Er war als selbstkritischer und anspruchsvoller Komponist absoluter Musik, Antipode der von Liszt und Wagner vertretenen Neudeutschen Schule – also letztlich konservativ auf höchstem Niveau: Abseits der Oper war er einer der ganz Großen.
Er wurde in Hamburg als Sohn eines Musikers geboren, hatte frühe Auftritte als Zehnjähriger und unternahm seine erste Konzertreise – er war ein ausgezeichneter Pianist – mit 20 Jahren. Dabei lernte er das Ehepaar Schumann kennen, befreundete sich mit ihnen – mit Clara auch über den Tod des Gatten hinaus. Seine übergroße Selbstkritik war die Ursache, dass er immer wieder Werke verwarf und mehrfach überarbeitete. Das galt schon für sein erstes Klavierkonzert, das er 1857 vollendete. In den folgenden Jahren arbeitete er als Chorleiter in Detmold und Hamburg, von 1863 bis 1864 leitete er die Wiener Singakademie. 1868 konnte er in Bremen sein Deutsches Requiem aufführen und entschied sich, endgültig nach Wien überzusiedeln. Von 1872 bis 1875 war er künstlerischer Direktor der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 1873 konnte er die Haydn-Variationen aufführen. 1877 unternahm er eine Italienreise.
Ausführlich beschäftigte er sich mit der Musik vergangener Epochen. Es war die Zeit, in der das Interesse für »historische Musik« in eigenen »historischen Konzerten« gepflegt wurde. Seine Studien galten – neben den wiederentdeckten Meistern wie Palestrina und Bach – vor allem der Wiener Klassik und dem – wie viele sagten – unerreichbaren Vorbild Beethovens als Sinfoniker. So wagte sich Brahms erst spät an diese Form. Seine vier Sinfonien entstanden nach verworfenen Versuchen früherer Jahre erst in der Zeit von 1876 bis 1885.1878 wurde das Violinkonzert, 1881 das 2. Klavierkonzert und 1887 das Doppelkonzert für Violine und Violoncello vollendet. 1886 ernannte ihn der Wiener Tonkünstlerverein zum Ehrenpräsidenten. Kurz vor seinem Tod in Wien komponierte er noch Choralvorspiele für Orgel und die vier ernsten Gesänge über biblische Texte.
In den Kompositionen von Johannes Brahms fällt zweierlei auf: Es gibt kaum schwache Musik – wohl wegen seiner strengen Selbstzensur. Außerdem hielt er sich von jeder Programmatik fern und wollte seine Musik ohne literarische Assoziationen und dramaturgische Inhalte als reine Musik, als Poesie in Klängen, verstanden wissen. Das gilt sowohl für seine Sinfonien und Solokonzerte als auch für die besonders reichhaltige Kammermusik samt den beiden Serenaden. In den wortgebundenen Werken – Chor- und Sologesänge – sind die Instrumente gleichberechtigte Partner. Das erklärt den hohen Rang der Wortvertonungen abseits jeder opernhaften Theatralik. Mehr als 200 Lieder belegen das. Außer den genannten Werken und Werkgruppen seien noch hervorgehoben: Deutsche Volkslieder (volkstümliche Sologesänge mit besonders reizvollem Klaviersatz), die Zigeunerlieder und die Ungarischen Tänze, sowohl für Klavier vierhändig als auch in späterer Orchesterfassung, als Zeichen für die Wertschätzung des nationalen Liedguts.
Bemerkenswert ist das gesamte Klavierwerk, drei Sonaten und mehrere Zyklen von Klavierstücken, und seine besondere Kunst: die Variation – sowohl für Klavier über Themen von Händel, Paganini, Schumann und ihm selbst als auch für Orchester über ein Thema, das er bei Haydn fand. Seine beiden Ouvertüren (Akademische Festouvertüre und Tragische Ouvertüre) kann man als heitere und ernste sinfonische Dichtungen verstehen. Ein Sonderfall ist das Deutsche Requiem: keine Totenmesse, wie der Titel vermuten ließe, sondern eine große sinfonische Trauerkantate über Bibeltexte in der Übersetzung Martin Luthers. Ein besonderes Juwel ist die Altrhapsodie für Altsolo, Männerchor und Orchester nach einem Text von Goethe. Nicht zu vergessen die Liebesliederwalzer – ein seltener Fall heiterer Musik bei Brahms. Opernfans, Wagner-Verehrer und besonders lustige Menschen haben häufig Probleme mit Brahms.
Meilensteine: Deutsches Requiem – Ungarische Tänze – die beiden Streichsextette – die Deutschen Volkslieder
Ohrwurm: Guten Abend, gute Nacht
Legende: Er schrieb unter eine Melodie von Johann Strauß: »Leider nicht von mir.« Und tatsächlich ist seine Musik nicht lustig, selten heiter und häufig melancholisch.