Die letzten Stunden an Bord

Wir verließen Saloniki gegen 21 Uhr. Denis war wahrhaftig wieder an Bord und benahm sich so, als hätte es nie irgendwelche Konflikte gegeben. Er servierte das (verspätete) Abendessen und war selbst Sara gegenüber ausgesprochen freundlich. Ich glaube, dass ihm die Aussicht, bald einige Wochen an Land zu verbringen, sehr half. In Gedanken hatte er die Fahrt bereits abgehakt und beschäftigte sich mit dem, was ihn im Pilion-Gebirge erwartete.

Reisetagebuch (28. Juli 1967 , 22.34 Uhr)

Morgen Abend werden wir in Istanbul ankommen und das Schiff danach sofort verlassen. Unsere Reisegesellschaft wird sich auflösen, und jeder wird ein anderes Ziel ansteuern. Papa und ich – wir haben ein Zimmer in einer kleinen Istanbuler Pension reserviert. Leider fängt Papas Dienst schon bald wieder an, so dass wir nicht lange bleiben können (wir haben noch eine lange Rückfahrt mit dem Zug durch den Balkan vor uns). »Wir sollten bald wieder nach Istanbul fahren«, hat Papa gesagt, »um dieser wunderbaren Stadt ausreichend viel Zeit zu widmen …« – »Woher weißt Du, dass sie so wunderbar ist?« fragte ich. – »Ich habe das im Gefühl«, antwortete Papa, »ich rieche und spüre es, je schneller wir uns auf die Dardanellen und den Bosporus zubewegen. Schon solche Worte sind wunderbar – und ganz anders als alles, was wir so kennen.« – »Zunächst empfangen wir aber die griechische Jugend in Köln«, sagte ich, »und dann fahren Mama und Du nach Istanbul, nachdem ihr vorher einige Zeit in Rom verbracht habt.« – »Und Du, was hast Du so vor?« fragte Papa (und lachte). – »Ich kümmere mich weiter um Köln-Nippes und mache Ferien im Westerwald«, sagte ich.

Reisetagebuch ( 28. Juli 1967 , 23.05 Uhr)

Ich habe bisher nur kurz mit Sara gesprochen. Sie war müde und erschöpft und ist bereits schlafen gegangen. Ich habe ihr davon erzählt, wie elektrisiert und überrascht ich gewesen sei, als ich das Händel-Adagio gehört habe. Sie erzählte davon, dass sie während ihrer ersten Jahre am Klavier ausschließlich Klassik gespielt und nie daran gedacht habe, etwas Anderes zu spielen. Mit siebzehn, achtzehn habe sie viel argentinische Volksmusik, Tango, Musik aus Mexiko und amerikanischen Jazz gehört. Sie habe begonnen, mit solchen Melodien und Stilen auf dem Klavier zu improvisieren. Vollkommen dilettantisch, einfach nach Gehör. Natürlich habe sie auch weiter klassische Musik gespielt, vor allem solche des neunzehnten Jahrhunderts (Liszt, Brahms, Rachmaninoff). Doch sie habe sich immer mehr danach gesehnt, die beiden Welten miteinander zu verbinden: Klassik und die Musik, die sie immer »die Musik aus dem Radio« genannt habe. Also habe sie begonnen, klassische Kompositionen Schritt für Schritt zu zerlegen und mit anderen Musikstilen zu verbinden. »Und das nennst Du Jazz?« fragte ich. – »Ja«, sagte sie lachend, »das ist eben unser Jazz – und nicht das, was man sonst darunter versteht.«

Reisetagebuch (28. Juli 1967 , 23.35 Uhr)

Unsere Kabine ist ein kleines Chaos. Papa und ich haben überlegt, wie wir an die »Aufräumarbeiten« gehen sollen. »In dieser Nacht bitte noch nicht«, habe ich gesagt, und Papa hat geantwortet: »In dieser Nacht auf keinen Fall.« Wir werden die Sachen, die unsere Kabine bevölkern, nicht in unseren kleinen Koffern und in meinem Rucksack unterbringen können. Papas Zeichnungen, meine vielen Texte und die Berge an gehorteten Materialien (Quittungen, Prospekte, Zeitschriftenausschnitte etc.) nehmen allein schon so viel Platz in Anspruch, dass wir dafür eine eigene große Tasche benötigen. Und woher bekommen wir die? Von Denis, von wem sonst? (Er hat angeblich eine alte Tasche übrig, die er auf keinen Fall mit ins Gebirge nehmen will.)

Aus den Aufzeichnungen meines Vaters (28. Juli 1967 , 23.40 Uhr)

Unsere Reise geht langsam zu Ende. Ich kann mich schwer an den Gedanken gewöhnen, dass es die letzte längere zusammen mit dem Jungen sein wird. Er schlägt laufend vor, dass ich mit M verreisen solle – nach Rom, nach Istanbul. Ich glaube nicht, dass sie das möchte, denn sie hat zu viele Bedenken, dass ihr unterwegs etwas zustoßen könnte. M verarbeitet die Dinge um sie herum auf eigene Art – vieles geht ihr sehr nahe, rührt sie zu Tränen und lässt sie nicht los. In Rom oder Istanbul würde sie keine Minute schlafen können, das vermute ich jedenfalls. Und ich wäre an ihrer Seite keine wirkliche Hilfe, sondern würde alles nur noch mehr durcheinanderbringen. Ich wüsste aber eine Lösung für das Problem, sie fiel mir am Nachmittag in der alten Rotunde plötzlich ein, als ich auf dem Boden lag und zu den herrlichen Mosaiken aufschaute. Die Lösung für unser Familienproblem des Reisens in ferne Länder bestünde darin, dass M mit dem Jungen verreist! Viele Jahre waren die beiden so eng zusammen wie sonst nie Mutter und Kind! Sie wissen genau, was in dem anderen vorgeht. In Gegenwart des Jungen fühlt M sich geborgen und sicher, und der Junge hat inzwischen auch das richtige Alter, um sie aufmerksam und liebevoll zu begleiten. Auf Reisen wären sie wie ein eingespieltes Duo unterwegs, und M würde ihre Sorgen und Bedenken wegen des nicht stabilen Herzens vergessen. Ich bin sicher, dass es klappen würde, vor allem jetzt, nach dieser Reise, während der Johannes sich sehr bewährt hat. Schade, dass ich diesen Vorschlag weder M noch dem Jungen machen kann. Es geht nicht, ich bringe ihn nicht über die Lippen.

Postbriefkarte an die Mama (29. Juli 1967 , 0.23 Uhr)

Liebe Mama, dies ist unsere letzte Nacht an Bord der Albireo. Bisher hat sie uns gut und sicher und fast immer pünktlich durch das Mittelmeer geschleust. Ehrlich gesagt, hatte ich zu Beginn dieser Reise noch große Angst, dass etwas schiefgehen und das gewaltig große Schiff es nicht packen könnte. Die Angst kam auch immer wieder (vor allem bei einigen Stürmen), jetzt hat sie sich fast ganz gelegt. Was auch darin liegt, dass wir laufend die Küste sehen. Wir fahren in wenigen Stunden die Meerenge der Dardanellen an. Noch einmal wird kurz davor ein Lotse an Bord kommen. Dann durchschiffen wir das Marmara-Meer Richtung Istanbul. Liebe Mama, bald sind wir in Asien!

Bis gegen 1 Uhr in der Nacht saß ich noch mit Mühlenthal zusammen und befragte ihn über die Themen Byzanz, Konstantinopel und Istanbul.

Die Stadt sei ursprünglich griechisch, dann römisch und eine Zeitlang sogar genuesisch sowie venezianisch gewesen, erzählte er. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts habe man sie zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches gemacht, für beinahe fünf Jahrhunderte.

Im zwanzigsten Jahrhundert sei ihr unter Atatürk dann wiederum eine westeuropäische Identität verordnet worden. Istanbul habe daher keine stabile historische Identität, auf die sich seine Einwohner verständigen könnten. Jede Religion und jede politische oder soziale Gruppe lebe ihr eigenes Istanbul – was dazu führe, dass man sich in Kämpfen zerreibe und der größeren Weltgeschichte oft hinterherlaufe. Man sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt – und müsse häufig auf- oder nacharbeiten, was in anderen Regionen der Welt längst Geschichte und an der Tagesordnung sei.

Er wurde dann immer kleinteiliger und ausführlicher, und ich dachte: ›Mühlenthal, Mühlenthal! – eigentlich solltest Du kein Diplomat, sondern ein Hochschullehrer werden! Und zwar einer, der die Erkenntnisse vieler Fächer miteinander verbindet! Ein Genie der Vergleiche, Synthesen und Zukunftskonzepte – etwas in der Art.‹ Ich sagte aber nichts, um ihn so kurz vor unserer Trennung nicht zu irritieren.

Wir tranken noch ein letztes Glas zusammen, und es musste (auf Mühlenthals ausdrücklichen Wunsch hin) natürlich etwas Alkoholisches sein. »Ich hoffe, ich konnte Dir ein paar Anstöße geben«, sagte er (mein Gott, er wartete richtiggehend auf ein Kompliment von meiner Seite!). – »Keine Anstöße«, antwortete ich, »Du warst eher ein dickes Lehrbuch mit einschüchternd vielen Kapiteln und tausend Details. Grandios war das! Aber, mal im Ernst: Das Beste, was ich von Dir gelernt habe, war das Philosophieren, ich meine das, was Du so nennst und was mir unglaublich gefällt. Wissen in kleine Bausteine zerlegen, Zusammenhänge erfinden, unerwartete Verbindungen herstellen – das kannst Du perfekt!«

»Danke!« sagte er (und wurde zum ersten Mal während der gesamten Reise rot im Gesicht). – »Wirst Du gerade etwa rot?« fragte ich, und er antwortete: »Du kannst einen schon in Verlegenheit bringen.« – »Tja«, sagte ich, »vielleicht besteht momentan eine meiner wenigen Fähigkeiten darin, andere in Verlegenheit zu bringen. Damit muss ich vorerst leben. Es wird aber bald vergehen, glaubst Du nicht auch?«

Mühlenthal öffnete eine kleine Flasche Champagner (aus seinen speziellen Vorräten). Und dann tranken wir sie aus, jeder etwas mehr als ein Glas. Wir saßen einander gegenüber, als wären wir uralte Kumpel (oder Mühlenthal der Professor, bei dem ich meine Doktorarbeit schreiben würde).

Ich wurde entsetzlich sentimental und sagte genau das: dass ich bei ihm gern meine Doktorarbeit geschrieben hätte. Und Mühlenthal entblödete sich nicht, mich zu fragen: »Und über welches Thema?«

›Welches Thema?! Welches Thema?!‹ – wie sollte ich das jetzt schon wissen? Ich hatte einen Scherz und ein letztes Kompliment machen wollen, nicht mehr. Dann aber leerte ich mein Glas (macht Champagner eigentlich schneller betrunken als etwa Retsina?) und sagte: »Über die Hirtenmusik auf dem Olymp, in Vergangenheit und Gegenwart, unter Berücksichtigung antiker und griechisch-orthodoxer Quellen!« – »Ich würde die islamischen nicht unterschätzen«, antwortete Mühlenthal und lachte mit einem Mal drauflos und immer länger, und ich lachte mit ihm, und wir hörten gar nicht mehr auf.

Papa schlief längst, als ich in unsere Kabine kam. Ich legte mich auf dem Rücken ins Bett und starrte gegen die Decke, als befänden sich dort oben goldene Mosaiken. Das Händel-Adagio kam immer wieder, ich konnte es aber weder zerlegen noch fortführen noch sonst etwas mit ihm anstellen. Das Händel-Adagio war einfach nur das Händel-Adagio – und entweder war ich noch nicht soweit, mehr daraus zu machen, oder ich war eben jemand, dem das Händel-Adagio reichte, so, wie es nun einmal war.

Saras Jazz hatte mir aber sehr gefallen, und ich dachte wieder daran, etwas Ähnliches (zumindest) auszuprobieren. Ich wusste jedoch genau, dass ich so etwas (zumindest jetzt) noch nicht konnte und dass solche Versuche (noch viel schlimmer) mein Klassikspiel durcheinanderbringen könnten. So, wie ich mich Esel nun einmal kannte, würde ich weder ›Jazz spielen‹ noch ›Jazz üben‹, ja nicht einmal ›Jazz hören‹ können, ohne dass mein Klassikspiel aus den Fugen geraten würde. Ich war ein Gefangener meiner Ausbildung und meines Musikhörens, da kam ich vorerst nicht dagegen an.

Vor kurzem hätte ich mir das noch vorgeworfen und mir gesagt, was ich doch für ein verbohrter, kleinkarierter Trottel sei, fest und wohl für immer mit seinem Händel-Adagio liiert! Jetzt aber war das anders. Ich akzeptierte meine Verbohrtheit und sagte mir: ›Okay, es ist nun mal so. Jetzt bring erst einmal Deine Verbohrtheit zu Ende – und wenn Du damit scheiterst, fängst Du eine neue Karriere, eine als Jazzpianist, an.‹ (Schöne Worte waren das, nichts als schöne Worte! Ich glaubte kein bisschen an sie, aber sie hörten sich gut an und waren als Ausrede für späteres Scheitern gar nicht so schlecht!)

Ich schlief wirklich verdammt mies. Einmal hörte ich Papa aufstehen, um auf die Toilette zu gehen. Ich hielt die Augen geschlossen, als schliefe ich, bemerkte aber, dass er auf dem Rückweg von der Toilette neben meinem Bett stehen blieb. Was war los? Betrachtete er mich etwa? Aber warum?

Ich lag auf dem Rücken und presste die Augen noch etwas fester zusammen. Und plötzlich dachte ich, dass Papa mich gerade genauso betrachtete, wie ich ihn am Nachmittag in der Rotunde betrachtet hatte. Ich musste schlucken, das verriet mich, und ich hörte Papa sagen: »Johannes, geht es Dir gut? Ist alles in Ordnung?« – Und ich öffnete (endlich) die Augen und sagte: »Es ist alles in Ordnung, Papa. Ich bin nur entsetzlich sentimental.« – »Sentimental? Wie merkt man denn so was?« – »Daran, dass ich gerne noch ein paar Tage auf dem Schiff bliebe. Die Albireo würde in Istanbul anlegen, und unsere Reisegesellschaft würde zusammen durch diese wunderbare Stadt spazieren, in der sich die Einwohner für keine gemeinsame Identität entscheiden können. Reckling, Mühlenthal, seine argentinische Freundin, Heinrich, Maro, Du und ich – wir würden die vielen Identitäten kennenlernen, und Denis würde als Kundschafter vorangehen und die schönsten Restaurants und Clubs für uns entdecken.« – »Junge, Du hast geträumt, kann das sein?« fragte Papa, und ich antwortete: »Kann sein, Papa, ja, kann sein, dass ich das alles wirklich geträumt habe.«

Höchstens zwei Stunden habe ich während der letzten Nacht an Deck noch geschlafen, und als ich (mit etwas Verspätung) erwachte, war Papa bereits dabei, die Kabine aufzuräumen.

Wir frühstückten noch einmal kurz (in großer Runde), aber es war nicht mehr wie früher, sondern nervöser und hektischer. Dann machten Papa und ich mit dem Aufräumen ernst, und als wir (wieder zum letzten Mal – diese letzten Male sind wirklich beschissen!!) alle zu Mittag aßen, hatten wir die Koffer, den Rucksack und die Tasche längst gepackt.

Ich sprach Mühlenthal noch einmal kurz auf die verschiedenen Identitäten der Bevölkerung von Istanbul und darauf an, wie man sie entdecken könne. Er sagte, dass die Stadtviertel sehr verschieden seien und jedes Viertel eine eigene Kultur mit eigenen Traditionen beherberge. Man brauche Wochen und Monate, um sie kennenzulernen.

»Die Zeit haben wir leider diesmal nicht«, antwortete ich, »gib uns mal einen Tip, was sollten wir uns anschauen?« – »Als erstes den großen Bazar, dann die Hagia Sophia-Moschee! Und fahrt hinaus auf die Prinzeninseln, sie wären der ideale Abschluss Eurer Reise!« – »Von den Prinzeninseln habe ich noch nie gehört«, sagte ich, »was steckt denn dahinter?«  – »Die Lehrstunden sind beendet, mein Lieber, Ihr müsst jetzt selbst philosophieren – und ich bin sicher, Du beherrschst es bereits gut, auch ohne mich.«

Am Nachmittag unterhielt ich mich auch noch länger mit Sara und notierte mir eine lange Liste von Musikern und Jazzstücken, die ich mir bald anhören wollte. (Einen Versuch war es doch auf jeden Fall wert …)

Mit Denis kam ich nicht mehr so recht ins Gespräch. Zum Abschied schenkte er mir eine Platte von den Beatles und machte dazu ein paar seiner typisch spitzen Bemerkungen. Ich sagte ihm, dass er mich während der Reise ganz schön in Atem gehalten habe, und er antwortete: »Du hattest es aber auch dringend nötig!«Am frühen Abend (wir hatten die Dardanellen längst durchfahren) wurden Adressen ausgetauscht und Verabredungen für ein Wiedersehen an Land getroffen. Heinrich Segemann würde uns bald besuchen, und auch Kapitän Reckling wollte nach Köln kommen, um, wie er sagte, die Reise noch einmal »zu rekapitulieren«. Ob Maro den Kontakt mit mir fortsetzen würde, wusste ich nicht so recht, obwohl er das in Aussicht stellte und von meinen »Geschichten« sprach, die er unbedingt bald zu lesen bekommen wollte.

Dass ich dagegen Denis nie mehr sehen und nie mehr etwas von ihm hören würde, war mir klar. Und so gab ich mir einen Ruck und umarmte ihn ein letztes Mal. »Mach es gut, Denis«, sagte ich, und er antwortete: »Du auch! Und lass Dich nicht von Typen wie mir kleinkriegen. Du wirst es schon schaffen, glaub mir! Verdammt, Du hast einiges drauf!«

Von Sara und Mühlenthal erhielt ich ebenfalls eine Platte (natürlich mit Jazz), und dann gab es keine Geschenke oder schönen Worte mehr, und die Albireo näherte sich der Märchenstadt am Bosporus.

Als Ganzes konnte man sie nicht in den Blick bekommen, nein, das ging nicht. Sie hatte nichts Ganzes, so wie andere Städte mit klaren Grenzen und Oben und Unten und Rechts und Links.

Stattdessen verteilte sie sich anscheinend auf viele Hügel, und dazwischen tanzten schmale Meere mit kleinen Schiffen, Booten und Tausenden von Lichtern.

Das alte Rom, die Ewige Stadt – ungefähr so hatte ich sie mir in meinen kümmerlichen Fantasien immer vorgestellt. Zu den vielen Hügeln Roms kamen in Istanbul aber noch die blau und weiß schäumenden Meere und Gewässer hinzu.

Ununterbrochen setzten Menschen von den Ufern hinüber zu anderen Ufern, wie wilde Schwärme, die nie zur Ruhe kommen, sondern immer weiter übersetzen, sich verteilen und Hügel hinauf und hinab ziehen würden.

Die Albireo ankerte in einiger Entfernung vom Hafen, mitten unter vielen anderen, wartenden Schiffen. Ein kleines Boot kam uns entgegen – und dann war es soweit.

Eine Strickleiter wurde herunter ins Boot gelassen, und dann kletterten Papa und ich unbeholfen hinab, und Denis und Maro brachten uns das Gepäck hinterher.

Von oben winkten sie danach alle, und wir winkten auch. Und dann legte das kleine Boot von dem Schiff ab, auf dem Papa und ich einige Wochen unseres Lebens verbracht hatten.

»Junge, schau nicht mehr zurück!« sagte Papa, »dreh Dich um und schau auf dieses Wunder!« – Und ich drehte mich um und starrte auf die unendlich vielen Wunder von Byzanz, Konstantinopel und Istanbul und blickte nicht mehr zur Albireo zurück.