Das große Ganze
Ein neuer Blick auf die Endometriose
Die bisherigen Feststellungen waren vermutlich eher ernüchternd: wenig Gewissheiten, viele Fragezeichen – wie soll man da vernünftig an die Sache herangehen? Zum Glück gibt es mittlerweile Ansätze, die einen weiter gefassten Blick nicht nur auf die Endometriose, sondern auf die Entstehung von Krankheiten an sich werfen. Solche ganzheitlichen Herangehensweisen werden immer dann besonders nützlich, wenn der Ansatz eindeutiger Erklärungen und präziser Diagnosen versagt, denn auf diese Weise wird ein Patient auch ohne exakte Kenntnis über die einzelnen Details seiner Erkrankung in die Lage versetzt, aktiv etwas für verbessertes Wohlbefinden oder sogar Genesung zu tun. Aber was genau meint eigentlich diese „ganzheitliche Sicht“, die mittlerweile auch ein wenig zum belanglosen Modewort verkommen ist?
Der Begriff, zu dem auch aus esoterisch-spiritueller Ecke heute gerne gegriffen wird, wenn man nicht so genau sagen kann, was man eigentlich versprechen möchte, hat eigentlich einen zutiefst vernünftigen und konkreten Kern. Krankheiten ganzheitlich zu betrachten, bedeutet zunächst, sie als Produkt eines großen Zusammenhangs zu sehen, als Teil eines weitverzweigten und oftmals schwer zu durchschauenden Geflechts. Und dafür gibt es allerhand gute Gründe, denn die meisten Leiden entstehen nicht einfach aus dem Nichts.
In vielen Fällen ist diese Auffassung längst etabliert. Wer etwa einen Darmkrebspatienten behandelt, der schaut nicht nur auf die Darmschleimhaut, sondern betrachtet den gesamten Menschen: Was führt er für ein Leben, wie gestaltet er seine Ernährung, hat er Vorerkrankungen, wie ist sein Körperbau? Denn schließlich hängt von diesen Faktoren vieles ab. Bestimmte Lebensmittel, wie rotes Fleisch oder Alkohol, erhöhen das Darmkrebs-Risiko, Übergewicht hingegen kann darauf hindeuten, dass beides im Übermaß genossen wird, und dafür wiederum kann ein Leben unter starkem Dauerstress die Ursache sein. Der ganzheitliche Blick ist hier also notwendig und seine Notwendigkeit offensichtlich, allerdings ist das nicht immer so klar. Doch gerade in den letzten Jahren haben sich einige Erkenntnisse durchgesetzt, die deutlich machen, dass der Blick aufs große Ganze noch viel häufiger unverzichtbar wird.
An erster Stelle steht hier das immer bessere Verständnis von Stress und seinen ganz konkreten Auswirkungen auf den menschlichen Körper und Geist. Wir wissen nun, dass zahlreiche Überstunden, das ständige Gefühl der Überforderung oder des Nicht-abschalten-Könnens reale Konsequenzen für Verdauung, Schmerzempfinden und vieles mehr haben können.
Wir wissen außerdem immer mehr über psychische Erkrankungen und deren Wechselwirkung mit körperlichen Leiden, wir sammeln Erkenntnisse über den Zusammenhang von Immunsystem und Darm und wir begreifen zunehmend, dass der menschliche Organismus ein solch komplexes System ist, dass isolierte Symptombetrachtung fast immer zu kurz greift.
Das macht Behandlung auf der einen Seite nicht gerade einfacher, auf der anderen Seite ergibt sich jedoch ein großer Vorteil: Auch, wenn eine exakte Diagnose oder ein gezieltes Medikament noch fehlt, lässt sich schon etwas über eine ganzheitliche Gesundheitsfürsorge für die Patientin tun – und oft kann die Patientin das auch ganz allein in die Hand nehmen. Und auch, wenn bereits ein Behandlungsplan besteht und Sie etwa Medikamente nehmen, so können Sie mit ganzheitlichen Maßnahmen für erhebliche Verbesserung sorgen und Ihren Körper in jeder Hinsicht optimal unterstützen.
Wagen wir also einen neuen Blick auf die Endometriose, bei dem sie vor allem als Teil eines großen Systems betrachtet wird, und schauen wir uns an, was sich daraus möglicherweise an Ansätzen für Sie ergeben kann. Für ein besseres Verständnis der komplexen Zusammenhänge erhalten Sie nicht nur Informationen darüber, wie einzelne Faktoren mit der Endometriose zu tun haben können, sondern auch darüber, welche generellen Wechselwirkungen jeweils mit Krankheitsprozessen vorliegen – ganz im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung. Wie Sie das Verständnis der Zusammenhänge schließlich konkret nutzen können, um eine Verbesserung Ihres Wohlbefindens herbeizuführen, erfahren Sie dann in den anschließenden Kapiteln, die sich vollends auf praktische Maßnahmen konzentrieren.
Welche Rolle spielt das Immunsystem?
Das Immunsystem ist der oberste Hüter unserer Gesundheit, so viel ist bekannt. In jeder Sekunde zieht es – meist ganz unbemerkt – tapfer in den Kampf gegen all die Viren, Bakterien, Pilze, Schadstoffe & Co., die im Alltag so auf uns einstürmen, und das sind eine ganze Menge. Dass wir davon kaum etwas mitbekommen, liegt daran, dass das Immunsystem bei gesunden Menschen einen fantastischen Job macht. Wie genau, das wollen wir uns kurz einmal überblicksartig ansehen.
Die Immunreaktion, also die Arbeit des Immunsystems, hat vereinfacht gesagt zwei Methoden bzw. zwei Pfade. Die ersten Verteidiger an der Front gegen Feinde aller Art gehören zum Heer der unspezifischen Immunabwehr. Sie schlagen los, sobald sie einen Eindringling bemerken, und das können sie sehr schnell und in jeder Situation tun. Ob Keime in eine kleine Schnittwunde am Finger geraten, wir die Viren einer erkälteten Kollegin einatmen oder sich in unserer Nahrung unerwünschte Bakterien befanden, unser Immunsystem steht bereit. Dazu nutzt es eine Vielzahl von Mechanismen, wie etwa die Schleimhäute, Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Magensäure, Flimmerhärchen in den Bronchien, die natürliche Flora, beispielsweise der Scheide, oder verschiedene Abwehrzellen und Eiweiße. Damit ist dem Angreifer oft schon der Garaus gemacht – allerdings reicht die quasi blinde Breitbandabwehr nicht immer aus. Dann werden Präzisionswaffen nötig und auch die hat der Körper in seinem Arsenal, unter anderem in Form der bekannten T- und B-Zellen.
Diese Mechanismen gehören zur erworbenen Immunabwehr, das heißt, sie stehen uns anders als die unspezifische Immunabwehr nicht von Geburt an zur Verfügung, sondern wir haben sie im Laufe unseres Lebens trainiert, und zwar in der Regel, indem wir Kontakt mit den entsprechenden Erregern hatten. Unser Körper hat in diesen Fällen eine passgenau auf den jeweiligen Erreger zugeschnittene Waffe gebastelt und den Bauplan dafür außerdem abgespeichert. Deshalb kann er beim erneuten Kontakt damit zielgerichtet zuschlagen und schneller reagieren, man spricht davon, dass die Immunabwehr Antigene (fremde Moleküle, z. B. auf Bakterien oder Viren) erkennt und die spezifischen Waffen – die Antikörper – bildet und losschickt.
So funktioniert letztlich der Kampf gegen jede Art von Krankheit und es ist leicht vorstellbar, welch verheerende Wirkung ein geschwächtes Immunsystem haben kann. Dafür kann es einige Auslöser geben, die häufigsten sind Stress, Bewegungs- oder Schlafmangel, ungesunde Ernährung, Rauchen und Alkohol, Entzündung, Infekte oder chronische sowie Autoimmunerkrankungen. Die große Frage für Endometriosepatientinnen lautet nun: Hat das Immunsystem – bzw. der Zustand meines Immunsystems – womöglich auch etwas mit meiner Erkrankung zu tun? Schließlich bekommt man Endometriose nicht durch ein paar Bakterien, es ist keine ansteckende Krankheit.
Es gibt Forschungsansätze, die vermuten, dass das Immunsystem dabei sehr wohl eine Rolle spielen kann. Diese Überlegung fußt auf der Tatsache, dass die Abwehr in diesem Fall schließlich einen ganz zentralen Punkt ihrer Aufgaben nicht erfüllt: dafür sorgen, dass sich nichts Fremdes ansiedelt. Denn das gilt nicht nur für Keime aus der Umwelt, die im Körper unschädlich gemacht werden sollten, sondern auch für Gewebe. Sprich, eigentlich ist von einem effektiv arbeitenden Immunsystem zu erwarten, dass es Gewebe an einer Stelle des Körpers, an die es nicht gehört, ebenfalls zerstören würde – Endometrium außerhalb der Gebärmutter sollte also den Befehl „Feind auslöschen“ auslösen. Beweise dafür, dass die Entstehung von Endometrioseherden also auf einem Versagen des Immunsystems basiert, gibt es allerdings bislang nicht, was auch damit zu tun hat, dass schließlich auch der Entstehungsmechanismus an sich noch nicht abschließend geklärt ist.
Ebenfalls diskutiert wird die Frage, ob man Endometriose im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen betrachten sollte, und dafür gibt es einige Hinweise. So fand eine Meta-Studie aus dem Jahr 2019 heraus, dass sich für bestimmte Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise rheumatoide Arthritis, Zöliakie oder Morbus Crohn, ein Zusammenhang nachweisen lässt – die genaue Beziehung ließ sich aber bislang nicht aufdecken. So ist entweder denkbar, dass Endometriose die Folge einer Autoimmunerkrankung ist, dass umgekehrt eine Autoimmunerkrankung infolge der Endometriose entsteht, oder aber auch, dass schlicht beide Krankheiten von sehr ähnlichen Faktoren ausgelöst werden könnten. Zur kurzen Klärung: Als Autoimmunerkrankung bezeichnet man Krankheiten, die letztlich eine Fehlreaktion des Immunsystems sind. Das Immunsystem identifiziert hierbei körpereigene Bestandteile irrtümlich als fremd und attackiert sie entsprechend. Deshalb verlaufen solche Erkrankungen chronisch und wie auch bei der Endometriose spielen ständige Entzündungsreaktionen eine große Rolle. Ob das Immunsystem also nun ganz oder in Teilen dafür verantwortlich ist, dass eine Endometriose sich überhaupt entwickelt, muss bislang also noch mit einem Fragezeichen versehen bleiben, andersherum ist die Sache hingegen klar: Eine bestehende Endometriose kann Auswirkungen auf das Immunsystem haben, indem sie Entzündungen hervorruft. Wie bereits beschrieben, besteht ein großer Teil der Beschwerden schließlich daraus, dass Verwachsungen, Verklebungen oder Wucherungen sich entzünden, also vom Immunsystem attackiert werden. Denn eine Entzündung ist schließlich nichts anderes als ein normalerweise gewünschter Prozess des Körpers, mit dem er schädliche Stoffe bekämpft. Vorgesehen ist allerdings, dass dieses Gefecht einmal aufgenommen wird, mit der nötigen Intensität geführt und schließlich nach Besiegen des Eindringlings auch wieder beendet wird – die Entzündung klingt ab, das Immunsystem hat seine Aufgabe erledigt und kommt zur Ruhe.
Lässt sich die Aufgabe jedoch wie im Falle der Endometriose nicht beenden, so tobt ein fortwährender Kampf eben in Form einer fortwährenden Entzündung und diese kostet das Immunsystem einiges an Kraft. Durch die chronischen Entzündungsvorgänge kann die körpereigene Abwehr durchaus geschwächt werden und das ist der Punkt, an dem der ganzheitliche Blick mit Fokus auf das Immunsystem relevant wird. Denn hier stellt sich die Frage, was Sie tun können, um Ihre körpereigene Armee optimal zu unterstützen und jederzeit mit allem zu versorgen, was nötig ist. Das ist gar nicht mal so wenig und was genau, das erfahren Sie im nächsten großen Kapitel.
Zunächst wenden wir den Blick jedoch einem weiteren Akteur zu, den man bei der ganzheitlichen Betrachtung von Krankheiten nie außer Acht lassen sollte: den Darm. Erst in jüngster Zeit hat sich ein Bewusstsein dafür entwickelt, welche immens wichtige Rolle er für das Immunsystem spielt – mittlerweile ist aber bekannt, dass sein vielfältiges Mikrobiom entscheidend dafür ist, wie gut wir uns allgemein gegen Krankheitserreger zur Wehr setzen können. Nicht nur das: in Bezug auf einige Erkrankungen, wie etwa Morbus Crohn, Allergien oder Multipler Sklerose, wird mittlerweile davon ausgegangen, dass die Darmflora ganz konkret damit im Zusammenhang steht – und einige der Krankheiten finden sich auch auf der Liste der Autoimmunerkrankungen, bei denen ein Zusammenhang mit Endometriose festgestellt werden konnte.
Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass auch eine weitere typische „Frauenkrankheit“ oft gepaart mit Endometriose auftritt, und zwar das berüchtigte Reizdarmsyndrom. Ebenso chronisch und ebenso schwer fassbar macht es Endometriosepatientinnen nicht selten zusätzlich das Leben schwer und rückt den Darm ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Und schließlich wissen wir bereits, dass der Darm auch andersherum eine Rolle spielen kann, nämlich, wenn er direkt von Endometrioseherden betroffen ist und Patientinnen deshalb mit Verdauungsbeschwerden oder Schmerzen zu kämpfen haben. Bei diesem Organ wird also sehr deutlich, wie wichtig ein Blick auf das körperliche Gesamtsystem ist, denn ganz offensichtlich laufen beim Darm einige wichtige Fäden zusammen. Eine entsprechende Berücksichtigung sollte er daher auch in der Behandlung finden – insbesondere in der Selbstbehandlung.
Welche Rolle spielen Psyche und Stress?
Diese Frage wird meist zögerlich gestellt und kritisch betrachtet. Gerade junge Frauen mit Endometriose oder auch nur dem Verdacht wollen von solchen Zusammenhängen oft erst einmal nichts hören, denn sie kämpfen ohnehin mit einem leider noch immer weit verbreiteten Vorurteil: Ihre Beschwerden würden sie sich entweder nur einbilden oder aber sie hätten rein psychische Ursache – was so wenig zutreffend wie hilfreich ist.
Hier zeigt sich eine Tendenz, die bedauerlicherweise noch immer weit verbreitet ist, und zwar die zumindest unterbewusste Annahme, Frauen wären irgendwie einfach empfindlicher und „hätten ständig irgendwas“. Insbesondere, wenn Beschwerden im Zusammenhang mit dem Zyklus geschildert werden, neigt gerade die männliche Hälfte der Bevölkerung auch aus bloßer Unwissenheit dazu, anzunehmen, dass das eben alles mit „diesen Tagen“ zu tun habe. Diese Sicht kann für Betroffene allerdings fatal sein, denn tatsächlich kann die Psyche eine äußerst entscheidende Rolle spielen.
Zunächst ist aber noch einmal ganz klar festzuhalten: Weder ist die Endometriose eine psychosomatische Erkrankung – also eine, bei der kein tatsächlicher körperlicher Auslöser festgestellt werden kann – noch ist sie die Folge von psychischen Problemen. Auch kann, anders als manchmal behauptet, Stress keine Endometriose auslösen, Wechselwirkungen zwischen Psyche, Krankheit und Stress bestehen aber sehr wohl. So ist es unzweifelhaft, dass Endometriose eine Vielzahl an teils sehr belastenden psychischen Problemen nach sich ziehen kann. Kaum überraschend, wenn man sich vor Augen führt, dass für viele Patientinnen der Alltag durch Schmerzen oder andere Beschwerden bestimmt wird.
Angsterkrankungen und Depressionen gehören somit zu den häufigsten Folgeerkrankungen, die teils von den Symptomen selbst, teils aber auch von deren Folgen für den Alltag ausgelöst werden. Die ständige Furcht vor Schmerzattacken, die sich nicht beherrschen lassen, und das Gefühl, machtlos und ausgeliefert zu sein, können Angst zum ständigen Begleiter machen, bis diese sich verselbstständigt. Genauso können Gefühle von Antriebslosigkeit, Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit zu grundlegender und ausgeprägter Traurigkeit und schließlich depressiver Verstimmung führen. Das wird oft noch verstärkt durch bloße Alltagserfahrungen: Unternehmungen, die aufgrund von Schmerzen abgesagt werden müssen, Probleme etwa in Studium oder Beruf, weil man gehäuft Krankschreibungen vorlegt, das demütigende Gefühl, nicht ernstgenommen zu werden, oder Sport, der nicht mehr ausgeübt werden kann.
Besonders belastend sind oft Konflikte in der Partnerschaft. Seien es zunehmende Spannungen, weil statt trauter Zweisamkeit Schmerzen im Vordergrund stehen, sei es unbefriedigendes Sexualleben oder gar die Familienplanung, der die Endometriose einen Strich durch die Rechnung macht – in all dem kann ein Auslöser für Depressionen liegen. Und auch die teils jahrelange Jagd nach der richtigen Diagnose schürt nicht selten Ängste und Depressionen, die mit dem Diagnoseschein nicht einfach wieder verschwinden.
Dass die Endometriose also starke Auswirkungen auf die Psyche hat, ist unzweifelhaft, tatsächlich läuft es aber auch andersherum. Das zentrale Element der Erkrankung ist der Schmerz und der entsteht schließlich einzig und allein in unserem Gehirn. Es ist längst bekannt, dass psychische Faktoren große Auswirkungen darauf haben, wie wir Schmerz überhaupt wahrnehmen und wie sehr er sich intensivieren kann.
Zum einen führt Stress – ganz gleich, welcher Art, auch Angst bedeutet letztlich eine Form von Stress für den Körper – dazu, dass wir verkrampfen, und zwar ganz konkret körperlich. Die Hormone Adrenalin und Noradrenalin, die beiden Hauptfiguren im Stress-Drama, geraten aus dem gesunden Gleichgewicht und können dafür sorgen, dass die Muskulatur nicht mehr richtig entspannt, was zusätzliches Gift für einen schmerzgeplagten Körper ist.
Zum anderen verbraucht Stress Serotonin und das ist wiederum stark am Schmerzempfinden beteiligt. Zu wenig von dem Glückshormon erhöht die Empfindlichkeit der Schmerzrezeptoren – et voilà, wir sind nicht nur unglücklich, sondern es tut auch gleich viel mehr weh.
Aber auch abseits von solch konkreten chemischen Zusammenhängen wird an vielen Stellen deutlich, dass die Psyche mitentscheidend dafür ist, wie gut oder schlecht es einer Patientin mit ihrer Erkrankung geht. So sorgt eine depressive, auf die Krankheit fokussierte Grundstimmung dafür, dass Sie noch mehr und noch genauer auf alles achten, was in Ihrem Körper vorgeht. Sie nehmen jede Regung, jede Veränderung, jeden Schmerzanfall viel aufmerksamer und intensiver wahr, als wenn eine ausgeglichenere psychische Verfassung zulassen würde, dass statt der Krankheit andere Dinge im Fokus Ihres Erlebens stehen. Derlei Verflechtungen zwischen Geist und Krankheit gibt es noch einige mehr, aber fest steht eines: Zwischen Psyche und Endometriose besteht nicht nur ein enger Zusammenhang, sondern tatsächlich eine Beziehung der Wechselwirkung und gegenseitigen Verstärkung.
Wenn es Ihnen also gelingt, das nicht zum Teufelskreis, sondern stattdessen zu einer Art Befreiungskreislauf werden zu lassen, dann haben Sie bereits einen großartigen Sieg errungen, der Ihnen den Alltag weitaus entspannter und leichter werden lässt. Und gerade an dieser Stelle können Sie umfangreich aktiv werden, wie Sie später noch ausführlich lesen werden. Für jetzt bleibt festzuhalten: Lassen Sie sich von niemandem aus der Ruhe bringen, der Ihre Krankheit entweder auf „die Psyche“ schieben möchte oder aber die Wirkung psychologischer Selbstfürsorge in Abrede stellen will – Ihr Geist ist Ihr bester Verbündeter im Kampf gegen Krankheit!
Und was hat die Ernährung damit zu tun?
Ganz klare Antwort: eine ganze Menge. Zwar sorgt die falsche Ernährung nicht für die Entstehung von Endometriose und selbst der perfekte Speiseplan kann sie nicht heilen, aber wenn es darum geht, bestmöglich mit den Symptomen zu leben, dann ist die Ernährung ein Knackpunkt. Grund zur Freude, denn schließlich entscheiden Sie selbst darüber, was Sie essen, und damit haben Sie einiges in der Hand.
Ernährung |
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Immunsystem |
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Endometriose |
Zunächst einmal besteht der gut erforschte Zusammenhang zwischen Ernährung und Immunsystem. Es gehört längst zum Allgemeinwissen, dass frisches Obst und Gemüse, Vollkornprodukte und einiges mehr wahre Booster fürs Immunsystem sind, wohingegen Übeltäter wie zu viel Zucker oder Alkohol eher das Gegenteil bewirken. Wie wertvoll eine schlagkräftige körpereigene Abwehr im Umgang mit der Endometriose ist, wissen Sie nun bereits – auch hier schließt sich also ein Kreis. Es geht aber noch weiter: Denn in der Ernährung lassen sich ganz eindeutige Faktoren für Entzündungen ausmachen. Das können bestimmte Lebensmittel oder Nährstoffe sein, bei denen konkret entzündungshemmende Wirkungen nachgewiesen wurden, wie beispielsweise Omega-3-Fettsäuren in Fisch oder Bromelain in Ananas. Es bezieht sich jedoch auch auf einen umfassenden Ernährungsstil, der in seiner Gesamtheit Entzündungen entgegenwirkt, das heißt, es nützt nur wenig, gezielt Fisch und Ananas zu sich zu nehmen, aber abseits davon fettreiches und überzuckertes Fastfood die Hauptrolle auf dem Teller spielen zu lassen. Denn so, wie es günstig wirkende Lebensmittel gibt, gibt es auch welche, die entzündliche Prozesse noch weiter befeuern können, beispielsweise Histamin oder Arachidonsäure in tierischen Lebensmitteln. Für Endometriosepatientinnen kommt es also ganz entscheidend darauf an, eine umfassend vorteilhafte Ernährungsweise zu etablieren, in der all die unterschiedlichen Faktoren berücksichtigt werden. Das wirkt zunächst ein bisschen komplex, ist eigentlich aber sehr einfach und vor allem lecker und wie Sie dabei am besten vorgehen, erfahren Sie später noch detailliert.
Ernährung |
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Übergewicht |
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Endometriose |
Zunächst gilt es jedoch, noch einen weiteren Punkt anzusprechen, der im Zusammenhang Ernährung – Endometriose nicht unter den Tisch fallen darf, wenngleich viele Frauen es nicht besonders gerne hören: Übergewicht. Zwar gilt auch hier: Übergewicht löst nach allem, was wir wissen, keine Endometriose aus und Gewichtsreduktion lässt sie leider auch nicht verschwinden. Allerdings greift bei überschüssigem Fett ein Mechanismus, der für Patientinnen fatal ist, und zwar werden dauerhaft schwelende Entzündungen hervorgerufen. Denn die Fettzellen machen sich nicht nur optisch bemerkbar, sondern greifen auch erheblich in den Stoffwechsel ein, indem sie Hormone freisetzen, die ihrerseits Entzündungen befeuern.
Besonders schädlich ist hierbei das berüchtigte Bauchfett, aber auch die Polster an anderen Körperstellen lösen diese Reaktion aus. Das ist übrigens ganz handfest im Blutbild nachweisbar, so steigt bei Übergewichtigen das C-reaktive Protein, ein Eiweiß aus der Leber, zudem sind Interleukin -1 und -6, Botenstoffe, die das Immunsystem regulieren, der Tumornekrosefaktor, der als Immunsystem-Signalstoff ebenfalls an Entzündungen beteiligt ist, sowie Leptin, ein Hormon, das bei Normalgewichtigen das Sättigungsgefühl regelt, in höherer Konzentration vorhanden.
Was komplexe Laborarbeit ist, lässt sich für Laien kurz und prägnant zusammenfassen: Es beweist das Vorliegen einer heftigen Entzündung. Im Körper von übergewichtigen Menschen laufen also fortwährende Entzündungsprozesse ab, die sowohl an einzelnen Stellen als auch im gesamten Organismus wirken können. Das führt zu einer Reihe von Krankheitsrisiken, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Endometriosepatientinnen hat diese Erkenntnis jedoch zusätzliche Brisanz. Denn schließlich sind die Entzündungen rund um die Gewebeherde das zentrale Problem bei Schmerzen und Beschwerden und diese können nun einerseits von den Fettzellen noch befeuert werden, andererseits belasten die zusätzlichen Entzündungen das ohnehin strapazierte Immunsystem noch mehr.
Übergewicht ist demnach nicht in erster Linie eine ästhetische Frage, sondern allem voran ein drängendes Gesundheitsproblem, was bedauerlicherweise mit gut gemeinten Ideen wie Body Positivity ein wenig in den Hintergrund geraten ist. Falls Sie an Endometriose leiden und zusätzlich ein paar Extrapfunde auf den Rippen haben, klingt das zunächst entmutigend. Denn schließlich haben Sie mit Ihrer Krankheit genug zu kämpfen und dauerhafte Schmerzen machen es ganz sicher nicht leichter, endlich schweißtreibende Workouts im Fitnessstudio zu betreiben. Dennoch sollten Sie sich vor Augen führen, dass hier ein großes Potential für die Steigerung der Lebensqualität liegt. Und zum Glück gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, sein Gewicht langsam, schonend, ohne Überanstrengung und auch ohne krampfhaften Verzicht zu reduzieren. Wie das mit Maßnahmen, die glücklicherweise auch auf anderer Ebene noch gegen Ihre Beschwerden wirken, erreicht werden kann, das erfahren Sie später noch ausführlich. Und wenn wir ehrlich sind: Die meisten Frauen würden zu der Möglichkeit, zur Schmerzverringerung noch die schlanke Linie geschenkt zu bekommen, ganz sicher nicht nein sagen.
Immunsystem, Darm, Psyche – was lässt sich schlussendlich festhalten über die Zusammenhänge mit Krankheiten im Allgemeinen und der Endometriose im Besonderen? Ganz offensichtlich lohnt sich der ganzheitliche Blick.
Das Wechselspiel zwischen Schmerzen, Entzündung, Immunsystem, Darm, Ernährung, Stress und vielen weiteren Faktoren zeigt deutlich, dass der Blick auf die Endometrioseherde allein zu kurz greift. Man kann sich zwar auf Pille und OP verlassen, wer aber ernsthaft daran interessiert ist, seinen Alltag und sein Wohlbefinden langfristig zu verbessern, der sollte den Rest seines Körpers nicht außer Acht lassen. Der Mensch, so viel steht fest, ist ein höchst komplexes Wesen – dass an einer Stelle etwas geschieht, was den Rest des Organismus nicht auch beträfe, ist eine sträflich nachlässige Annahme. Und während diese Einsicht sich auch in der Schulmedizin mehr und mehr durchsetzt, so haben andere das schon vor Jahrtausenden begriffen, wie etwa die traditionelle chinesische Medizin eindrucksvoll zeigt. Ein Blick über den Tellerrand lohnt durchaus, also schauen wir uns in den nächsten Kapiteln auch einmal an, wie wir vielleicht von diesen alten Weisheiten profitieren können.