Das Gute war, dass ich Gaitner keine reingeschlagen habe. Cholerisch bin ich jedenfalls nicht.
Ich hab mit Finzi geplaudert.
Finzi hat gesagt, dass wir Freunde sind.
Danowski seufzte. Liebes Tagebuch. So was konnte man doch nicht hinschreiben. Er war doch ein erwachsener Mann.
Finzi hat gesagt, dass wir Freunde sind.
Ich habe auf dem Heimweg gesehen, wie ein Star gegen eine Autoscheibe geknallt und vor mir auf dem Bürgersteig gelandet ist. Ein paar Elstern und Krähen sind gekommen und haben ihn ganz aufgeregt umringt. Erst dachte ich, wie süß, die wollen sich um ihn kümmern, die stupsen stoßen ihn mit den Schnäbeln an, um zu gucken, ob er noch am Leben ist. Als ich näher kam, habe ich gesehen, dass er tot war und dass sie dabei waren, sich zu zanken, wer ihn fressen darf.
Immerhin. Eine Naturbeobachtung. Wie süß. Um Gottes willen. Aber die Aasfresserei hatte ihn mit einer Art Genugtuung erfüllt. Genugtuung war auch eine Art Glück, oder?
Bald ist Wochenende.
Es wurde immer schlimmer mit seinem Geschreibsel.
Bald ist Wochenende.
War das Ausmaß seines Glücks das normale Fortschreiten des Kalenders aufs Wochenende zu? War das seine Ekstase, sein Nirvana, wenigstens seine Zufriedenheit?
Er wunderte sich, dass ihm so wenig einfiel, was ihn glücklich machte. Möglicherweise lag es daran, dass ihm das ganze Konzept Glück nicht behagte. Er hatte sich eher daran gewöhnt, die Dinge über sich ergehen zu lassen, Sachen auszuhalten. Sein Aha-Erlebnis war ein Urlaub gewesen, als Stella gerade sprechen konnte und Martha noch nicht laufen. Irgendwo an der Ostsee, Klützer Winkel, bisschen weit vom Meer, was aber auch egal war, denn es regnete die ganze Zeit, Leslie hatte Halsschmerzen, und Danowski fand die ganzen Bilder nicht, die er sich vorgestellt hatte, während er auf den Urlaub gewartet hatte: Er am Strand, wo die Kinder glucksend bestaunten, wie er Sandburgen eher schuf als einfach nur baute; er in Liegestühlen, Hängematten, Bücher in den Händen, Getränke in Reichweite, und immer schliefen die Kinder um acht, halb neun, und Leslie und er hatten jede Nacht Sex oder wie er das damals in Gedanken genannt hatte.
Es war dann ganz anders gekommen. Er hatte gelitten. So hatte er sich den Urlaub nicht vorgestellt. Das Quartier war auch nicht so doll. Aber nach einer Woche dann eben das Aha-Erlebnis, im Nieselregen auf dem Parkplatz vom Verbrauchermarkt bei Boltenhagen: Wer sagte eigentlich, dass sein Urlaub gut oder sogar richtig gut sein musste. Er konnte es doch auch aushalten, dass der Urlaub eher ziemlich mittel war, damit kam er doch klar. Fast sofort war der Druck weg, dass alles toll sein musste, und wehe, wenn nicht. Und vielleicht war es mit seinem ganzen Leben so. Vielleicht lag ihm einfach mehr, die Dinge über sich ergehen zu lassen, statt ihnen ständig Glück abzuringen.
Danowski rieb sich mit den Handballen die Schläfen und fragte sich, ob das der Hintergedanke der Therapeutin beim Glückstagebuch war: ihm zu demonstrieren, dass er mit seiner Neuerfindung noch ganz am Anfang war.