27 WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756–1791)

Was seine internationale Bekanntheit betrifft, ist er der Meister aller Klassen. Von vielen Musikern wird er neben Bach an die Spitze gesetzt. Auf jeden Fall war er eine Jahrhundertbegabung, schuf in beinahe allen Musikgattungen Werke von höchster Qualität und ist der erste Komponist, dessen Werk sich seit seiner Entstehung ununterbrochener Bekanntheit und Beliebtheit erfreut. Sein Leben ist – da er ja schon als Kind komponierte – so gut dokumentiert wie das keines anderen Komponisten aus früheren Zeiten. Seit seinem Auftreten geistert der reichlich nebulöse Begriff des Genies durch die Musikwelt. Denn allzu vieles an ihm und seinem Schaffen ist rational kaum erklärlich. Er galt als Wunderkind und gilt vielen Musikfreunden heute noch als musikalisches Wunder. Dabei war er kein Neuerer, sondern eher ein Vollender.

Er wurde in Salzburg in einer Musikerfamilie geboren. Er hat nie eine Schule besucht und nie eine reguläre Ausbildung erfahren – außer dass ihm sein musikalisch und intellektuell hochgebildeter Vater Leopold Mozart (1719–1787), Vizekapellmeister am Hof des Salzburger Fürsterzbischofs, von frühester Zeit an bildete und formte, vielleicht sogar zum Wunderkind dressierte. Diese frühe Prägung, samt den weiten und langen Reisen als Wunderknabe mit der ebenfalls hochbegabten Schwester Nannerl, brachte ihn mit vielen Künstlern in bildenden und prägenden Kontakt. Er ist wohl das berühmteste Beispiel für einen kreativen Künstler, der schon seit frühester Kindheit geradezu spielerisch erlernte, was andere Jahre später in mühsamen Studien erarbeiten müssen.

Seit 1762 unternahm der Vater mit seinen beiden Kindern Konzert- und Präsentationsreisen durch viele Städte und Fürstenhöfe Europas: München, Wien, Augsburg, Heidelberg, Mainz, Frankfurt am Main (wo ihn Goethe hörte), Aachen, Brüssel, Paris (wo 1764 die ersten Kompositionen gedruckt wurden), weiter nach London (wo er Johann Christian Bach kennen- und schätzenlernte), Lille, Gent, Antwerpen, Den Haag (wo beide Kinder lange krank waren), dann nach Amsterdam, Utrecht, nochmals Paris, Lyon, Genf, Lausanne, Bern, Zürich, Ulm und nochmals München. Nach dieser mehrjährigen Reise kehrte Ende 1766 ein zehnjähriger – für damalige Begriffe – bereits weltberühmter Wunderknabe endlich heim und hatte mehr erlebt als viele altgewordene Kollegen in ihrem ganzen Leben.

Schon ein Jahr später ging es wieder nach Wien an den Kaiserhof, jetzt entstand die erste Oper (»La finta semplice«), 1769 in Salzburg aufgeführt, wo Wolfgang zum Konzertmeister ernannt wurde, aber schon im Dezember in den Süden abreiste: nach Verona, Mantua, Mailand, Bologna (wo ihn der berühmte Padre Martini unterwies), nach Florenz (wo er mit dem berühmten Geiger Pietro Nardini musizierte), nach Rom, Neapel und wieder nach Rom (wo er mit einem päpstlichen Orden geehrt wurde), nochmals nach Bologna (wo er examiniert und als »compositore« in die »Accademia dei Filarmonici« aufgenommen wurde) und nach Mailand (wo er »Mitridate, rè di Ponto« komponierte und erfolgreich aufführte). Im März 1771 traf er – inzwischen 15 Jahre alt – wieder in Salzburg ein, war aber im Herbst schon wieder in Mailand. Im Jahr 1772 folgte dem bisherigen, gütigen und nachsichtigen Erzbischof Graf Schrattenbach als strenger und dem umtriebigen Jungstar weniger günstig gesonnener Nachfolger Graf Colloredo-Mannsfeld.

Kurze Reisen nach Wien 1773 und München 1775 brachten zwar Erfolge, aber keine Aussicht auf eine bessere Anstellung als den immer weniger geliebten Dienst in Salzburg unter einem zunehmend verhassten Dienstherrn. Zudem war Mozart erwachsen geworden und sich seiner hervorragenden Begabung zunehmend bewusst. Wien und München lockten zwar, konnten aber keine feste Anstellung bieten. Der Kirchendienst befriedigte Mozart immer weniger, seine Erfolge als Pianist, Geiger und Komponist gelangen ihm anderswo besser als am engen Salzburger Hof. Und vor allem die Oper – Mozarts Königsgattung – wurde anderenorts verlockend gepflegt. 1777 kam es zum ersten Bruch, zum Abschied von Salzburg und zu einer Reise mit der Mutter nach Augsburg und Mannheim, wo es ein berühmtes Orchester gab.

Auf Drängen des daheimgebliebenen Vaters reiste Mozart 1778 weiter nach Paris – jetzt allerdings nicht mehr als verwöhntes Wunderkind, sondern als aufstrebender Virtuose und Komponist. Doch der gewünschte Erfolg war bescheiden, eine feste Position blieb aus, die Mutter erkrankte und starb. Die Rückkehr über Frankfurt und Mannheim war eher eine Flucht; die Heimkehr 1779 ohne Mutter eine traurige und die Wiedereinstellung als Konzertmeister am Hof des Fürsterzbischofs letztlich eine Niederlage. Mozart war dort gelandet, wovor er geflohen war. Ein Opernauftrag aus München (»Idomeneo«) und ein Aufenthalt in Wien waren die letzten Stationen vor dem endgültigen Bruch mit Salzburg und dem verhassten Dienst am Hof des Kirchenfürsten. Mit dem legendären Fußtritt des Grafen Arco wurde Mozart aus dem feudalen Dienst 1781 in eine selbstständige Existenz als Virtuose, Lehrer und Komponist nach Wien entlassen.

Die letzten zehn Jahre lebte Mozart als einer der ersten freischaffenden, bürgerlichen Komponisten in Wien. Er verdiente – entgegen weitverbreiteten Gerüchten – durchweg sehr gut, konnte aber mit dem Erarbeiteten weniger gut umgehen, lebte recht aufwändig, verspielte viel und verschuldete sich häufig. Die Gesellschaft der freisinnigen und kunstverständigen Wiener nahm ihn gern auf, unter den Freimaurern fand er Lebensfreundschaft und aufgeklärte Gesinnungsfreunde, seine Ehe mit Constanze brachte sechs Kinder hervor, von denen allerdings nur zwei überlebten – einer als Musiker mit vergleichsweise bescheidenem Erfolg. Anstelle der Kirchenmusik nahm nun die Oper einen großen Raum in seinem Schaffen ein. Hier liegt auch seine größte und nachhaltige Bedeutung – bis heute. Über der Arbeit am nachträglich vom Schüler Franz Xaver Süßmayr vollendeten Requiem verstarb Mozart in Wien. Der Auftraggeber war ein gewisser Graf Walsegg, der das Werk später unter eigenem Namen aufführte.

Von seinen Opern (opera seria, opera buffa, Singspiel) wird heute noch etwa die Hälfte regelmäßig aufgeführt. Fünf (Die Entführung aus dem Serail – Die Hochzeit des Figaro – Don Giovanni – Così fan tutte – Die Zauberflöte) gehören überhaupt zum engsten Kernrepertoire. Ähnlich herausragend sind auch seine etwa 25 Klavierkonzerte, die er vor allem für den eigenen Gebrauch schrieb. Daneben bediente Mozart so gut wie alle Gattungen der Musik auf hohem Standard: an die 40 Sinfonien, fünf Violinkonzerte, Klavier- und Violinsonaten, hervorragende Kammermusik: Trios, Quartette und Quintette, auch mit Blasinstrumenten (Flöte, Klarinette) und Klavier. Dazu Serenaden für Streicher, für Bläser und Divertimenti – mit den Merkmalen von Unterhaltungs- und Tafelmusik. Die reiche Kirchenmusik stammt fast nur aus der Salzburger Zeit. Die Sololieder markieren eine Vorstufe zum romantischen Liedgesang wie bei Schubert und Schumann.

Meilensteine: Die drei Opern nach Texten von Da Ponte (»Le Nozze di Figaro«, »Don Giovanni«, »Così fan tutte«) – »Die Zauberflöte« – die beiden letzten Sinfonien (g-Moll, Jupiter) – das Klarinettenkonzert – das Requiem

Ohrwürmer: Die kleine Nachtmusik – der türkische Marsch aus der Klaviersonate in A-Dur – das »Ave verum« – zahlreiche Opernmelodien, etwa »Reich mir die Hand, mein Leben«

Legende: Mozart war eigentlich durch den päpstlichen Orden zum Ritter vom goldenen Sporn geadelt. Anders als etwa Gluck führte er diesen Titel nicht – sondern höchstens im privaten Briefverkehr den des »Edlen von Sauschwanz«.