88 SERGEJ PROKOFJEW (1891–1953)

Er gehört mit Dimitrij Schostakowitsch zu den bedeutendsten Komponisten der Sowjetunion. Beide standen unter dem bedrohlichen Einfluss kommunistischer Kulturpolitik, beide haben eine große stilistische Breite, die aus heutiger Perspektive dem Werk und seiner Rezeption keineswegs schadet.

Er wurde in Sonzowka (Ukraine) im bäuerlichen Milieu geboren, erhielt den ersten Klavierunterricht von seiner Mutter und wurde schon 1904 ins Konservatorium in St. Petersburg aufgenommen. Er trat 1908 – auch bereits mit eigenen Werken – als Pianist an die Öffentlichkeit. In dieser Zeit stieß er auch zum Kreis um Sergej Diaghilew, der sich als Ballettimpresario sehr für zeitgenössische Musik interessierte. Schon während seines Studiums – bis 1918 – fiel er durch avantgardistische Kompositionen auf, die allerdings auch auf heftigen Widerstand stießen: die beiden ersten Klavierkonzerte, Visions fugitives (für Klavier), die Skythische Suite. Mit dem Rückgriff auf die Klassik und Haydn als Vorbild entstand 1916/17 die »Symphonie classique«, die ihm einen bis heute anhaltenden internationalen Erfolg einbrachte.

Die Russische Revolution veranlasste ihn 1918, die Sowjetunion in Richtung USA zu verlassen. Die Uraufführung seiner Oper »Die Liebe zu den drei Orangen« 1921 in Chicago verschaffte ihm einen vielversprechenden Einstand. In diesen Jahren bis 1935 hielt er sich abwechselnd in Paris, in Bayern und den USA auf und bereiste als Konzertpianist auch die Sowjetunion. 1936 entschloss er sich, endgültig in seine Heimat zurückzukehren. Doch der Stalinismus und die Kulturpolitik des kommunistischen Regimes setzten ihm wiederholt zu. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er an der Oper »Krieg und Frieden« – nach Tolstoi – und mit mehreren Überarbeitungen nach Kriegsende. 1948 wurde er in der Formalismusdebatte zu einem Hauptschuldigen erklärt, so dass er sich immer mehr zurückzog. Dennoch hat sich sein Werk sowohl in seiner Heimat als auch international durchgesetzt. Er starb in Moskau.

Sein riesiges Opus reicht von der Oper über das Ballett bis zur Filmmusik. Unter den Ballettmusiken findet sich neben »Aschenbrödel« (1945, englisch »Cinderella«) das Meisterwerk »Romeo und Julia« (1936) – auch konzertant zu hören in drei Suiten und einer nochmals gestrafften einzigen Suite. Sieben Sinfonien, fünf Klavierkonzerte, zwei Violinkonzerte, zahlreiche Kammer- und Klaviermusik, darunter neun Klaviersonaten. Ein Unikat ist das musikalische Märchen »Peter und der Wolf« – gleichzeitig eine amüsante Instrumentenkunde.

Meilensteine: Die Liebe zu den drei Orangen – Klassische Sinfonie – 3. Klavierkonzert – Romeo und Julia

Ohrwurm: Peter und der Wolf

Legende: Prokofjew schrieb auch Filmgeschichte. In Zusammenarbeit mit dem legendären russischen Regisseur Sergej Eisenstein schuf er die Musik zum dem Filmklassiker »Alexander Newsky« (1938).