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24. Januar, 3:38 NZDT
Pazifik, tausend Kilometer nordöstlich von Auckland

Adam, der in der Cormorant hinten saß, beugte sich zwischen Datuk und Monk vor. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn – der Grund war nicht nur seine Anspannung. Die Luftfeuchtigkeit hatte während des Abstiegs stetig zugenommen.

»Wie sieht’s aus?«, fragte er.

Datuk zeigte auf die Monitore. »Ich messe keine erhöhte Strahlung mehr. Nach Durchstoßen der Salzschicht hat sie kontinuierlich abgenommen. Seit zwanzig Minuten liegt sie fast bei null. Die Gefahr ist überstanden.«

Der Pilot saß neben Phoebe. Nachdem die Strahlungsintensität auf ein erträgliches Maß abgesunken war, hatte er in verschiedenen Tiefen innegehalten. Jedes Mal hatte er so wie jetzt einen Systemcheck durchgeführt. Die Hälfte der Kontrollleuchten an der Steuerkonsole blinkte rot. Noch besorgniserregender waren die an mehreren Stellen aufsteigenden Rauchfahnen. Bryan hatte ihnen versichert, wegen der Kurzschlüsse brauche man sich keine Sorgen zu machen.

Trotzdem war Adam sich der Feuergefahr in dem Unterwasserfahrzeug deutlich bewusst. Er schaute auf den Monitor. Die Cormorant befand sich in tausend Metern Tiefe.

»Von hier aus sollten wir den Aufstieg abschließen können«, sagte Bryan. »Ich habe den elektrischen Stellmotor umgangen und den Ballast manuell freigegeben.«

Sie begannen wieder zu steigen, doch das war in der tiefen Dunkelheit nicht zu erkennen. In der isolierten Tauchkapsel hatte man kein Gefühl für Bewegung. Der einzige Beleg dafür waren die abnehmenden Werte der Tiefenanzeige.

Bryan betätigte mehrfach einen Schalter; offenbar versuchte er, eine ausgefallene Komponente wieder in Betrieb zu nehmen.

Monk schnitt eine Grimasse. »Vielleicht hätten wir besser ein paar der Zusatzakkus behalten, anstatt sie alle abzuwerfen.«

Adam wollte den Piloten nicht im Nachhinein kritisieren. Die Strahlung war nach dem Beben so schnell angestiegen, dass er den Abwurf der Zusatzgewichte mit Erleichterung aufgenommen hatte.

Hauptsache, wir kommen schnell nach oben.

Trotzdem dauerte der Aufstieg länger als der Abstieg. Als die Strahlengefahr überwunden war, hatte Bryan auf einem behutsameren Aufstieg bestanden. Zumal die Cormorant mit der Korallenkrone Kontakt gehabt hatte, als die Bodenwelle vorbeigelaufen war. Bei der kurzen Berührung waren mehrere Systeme beschädigt worden.

»Haben wir überhaupt genug Strom, um die Oberfläche zu erreichen?«, fragte Phoebe.

Bryan nickte und wischte sich über die Stirn. »Da die meisten Systeme abgestellt sind, sollten die Bordakkus reichen.«

»Was ist mit der Verbindung zur Titan X ?«, fragte Monk.

Phoebe hielt einen Kopfhörer hoch. »Funktioniert nicht. Ich bekomme nur Störungen rein. Das ist ein bekanntes Problem bei Akustikmodems – sie reagieren überempfindlich auf Hintergrundgeräusche. Kilometerweit entfernte Walgesänge können Schallwellen blockieren und die Kommunikation für Stunden unterbrechen.«

»Was ist die Ursache der Interferenzen?«, fragte Adam.

»Die können alle möglichen Ursachen haben«, antwortete Phoebe. »Im Meer gibt es mehr Geräusche, als den meisten Leuten bewusst ist. Am Sur Ridge vor der kalifornischen Küste bin ich mal auf eine Kolonie Pistolenkrebse gestoßen, die unser Sonar gestört haben. Sie gelten als die lautesten Lebewesen des Planeten. Mit ihrer großen Schere erzeugen sie eine Vakuumblase, die beim Kollabieren tausend Grad heißes leuchtendes Plasma freisetzt. Sie verschießen tatsächlich Kugeln, um ihre Beute zu töten. Und sind dabei extrem laut. Eine Kolonie übertönt kilometerweit im Umkreis alle anderen Geräusche.«

Monk nickte. »Die DARPA untersucht gegenwärtig, ob man die Knallgeräusche der Krebse sowie die Laute revierbildender Zackenbarsche zur Detektion von Unterwasserbedrohungen einsetzen kann, anstatt sie von Schiffen oder von Bojen aus mittels Sonar zu orten. Das Projekt namens PALS  – Persistent Aquatic Living Sensors – sucht nach einem Algorithmus, der es Forschern erlauben würde, die natürlichen Hintergrundgeräusche der Meereslebewesen als aktives Sonar zu nutzen, dessen Schallwellen von verborgenen Objekten reflektiert werden.«

Phoebe musterte ihn erstaunt. »Tatsächlich?«

Monk zuckte mit den Schultern. »Die DARPA sucht immer nach Innovationen. Die Meere bedecken ­siebzig Prozent der Erdoberfläche, was sie zu einem riesigen Schlachtfeld macht, auf dem die Spannungen rasch zunehmen. Besonders in dieser Region.«

Das trübte Phoebes anfängliche Begeisterung. Die ­Natur für den Krieg einzuspannen, ging ihr gegen den Strich.

Adam lenkte die Unterhaltung auf das eigentliche Thema zurück. »Also, Phoebe, haben Sie eine Ahnung, woher die Störgeräusche kommen?«

»Das hört sich an, als würde draußen Kies ausgeschüttet. Vielleicht hören wir ja den Nachhall der tektonischen Verschiebungen.«

Datuk hob eine Braue. »Die Erde knirscht mit den Zähnen.«

Adam gefiel die Formulierung nicht.

Monk deutete auf den Kopfhörer. »Lassen Sie mal hören.« Er setzte den Kopfhörer auf und lauschte angestrengt eine volle Minute lang, dann reichte er ihn an Adam weiter. »Was meinen Sie?«

Adam legte beide Hände auf die Ohrmuscheln. Das Geräusch füllte seinen Kopf aus. Er schloss die Augen. Es hörte sich an wie eine Kieslawine, die einfach nicht zum Stillstand kam. Lediglich die Lautstärke schwankte. Er hatte ein flaues Gefühl.

Das kann nicht sein …

Er reichte Monk den Kopfhörer zurück. Der Sigma-Agent fixierte ihn unverwandt. Offenbar wartete er auf eine Bestätigung.

Adam nickte.

Monk schaute aus dem Vorderfenster der Cormorant , die immer höher stieg. Ein Blick auf den Tiefenmesser ergab, dass sie inzwischen die lichtlose Zone hinter sich gelassen hatten. Allerdings war es um diese Uhrzeit hier ebenso dunkel wie in der Tiefe des Grabens.

Trotzdem hielt Monk Ausschau nach einer Bedrohung. Das Knirschen musste nichts bedeuten. Es könnte sich um den Nachhall der tektonischen Verschiebungen handeln, wie Phoebe gemeint hatte. Doch es könnte auch auf eine unmittelbare Bedrohung hindeuten, die sich ganz in der Nähe befand.

Das Geräusch ähnelte dem Kavitationsgeräusch eines Propellers, der immer näher kam und dabei einen Dopplereffekt erzeugte.

Adam hoffte, dass er und Monk sich irrten, vor allem in Anbetracht der Herkunft des Wracks in der Tiefe. Er beugte sich vor und schaute ebenfalls nach draußen. Er spürte, dass ihr Bauchgefühl sie nicht trog.

Da draußen versteckt sich ein U-Boot.

4:12

Als die Cormorant an die Oberfläche brach, wurde sie von einem lauten Knall begrüßt. Bereits seit zwei Minuten hörten sie gedämpfte Explosionen. Es klang so, als wären sie mitten in einer Seeschlacht gelandet. Alle drängten sich am Vorderfenster.

»Ich löse jetzt das Freibordgewicht«, sagte Bryan.

Kleine Bolzen wurden ausgestoßen, worauf die Cormorant noch etwas höher stieg. Das Glasfenster ragte jetzt zu drei Vierteln aus dem Wasser.

Der sich ihnen bietende Anblick ergab keinen Sinn. Es sah aus, als wären sie in einer anderen Welt aufgetaucht. Sterne waren keine zu sehen. Die dichten Wolken hingen tief. Blitze zuckten – doch was sie hörten, war nicht der Donner.

Im Osten stand der Horizont in Flammen. Orangeroter Lichtschein erhellte die Dunkelheit. An einer Stelle waren sogar lodernde Flammen zu erkennen.

»Vulkane«, sagte Phoebe.

Eine weitere Eruption wurde von einem Feuerspektakel begleitet. Sie blickte Adam an, dachte an die Karten, die er ihr gezeigt hatte, und die von ihm vorhergesagte Katastrophe.

Ist sie jetzt eingetreten?

Adam zeigte nach vorn. »Das müssen die Kermadec-Inseln sein. Die Inselkette verläuft neben dem Graben und reicht von Neuseeland bis nach Tonga.«

»Lebt dort jemand?«, fragte Monk.

Adam schüttelte den Kopf. »Die Inseln sind alle unbewohnt. Ich glaube, auf einer gibt es eine Forschungsstation, die zeitweise bemannt ist.«

»Ein Glück«, sagte Monk.

Phoebe verspürte eine gewisse Erleichterung.

Nicht nur diese Inseln sind bedroht.

Sie sah Adam über die Schulter und dachte an die Regionen westlich des Grabens mit ihren über hundert Vulkanen, deren Ausbruch er und sein Onkel für besonders wahrscheinlich hielten. Adam erwiderte ihren Blick, ehe sie wegschauen konnte.

»Ist es bereits zu spät?«, fragte Phoebe.

Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen an Bord der Titan X gehen, um das herauszufinden.«

Sie wandte sich um. Eine feine Ascheschicht hatte sich auf dem Fenster abgesetzt. Auch im Wasser, das am Glas hochschwappte, war Asche.

Bryan zog das Steuerhorn neben seinem Sitz nach hinten. Die Schubdüsen summten. Als die Cormorant sich drehte, gelangte die große Jacht in Sicht. Die Bordlichter wurden durch den Ascheregen getrübt. Auch die große Kuppel der Science City war mit einer dunklen Schicht bedeckt.

Der Pilot drückte einen Schalter, worauf an der Oberseite ein Xenon-Stroboskop zu blitzen begann. Aufgrund der Einweisung wusste Phoebe, dass auch ein Iridium-Satellitenfunkfeuer eingeschaltet worden war.

Bryan nahm ein Funkgerät in die Hand. »Jetzt, da wir aufgetaucht sind, kann ich die Titan X anfunken und die Bergung veranlassen.«

»Beeilen Sie sich«, sagte Adam und wechselte einen besorgten Blick mit Monk, worauf er Datuk forschend musterte.

Phoebe hatte den Eindruck, Adams Besorgnis gelte nicht allein den Vulkanausbrüchen. Beide Männer schauten aufs Wasser hinaus, ohne die erhellte Titan X weiter zu beachten.

Bryan stellte den Kontakt mit der Funkzentrale her und unterhielt sich im unverständlichen Pilotenslang, nichts als Abkürzungen und knappe Anweisungen. Als er fertig war, erhob er sich von seinem Sitz und zwängte sich durch zum schweren Drehrad der Dachluke. Er kurbelte daran und drückte den Deckel hoch. Dann kletterte er in den kurzen Ausstiegsschacht und öffnete die Außenluke. Er drückte sie gerade so weit hoch, dass frische Luft hereinströmte – wenngleich von frisch eigentlich keine Rede sein konnte. Es stank nach verbranntem Schwefel. Er öffnete die Luke nicht weiter, damit keine Asche ins Innere der Tauchkapsel gelangte.

Draußen hielt das Grollen an, untermalt von lauteren Detonationen.

»Was gibt es Neues von der Jacht?«, fragte Adam, nachdem Bryan sich wieder gesetzt hatte.

»Der Funkverkehr ist stark gestört. Ich bin wohl nur deshalb durchgekommen, weil wir praktisch auf Tuchfühlung sind.«

Phoebe runzelte die Stirn. »Wissen Sie, was mit der Titan -­Station ist?«

»Zuletzt wurde von dort gemeldet, die Beben hätten sich verstärkt und die Evakuierung sei angeordnet worden. Alle sollen den Sturm in der Überwasserstation abwettern.«

Phoebe atmete gedehnt aus.

Dann ist wenigstens Jazz in Sicherheit.

»Und dann nichts mehr?«, fragte Monk.

»Wie gesagt, der Funkverkehr ist gestört. Ich kriege nicht mal eine Satellitenverbindung zustande.«

Phoebe schaute aufs dunkle Meer hinaus.

Dann sind wir also abgeschnitten.

4:44

Monk stand im Bug des Bergungsboots. Das Festrumpfschlauchboot durchteilte mit brummendem Motor die aschebedeckten Wellen und schleppte die Cormorant hinter sich her. Neben ihm stand Adam. Phoebe und Datuk saßen auf der Bank. Sie hielten dampfende Becher Kaffee in der Hand, die ihre Retter ihnen gegeben hatten.

Bryan war im abgeschleppten DSV geblieben. Er würde dabei helfen, das Unterwasserfahrzeug mit dem Kran am Heck der Titan X zu verbinden. Sie wollten die Cormorant so schnell wie möglich für den nächsten Tauchgang vorbereiten, wenngleich noch unklar war, wann es dazu kommen würde. Die Strahlengefahr ließ sich nicht aus der Welt schaffen. Trotzdem stellte sich die Frage: Was zum Teufel ist in dem Graben los?

Monk beschäftigte jedoch noch eine größere Sorge, die sogar den flammenden Horizont und den Ascheregen in den Hintergrund treten ließ. Er hielt Ausschau nach einem U-Boot. Dass es nicht auftauchte, bestärkte ihn in seiner Vermutung, dass es sich um ein chinesisches Boot handelte.

Falls überhaupt eins da draußen ist.

Als Erstes wollte er den Sonarraum der Jacht aufsuchen. Als Meeresforschungsschiff war sie weit besser ausgerüstet als die Cormorant . An Steuerbord fiel ihm eine Bewegung ins Auge. An der anderen Seite der Titan X durchschnitt ein roter Mast das Wasser.

Allerdings war er zu klein, als dass es sich um den Turm eines militärischen U-Boots hätte handeln können.

Adam bestätigte seine Beobachtung. »Das ist eines der beiden DriX-USV s. Es ist noch immer mit seinem Gegenstück gekoppelt. Sie sind darauf programmiert, um die Titan X zu kreisen und das Meer zu beobachten.« Er wandte sich an Monk. »Könnten die Propeller der beiden USV s die Ursache der Interferenzen gewesen sein, die wir gehört haben?«

Monk schüttelte den Kopf. »Dafür sind sie zu leise. Wir hätten sie beim Aufstieg nicht gehört. Zu hören waren nur die Echolot-Pings, mit denen sie unseren Abstieg verfolgt haben. Und die sind laut und deutlich vernehmbar.«

Adam nickte. »Wie geht es jetzt weiter?«

Monk fasste den roten Mast in den Blick. »Einstweilen lassen wir die beiden Haie hier draußen kreisen. Für alle Fälle.«

»Dann glauben Sie also immer noch, dass wir hier nicht allein sind.«

»Es schadet nicht, wenn man Augen und Ohren offen hält.«

Das Boot hatte die Titan X erreicht. Sie gingen an Bord und wandten sich zum Frachtraum am Heck. Bryan überwachte derweil die Bergung der Cormorant .

Monk schaute zu den Feuern am Horizont hinüber. Das Grollen und die Detonationen hatten sie zur Jacht begleitet. Die Wolkendecke war noch dichter geworden, die Luft von Asche und Rauch erfüllt. Die in den Wolken gespeicherte Energie entlud sich mit heftigen Blitzen. Einer der Vulkane spuckte noch höhere Flammen aus.

Er verzog das Gesicht.

Wir müssen die Ursache herausfinden.

Er dachte an das havarierte U-Boot im Graben, den leuchtenden Korallenwald und die sich ausbreitende Todeszone. Die unmittelbare Gefahr aber durfte er nicht außer Acht lassen.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl stolperte Phoebe auf einmal, offenbar vom Schlafmangel erschöpft. Er hielt sie ungern auf Trab, aber …

Als sich die Fahrstuhltür öffnete, berührte er sie am Ellbogen. »Phoebe, kann ich Sie kurz sprechen?«

Datuk trat in den Fahrstuhl und hielt die Tür auf.

»Wir nehmen den nächsten«, sagte Adam.

Datuk wirkte verwirrt, war aber zu müde, um etwas zu sagen. Er nahm die Hand weg, die Tür ging zu.

Monk wartete, bis die Kabine nach oben stieg, dann wandte er sich an Phoebe. »Adam hat mir gesagt, Sie wären qualifiziert, ein DriX-USV zu steuern.«

Sie schüttelte sich Asche aus dem Haar und musterte ihn mit ihren warmen braunen Augen. »Qualifiziert ist vielleicht ein wenig schmeichelhaft, aber ja, ich kenne mich damit aus.«

»Und mit zweien

Sie kniff die Augen zusammen. »Wieso fragen Sie?« Sie blickte Adam an. »Was hat Ihnen einen solchen Schrecken eingejagt?«

Monk wusste ihren Scharfsinn zu schätzen und sah keinen Grund, sie anzulügen. »Ich möchte, dass Sie uns dabei helfen, ein U-Boot zu jagen – und diesmal kein Wrack.«

Sie blickte zwischen ihm und Adam hin und her. Ihre nächsten Worte waren ein weiterer Beleg für ihre Cleverness. »Sie glauben, die Chinesen haben ein weiteres Boot geschickt. Um das havarierte U-Boot zu schützen. So haben Sie die akustischen Signale interpretiert.«

»Sicher sind wir uns nicht«, meinte Adam verlegen.

Phoebe zuckte mit den Schultern. »Dann sollten wir uns Gewissheit verschaffen.«

Monk lächelte, als sie sich vom Aufzug abwandte. Er und Adam folgten ihr.

Die Überwachungsstation für die beiden DriX-Einheiten befand sich gleich neben dem Frachtraum am Heck. Sie zwängten sich in den kleinen Raum, wo ein einzelner Funker die leuchtenden Monitore überwachte.

Der junge Techniker erhob sich bei ihrem Eintreten und musterte sie erstaunt. »Wie war der Tauchgang?«

»Wir mussten abbrechen«, antwortete Phoebe knapp.

Der Mann zeigte auf die Überwachungskonsole. »Ich wollte gerade alles abschalten und die USV s zurückrufen, bevor der Ascheregen weiter zunimmt.«

»Wir kümmern uns drum«, sagte Monk. »Wir möchten uns gern ein paar Daten ansehen, bevor wir uns zurückziehen.«

»Ich helfen Ihnen gern …«

Adam fasste ihn beim Ellbogen und schob ihn nach draußen. »Wir kommen schon zurecht.«

Als er die Tür hinter dem Techniker geschlossen hatte, wandte sich Phoebe an ihn. »Wieso kann der Techniker uns nicht helfen? Er kennt sich mit dem System bestimmt besser aus als ich.«

»Im Moment sollte das noch unter uns bleiben«, meinte Adam.

Monk nickte. »Wenn in diesen Gewässern eine Gefahr lauert, ist es besser, der Gegner weiß nicht, dass wir ihn entdeckt haben.«

»Und falls wir uns getäuscht haben sollten«, setzte Adam hinzu, »gibt es keinen Grund, Panik auszulösen. Wir haben schon Sorgen genug.«

Phoebe runzelte die Stirn. Offenbar war ihr die Heimlichtuerei nicht recht. Trotzdem nahm sie auf dem Sitz vor der Konsole Platz. Sie musterte rasch die beiden Monitore, die den beiden DriX zugeordnet waren. Da das Fächerecholot nach dem Tauchgang abgeschaltet worden war, waren die beiden Sonarmonitore dunkel, doch kleinere Fenster zeigten Position und Betriebsdaten der beiden USV s an.

»Sie sollten koordiniert kreisen«, sagte Monk. »Eins auf jeder Seite der Titan X

Phoebe beugte sich zu einem kleinen Display vor, das die Position der DriX relativ zur Jacht anzeigte. »Das ist korrekt.«

»Können Sie den Kreisradius vergrößern? Nach und nach. Keine plötzlichen Veränderungen.«

Sie beugte sich über die Tastatur, machte ein paar Eingaben und manövrierte mit der Maus durch mehrere Menüs. »Erledigt. Mit jeder Umkreisung erhöht sich der Radius um fünf Prozent.«

Monk nickte. »Können Sie Pings programmieren? So regelmäßig wie ein Uhrwerk. Als laufe eine automatisierte Routine ab.«

»Kein Problem.« Sie beschäftigte sich wieder mit der Steuerung. »Ich schaltete sie so, dass sie im Fünf-Minuten-Abstand pingen.«

Adam wandte sich an Monk. »Und jetzt?«

Monk hob die Schultern. »Wir warten. Bei der Jagd ist Geduld ebenso wichtig wie Schläue und Feuerkraft.«

Monk und Adam setzten sich. Alle fünf Minuten sandte eine der DriX-Einheiten eine sich ausbreitende Schallwelle zum Meeresboden aus. Auf den Monitoren wurden regelmäßig 3-D-Bilder sichtbar, welche die Wassertiefe und den Meeresgrund zeigten.

Immer wieder leuchtete der Graben mit seinen hohen Felswänden und dem dunklen Schatten in der Tiefe auf. Die Auflösung reichte aus, um die Narbe im Korallenwald erkennen zu können. Selbst das an der einen Seite eingedrückte Wrack des chinesischen U-Boots war zu sehen.

Monk aber konzentrierte sich auf die höher gelegenen Meeresregionen.

Eine Stunde verstrich, ohne dass sie fündig wurden.

»Vielleicht haben wir uns getäuscht«, meinte schließlich Adam mit einem herzhaften Gähnen.

Phoebe legte den Kopf schief und kniff ein Auge zusammen. »Oje.«

»Was ist?«, fragte Monk.

Phoebe beugte sich vor, hämmerte auf die Tastatur und schaltete zwischen der Aufzeichnung des ersten und des letzten Pings hin und her.

»Was sehen Sie?«, fragte Adam, der aus der Anzeige ebenso wenig schlau wurde wie Monk.

»Einen Moment noch. Ich regele die Opazität nach.«

Phoebe machte noch ein paar Eingaben, dann überlagerten sich die transparenten Bilder. Die Wände fügten sich exakt übereinander, so wie auch der größte Teil des Meeresgrunds, doch für die Bildmitte galt das nicht. Auf dem aktuellen Bild waren die Korallenkrone und das U-Boot Dutzende Meter abgesackt.

»Was geht da vor?«, fragte Adam.

»Es sinkt.« Phoebe runzelte die Stirn. »Vielleicht hat die Strahlung den darunter befindlichen Wald so stark geschwächt, dass er unter dem Gewicht des U-Boots nachgibt.«

»Wäre das möglich?«, fragte Monk. »Das U-Boot gibt seit mehr als zwei Wochen Strahlung ab. Weshalb sollten die Korallen gerade jetzt nachgeben?«

»Könnte das die Folge eines Bebens sein?«, fragte Adam.

»Vielleicht.«

Das zweite DriX sendete einen Ping. Phoebe ordnete den neuen Scan über den beiden anderen an.

»Es sinkt immer noch«, meldete sie. »Um weitere acht Meter.«

In der nächsten halben Stunde beobachteten sie, dass die Sinkgeschwindigkeit zunahm, was sie sich nicht erklären konnten.

Phoebe runzelte die Stirn. »Wenn das U-Boot lediglich auf dem nachgebenden Wald aufliegt, sollte die Sinkgeschwindigkeit wegen der sich anhäufenden Bruchstücke abnehmen. Doch das ist nicht der Fall. Ich glaube, ich weiß, was …«

Beim nächsten Sonarscan stockte allen der Atem.

Phoebe beugte sich vor und musterte den Meeresgrund.

Das havarierte U-Boot war verschwunden.

6:30

Phoebe ignorierte das Gemurmel der beiden Männer. Sie hatten Geheimnisse vor ihr, und sie sah keinen Grund, sich mit der Beantwortung ihrer Fragen zu beeilen.

Stattdessen aktivierte sie den sedimenttechnografischen Profiler einer der DriX-Einheiten und machte einen Echtzeitscan des schwarzen Lochs in der Koralle. Sie betrachtete die Querschnitte, die immer weiter in die Tiefe vordrangen.

Der Boden war nicht zu erkennen.

Frustriert lehnte sie sich zurück.

Adam berührte sie behutsam an der Schulter, als rechnete er mit einer Abwehrreaktion. »Was ist da unten passiert?«

»Das, was ich befürchtet habe.«

»Und das wäre?«

»Ein Riss hat sich unter dem U-Boot aufgetan. Er hat es zusammen mit einem großen Teil des Korallenwalds verschluckt.« Sie blickte Monk und Adam an. »Ich weiß nicht, ob das eine Folge des Bebens ist oder ob der Riss bereits vorhanden war. Vielleicht hat die Strahlung die Korallenbrücke geschwächt, die ihn überspannt hat. Als sie einbrach, ist alles in die Tiefe gestürzt.«

Adam sah auf den Monitor. »Aber was könnte dort unten sein?«

Phoebe seufzte frustriert. »In der Tiefe lässt sich nichts erkennen.«

»Könnte das, wonach wir suchen – der Auslöser der tektonischen Instabilität –, dort zu finden sein?«, fragte Monk. »Das ist jedenfalls der Ausgangspunkt der merkwürdigen Häufung von Beben.«

Phoebe sah die beiden Männer an. »Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.«

Adam schloss die Augen. Er wusste, was sie meinte. »Strahlung hin oder her, wir müssen noch mal ­runtergehen.«

Sie nickte langsam.

Eine der beiden DriX-Einheiten setzte einen weiteren Ping ab. Sie beugte sich vor, in der Hoffnung, dass der Scan ihnen neue Einblicke in die Vorgänge in der Tiefe ermöglichen werde.

An der rechten Seite verdeckte jedoch etwas die Sticht: das mit Flossen besetzte Ende eines sich verjüngenden Objekts. Es befand sich in etwa 200 Metern Tiefe.

Phoebe war klar, worum es sich handelte. »Sie hatten recht.«

Sie warteten, bis das zweite DriX die Position erreicht hatte und einen Ping auslöste. Die Sicht nach unten war wieder frei. Das U-Boot-Heck war verschwunden.

»Wissen sie, dass wir sie entdeckt haben?«, fragte sie.

Monk schüttelte den Kopf. »Schwer zu sagen. Den Ping hat man vermutlich registriert, aber hoffentlich ordnen sie ihn als Routinesignal der Einheiten ein. Dass wir das Heck gesehen haben, deutet darauf hin, dass der Kapitän sich in Sicherheit wiegt und davon ausgeht, dass die Titan X , ein unbewaffnetes Forschungsschiff, keine Bedrohung darstellt.«

»Was sollen wir tun?«, fragte Phoebe. »Können wir einen Tauchgang mit der Cormorant wagen, obwohl dieser Hai in den Gewässern kreist?«

Monk rieb sich das Kinn. »Worauf wollen Sie hinaus?«

»Was macht das U-Boot hier? Weshalb umkreist es die Titan X

»Vielleicht hat es die Aufgabe, das U-Boot-Wrack zu bewachen«, meinte Adam. »Zu verhindern, dass jemand zu ihm hinuntertaucht.«

Monk schüttelte den Kopf. »Nein, es wartet auf etwas anderes.«

»Worauf?«, fragte Phoebe.

Monk blickte in die Runde. Offenbar war er sich seiner Sache sicher. »Auf Verstärkung.«