19

24. Januar, 2:28 NCT
In drei Kilometern Tiefe im Korallenmeer

Die Evakuierung der Unterwasserstation der Titan lief seit drei Stunden. Kowalski lief im Geologielabor auf und ab. Ungeduldig kaute er auf seiner Zigarre, sich der drei Kilometer Wasser über seinem Kopf nur allzu deutlich bewusst.

Draußen rannten Leute im Treppenhaus rauf und runter, Matchbeutel auf den Schultern und Laptops unter den Arm geklemmt. Überall wurde gerufen. Ein Viertel des Stationspersonals war jedoch noch an Bord. Die Evakuierung lag hinter dem Zeitplan zurück.

Wieso dauert das so verdammt lange?

Jede halbe Stunde verkündete ein Warnsignal das Eintreffen weiterer U-Boote, die das nächste Kontigent von Forschern und Personal zur Überwasserstation befördern sollten. William Byrd hatte mittels Durchsage dazu aufgefordert, Ruhe zu bewahren, und versichert, bei der Evakuie­rung handele es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Geholfen hatte es nur bedingt.

Zumal es in der Zwischenzeit zu weiteren Beben gekommen war.

Kowalski wäre am liebsten in eins der ersten U-Boote eingestiegen, doch Haru Kaneko hatte sich geweigert, seinen Posten zu verlassen, obwohl er den Rest seines Teams angewiesen hatte zu packen. Auch William Byrd war noch hier unten, zusammen mit Jarrah, dem Sicherheitschef. Offenbar galt das Diktum, wonach der Kapitän sein Schiff als Letzter zu verlassen hat, auch für ihn – obwohl sein Schiff sich bereits auf dem Meeresgrund befand.

Die anhaltenden Beben behinderten die Evakuierung. Meistens zitterte nur der Meeresboden. Einige Erdstöße waren stärker. Einer war so heftig gewesen, dass zwei der sechs Stahlseile gerissen waren, mit denen die Station am Meeresgrund verankert war. Doch auch die schwächeren Beben machten es den U-Booten schwer, an den Schleusen der Station anzulegen. Von oben wurde zudem gemeldet, es nähere sich eine dichte Aschewolke. Sie stammte von den Vulkanausbrüchen auf den nahe gelegenen Inseln, die vor zwei Stunden begonnen hatten. Die hochleitende Asche störte den Funkverkehr, da es zu Spannungsüberschlägen kam und die Generatoren der Oberwasserstation immer wieder ausfielen.

Alles in allem eine Riesenscheiße.

Byrd war sich dessen bewusst. »Der Funkverkehr der Überwasserstation ist noch immer gestört«, meldete er von seinem Arbeitsplatz neben dem Geologen. »Tut mir leid, Haru. Ich hätte gleich auf Sie hören sollen, anstatt die Evakuierung hinauszuzögern. Wir könnten schon alle oben sein.«

Haru stand vor seinen Monitoren und beugte sich über eine Tastatur. »Wenigstens empfange ich hier unten die ­Daten der Sonarbojen und der seismischen Sensoren«, sagte er.

Kowalski blickte ihm über die Schulter. »Gibt es vielleicht auch gute Neuigkeiten?«

Haru seufzte. »Entlang dem Tongagraben hat sich der Meeresboden signifikant gehoben. Bislang um fünfzig Meter, weiter zunehmend. Die Seismografen und Geofone zeigen eine Eskalation der Beben an. Allerdings sind sie nicht mehr nur auf einen Abschnitt des Tongagrabens beschränkt. Entlang der ganzen 2000 Kilometer langen Subduktionszone des Kermadec-Tonga-Grabens bilden sich neue Cluster.«

Kowalski runzelte die Stirn. »Und was bedeutet das im Klartext?«

»Dass wir das Schlimmste noch nicht überstanden haben«, antwortete Haru. »Nicht einmal annähernd.«

»Was haben wir noch zu befürchten?«, fragte Byrd.

Haru wandte sich zu ihm um. »Die Stärke eines Ausbruchs bemisst man nach dem Vulkanexplosivitätsindex VEI . Die Skala ist nach oben hin offen, das heißt, es gibt keine Obergrenze. Ein VEI von Null bedeutet langsames Austreten von Lava wie beim Kilauea in Hawaii. Dann folgen acht bekannte Grade, angefangen von explosiv bis mega-gigantisch. In der Neuzeit wurde noch nie eine Acht beobachtet. Der letzte Ausbruch dieser Kategorie war vor 27 000 Jahren, als der Toba aktiv wurde. Die Folgen waren so verheerend, dass die menschliche Bevölkerung auf 30 000 geschrumpft ist.«

Kowalski hatte ein flaues Gefühl. »Und jetzt?«

Haru sah auf die Monitore und rief die Karte einer Region auf, die mit Hunderten Dreiecken gespickt war, welche die am stärksten ausbruchgefährdeten Vulkane markierten.

»In den vergangenen zwei Stunden sind vierundzwanzig Vulkane ausgebrochen. Die meisten im Bereich drei bis vier, darunter aber auch ein paar Sechser, die ebenfalls als gigantisch einzustufen sind.« Er machte eine Eingabe. »Das ist die Prognose für die nächsten zwei, drei Tage auf Basis des Modellierungsprogramms meines Sohnes, vorausgesetzt, die tektonische Instabilität eskaliert weiter.«

Er drückte eine Taste.

Über den Dreiecken wurden Zahlen angezeigt.

Kowalski betrachte die Vieren und Fünfen mit zusammengekniffenen Augen. Es gab auch mehrere Sechsen sowie mehrere Siebenen und zwei Achten. Damit war jedoch noch nicht Schluss.

»Das kann nicht sein …«, stöhnte Byrd.

»Da sind drei Neunen auf der Karte.« Kowalski blickte Haru an. »Und eine Zehn

Der Geologe nickte. »Die Zehn markiert das Zentrum des Sundabogens, den Tambora. Ein Vulkan, der im neunzehnten Jahrhundert ausgebrochen ist und 100 000 Menschen getötet hat. Damals war das nur eine Sieben

Byrd erhob sich unvermittelt und schob den Stuhl zurück. »Was können wir tun?«

Kowalski kannte die Antwort.

Er holte ein Feuerzeug hervor und zündete die Zigarre an.

Schon besser.

Niemand nahm von ihm Notiz.

Haru schüttelte wortlos den Kopf. »Sollte sich der Graben nicht plötzlich aus unerklärlichen Gründen beruhigen, können wir gar nichts tun. Abgesehen von den unmittelbaren Verheerungen, würde dies eine den Planeten umspannende Aschewolke zur Folge haben, die Jahrzehnte Bestand haben dürfte. Das wäre das Ende des Lebens auf der Erde. Die einzige Hoffnung …«

Ein abermals lautes Warnsignal ließ sie alle zusammenschrecken.

Sie warteten die drei kurzen Huptöne ab, die das Eintreffen der nächsten Gruppe von U-Booten ankündigten. Im Treppenhaus eilten mehrere Nachzügler nach oben, in der Hoffnung auf einen Platz in der zweitletzten Flottille.

Kowalski studierte einen Monitor. Er zeigte die nächsthöhere Ebene. Die letzten Mitarbeiter drängten sich vor den ringförmig angeordneten Schleusen. Sie konnten es gar nicht erwarten, nach oben zu kommen, obwohl es dort keineswegs sicherer war.

Byrd wandte sich zur Tür. »Ich sollte mal nach oben gehen und den nächsten Evakuierungsschub organisieren. Versuchen Sie, die verbliebenen Leute zu beruhigen. Ich bin gleich wieder da.«

Byrd wandte sich zum Gehen und bedeutete Jarrah, ihn zu begleiten. Plötzlich packte Kowalski Byrd beim Arm und zeigte auf den Monitor.

»Wir haben Gesellschaft bekommen.«

Inzwischen hatten sich mehrere Schleusen geöffnet. Die Menschen stürmten vor – wurden jedoch von schwarz gekleideten Gestalten zurückgedrängt, die in die Station stürmten. Sie waren mit Helmen, Gesichtsmasken und Gewehren ausgerüstet. Gedämpfte Schüsse waren zu hören. Mehrere Forscher brachen zusammen. Es wurde geschrien.

Die Angreifer feuerten nicht wahllos; offenbar waren sie sich bewusst, welche Folgen Fehlschüsse in dieser Tiefe haben konnten. Die Gewehre waren mit Bajonetten ausgestattet. Doch das waren nicht ihre einzigen Druckmittel. Mehrere Männer hatten auch Taser dabei, mit denen sie weitere Forscher in zuckende Wracks verwandelten.

Kowalski dachte an das sich nähernde Militärschiff, das Jarrah gemeldet hatte und das auf Anrufe nicht reagierte. Wegen der Evakuierung und den Vulkanausbrüchen hatte niemand mehr auf das stumme Schiff geachtet.

Offenbar ist es nicht vorbeigesegelt.

Kowalski vermutete, dass die Funkstörungen der vergangenen halben Stunde nichts mit Stromausfällen zu tun gehabt hatten. Das Schiff hatte anscheinend den Funkverkehr gestört.

Er schob Byrd zur Tür. »Wir können hier nicht bleiben.«

Jarrah nickte zustimmend. Er löste seinen Schlagstock vom Gürtel und ließ ihn zu voller Länge ausfahren. Er packte Haru beim Arm und zog ihn mit sich. Sie stürmten aus dem Labor, dann näherten sie sich vorsichtig dem Treppenhaus.

Die Delphin-Ebene lag unmittelbar über ihnen. Sie mussten Abstand zu den Angreifern gewinnen. Bislang konzentrierte sich der Gegner darauf, die obere Ebene zu sichern, doch dafür würde er nicht ewig brauchen.

Kowalski zog die Mark XIX Desert Eagle Kaliber fünfzig unter der Jacke hervor. Er wog sie in der Hand und streckte den Kopf ins Treppenhaus. Oben bewegten sich Schattengestalten. Ein Schuss ließ ihn zusammenschrecken, doch anscheinend hatte man ihn nicht entdeckt. Er bedeutete den anderen, ihm zu folgen.

Die drei Männer eilten vor ihm die Wendeltreppe hinunter und hielten auf der nächsten Ebene inne, die verlassen wirkte, wenngleich nicht ausgeschlossen war, dass sich ein paar Nachzügler in den Labors versteckten.

Byrd hatte ein Tablet dabei. Kowalski blickte ihm über die Schulter. Der Milliardär hatte den Feed der Überwachungskameras aufs Tablet umgelegt. Während immer mehr Kämpfer auftauchten, wurden die Stationsmitarbeiter mit vorgehaltener Waffe in die Kantine und die Schlafsäle geleitet. Mehrere Angreifer bewachten das Treppenhaus, unternahmen aber keinen Versuch, nach unten vorzudringen, was Kowalski besorgniserregend fand.

»Wer ist das?«, flüsterte Byrd.

»Leute, die Ärger machen«, antwortete Kowalski. »Mehr brauchen wir im Moment nicht zu wissen.«

»Was sollen wir tun?«, fragte Haru.

Byrd senkte das Tablet, doch Kowalski drückte es wieder hoch.

Eine Gruppe von Kämpfern hatte sich um zwei Plastikkisten versammelt. Sie nahmen rechteckige Pakete mit elektronischen Anhängseln heraus.

Kowalski fluchte, denn er wusste aus eigener Erfahrung, was es damit auf sich hatte.

Semtex mit Zündern.

Die Kämpfer verteilten die Sprengladungen auf der Ebene. Ein paar wandten sich zur Treppe. Eigentlich bräuchte es nur ein, zwei Bomben, um die ganze Anlage zu zerstören, doch die Angreifer wollten auf Nummer sicher gehen.

Kowalski geleitete die Gruppe weiter nach unten. »Gibt es noch eine andere Möglichkeit, die Station zu verlassen? Vielleicht durch die Rettungsschleusen auf den einzelnen Ebenen?«

Byrd schüttelte den Kopf. »Erst müsste ein U-Boot andocken.«

Kowalski schnitt eine Grimasse.

Das wird so bald nicht passieren.

Byrd eilte nach unten. »Unsere einzige Hoffnung liegt auf der untersten Ebene der Station.«

Kowalski folgte ihm, obwohl er nicht einsah, inwiefern es ihnen helfen sollte, den Kopf zwei Ebenen tiefer in den Sand zu stecken. Jedenfalls wies die unterste Ebene die geringste Fläche auf und war am einfachsten zu verteidigen.

Auf der Kalliste-Ebene kam ihnen eine junge Frau mit Laptop und Rucksack entgegen.

Sie wirkte eher erbost als verängstigt.

2:38

Jazz stellte sich der Gruppe von Männern in den Weg. »Was zum Teufel geht hier vor?«

»Kommen Sie mit«, sagte Byrd und geleitete sie nach unten zur Thetys-Ebene.

Verwirrt schloss sie sich ihm an. Sie war zu müde und zu benebelt, um sich zu widersetzen. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie zitterte, nicht vor Angst, ­sondern weil sie leichtes Fieber hatte. Der Mittelfinger ihrer rechten Hand pochte und fühlte sich steif an. Sie öffnete und schloss die Hand, um der Entstehung eines Blutgerinn­sels vorzubeugen. Der Finger hatte eine besorgniserregende graue Farbe angenommen.

Das aber war ihr kleinstes Problem.

Ein Schuss bestätigte ihre Einschätzung.

Während sie schneller wurden, schaute sie sich um. Jarrah und Kaneko kannte sie. Der letzte Mann überragte alle. Man hatte ihr Joseph Kowalski nicht vorgestellt, doch wegen seiner Größe, seines Auftretens und seiner grimmigen Miene war er bereits zum Gesprächsstoff geworden. Er hatte gemeint, er gehöre zur DARPA . Sein Partner, ein Biomediziner, hatte Phoebe in den Tongagraben begleitet.

Jazz beäugte die große Pistole, die der Mann in der Hand hielt. Zuvor hatte sie es knallen gehört. Zu dem Zeitpunkt hatte sie sich im Benthallabor aufgehalten und die Geräusche auf die Spannungen in den Stationswänden zurückgeführt. Alles andere hätte keinen Sinn ergeben. Wer würde es in einer Station, die einem gewaltigen Druck ausgesetzt war, schon wagen zu schießen?

Sie musterte Kowalskis hartes Gesicht und die qualmende Zigarre.

Der Typ bestimmt.

Unten angelangt, hallte ein spitzer Schrei durchs Treppenhaus, gefolgt von zornigen Rufen auf Chinesisch.

Byrd eilte weiter. »Beeilung.«

Das Meer vor den Fenstern wurde noch immer von Scheinwerfern erhellt. Das Riff leuchtete in bunten Farben. Auf einmal wirkte der Anblick jedoch bedrohlich. Die Rufe kamen näher.

»Wir müssen diese Ebene abriegeln«, sagte Byrd.

»Wie?«, fragte Haru.

Jarrah und Kowalski waren am Fuß der Treppe stehen geblieben.

Jazz versuchte, beide Gruppen gleichzeitig im Auge zu behalten, und stellte die naheliegendste Frage. »Warum?«

Haru schilderte in knappen Worten die Lage. »Wir werden angegriffen. Mit den letzten U-Booten sind Militärs eingetroffen. Haben alle festgesetzt.« Das Schlimmste sparte er sich bis zum Schluss auf. »Und sie verteilen Sprengladungen in der Station.«

Fassungslos blickte Jazz die beiden Männer bei der Treppe an. Vor ein paar Stunden hätte sie mit der ersten Gruppe von Bord gehen können. Als die Evakuierung angeordnet wurde, hatte sie in den Frauenunterkünften geschlafen. Byrd hatte ihnen versichert, es bestehe kein Anlass zur Sorge und handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Sie hatte ihn beim Wort genommen und war, anstatt die Station unverzüglich zu verlassen, ins Biologielabor hinuntergegangen, um ihre Forschungsergebnisse zu sichern und Proben einzupacken. Das alles war zu wichtig, um es zurückzulassen.

Das habe ich jetzt davon, dass ich so gewissenhaft bin.

Sie hätte sich ein Beispiel an ihren älteren Brüdern nehmen sollen, die Faulheit für eine große Tugend hielten und glaubten, allein schon der Akt des morgendlichen Aufstehens habe Beifall verdient.

Byrd näherte sich einer schrägen Tür an der einen Seite des Decks. Sie lag unmittelbar gegenüber der Luftschleuse. Jazz wusste, dass dahinter die Hilfssteuerung verborgen war, ein Ersatzsystem, das von Akkus und Generatoren mit Strom versorgt wurde und im Notfall den unabhängigen Betrieb der Ebene sicherstellen sollte.

Und ein Notfall war sicherlich gegeben.

Byrd zog die Tür auf und nahm einen großen Schlüssel von seiner Halskette. Dann stieg er zwei Stufen zu einer dunklen Kammer hinunter.

Haru und Jazz warteten an der Türschwelle.

»Sie sollten sich besser beeilen!«, rief Kowalski und reckte die Pistole.

Byrd steckte den Schlüssel in eine Konsole und drehte ihn energisch. An der Reservesteuerung flammten Kontrolllampen auf.

Ein Schuss ließ Jazz zusammenzucken und sich ducken. Ihr dröhnten die Ohren. Trotzdem vernahm sie den Überraschungsschrei, der von der oberen Ebene kam.

Hinter ihr wechselte Kowalski auf der Treppe die Position und zielte erneut nach oben.

Er hatte gerade noch rechtzeitig reagiert.

Die Stelle, an der er gestanden hatte, wurde mit einem Sturmgewehr unter Feuer genommen. Die Kugeln prallten vom Stahlboden ab, Querschläger sirrten umher und trafen auch die Verglasung.

Jazz zuckte erneut zusammen und duckte sich noch mehr.

Kowalski feuerte, dann rief er: »Jetzt oder nie!«

»Einen Moment!« Byrd schlug mit der Faust auf einen roten Knopf mit der Aufschrift FEUER .

Augenblicklich gellte der Alarm. Über ihnen schlugen nacheinander mehrere schwere Schotts zu und riegelten die Ebene ab. Der Boden zitterte.

Zwei Objekte purzelten die Stufen herunter und verspritzten Blut. Sie landeten am Fuß der Treppe.

Abgetrennte Beine.

Jazz schnappte nach Luft und wäre beinahe in die Kammer gefallen. Der Schütze hatte anscheinend unmittelbar vor dem Schott gesessen und für seine Unvorsichtigkeit bitter bezahlt.

Kowalski trat über die Beine hinweg, als wären es Holzscheite. Er musste schreien, um den Feueralarm zu übertönen. »Damit erkaufen wir uns nicht viel Zeit. Sie werden einfach ein paar Semtex-Ladungen über uns anbringen.«

Byrd tat vor zwei rote Hebel. »Dann sollten wir besser nicht mehr hier sein.«

Er legte den kleineren Hebel mit der Aufschrift ANKER um. Draußen knallte es gedämpft. Vor den Fenstern fielen dicke Seile von den Seiten der Station herab und landeten auf dem Meeresgrund. Die Unterwasserstation drehte sich leicht über dem Riff. Die Schubdüsen schalteten sich ein und versuchten laut brummend, die schwankende Station zu stabilisieren.

»Inwiefern soll uns das zur Flucht verhelfen?«, fragte Kowalski.

»Einen Moment.«

Byrd betätigte vier Schalter, die daraufhin aufleuchteten – dann legte er den großen Hebel um. Er brauchte beide Hände und musste sein ganzes Körpergewicht einsetzen, um ihn herunterzudrücken. Der Hebel war mit ABKOPPELN beschriftet.

Als er einrastete, schepperte es in der ganzen Station. Jazz verlor das Gleichgewicht und hielt sich am Türrahmen fest. Der Feueralarm verstummte jäh. In der nachfolgenden Stille wurde das Geräusch der Schubdüsen lauter.

Jazz beobachtete, wie das Riff unter ihnen vorbeizog. »Was ist los?«

»So haben wir die fünf Ebenen der Station zusammengesetzt«, erklärte Byrd. »Stück für Stück.«

Er wandte sich einer Reihe von Schaltern zu, die hinter ihm aufgeleuchtet hatten. Darüber wölbte sich das Glasfenster. Byrd legte die Hand auf ein großes Steuerhorn.

»Jede einzelne Ebene ist ein selbstständiges U-Boot«, erklärte er. Er drückte das Steuerhorn nach vorn, worauf die Schubdüsen lauter wurden. »Wie hätten wir die Ebenen sonst hier unten zusammenfügen können? Sie mussten manövrierfähig sein, um sie stapeln zu können.«

Jazz fand das Gleichgewicht wieder und taumelte zu einem der Fenster. Sie legte die Hände aufs Glas und blickte zur Unterwasserstation hinüber. Sie leuchtete im Dunkeln, während sich die einzelnen Ebenen allmählich voneinander lösten.

»Wenn es zu keiner Störung kommt, steigen die Ebenen autonom zur Oberfläche auf.« Byrd schaute sich um. »Wie bereits gesagt, habe ich verschiedene Sicherheitsvorkehrungen eingebaut.«

Haru beobachtete staunend die Entkoppelung der Ebenen. »Was ist mit den Leuten da drinnen?«

»Wenn eine Ebene in Bewegung ist, werden die U-Boot-Docks automatisch abgeriegelt. Die Benutzung wäre zu riskant. Die Sperrung lässt sich manuell umgehen, doch ich bezweifle, dass die Eindringlinge das wissen.«

Kowalski stellte sich neben Jazz und stieß eine Qualmwolke aus. »Dann haben Sie die Dreckskerle also zusammen mit dem Personal eingesperrt.«

Byrd zuckte mit den Schultern. »Sie werden sich hüten, die Sprengladungen zu zünden.«

Kowalski schnitt eine Grimasse und schaute nach oben. »Wegen denen mache ich mir keine Sorgen – sondern wegen der Leute, die sie geschickt haben. Denen ist es vielleicht egal, wie viele Menschen hier unten sterben.«