicht vertrieben, indem sie scharf schossen.

In Ungarn waren die Grenzwälle im Sommer abmontiert worden, aber in China war der Volksaufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens brutal niedergeschlagen worden. Mit Panzern und toten Freiheitskämpfern als Folge. Dieselbe Reaktion hätte man hier erwartet.

Aber sie blieb aus.

Der antifaschistische Schutzwall fiel, ohne dass ihn jemand verteidigte.

Dieses Wunder würde nicht nur Millionen befreien, es bedeutete auch das Ende ihres eigenen Doppellebens.

Agneta würde nicht mehr kommen und immer mehr von ihr verlangen. Sie nie wieder zu gefährlichen Aufträgen verpflichten, indem sie drohte, Sara und sie in die kommunistische Diktatur Polens zurückzuschicken. Keine Reisen mehr, bei denen Sara wilde Feste in der Wohnung feiern konnte, weil die Mutter abwesend war. Jetzt könnte Jane endlich in Frieden leben.

Und vor allem konnte sie zu Hause bleiben.

Es gab keinen Kalten Krieg mehr, in dem Agneta kämpfen konnte.

Der Krieg war vorbei.

Es herrschte Frieden.

Jane drehte sich zum Foto von Jan Pawel. Dem Papst Johannes Paul II ., Karol Wojtyla. Der die ersten Nägel in den Sarg der Kommunisten geschlagen hatte. Sie bedankte sich bei ihrem Heiland mit einer Bekreuzigung. Nur die Kirche hatte ein solches Wunder vollbringen können.

Jetzt konnte Sara ein Leben ohne Krieg oder Spione leben.

Ein ruhiges Leben.

In dem sie nicht mehr bedroht war.

Ein Leben, in dem Agneta die geliebte kleine Sara nie mehr benutzen konnte, um Jane auf andere Leute zu hetzen.