NACHWORT

Dies ist ein Buch für Musikfreunde – und Musikfreundinnen. Es stellt 100 Komponisten vor, die in unseren Konzertsälen, in den Opernhäusern und Kirchen – aber auch auf Tonträgern – präsent sind. Es sind die 100 bekanntesten, beliebtesten und meistgehörten Tonkünstler der abendländischen Musikkultur. Man sollte einschränken: der klassischen Musik, der ernsten Musik, der Musik der abendländischen Musikkultur. Doch sind das alles fragwürdige Begriffe: klassisch, ernst, abendländisch

Da ist es leichter zu sagen, was nicht gemeint ist: Nicht berücksichtigt ist die Musik des Mittelalters, Musik anderer Erdteile und Kulturen (China, Afrika, Indien …), Volksmusik, eigene und fremde Folklore, Unterhaltungs- und Popmusik, Filmmusik, experimentelle Musik, Jazz (obwohl es unter alldem viel Hörenswertes gibt). Es geht also um jene Musik aus dem Fundus der vorwiegend europäischen Kultur, die heute noch lebendig ist, gerne gespielt und gehört wird – und sich über die Entstehungszeit hinaus bewährt hat.

Die Beschränkung auf 100 Komponisten macht es erforderlich, die Kriterien zu benennen: Die Reihe beginnt mit dem ersten, dessen Werk bis heute weithin bekannt ist und aufgeführt wird – Palestrina. Sie endet mit dem jüngst verstorbenen György Ligeti. Womit auch verraten ist, wie der Autor dieses Buchs der Verlegenheit entkam, unter lebenden Komponisten auswählen zu müssen. Er setzt sich damit gelassen dem Vorwurf aus, er ließe nur tote Komponisten als gute Komponisten gelten. Auch der Vorwurf der Subjektivität wird gern akzeptiert. Wer kann beim Thema Musik schon objektiv sein?

Eine Verengung auf Europa war unvermeidlich – immerhin ist es die sogenannte »Abendländische Musik«, um die es hier geht, auch wenn sie in den USA gewichtige Vertreter fand (die auch behandelt werden). Es wurde auch bedacht, dass die Adressaten des Buchs deutschsprachige Leserinnen und Leser sind. Denn natürlich wird sprachgebundene Musik (in Lied, Oper und Oratorium) in den Ländern der jeweiligen Sprache besonders gepflegt. Die eigene besondere Kompetenz für Kirchenmusik, Musik der Tasteninstrumente und Fragen der Kulturgeschichte wird hoffentlich kein Mangel sein.

Das Buch hat drei Abschnitte: In einem ersten Teil werden die großen Gattungen der abendländischen Musikgeschichte in einer ungewohnten Weise behandelt: in der Vermischung der Klänge im gemeinsamen Musizieren (Sonate, Sinfonie, Konzert) – im Spielen auf Musikmaschinen (Tasteninstrumente) – im Erzählen von Geschichten (Oper und Oratorium) – in der Faszination des Vokalen (Gesang und Stimme) – in der geistlichen Musik (Musik und Religion). Diese unübliche Art, musikalische Entwicklungen aufzuzeigen, will gerade den fachlich unbelasteten Musikfreunden entgegenkommen.

Dann folgen die 100 Lebensbilder von Palestrina bis Ligeti, die in der Abfolge den Geburtsdaten der Komponisten folgen. Jeder dieser 100 Artikel hat drei Teile: eine Kurzcharakteristik des Musikers und seiner besonderen Bedeutung – einen chronologischer Lebensabriss – eine kursorische Würdigung und die Aufzählung wichtiger Werke. Bei vielen Komponisten wird ein kleiner Anhang beigegeben: Meilensteine (für markante Werke) – Ohrwürmer (für markante Melodien) – Legenden (für markante Geschichten). In diesem Teil geht es um den schnellen Überblick in der Art eines Nachschlagwerks.

Ein dritter Abschnitt ist den Epochen gewidmet – natürlich in einer nicht ungefährlichen Vereinfachung: Renaissance – Barock – Klassik – Romantik – Moderne. Bewusst wurden die populären Begriffe verwendet, allenfalls im Text erklärt oder differenziert. Die Entwicklungen und Strömungen werden dargelegt, ohne allzu sehr in die Fachsprache der Musikwissenschaft zu verfallen. Hier soll der Musikfreund in einer schlichten Sprache einen Überblick über die Entwicklung von 500 Jahren europäischer Musik gewinnen. Durch diesen Aufbau bietet das Buch außer den 100 Lebensbildern zwei Essays zur Vertiefung des Wissens über Musik.

Musikwissenschaftler werden die ihnen vertraute Fachsprache vermissen. Ihnen ist dieses Buch nicht zugedacht – es gibt viele, größere und bessere Werke der Fachliteratur. Mit zwei meiner eigenen Bücher gibt es inhaltliche, jedoch keine textlichen Überschneidungen: »Musica sacra«, Styria 1999, und »Ein großer Gesang – Musik in Religion und Gottesdienst«, Styria 2002. Widmen will ich dieses Buch meinen Studentinnen und Studenten an der Anton Bruckner Universität Linz, bei denen ich gelernt und geübt habe, in einer schlichten und alltagserprobten Sprache über Musik zu reden und zu schreiben.

Linz, im Sommer 2006

Peter Paul Kaspar