62 GABRIEL FAURÉ (1845–1924)

Er war eine noble und zurückhaltende Erscheinung in der französischen Spätromantik. Er war so selbstkritisch, dass er seine zweite Sinfonie nach der Uraufführung vernichtete. Sein Bereich war das Lied, die Klavier- und Kammermusik – mit seinem Requiem schuf er ein subtiles und tröstliches Werk zur Totenliturgie.

Er wurde in Pamiers als Sohn eines Lehrers geboren. Von 1854 bis 1865 besuchte er eine Schule für Kirchenmusik, die École Niedermeyer, wo Camille Saint-Saëns sein Lehrer war. Nach verschiedenen Organistenämtern wurde er 1877 Kapellmeister und 1896 Organist an Ste-Madeleine. Ebenfalls 1896 ernannte man ihn zum Professor für Komposition am Conservatoire de Paris. Mehrere Reisen nach Deutschland nutzte er, um Wagners Opern kennenzulernen. Doch sah er sich und seine Arbeit in deutlicher Distanz zu Wagners Ideen und Klangsprache. 1888 war er mit einem Requiem hervorgetreten, das er aus Anlass des Todes seiner Eltern geschrieben hatte. Von 1905 bis 1920 war er Direktor am Conservatoire. Ein Gehörleiden bewirkte, dass er sich in den letzten Lebensjahren zunehmend zurückzog. Er starb, betagt und angesehen, in Paris.

Von Kennern geschätzt, jedoch den Hörern wenig bekannt sind seine Lieder, seine Klavier- und Kammermusik. Die Wertschätzung für Kammermusik war in Frankreich eher gering – bis ihr Fauré mit seinen Werken Anerkennung verschaffte. Mit den Klavierquartetten und -quintetten, den Violin- und Cellosonaten, aber auch mit dem Klaviertrio und dem Streichquartett schuf er hervorragende Beispiele feinsinniger und kunstvoller Kammermusik. Unter den Liederzyklen ist »La Bonne Chanson« ein schönes Beispiel für die französische Spielart des Klavierliedes. Obwohl er ein geschätzter Organist war, schrieb er keine Orgel-, wohl aber reichlich Klaviermusik. Mehr als seine wenigen Bühnenwerke, Opern und Schauspielmusik hat ein geistliches Werk bis heute Bewunderung geerntet: Sein Requiem verzichtet auf die bei Berlioz und Verdi gepflegte Dramatik und auf jedes Höllenpathos. Deshalb hat es als tröstliches Werk der stillen Trauer in der Geschichte der geistlichen Musik einen besonderen Platz gefunden.

Bemerkenswert ist auch die Wirkungsgeschichte dieses Werks: Seither haben die Vertonungen der Totenliturgie häufig einen stillen und tröstlichen Charakter. Das Sopransolo im »Pie Jesu« hat einige Komponisten angeregt, auf diese Weise – auch mit dem Einsatz von Knabenstimmen – ähnliche Wirkungen zu erzielen. In der Tradition solcher Trost- und Trauermusik steht auch das Requiem von Maurice Duruflé.

Meilenstein: Requiem