FOLTER

 

Wo war ich nur? Alles um mich herum war so düster und kalt. Nichts konnte ich erkennen. Plötzlich erschien nur einige Meter von mir entfernt ein besorgniserregender roter Lichtbalken. Es sah so aus, als ob jemand auf einem Thron sitzen würde. Doch wer war diese Gestalt, die ein Glas in der Hand hielt? Sein Gesicht , dachte ich erschrocken und wich zurück. Es war ein Mann! Ein Mann, dessen Antlitz mit Narben übersät war. An seiner Seite zwei nackte Frauen mit je einem Leder-Nietenband um den Hals, woran Ketten befestigt waren. Waren das etwa seine Sklavinnen, mit denen er sich zu schmücken versuchte? Sie sahen ziemlich mitgenommen und ausgehungert aus. Auf einmal kam mir ein krasser Sturm entgegen. Zum Schutz beschirmte ich die Augen gegen den starken Wind.

Der Fremde erhob sich von seinem Thron. Er war bis obenhin zugeknöpft und trug einen langen Mantel aus Leder. „Chris!“, sagte er. Seine Stimme klang unheimlich – richtig düster. „Erwachst du auch endlich mal, ja?“

Der Wind ließ nach. Langsam stand ich auf. „Wer bist du?“

„Ich bin ein Gott!“, behauptete er stolzen Hauptes. „Gott Hetoaepahihja!“

Verwirrt schaute ich ihn an. „Höh? Wer?“

„Hetoaepahihja!“

„Könnten Sie das buchstabieren?“

Ganz wütend wurde er. So wütend, dass er das Glas in tausend Stücke zerbrach. „Gott des Zorns, des Hasses und der Gewalt!“

„Ach so“, sagte ich mit einem lockeren Wink und blieb komischerweise ganz cool. „Sag das doch gleich.“

„Gott der Heterosexuellen, Hetoaepahihja!“

„Ja, ja“, plapperte ich genervt. „Was mache ich hier?“

„Du ungezogener Junge!“ Er schloss die Augen und hatte dabei so ein seltsames Grinsen im Gesicht. Auf einmal riss er die Lider auf und sah mich aggressiv an. Er streckte die Hand in meine Richtung aus. „So etwas wie du sollte auf die Knie gehen und darum betteln, am Leben bleiben zu dürfen!“

Wieder kam mir ein Wirbelsturm entgegen, und wie verhext konnte ich mich nicht mehr bewegen. „Was soll das? Warum kann ich mich nicht bewegen?“ Ich sah, wie er die Hand langsam nach unten bewegte, und je tiefer sie ging, umso schwerer wurden meine Beine. Mit aller Kraft versuchte ich, stehen zu bleiben, doch ich wurde wie magisch in die Knie gezwungen. „Was soll das?“

„Schnauze!“

Blitzartig klatschte mein Gesicht auf den harten Boden. Fuck, das tat vielleicht weh! Ich spürte Blut, das aus meiner Nase lief. „Ich blute!“, jammerte ich. „Oh Gott, oh Gott!“

„Sei ruhig!“, brüllte er mich an.

Prompt wurde ich nach hinten gegen eine harte Mauer geschleudert. Wo die auf einmal herkam, war mir echt ein Phänomen.

„Schau hin!“, befahl er, nachdem ich wieder einigermaßen gerade stehen konnte. „Sieh dir deine ach so tollen Götter an.“

„Was laberst du da für einen Kack?“, fragte ich leise, als aus der Schwärze auf der linken Seite plötzlich zwei Gestalten auftauchten. Nackt wie sie waren, hingen sie an Dornenbüsche, die ihre Haut stückweise aufgekratzt hatten. Erst jetzt erkannte ich, wer dort leblos hing. „Uranus?! Neptun?!“, schrie ich und rannte instinktiv auf ihnen zu, um sie daraus zu befreien.

„Ja, lauf du ruhig“, hörte ich diesen seltsamen Gott lachen.

Fast hatte ich Uranus erreicht, da wurde ich von einer Barriere aufgehalten und bekam voll die Stromschläge. Laut kreischte ich und wurde ruckartig meterweise nach hinten geschleudert.

„Gib dir keine Mühe“, meinte der Gott der Heten. „Du kannst ihnen nicht mehr helfen.“ Er erhob sich und warf sein flusiges, ausgedünntes, langes Haar über die Schultern.

„Was, was willst du von uns?“, fragte ich leidend. Mir tat nach diesem Stromschlag alles weh.

„Wesen wie du haben es nicht verdient, zu leben!“

„Wesen wie ich? Was soll das heißen?“

„Sei still!“, forderte er und knallte mir eine aus der Ferne! Ernsthaft! Er stand meterweit weg, dennoch spürte ich seinen Schlag, den er der Luft verpasst hatte. Seine langen Krallen waren echt abartig.

„Du ruinierst mein makelloses Gesicht!“, motzte ich. „Was fällt dir eigentlich ein?!“

„Und es steht geschrieben“, sprach er, „Gott schuf den Menschen als Mann und Frau, damit sie sich zu einem Paar vereinen und Partner füreinander sind.“

Ja, ganz große Klasse! , dachte ich ermattend. Jetzt kommt der mir auch noch mit der Schöpfungserzählung.

„Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau! Es ist ein Gräuel!“

Und ich dachte, dass ich den Religionsunterricht längst hinter mir hätte.

„Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben. Blutschuld lastet auf ihnen.“

Das kann wohl noch was dauern , dachte ich gelangweilt und setzte mich im Schneidersitz hin. Ich konzentrierte mich und versuchte, den Schmerz auszublenden, der mich plagte, während dieser komische Spinner weiterhin laberte.

„Darum hat sie Gott dahingegeben in schändlichen Leidenschaften, denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichem.“

Mir juckt der Arsch , schoss es mir durch den Kopf.

„Desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt, und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein musste, an sich selbst empfangen.“

Vielleicht ein wenig auf dem Hintern robben?

„Und wie sie es für nichts geachtet haben, Gott zu erkennen, hat sie Gott dahingegeben in verkehrten Sinn, sodass sie tun, was nicht recht ist.“

Oder einfach mal kurz kratzen? Fällt bestimmt nicht auf.

„Eine Frau soll nicht Männersachen tragen und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen, denn wer das tut, der ist dem Herrn, deinem Gott, ein Gräuel.

Scheiß drauf! Ich kratze mir jetzt die Rosette! Heimlich rieb ich mir die Ritze.

„Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder …“

Fuck, tut das gut!

„Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!“

Redet der vom Essen? Ein wenig Hunger habe ich schon.

„Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“

Ich prustete, denn ich war total gelangweilt von der Predigt.

„Hörst du mir überhaupt zu?!“, maulte er mich an.

„Muss ich denn?“, fragte ich schnippisch. „Dieses ganze Gelaber ist doch eh nur euer närrisches Denken.“

Wütend schaute er mich an. „Du und deine Sünder! Ihr werdet alle von mir bestraft!“ Der Gott der Heterosexuellen – zu meiner Zeit nannte man sie Gesetzesmacher oder auch beschränkte Sesselpupser – richtete die Hand in Richtung Neptun, die mit einem Mal einen krassen Stromschlag bekam. Neptun kreischte vor Schmerz.

Ich war schon erleichtert, dass sie noch lebte. „Neptun!“

„Sie soll Buße tun!“, lachte der Gott.

„Aufhören!“, flehte ich. „Sie tun ihr weh!“

„Eine Frau“, sagte er und blickte in meine Richtung, während er Neptun weiterhin quälte, „die es mit Frauen treibt und mit einem Mann, der es mit Männern tut. Ekelhaft!“

Neptuns Schreie wurden immer lauter. Sie musste unglaubliche Schmerzen empfinden.

„Und der!“, schnauzte der Verrückte und guckte zu Uranus, den er nun auch unter Strom setzte. „Ein Mann, der sich mit einem Mann vereinigt und dann auch noch Krankheiten abschafft. In der Hölle soll er schmorren!“

„Was willst du denn von uns?!“, schnauzte ich. Mir taten die beiden Götter unglaublich leid. Sie mussten Schlechtes erleben, weil so ein kranker Kerl es für richtig empfand.

„Es ist eine Sünde, zu sündigen!“, behauptete er.

„Wenn es eine Sünde ist, zu lieben, aber keine, zu töten und zu quälen, dann tickt bei Ihnen da oben etwas nicht richtig!“

Unerwartet hörte er damit auf, die beiden Götter zu foltern. „Was sagst du?“

„Sie sind der Sünder, nicht wir bösen Homosexuellen!“

„Ich …“, sagte er und hielt einen Moment inne, ehe er mich böse ansah, „bin kein Sünder!“ Mit einem Mal schossen kleine kugelförmige Blitze aus seiner Handinnenfläche und trafen mich – einer nach dem anderen.

Nicht, dass nur mein tolles Outfit darunter litt und in Fetzen zerrissen wurde, nein! Ich bekam auch eine Wunde nach der anderen.

„Perversling!“, schnauzte er und schoss einen so gewaltigen Kugelblitz in meine Richtung, dass ich laut aufschrie und regelrecht das Feuer auf meiner Haut spüren konnte.

„Ah!“ Scheiße, war das eine Folter. Erschöpft fiel ich zu Boden. Reste meiner Kleidung waren mit Blut besudelt. „Warum tun Sie mir das an?“

„Weil deine Lebensweise falsch ist.“

„Und Ihre ist richtig, ja?“

„Sei still!“, maulte er.

Ein unglaublich großer Schmerz durchfuhr schlagartig meine Lippen. Fette Nadeln fädelten sie zu!

„Schau, dort“, befahl er und ließ mich auf einmal durch die Luft schweben.

Erschrocken blickte ich auf ein großes Hologramm. Die Dead-Zone, die einst von Neptuns Zauber unter Quarantäne gehalten worden war, existierte nicht mehr! Alle Menschen aus diesem Ort waren frei und zerstörten willkürlich das Werk der beiden Götter. Bomben fielen, Menschen wurden auf offener Straße abgestochen, Homosexuelle verbrannt.

„Es wird Zeit für Zucht und Ordnung!“

Am liebsten hätte ich ihm ja eine passende Antwort gedrückt, aber ich konnte meine Lippen nicht öffnen.

„All ihr Sünder sollt leiden“, flüsterte er und näherte sich der nackten Neptun. „Schau dir ihre Vagina an“, verlangte er.

Angeekelt presste ich die Augen zusammen, denn das war etwas, was ich als Schwuler niemals sehen wollte.

„Schau hin!“

Wie verhext wurden mir die Lider aufgerissen und ich musste mit ansehen, wie dieser kranke Bastard mit einem seiner ekeligen Finger um ihre Muschi herum streichelte.

„Dort waren mehr weibliche Zungen dran als heterosexuelle Männer mit ihren Schwänzen!“ Er drückte einen Finger in ihre Grotte und riss sie dann auf.

„Aufhören!“, flehte Neptun heulend.

„Oh, Neptun“, flüsterte Uranus, der langsam wieder zu Bewusstsein kam. „Nimm deine Finger von ihr, du ekeliges Schwein.“

„Eine Muschi ist für uns Männer vorhergesehen und ich nicht für euch Tucken. Erst recht nicht für andere Frauen!“

„Es bleibt ja wohl jedem selbst überlassen, wen er an sich ranlässt“, antwortete Uranus entkräftet.

„So wie du, der sein Schwanz in Tausende von Männerlöchern stopft und auch noch Freude dabei empfindet?“

„Ja, weißt du“, schmunzelte Uranus. „Ich liebe eben das Gefühl eines zarten und warmen Lochs eines jeden jungen Knaben.“

„Mal sehen, ob sie dich immer noch anhimmeln, wenn dir dein bestes Stück fehlt.“

Ich konnte meinen Augen nicht trauen! Dieser Gott packte Uranus‘ Schwanz, knetete ihn ein paar Mal und riss ihn anschließend voller Wucht ab.

„Nein!“, kam es brüllend von Uranus.

Nachdenklich beäugte Hetoaepahihja das Fleisch und zerdrückte es dann voller Zorn. Es sah abartig aus. „Diese Welt muss gereinigt werden!“

Alles um mich herum erstrahlte in diesem grässlichen roten Ton. Zum Glück konnte ich meine Augen wieder schließen, denn sonst wäre ich wohlmöglich blind geworden. Als ich die Lider wieder öffnete, bekam ich den Schock meines Lebens!

Roter Schleier umhüllte die nackten Körper hunderte Männer, die den Raum füllten. Die Kerle hingen gefesselt an Seilen, schwebten bewusstlos in der Luft, lagen breitbeinig auf Opferstätten, waren an Kreuze genagelt.

„Ihr seid wider der Natur. Kein Wunder, dass euer Gott euch einst verlassen hat. Missgeburten, die niemals hätten geboren werden dürften!“ Hetoaepahihja blickte zu mir rauf. „Verabschiede dich von deinen schwulen Freunden“, sagte er mit einem dreisten Grinsen.

Mit einem Mal schlug er die Faust in den Bauch eines Mannes, entriss ihm die Eingeweide, einem anderen rupfte er den Sack samt Schwanz ab. Ich wollte das nicht sehen, doch wurde ich regelrecht dazu gezwungen! All die Männer, all die hübschen Knaben brüllten vor Schmerz. Der Zorn dieses Gottes war unersättlich. Körperteile flogen umher wie Blätter im Herbst von den Bäumen. War das etwa das Ende der Homosexuellen?