Ich bin in der Buchhandlung und stehe an. Der Comiczeichner sitzt an einem Tisch, auf dem sich die Bände seines M. Martin morgens, mittags, abends stapeln. Neben ihm ein braunhaariger Mann, dessen Handy vibriert, er geht raus, um den Anruf entgegenzunehmen. Bald bin ich dran. Alban ist groß, schlank, elegant. Ich reiche ihm mein Exemplar, er fragt lächelnd nach meinem Vornamen. Nachdem ich ihn genannt habe, füge ich noch einen weiblichen Vornamen hinzu, der nicht meiner Frau gehört.
»Und für Vanessa …«
»Ich kannte mal eine Vanessa«, sagt er mit einem rätselhaften Lächeln, während er sein Männlein mit Dackel zeichnet.
»Ja? Tja, so heißen viele …«, erwidere ich.
»Ja, sehr viele …«
Er gibt mir den Comic zurück, und schon kommt ein Mädchen und will ein Selfie mit ihm machen. Ich habe rein gar nichts herausgefunden. Am liebsten würde ich jemanden fragen, ob Alban früher dick war, dafür bin ich schließlich hier. Eine Frau um die fünfzig blättert in ihrem signierten Album.
Ich trete an sie heran.
»Das ist hier ja ein echter Monsieur-Martin-Fanclubtreff, was?«, bemerke ich unbeholfen.
»Em Martin«, verbessert sie mich. »Ja, ich mag seine Arbeit sehr gerne, neben Voutch und Sempé ist er einer der Einzigen, die mich wirklich zum Lachen bringen. Und Sempé weilt ja leider nicht mehr unter uns.«
»Leider …«
Stille tritt ein, deshalb frage ich schnell: »Verfolgen Sie seine Arbeit schon lange?«
»Ich habe alle Alben seit dem ersten, und Sie?«
»Auch beinahe … Aber … Er war doch … Früher war er deutlich … stärker, oder?«
Sie lächelt traurig, dann gesteht sie in vertraulichem Ton: »Finde ich auch. In den ersten Bänden war absolut alles lustig, und während des Lockdowns erst, als er jeden Tag eine Zeichnung gepostet hat, aber inzwischen wiederholt er sich ein bisschen … Na ja, ich kaufe die Alben trotzdem, genau wie Sie.«
Sie entfernt sich in Richtung des Mädchens mit dem Selfie, das sie zu sich winkt. »Stark« statt »dick«. Eine Freudsche Fehlleistung par excellence, bravo, so ein schönes Beispiel ist mir schon lange nicht mehr begegnet, und es stammt auch noch von mir. Eine kleine Selbstanalyse ergibt: Tief im Inneren will ich gar nicht wissen, ob das, was Nathalia schreibt, wahr oder erfunden ist. Aber warum ist das so?
Ich verlasse die Buchhandlung. Der braunhaarige Mann, der neben Alban gesessen hat, ist immer noch am Telefon, ich höre ihn sagen: »Scheiße, Mann, so einen Vertrag unterschreibst du auf keinen Fall! Was soll der Mist? Du bist doch kein Bettler!«
Eins ist immerhin sicher: Sam, der Agent, existiert.
Auf dem Heimweg werfe ich den Comic in einen Mülleimer. Wie sollte ich meiner Frau erklären, dass er mir und einer Vanessa gewidmet ist?