Im Bug der Titan X kletterte Monk über einen großen roten Anker. Das Ding war zweimal so groß wie er und füllte den kleinen Stauraum an der Steuerbordseite der Jacht aus. Dahinter lag eine aufgerollte Kette.
Er ging zur offenen Luke und beugte sich hinaus in der Hoffnung, dass niemand beobachtet hatte, wie er sie geöffnet hatte. Auf der Brücke blinkte jetzt vermutlich eine Warnleuchte, doch die Besatzung würde bestimmt Stillschweigen bewahren.
Zumindest ein paar Minuten lang.
Vor Betreten des Stauraums hatte er sich entkleidet und Tauchausrüstung angelegt: Luftflasche und Weste sowie Tauchmaske und Schwimmflossen. Er wäre auch ohne Ausrüstung geschwommen, hatte aber in einem Spind die Ausrüstung entdeckt. Vermutlich diente sie dazu, bei Problemen den Anker zu inspizieren.
Er hatte Glück gehabt.
Und das kann ich im Moment gut gebrauchen.
Monk blickte aufs dunkle Wasser hinaus, in dem sich die Lichter der Jacht spiegelten. Das Amphibienfahrzeug mit seinen großen Pontons war 300 Meter entfernt. Der Motor brummte im Leerlauf.
In der Ferne flammten die Vulkane der Kermadec-Inseln.
Mit zusammengekniffenen Augen hielt er Ausschau nach dem chinesischen U-Boot. Möglicherweise war es nach dem Eintreffen des Helikopter-Landedocks wieder getaucht. Oder es befand sich an der anderen Seite der Jacht.
Er beugte sich vor und spähte am Heck vorbei.
In anderthalb Kilometern Entfernung leuchtete eine kleine Stadt. Das Landedock bot einen beeindruckenden Anblick – inzwischen wusste er, dass es die Dayangxi war. Sie war etwa halb so groß wie ein Flugzeugträger. Seit dem Auftauchen hielt sie sich im Hintergrund. Wie das U-Boot diente sie wohl als Back-up für das autonome Netz, in dem die Titan X gefangen war.
Auf einmal zuckte ein so greller Blitz über den Himmel, dass Monk zurückfuhr. Er wartete, bis es wieder dunkel geworden war, denn er wollte nicht gesehen werden.
Jetzt oder nie.
Er setzte sich auf den Rand der Luke und ließ sich ins Wasser gleiten, darauf bedacht, einen Klatscher zu vermeiden. Dann sank er in einen schwarzen Abgrund hinab. Eilig regelte er die Tauchweste ein und stoppte den Sinkvorgang bei drei Metern. Tiefer wagte er nicht zu gehen – und das aus gutem Grund.
Ich bin hier unten nicht allein.
Das tiefe Brummen des LCAC war zu hören. Hellere Pings und ein unheimliches Jaulen machten ihm bewusst, dass in diesen Gewässern auch UUV s und AUV s unterwegs waren.
Als er losschwamm, hoffte er, dass die Sensoren ihn als normales Meeresgetier einstufen würden, etwa als umherwandernden Delphin. So gesehen war es vielleicht keine kluge Entscheidung gewesen, die Taucherausrüstung anzulegen. Doch selbst wenn er nackt losgeschwommen wäre, hätte er Metall mitführen müssen. Er wollte das andere Schiff nicht unbewaffnet betreten.
Er hatte einen wasserdichten Beutel mit einer QBS -Pistole an der Weste befestigt und ein Sturmgewehr geschultert.
Darauf bedacht, keine unnötigen Geräusche zu machen, ließ er sich vom Brummen der Maschine zum Ziel geleiten. Außerdem hoffte er, dass die Detonationen der Vulkane, die elektrischen Entladungen in der Luft und die elektromagnetischen Störwellen seine Annäherung verbergen würden.
Doch es nutzte nichts.
Er war kaum hundert Meter weit gekommen, da traf ihn von unten ein scharfer Ping. Er tat ihm in den Ohren weh und versetzte seinen Brustkorb in Resonanz. Man hatte ihn geortet. Irgendwo in der Tiefe lauerte etwas.
Einer der Stahlhaie hatte ihn entdeckt.
Daiyu versuchte zu verstehen, was er sah. Langsam sank die Tauchkapsel durch den abgestorbenen Korallenwald. Äste und Verzweigungen waren abgebrochen, als wäre ein Riese hindurchgestapft.
In der Dunkelheit machte sie in der Ferne einen Lichtschimmer aus. Während die Quianliyan zum Grund sank, war ihr aufgefallen, wie breit das Korallenfeld war. Jenseits der zerstörten Zone war das Leuchten atemberaubend gewesen: schillerndes Kobaltblau, flammendes Rot, strahlendes Grün.
Sie hatte an ihre Kindheit in der Stadt Mohe denken müssen, gelegen in der Nordspitze der Provinz Heilongjiang. Hin und wieder war ihr Vater mit ihr auf das Dach ihrer Wohnung gegangen, wo vom Schmutz und Lärm nichts zu spüren war. Die Winternächte waren kalt gewesen, es lag Schnee, und die Eiszapfen funkelten wie Dolche. Das Nordlicht waberte in schimmerndem Smaragdgrün und verschiedenen Schattierungen von Blau über den Himmel.
In diesen Momenten fasste ihr Vater sie bei der Hand und flüsterte ihren Kosenamen – Xiao Hu . Er nannte sie nur selten Kleiner Tiger , doch auf dem Dach tat er es immer. Er sagte, der Himmel leuchte nur für sie und künde von einer großen Zukunft.
Daiyu legte die Hände zusammen. Sie war zwar nicht abergläubisch, doch der Anblick der leuchtenden Korallen kam ihr vor wie ein Vorzeichen. Es war, als sei die Aurora Borealis herabgesunken, um sie an das Versprechen ihres Vaters zu erinnern.
Leutnant Yang hatte eine nüchternere Sicht auf die Dinge und folgte allein seinem persönlichen Interesse. »Die Strahlung nimmt zu.«
Daiyu tat seine Warnung ab. »Wir sind ausreichend abgeschirmt. Und die, die wir jagen, sind 3000 Meter tiefer, und wir fangen noch immer ihre Sonarpings auf. Sie halten durch.«
Sie hatte Yang Funkstille befohlen. Den Abstand zur gegnerischen Tauchkapsel hatten sie bereits erheblich verkürzt, da sie aufgrund ihres höheren Gewichts schneller sanken. Außerdem nutzte die Qianliyan die Pings des Zielfahrzeugs, um im Huckepackverfahren die Tiefe zu erkunden. Das andere Fahrzeug – die Cormorant – diente ihnen als Taschenlampe und wies ihnen den Weg.
Jedenfalls im Moment.
Während die Qianliyan weiter sank, geriet der Korallenwald außer Sicht. An seine Stelle traten steile Felswände und geborstenes Gestein. Sie hatten den Riss erreicht.
Yang wandte sich ihr zu. »Ich habe das andere Fahrzeug bereits angepeilt. Auf Ihren Befehl hin können wir einen der Du-ja-Torpedos abfeuern.«
Er brannte darauf, die Waffe zu testen – und sie auch.
Aber jetzt noch nicht.
»Geduld«, sagte Daiyu. »Sie sind unser Testballon – so wertvoll wie ein Kanarienvogel in einer dunklen Kohlemine.«
Yang brummte zustimmend, wirkte aber unzufrieden.
»Es gibt keinen Grund zur Eile«, versicherte ihm Daiyu und schaute nach oben. »Wir sind gut geschützt.«
Von einem weiteren ohrenbetäubend lauten Ping getroffen, drehte Monk sich im Wasser. Zurück zur Titan X würde er es nicht rechtzeitig schaffen. Er hielt Ausschau nach einer Zuflucht. Der Jäger würde ihn jeden Moment als Bedrohung einstufen und angreifen.
Die Dunkelheit verstärkte das Grauen.
Auf einmal bemerkte er in der Schwärze einen kleinen hellen Fleck, ein feuerrotes Auge. Zunächst glaubte er an eine Sinnestäuschung. Dann hörte er den Antrieb, ein stetiges Summen.
In Erwartung des Schlimmsten wandte er sich um. Das Objekt entpuppte sich als kleines, U-Boot-förmiges Fahrzeug. Es fuhr an der Oberfläche, die Unterseite wurde von einer blinkenden roten Positionsleuchte erhellt. Ein langer Stab mit einem fußballgroßen Schatten am Ende ragte ins Wasser.
Monk schwamm darauf zu, um eine möglichst kleine Ortungsfläche zu bieten. Er wurde von einem weiteren Ping getroffen. Jetzt war er sicher – oder so gut wie sicher –, dass er nicht von dem sich nähernden Fahrzeug gekommen war, sondern von unten.
Er schwamm schneller.
Das blinkende rote Auge kam rasend schnell näher.
Als das Fahrzeug ihn passierte, schlang Monk unmittelbar über dem runden Sonargerät die Arme um den Stab. Beinahe hätte er den Halt verloren, doch er klammerte sich fest. Das Fahrzeug schleppte ihn mit auf seinem vorprogrammierten Kurs.
Er sah nach oben und hätte den Rumpf des DriX am liebsten getätschelt. Dies war eines der beiden Unterstützungsboote für den Tauchgang der Cormorant . Bei dem ganzen Durcheinander und den vielen ähnlichen autonomen Wasserfahrzeugen hatte sich niemand die Mühe gemacht, es zurückzubeordern.
Er ließ sich aufs Meer hinaustragen.
Währenddessen traf ihn ein weiterer Ping. Er hoffte, dass die Patrouillen im Wasser die beiden DriX bereits als ungefährlich eingestuft und gelernt hatten, sie zu ignorieren.
Weiter so.
Er hielt die Luft an und zählte. Als der Jäger das unbekannte Objekt im Wasser noch überprüft hatte, waren die Pings in gleichmäßigen Abständen erfolgt. Vermutlich war er wegen seiner begrenzten Bewaffnung so programmiert, nicht wahllos auf bewegliche Ziele zu schießen.
Gut für mich.
Monk wartete eine volle Minute. Weil er keine weiteren Pings registrierte, wagte er es endlich, seine Position zu verändern. Er pflanzte die Schwimmflossen auf die Sonarboje und streckte den Kopf aus dem Wasser.
Das LCAC war fünfzig Meter entfernt. Bedauerlicherweise lag es außerhalb des Kreises, den das DriX beschrieb, doch es würde nahe daran vorbeikommen. Monk wartete, bis es sich ans Heck des Boots maximal angenähert hatte – dann stieß er sich unter Wasser ab.
Die letzten zwanzig Meter legte er schwimmend zurück.
Er erreichte wohlbehalten das Heck. Stahlseile hingen vom Heckgalgen herab. Das Start- und Bergungssystem wartete auf die Rückkehr des Tauchboots von Kapitän Tse.
Monk nahm die Tauchmaske ab und packte den an einem Stahlseil befestigten Haken. Er zog sich hoch, sicherte die Pistole am Hüftgurt und legte Schwimmflossen, Luftflasche und Weste ab. Die im Leerlauf brummende Maschine übertönte alle anderen Geräusche. An beiden Seiten ragte ein hoher Propeller auf, der momentan stillstand.
Monk schob den Gewehrriemen höher auf die Schulter und kletterte am Stahlseil hoch. Dann pendelte er hin und her und schwang sich auf eine Stange hinter einem der großen Propeller. Er duckte sich, wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war, und lugte zwischen den Propellern hindurch.
Vor ihm erstreckte sich das lange Deck. Er hielt zwischen den Ausrüstungsgegenständen und Drohnen Ausschau nach einer Bewegung. Neben dem Steuerhaus stand ein großer Kampfpanzer. Er wartete fünf Atemzüge lang auf eine Verlagerung der Schatten und lauschte angestrengt.
Das Deck war menschenleer.
Dann zwang ihn eine Bewegung, sich wieder zu ducken.
Eine VTOL -Drohne fiel vom Himmel herab, verharrte einen Moment lang in der Schwebe und senkte sich dann auf die Ladestation ab. Der ganze Vorgang lief vollautomatisch ab. Monk wartete, bis die Positionslichter erloschen waren, erleichtert darüber, dass er nicht entdeckt worden war.
Andererseits sollte die Drohne auch nicht das LCAC überwachen.
Monk blickte zur Titan X hinüber, ein trüb erhellter Berg, bedeckt mit Asche. Kleine Schatten umschwirrten ihn, deutlich abgehoben von der beleuchteten Science City. Monk hoffte, dass die Luftstreitmacht sich weiter auf die Jacht konzentrieren würde.
Er wagte es nicht, länger zu warten. Geduckt lief er übers Deck. Er hielt sich im Schatten, hielt immer wieder an, um die Umgebung zu mustern, und lief dann weiter. Das Gewehr drückte er dabei an die Schulter, die Wange am Lauf.
Als er sich dem Steuerhaus näherte, hörte er Stimmen. Er näherte sich der rückwärtigen Tür und achtete darauf, unterhalb der Fenster zu bleiben. In der Hocke lauschend, unterschied er drei Sprecher, die scherzten und plauderten.
Ja, lacht nur, ihr Arschlöcher.
Eines der Seitenfenster war gekippt. Jemand blies Zigarettenrauch heraus. Monk erhaschte einen Blick auf die glühende Zigarettenspitze.
Er huschte zur Tür und vergewisserte sich mit dem kleinen Finger, dass sie unverschlossen war. Die Männer vertrauten zu sehr den automatischen Systemen und verließen sich darauf, dass von See keine Gefahr drohte.
Monk hatte vor, sie eines Besseren zu belehren.
Er pflanzte die Beine fest auf den Boden, packte die Waffe fester und riss die Tür auf. Drei Gesichter wandten sich ihm zu. Die Männer erstarrten. Monk wartete nicht ab, bis sie sich bewegten; dass sie unbewaffnet waren, war ihm egal. Er drückte mehrmals in rascher Folge ab. Die drei brachen zusammen, die Zigarette flog durch die Luft und landete inmitten von stiebender Glut auf dem Boden.
Monk betrat den Raum und trat die Glut mit dem bloßen Fuß aus.
Dann stieg er über die Toten hinweg und ging zur anderen Seite. Hier sah es weniger nach Steuerhaus, sondern eher nach einem Reinraum für Computer aus. Ohne die Steuerung zu beachten, wandte er sich den seitlich angeordneten Monitoren zu.
Der größte Bildschirm in der Mitte zeigte eine 3-D-Ansicht des umliegenden Meeres über und unter Wasser. Die Darstellung war aus Linien und Polygonen zusammengesetzt, die detaillierte Umrisse abbildeten. Die Titan X war so plastisch wiedergegeben, als hätte ein Architekt sie gezeichnet. Die Linien der Jacht waren hellgrün vor dem Hintergrund des mit schwarzen Linien dargestellten umliegenden Meeres.
Auch das Landedock – die Dayangxi – war aus Linien und Dreiecken zusammengesetzt, allerdings in Dunkelblau, sodass sie von der Umgebung kaum zu unterscheiden war.
Nach dem U-Boot suchte Monk vergeblich. Entweder es befand sich außer Reichweite, oder es vermochte sich vor dem Radar, das die Bilder erzeugte, zu tarnen.
Monk konzentrierte sich wieder auf die Titan X . Auf dem Monitor kreisten kleine Punkte um die Jacht, sowohl über als auch unter Wasser. Blinkende Linien verbanden sie mit dem Schiff.
Monk begriff, was er da vor sich hatte.
Das ist ein Zielerfassungssystem.
Jemand hatte die Titan X ins Visier genommen. Die Flotte der autonomen Drohnen war entsprechend programmiert. Im Moment befand sich das System in einer Art Bewachermodus, die Jacht wurde mit zahlreichen Sensoren beobachtet und von unterschiedlichen Waffen bedroht.
Monk hätte das System gern abgeschaltet, doch der Zugriff war blockiert.
Er brummte verärgert.
Neben dem Monitor leuchtete rötlich ein Handflächenscanner. Obwohl er nicht mit einem Erfolg rechnete, zerrte er die Toten nacheinander zur Konsole und drückte ihre Handflächen auf das Gerät.
Nichts.
Das verwunderte ihn nicht. Er ahnte, wessen Hand hier gebraucht wurde. Er dachte an Kapitän Tse, die Frau mit den kalten Augen. Sie hatte nicht den Eindruck gemacht, als würde sie die Verantwortung gern teilen. Das hatte die Erschießung von Captain Stemm gezeigt.
Frustriert überlegte er, ob er eine Salve auf die Konsole abfeuern sollte, doch er fürchtete, die Bewacher könnten sich daraufhin in Kampfhunde verwandeln. Bestimmt hatte man für einen solchen Fall vorgesorgt. Wenn jemand versuchte, das LCAC auszuschalten, würden die Einheiten tätig werden.
Es gab nur eine einzige Hoffnung. Deshalb war Monk hierhergeschwommen. Das ganze System lahmzulegen, war ein Schuss ins Blaue. Sein Rückfallplan aber war dünn – und unerprobt.
Er holte tief Luft und legte die Prothese auf den Handflächenscanner. Im nächsten Moment tönte eine Anfrage auf Mandarin aus dem Funkgerät. Erschrocken riss er die Hand weg, denn er fürchtete, er habe den Anruf ausgelöst. Doch offenbar wollte jemand nur Kontakt mit den auf dem LCAC Verbliebenen aufnehmen. Monk sprach nur ein paar Brocken Mandarin; um sich als einen der Soldaten auszugeben, reichte es nicht.
Er ignorierte den Anruf und legte seine künstliche Hand wieder auf den Scanner. Als sie die leuchtende Oberfläche berührte, aktivierte er mittels Gedankensteuerung das in die Prothese eingebaute Modul für elektronische Kriegsführung. Kat hatte gescherzt, trotz seiner geringen Größe sei es smarter als er – was vermutlich auch stimmte.
Das Modul war nicht von der DARPA konstruiert worden. Sigma verfügte über eigene Verbindungen. Mara Silviera, eine alte Freundin aus Spanien und ein Genie, was KI anging, war ihnen noch einen Gefallen schuldig gewesen. In der Vergangenheit hatte Sigma ihr geholfen, einen bösartigen Doppelgänger einer ihrer Schöpfungen zu bekämpfen. Daraufhin hatte sie sich bereit erklärt, das winzige Modul für Monks Hand zu bauen und zu programmieren.
Er aktivierte es mittels seines Hirnimplantats. Der eingebaute Wärmesensor registrierte einen Anstieg der Temperatur. Während er darauf wartete, dass das Modul sich mit seinem chinesischen Gegenstück verband, tönte eine weitere Anfrage aus dem Funkgerät. Diesmal war der Ton fordernder.
Er sah auf seine Hand nieder.
»Mach schon.«
Unter der Handfläche wurde es glühend heiß. Die hohe Empfindlichkeit der Prothese hatte auch Nachteile.
Die Bildschirmanzeige verpixelte.
Der Tonfall des Anrufers wurde drohend.
Monk drückte die Hand fester auf den Scanner.
Als ob das helfen würde.
Doch es funktionierte – vielleicht war es auch bloß gutes Timing.
Der Scanner leuchtete zweimal auf, dann wurde er grün. Das System war entsperrt. Erleichtert griff Monk sich die Maus. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Alle Menüs waren auf Chinesisch.
Als er die Maus bewegte, wanderte der Cursor über den mittleren Monitor. Er klickte auf die verschiedenen Bedrohungen, die schwimmend und fliegend die Titan X umkreisten. Es war, als versuchte er, Wespen zu erschlagen. Doch es tat sich nichts.
Frustriert schob er die Maus umher. Der Cursor wanderte aufs Meer hinaus bis zur Dayangxi . Der Umriss des Helikopterdocks wechselte von Indigo zu Gelb und begann zu blinken.
Die Silhouette der Titan X hatte sich dunkelgrün gefärbt.
Monk machte sich klar, was er da vor sich hatte.
Ein Zielerfassungssystem.
Der Cursor verweilte auf der Dayangxi . Ein Pop-up-Menü öffnete sich, wiederum mit unlesbaren Zeichen beschriftet – allerdings waren sie farblich codiert. Er scrollte in der Liste. Die Farbe des Helikopterdocks änderte sich entsprechend. Bei einem Eintrag blinkte die Dayangxi smaragdgrün, in derselben Farbe wie eben noch die Titan X .
Grün bedeutet anscheinend Überwachungsmodus.
»Das reicht nicht.«
Monk scrollte zum nächsten Eintrag in der Pop-up-Liste. Die Farbe des Helikopterdocks veränderte sich erneut – diesmal zu Feuerrot.
Er lächelte.
Das muss der Angriffsmodus sein.
Er klickte darauf. Ein weiteres Fenster öffnete sich, offenbar die Aufforderung zur Bestätigung. Er wählte das grüne Icon.
»Ja«, sagte er und klickte.
Die Dayangxi leuchtete rot auf. Die Titan X wurde Indigoblau dargestellt. Der Wespenschwarm löste sich von der Jacht und eilte zum Helikopterdock. Auch die UUV s und AUV s wandten sich in diese Richtung, während ein Dutzend kleinere Objekte mit Höchstgeschwindigkeit das Wasser durchteilte.
Monk wandte sich von der Konsole ab und sah aus dem Fenster.
Die Dayangxi lag still da, sie ahnte nichts von der sich nähernden Gefahr. Im letzten Moment schallte Sirenengeheul übers Wasser, doch es war bereits zu spät. Längliche Objekte brachen aus dem Wasser, entfalteten Flügel und spuckten Flammen. Die Torpedos hatten sich in fliegende Geschosse verwandelt.
Monk verschlug es den Atem. Er hatte gehört, die Chinesen entwickelten torpedoförmige Flugdrohnen. Sie wurden Fliegende Drachen genannt. Die Monster prallten fast gleichzeitig gegen den Rumpf der Dayangxi . Feuerbälle stiegen empor.
Die Flugdrohnen stießen herab und feuerten mit tödlicher Präzision Raketen aufs Deck. Helikopter und Flugzeuge detonierten, wurden hochgeschleudert und stürzten ins Wasser. Kleinere Drohnen flogen durch den Rauch und nahmen das flüchtende Personal unter Feuer.
Einige Fliegende Drachen schwenkten herum und griffen die andere Seite des Schiffes an.
Die Dayangxi wehrte sich. Schienenkanonen feuerten Leuchtspurmunition in den Himmel. Während die Schlacht an Schärfe gewann, wurden die ersten Angreifer getroffen.
Doch der AI -Krieger an Bord des LCAC war vorbereitet und reagierte entsprechend.
Es knallte laut. An Deck wurden vier Drohnen elektromagnetisch gestartet, um die Ausfälle zu ersetzen. Torpedos wurden zu Wasser gelassen und stürzten sich ins Getümmel.
Eine Bewegung in größerer Nähe lenkte ihn ab. Etwa 400 Meter entfernt tauchte eine große Flosse aus dem Wasser auf und näherte sich dem Landedock. Es war das chinesische U-Boot, das bislang unbehelligt geblieben war. Offenbar wollte es die Ursache des Angriffs herausfinden.
Monk blickte zur Konsole. Er wagte es nicht, den Angriff auf die Dayangxi abzubrechen. Das große Schiff bildete die Hauptgefahr. Außerdem wusste er nicht, ob es überhaupt möglich war, zwei Ziele auszuwählen. Selbst wenn, hatte er keine Ahnung, wie er es hätte anstellen sollen – und auch keine Zeit, es herauszufinden.
Erneut knallte es laut. Vom Bug des Jagd-U-Boots schoss etwas auf ihn zu. Offenbar hatte der Kapitän ihn als Urheber des Angriffs ausgemacht.
Monk rannte zur Tür. Yu-4-Torpedos erreichten eine Geschwindigkeit von achtzig Stundenkilometern. Im Kopf setzte er Entfernung und Geschwindigkeit ins Verhältnis.
Mir bleiben weniger als zehn Sekunden.
Draußen an Deck gelangte er zu einer weiteren Einsicht.
Ich komme nicht mehr rechtzeitig runter vom Boot.