46 CHARLES GOUNOD (1818–1893)

»Faust« und »Romeo und Julia« machten Gounod zu einem Hauptvertreter der französischen Oper der Romantik – zugleich zu einem bedeutenden Komponisten des literarischen Musiktheaters.

Er wurde als Sohn einer Künstlerfamilie – Vater Maler, Mutter Pianistin – in Paris geboren. Ab 1836 studierte er am Conservatoire, 1839 gewann er den Rompreis. In den römischen Jahren 1840 bis 1842 wandte er sich vor allem der Kirchenmusik zu, der er auch nach seiner Rückkehr diente. Rom war der Ort nachhaltiger Prägungen: das Erlebnis der Sixtinischen Kapelle, die Musik Palestrinas, der gregorianische Choral, die Begegnung mit Mendelssohn und dessen Schwester Fanny. Nach seiner Rückkehr wohnte er 1847/48 in einem Kloster der Karmeliter und bereitete sich darauf vor, Priester zu werden, nahm aber wieder Abstand von diesem Vorhaben. Er blieb aber sein Leben lang der Religion und der geistlichen Musik – aber auch der Musik Johann Sebastian Bachs – verbunden. 1851 trat er mit der Oper »Sapho« an die Öffentlichkeit, 1852 bis 1860 war er Direktor der Chorvereinigung Odeon, für die er auch komponierte. 1855 vollendete er seine berühmte »Cäcilienmesse«. Endlich gelang ihm 1859 ein großer Erfolg mit seiner Oper »Faust«, 1867 ein weiterer mit »Roméo et Juliette«. Die Jahre 1870 bis 1874 verbrachte er wegen des Deutsch-Französischen Kriegs in England und widmete sich vor allem der Komposition von Oratorien und Instrumentalmusik. In den letzten Lebensjahren in Paris wandte er sich wieder verstärkt religiösen Werken zu. Er starb in Saint-Cloud bei Paris.

Die zwei berühmtesten seiner 12 Opern – Faust, Romeo und Julia – gehören zu den wenigen ganz großen Literaturvertonungen (Goethe und Shakespeare), die auf der Bühne präsent sind. Von seinen Messen und den anderen Sakralwerken erfreut sich die »Messe solennelle à Ste-Cécile« auch heute noch anhaltender Beliebtheit – vielleicht wegen ihrer unkomplizierten Tonsprache bei großer klanglicher Entfaltung. Zu einem religiösen Ohrwurm wurde eine schlichte Violinmelodie, die Gounod 1852 als »Méditation sur le première prélude de Bach« erfand. Er verwendete dabei das erste Präludium aus Bachs »Wohltemperierten Klavier« (1. Teil) als musikalisches Unterfutter für eine Melodie, der er erst 1859 den Text des »Ave Maria« hinzugefügte. Kirchenmusik im engeren Sinn ist dieses Werk jedoch nicht – es vertont keinen liturgischen Text.

Meilensteine: Faust – Romeo und Julia – Cäcilienmesse

Ohrwurm: Ave Maria

Legende: Eine Kooperation von zwei Musikern über Jahrhunderte hinweg ist – abgesehen von Instrumentationen und Transkriptionen – unüblich. Doch mit dem posthumen Missbrauch eines Bach-Präludiums schuf Gounod das epidemische, auf vielen Hochzeiten tanzende »Ave Maria«.