»Wie viel Sauerstoff haben wir noch?«, fragte Adam.
Bryan tippte auf ein Ventil. »Da wir die Reservetanks am Riss abgeworfen haben, reicht er höchstens noch für vier bis fünf Stunden. Bei der Akkuladung sieht es ähnlich aus.«
Adam biss die Zähne zusammen.
Gerade Zeit genug, um unsere Todesanzeigen zu schreiben.
Phoebe ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie beobachtete das Meeresleben. Sie hatte sich ein Notizbuch auf den Schoß gelegt und fertigte Skizzen an. In der vergangenen Stunde hatte sie sich leise mit Datuk unterhalten. Sie hatten Spekulationen angestellt und Theorien entwickelt. Adam vermutete, dass Datuk sie vor allem ablenken wollte.
Phoebe zeigte auf einen leuchtenden Strudel von Hunderten von Polypen. Sie vollführten einen komplizierten, koordinierten Tanz. »Dieses Verhalten hat mehr Ähnlichkeit mit dem Formationsflug der Stare als mit einem Schwarm Fische.«
Datuk beugte sich vor. »Offenbar synchronisieren sie ihre Bewegungen mit biolumineszierenden Mustern und Lauten. Dieses Verhalten könnte die Erklärung dafür sein, dass diese Spezies intelligenter wirkt als der gewöhnliche Oktopus. Oktopusse leben meistens vereinzelt. Intelligenz entwickelt sich weit besser in sozialen Strukturen, die Kommunikation und kooperatives Verhalten erfordern.«
Adam blendete die Unterhaltung aus, seufzte schwer und wandte sich in die andere Richtung. Er blickte zum dunklen Wald und stellte sich den Riss vor. Mit dem Sonar hatten sie beobachtet, wie er sich zu einem schmalen Spalt geschlossen hatte. Weiter oben verbreiterte er sich vielleicht wieder, doch durch die Engstellen kamen sie nicht durch. Am Rand des schwarzen Waldes bewegte sich etwas. Schwärme biolumineszierender Lebewesen wogten dort und flitzten zwischen den Stämmen umher, als wollten sie tiefer eindringen, trauten sich aber nicht wegen der Strahlung. Immer mehr versammelten sich, kamen aber nicht weiter.
»Was machen die da?«, murmelte Adam.
Phoebe sah sich nach ihm um. »Was ist los?«
Adam wandte sich an Bryan. »Können Sie die Kapsel drehen?«
Der Australier nickte und schaltete den Schub ein. Alle beobachteten die Versammlung am Waldrand.
»Das sieht so aus, als würden sie gerufen«, meinte Datuk. »Aber sie wagen es nicht, das verstrahlte Gebiet zu durchqueren.«
Phoebe setzte den Kopfhörer auf. Während sie lauschte, bildeten sich auf ihrer Stirn zwei tiefe Falten. Sie drehte sich zu Bryan um und deutete auf einen zweiten Kopfhörer. »Können Sie das auf den Lautsprecher umlegen?«
Er betätigte einen Schalter, worauf ein lautes Dröhnen die Kabine ausfüllte.
Ein paar vorbeischwimmende Polypen kehrten zur Cormorant zurück und schauten mit leuchtenden Augen in die Kabine.
»Sie hören das auch«, sagte Datuk. »Das Geräusch lockt sie an.«
Phoebe nickte. »Jemand sendet das. Von oben. Durch die Lücke dringt es in den Graben ein.«
»Aber was soll das?«, fragte Adam. »Wer steckt dahinter?«
Bryan zeigte auf einen Monitor neben der Steuerung. »Das Signal kommt von der Titan X . Es wird auch eine Textnachricht übermittelt.« Er wandte den Kopf. »Von unserem Schiffskameraden Monk.«
Adam beugte sich so weit hinüber, als wollte er sich Bryan auf den Schoß setzen.
Der Australier versetzte ihm einen Rippenstoß. »Ich lege alles auf Ihre Monitore um.«
Adam setzte sich wieder und las Monks weit ausholende Nachricht. Sie reichte 200 Jahre in die Vergangenheit zurück. Offenbar hatte er möglichst viele Informationen übermitteln wollen.
»Schwirrhölzer?«, fragte Datuk. »Das sind Schwirrhölzer, was die Tiere so aufregt?«
Phoebe wirkte nicht überrascht. »Sie verständigen sich mit Obertönen. Vielleicht liegt das am Silizium in der DNA oder an einem Verstärkungseffekt der kristallinen Korallenskelette. Was es auch sein mag, jedenfalls ist es für sie offenbar ein effektives Verständigungsmittel.«
Adam drehte die Lautstärke herunter. Das Dröhnen wurde leiser. Er dachte an die Titan X , unterwegs nach Raoul.
Jetzt sind sie außer Reichweite.
Frustriert wandte Adam sich an die anderen. »Hilft uns das irgendwie weiter? Monk hat keine Ahnung, dass wir gefangen sind. Er hat uns mitgeteilt, was er weiß, und uns einen Hinweis gegeben, wonach wir suchen sollen, falls wir hier jemals rauskommen.«
Phoebe ignorierte die Frage und sandte ein paar Pings aus. Dann beugte sie sich zu Bryan hinüber und checkte die Positionsanzeige und den Kompass.
»Was machen Sie da?«, fragte Bryan.
Phoebe sah ihn an. »Ich weiß, wie wir hier rauskommen.«
»Was?« Datuk musterte sie skeptisch. »Wie?«
Sie deutete auf den Monitor, der einen vorwärts gerichteten Scan der gegenüberliegenden Wand zeigte. Im massiven Gestein zeichneten sich schwarze Flecken ab, die kein Echo erzeugten.
Sie zeigte auf den größten Fleck. »Das muss ein Tunnel sein. Er weist in die Richtung der Koordinaten von Raoul, die Monk übermittelt hat.«
»Sie glauben, der könnte uns dorthin führen?«, fragte Bryan.
»Möglicherweise. In dem historischen Bericht wird der Mythos der Regenbogenschlange erwähnt. Angeblich konnte sie durch ihre verborgene Unterwasserwelt um die ganze Welt wandern.« Phoebe schwenkte den Arm. »Von Wasserloch zu Wasserloch, von einer Bruchstelle zur anderen.«
»Und in Raoul ist sie der Legende nach zu Hause.«
»Und es heißt, alle Wege führen nach Rom.«
»Aber wie finden wir den richtigen Weg?«, fragte Datuk. »Die Tunnel könnten sich als Labyrinth erweisen.«
Phoebe zuckte mit den Schultern. »Entweder wir versuchen es …«
»… oder wir sterben alle«, beendete Adam den Satz.
Das Walkie-Talkie in der Hand, ging Monk zum heckseitigen Frachtraum der Titan X . Die rückwärtige Tür war zum Meer hin offen. Die Westseite von Raoul füllte das Gesichtsfeld aus. Die Jacht hatte anderthalb Kilometer vor der Küste geankert. Zwei Landzungen sprangen von der Insel vor und fassten eine Bucht ein.
Unmittelbar vor ihnen brodelte und dröhnte ein hoher Vulkan. Lavabomben wurden aus dem flammenden Krater ausgeworfen. Sie landeten zischend im Wasser oder im verbrannten Wald. Zuvor war die Insel von üppig grünem Dschungel und kleinen Seen bedeckt gewesen. Jetzt war sie glühende Kohle inmitten eines dunklen Meeres. Schwarze Baumstämme ragten von den Hängen auf. Vereinzelt brannte es in der rauchverhüllten Düsternis.
Im Süden zogen sich Vulkane in die Ferne, bis zur Küste von Neuseeland. Der nächstgelegene flammte so hell wie Raoul, mit wachsender Entfernung verblassten sie.
Monk trat auf die Decksumrandung hinaus.
Kowalski erwartete ihn bereits. »Hier sollte man besser nicht schwimmen«, meinte er und schnippte die glühende Asche seiner Zigarre ins Meer, wo sie auf der Vulkanasche landete. An einigen Stellen loderten Flammen.
Doch weder die Asche noch die Feuer bereiteten dem Hünen Sorge.
In der Bucht drehten sich Hunderte stachlige Kugeln im Wasser. Gray hatte sie vor diesen Brandminen gewarnt.
Monk hob das Walkie-Talkie an die Lippen und funkte die Brücke an. »Hier Kokkalis. Ich bin in Position. Haben Sie verstanden?«
»Wir sind so weit«, antwortete Byrd. »Auf Ihr Kommando übertragen wir die Aufzeichnung mit den Schiffssirenen und Lautsprechern. Es dürfte sehr laut werden. Wollen Sie wirklich da draußen bleiben?«
»Feuern Sie die Kanone ab«, sagte Monk und senkte das Funkgerät.
Er wollte alles mit eigenen Augen sehen.
Kowalski war hergekommen, um zu rauchen.
Ein tiefes Grollen setzte ein und schallte übers Meer. Es wurde rasch lauter. Monk zuckte zusammen. Kowalski hielt sich mit seinen Pranken die Ohren zu.
Der dröhnende Alarm hallte im ganzen Schiff wider. Er brachte den Decksboden zum Vibrieren und ließ die Ascheschichten im Wasser erzittern.
Die Titan X hatte sich in die größte Stimmgabel der Welt verwandelt. Das Geräusch durchströmte Monks Körper und verursachte ihm eine Gänsehaut.
Er wich einen Schritt in den Frachtraum zurück, um den akustischen Sturm abzuschwächen.
Irgendeine Frequenz in dem Lärm versetzte seine Prothese in Resonanz. Seine Handfläche brannte, als würde sie schmelzen. Ihm pochte der Schädel. Der Schmerz ging von der Narbe hinter seinem Ohr aus, hinter der sich das Hirnimplantat verbarg.
Gray hatte erwähnt, das ELF -Signal habe die Elektronik der Mondsonde lahmgelegt und vielleicht auch den Untergang des chinesischen Atom-U-Boots verursacht.
Enthält dieses Geräusch eine ähnlich schädigende Wellenlänge?
Er taumelte zurück, ihm verschwamm die Sicht.
Hätte nicht rausgehen sollen.
Auf einmal war Kowalski da. Er packte Monk, stützte ihn und zeigte zum Heck.
Monk blinzelte. Die Insel Raoul rauchte, der Krater glühte noch. Doch die Flammen waren erloschen. Die Lavaströme an den Hängen schienen zu versiegen. Der Berg spuckte noch einmal Feuer, dann tat sich nichts mehr.
Monk trat vor, obwohl das Tosen anhielt. Er blickte nach Süden. Auch die anderen Vulkane hatten sich beruhigt. Das ferne Leuchten war erloschen. Die näheren Gipfel verschwanden in der Düsternis.
Er hielt sich das Walkie-Talkie an den Mund und brüllte: »Byrd, abschalten!«
Falls eine Bestätigung kam, so hörte er sie nicht, doch auf einmal wurden die Sirenen und Lautsprecher leiser und verstummten dann ganz.
Mit klingenden Ohren wandte er sich Kowalski zu. »Ich habe nicht geglaubt, dass es funktionieren würde«, gestand er. »Vor allem so schnell.«
»Was reden Sie da?« Kowalski musterte ihn finster. Er hob die Zigarre hoch, die bis auf einen Stummel heruntergebrannt war. »Es hat fast eine Stunde gedauert.«
»Was?«
Kowalski bohrte sich im Ohr. »Keine Ahnung, ob ich je wieder richtig hören werde.«
Monk checkte seine Prothese und massierte sich die Schläfe. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wiederholt ballte er die Hand zur Faust. Anscheinend war alles in Ordnung.
»Da!«, Kowalski deutete Richtung Bucht.
Nachdem der Vulkan sich beruhigt hatte, war es dunkler geworden. Die Asche auf dem Wasser leuchtete, angestrahlt von unten. Die Lichtflecken wurden heller, immer mehr tauchten aus der Tiefe auf, bis sie über die ganze Bucht verteilt waren. Ein paar durchbrachen die Ascheschicht, smaragdgrün und kobaltblau blinkend.
Die Regenbogenschlangen.
Monk trat aufs Deck hinaus, überwältigt von dem Anblick. Doch er war noch unsicher auf den Beinen und musste sich an der Heckstrebe abstützen, dem Start-und-Bergesystem für die Cormorant .
Er hob das Walkie-Talkie an die Lippen. »Brücke, hat sich die Comorant schon gemeldet?«
Er wartete auf eine Antwort. Sie erfolgte zögernd. Offenbar sah es düster aus.
»Nein«, sagte Byrd. »Wir müssen davon ausgehen, dass wir sie verloren haben.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo wir sind?«, fragte Adam.
Phoebe hatte Verständnis für seine Verzweiflung. Schon seit über einer Stunde waren sie in dem Labyrinth unterwegs. Bald würde ihnen der Sauerstoff ausgehen.
Sie schüttelte den Kopf und blickte auf den Sonarmonitor. Die Cormorant schwebte in einer großen Höhle. Sie war voller Korallen. Es wimmelte von leuchtendem, strahlendem Leben.
Inzwischen war ihre Begeisterung für die fremdartige Umgebung abgekühlt.
»Vier Tunnel und Spalten weisen nach Osten«, meldete Phoebe. »Schwer zu sagen, welcher Weg nach Raoul führt.«
»Falls überhaupt einer«, meinte Datuk niedergeschlagen.
Phoebe runzelte die Stirn. Sie wollte sich mit der Niederlage nicht abfinden.
Hinter der ersten Höhle waren sie auf ein Labyrinth miteinander verbundener Tunnel, schroffer Gräben und bodenloser Spalten gestoßen. Auf den Kompass war kein Verlass mehr, manchmal kreiste er wie wild in einem Magnetfeld. Sie war sich nicht einmal sicher, dass sie den Rückweg finden würde.
Das einzige Hoffnungszeichen war die Außendruckanzeige. Die Werte sanken stetig. Bryan musste immer wieder Wasser aus den Ballasttanks pumpen. Das deutete darauf hin, dass sie stiegen. Im Moment betrug der Außendruck 1034 Bar, was einer Tiefe von 10 000 Metern entsprach.
»Es ist bestimmt nicht mehr weit«, sagte Phoebe. »Die Insel ist nur zwanzig Kilometer von der Position der Titan X entfernt. Und nach Passieren der ersten großen Höhle hatten wir bereits fünf Kilometer zurückgelegt. Inzwischen nähern wir uns dem Gewässer der Insel.«
»Selbst wenn das stimmen sollte«, entgegnete Adam, »wie kommen wir nach oben? Das Sonar hat nicht eine einzige Lücke oder Spalte in der Decke geortet. Bloß durchgehendes Gestein.«
Phoebe seufzte und zeigte nach vorn. »Dann fahren wir eben weiter. Wir haben keine Wahl.«
Bryan schaltete den Schub ein, die Tauchkapsel nahm Fahrt auf. Dabei lockte sie mehrere vorbeiziehende Polypen an. Sie schwammen näher und warfen einen neugierigen Blick in die Kugel, dann schossen sie mit peitschenden Tentakeln davon.
Immer mehr leuchtende, blinkende Wesen versammelten sich. Phoebe meinte, Erregung aus ihren Mustern herauszulesen, doch vielleicht sah sie in ihnen auch nur ihre eigene Anspannung gespiegelt.
»Muss wohl die Rushhour sein«, murmelte Bryan.
Phoebe grinste – dann wurde ihr bewusst, dass er recht hatte. Sie wandte den Blick vom Sonar ab und betrachtete den anschwellenden Strom von Polypen. Jetzt fiel ihr auf, dass alle im selben aufgeregten Rhythmus blinkten wie die ersten beiden.
Bryan machte Anstalten, dem Stoßverkehr auszuweichen.
Phoebe langte hinüber und zog das Steuerhorn wieder zurück.
Adam beugte sich vor. »Was ist?«
Sie verzichtete auf eine Erwiderung und setzte den Kopfhörer auf. Der Chor des Korallenwalds füllte ihren Kopf aus. Sie blinzelte und versuchte, einen tieferen Ton herauszuhören, doch die Geräuschkulisse war zu laut.
Vor ihr schoss ein Schwarm junger Polypen in die Höhe und schloss sich dem Hauptstrom an.
Adam tippte ihr auf die Schulter. »Phoebe?«
Sie setzte den Kopfhörer ab und wandte sich ihm zu. »Die Lichtblitze und die Häufung. Das erinnert an die erste Höhle, als sie sich am Rand des verstrahlten Waldes versammelt haben.«
Datuk begriff, worauf sie hinauswollte. »Sie verhalten sich ganz ähnlich.«
»Vermutlich reagieren sie auf das gleiche Signal.«
»Auf das Schwirren, das Monk an uns übermittelt hat«, meinte Adam.
»Das Signal wollte er auch nach Raoul aussenden.« Phoebe blickte aufmerksam nach vorn. »Ich glaube, die Tiere reagieren auf den Ruf genau wie zuvor.«
Adam straffte sich. »Dann könnten sie uns möglicherweise dorthin führen.«
»Ich warte nicht länger.« Bryan neigte die Cormorant und gab maximalen Schub. »Möchte nicht zurückgelassen werden.«
Sie folgten dem leuchtenden Fluss, gejagt von Regenbogen. Der Schwarm fegte in einen langen Tunnel, schoss durch eine kleinere Höhle und einen gewundenen Riss hinauf.
Bryan musste sich des letzten Ballasts entledigen, um mithalten zu können.
Phoebe schaltete die Scheinwerfer im Rhythmus der Polypen ein und aus, um ihnen ihre Absicht mitzuteilen: Wir kommen mit.
Sie erreichten das Ende der Spirale und gelangten in eine schüsselförmige Höhle. Sie war voller Riesenkorallen, doch der Großteil der Nester war leer. Nur einige wenige Polypen trieben durch den dunklen Wald.
Adam langte nach vorn und tippte auf den Sonarmonitor. »Ein Riss! Da drüben!«
Bryan musterte den dunklen Schatten und straffte sich. »Ich pumpe das letzte Wasser ab.«
Die Cormorant stieg in die Höhe und drehte sich dabei. Eine gewaltige Woge leuchtender Polypen hüllte sie ein. Gemeinsam strebten sie dem Riss in der Decke entgegen.
Phoebe beobachtete die Polypen. Sie wusste, dass sie wesentlich schneller hätten vorankommen können.
»Sie eskortieren uns«, wurde ihr bewusst. »Sie wollen nicht, dass wir zurückfallen.«
Adam deutete. »Wir nähern uns dem Riss. Sieht so aus, als würden wir bequem hindurchpassen.«
»Ich schaffe das«, versprach Bryan.
Doch die Last der Verantwortung wurde ihm abgenommen. Ein Polyp von der Größe eines Elefanten griff mit seinen Tentakeln unter die Cormorant und hob sie hoch.
»Wir sind zu schnell«, sagte Bryan. »Bei dieser Geschwindigkeit kann ich keine feineren Kurskorrekturen mehr vornehmen.«
»Dann wollen wir hoffen, dass das Tier gut zielen kann.« Adam schaute nach oben. »Denn der Rückweg ist uns versperrt.«
Ihre Geschwindigkeit nahm weiter zu.
»Festhalten!«, rief Adam.
Erhellt vom leuchtenden Strom, kam der Riss immer näher. Dann waren sie drin. Phoebe atmete scharf ein und stützte sich ab. Die Wände waren nur Zentimeter entfernt.
Dass vorbeigleitende Gestein war mit schwankenden Seeanemonen und dicken Algenschichten bedeckt. Der Bewuchs schien sehr alt zu sein.
Phoebe begriff, was das war.
Eine der Bruchstellen aus den Legenden der Aborigines.
Eine ähnlich dünne Erdkruste musste es in der Nähe des Tambora geben, ein uraltes Fenster zwischen zwei Welten.
Nach wenigen Minuten schoss die Cormorant aus dem Riss ins offene Wasser. Ihr Helfer versetzte ihnen noch einen letzten Schubs, dann schwamm er davon. Der leuchtende Strom bewegte sich durchs schwarze Wasser in Richtung Raoul.
»Sieht so aus, als wären wir hier allein«, meinte Adam.
»Keine Sorge, Leute.« Bryan zeigte nach vorn. »Ich kenne den Weg.«
Phoebe sah auf den Tiefenmesser. »5000 Meter.«
»Bei dem Schwung, den wir bekommen haben«, sagte Bryan, »sollten wir in spätestens zwanzig Minuten auftauchen.«
Er irrte sich, es dauerte nicht einmal eine Viertelstunde.
Die Cormorant brach an die Oberfläche und hätte beinahe vom Wasser abgehoben. Dann sank sie ein und tanzte auf und ab, bis sie auf den Wellen zur Ruhe kam.
Bryan kletterte zur Luke.
Adam ließ sich auf den Pilotensitz plumpsen und lehnte sich an Phoebe an.
Seite an Seite schauten sie zu den qualmenden Überresten von Raoul hinüber. In anderthalb Kilometern Entfernung leuchtete die Titan X , die in der Mündung der Bucht geankert hatte. Das Wasser war noch aufgewühlt und schimmerte regenbogenfarben.
»Haben wir’s geschafft?«, fragte Phoebe.
Adam fasste sie beim Kinn und drehte ihren Kopf weiter nach Westen.
Die schwarzen Wolken hatten sich so weit zerstreut, dass der Horizont zu sehen war, der geschwungene Rand der Welt, die ihr auf einmal ganz neu vorkam.
Ein Detail aber war ewig und voller Versprechen.
Auf dem Meer spiegelte sich die Abendsonne.
Phoebe lächelte.
Ja, das haben wir.