»Atonale Musik« und »Zwölftonmusik« ist für viele Musikfreunde gleichbedeutend mit dissonant, übelklingend und entartet. Tatsächlich bedeutet es jedoch nur das Verlassen der alten Tonarten – deshalb a-tonal – und die Emanzipation der 12 Töne der Skala. Die Symbolfigur für diesen Aufbruch ins musikalische Neuland ist Arnold Schönberg – von den Nationalsozialisten aus Wien vertriebener Jude, Theorielehrer und Komponist.
Er wurde in Wien geboren und war weitgehend Autodidakt – außer einigen Monaten Unterricht bei Alexander von Zemlinsky, seinem späteren Schwager. Er arbeitete zuerst als Bankangestellter und hielt sich dann als Chorleiter, mit dem Instrumentieren von Operetten und als Musiker fürs Kabarett über Wasser. 1899 beendete er als erstes gültiges Werk das hochromantische Streichsextett »Verklärte Nacht« nach einem Gedicht von Richard Dehmel. Seit 1901 lebte er in Berlin, wo Richard Strauss auf ihn aufmerksam wurde. Von 1900 bis 1911 arbeitete er an den Gurreliedern, 1903 vollendete er seine Sinfonische Dichtung »Pelleas und Melisande« und kehrte nach Wien zurück.
Jetzt erteilte er Kompositionsunterricht – seine Schüler waren unter anderen Anton von Webern und Alban Berg, die mit ihm zusammen die Wiener Schule bilden sollten. 1906 entstand die Kammersinfonie, in deren Tonsprache sich bereits eine Wandlung abzeichnete. 1908 und 1909 begann die Loslösung von der Tonalität in einer Reihe von Werken: einem Streichquartett, drei Klavier- und fünf Orchesterstücken (op. 10/11/16). Ab 1911 lebte er wieder in Berlin, 1912 avancierte »Pierrot lunaire« für eine Sprechstimme und ein kleines Ensemble zu einem internationalen Erfolg. Nach Wien zurückgekehrt, gründete er 1918 den »Verein für musikalische Privataufführungen«, um in öffentlichen Proben und Konzerten neue Musik aufführen zu können.
Eine Stagnation und die damit verbundene Schaffenskrise führte Schönberg zu einer neuen Kompositionstechnik, in der jenseits des alten Tonartensystems – beruhend auf der Gleichwertigkeit der 12 Töne einer Oktave – eine neue »Zwölftonmusik« entwickelt wurde. Freilich beachtete er nicht, dass die 12 Halbtonschritte ursprünglich – entsprechend den physikalischen Schwingungsverhältnissen – verschieden große Schritte waren. Ein Ruf an die Preußische Akademie der Künste als Leiter einer Kompositionsklasse führte ihn 1925 nach Berlin. Von 1930 bis 1932 arbeitete er an der Oper »Moses und Aron«. 1933 emigrierte er und kam über Frankreich in die USA – während in Deutschland die Nationalsozialisten seine Musik als »entartete Kunst« brandmarkten. In Los Angeles bekam er eine Professur. In der folgenden Zeit entstanden sein Klavierkonzert und »Ein Überlebender in Warschau«. Er starb in Los Angeles.
Schönbergs Musik war seit dem Verlassen der Tonalität stets umstritten. Die gleichzeitig mit dem weniger bekannten Wiener Komponisten Josef Matthias Hauer entwickelte Zwölftontechnik hat weite Strecken der Musik des 20. Jahrhunderts geprägt und zahlreiche Varianten und Ableger gefunden. In der Polystilistik des ausgehenden Jahrhunderts ist zwar der wütende Streit mit seinen zahlreichen Skandalen und Angriffen erloschen, Schönbergs Werk wird jedoch auch heute – wenn auch selektiv – wahrgenommen und geschätzt.
Aus der frühen Periode sind einige hochromantische Werke bis heute gelegentlich zu hören: »Verklärte Nacht«, auch in Bearbeitungen, »Pelleas und Melisande«, die 1. Kammersinfonie, das Monodram »Erwartung«, »Gurrelieder« und frühe Lieder. Nach der Zäsur 1920: Variationen für Orchester, »Moses und Aron«, Violinkonzert, Klavierkonzert, »Ein Überlebender in Warschau«, Psalm »De profundis«. Aus beiden Perioden: Klaviermusik und fünf Streichquartette. Außerdem bearbeitete Schönberg Musik früherer Epochen für verschiedene Instrumentalensembles: Johann Sebastian Bach (Präludium und Fuge in Es-Dur, zwei Choralvorspiele), Georg Friedrich Händel (Concerto grosso in B-Dur), Johannes Brahms (Klavierquartett in g-Moll), Johann Strauß (Kaiserwalzer).
Meilensteine: Verklärte Nacht – Moses und Aron
Ohrwurm: Einen solchen – versehentlich – zu komponieren, wäre ihm vermutlich peinlich gewesen.