Goldie seufzte. »Das bedeutet, dass der kleine Dussel an uns vorbeigeschlüpft ist. Wir waren selbst gerade erst hier angekommen, als er auftauchte. Er rannte quiekend ins Tal hinunter und schnurstracks ins Haus hinein. ‚Oink, oink, oink', die ganze Zeit. Wir konnten ihn einfach nicht aufhalten.«
»Und was ist dann passiert?«, fragte Joe mit Panik in der Stimme.
»Ist alles in Ordnung mit ihm?«
Goldie griff in ihre Umhängetasche und zog eine Feldflasche heraus, die wir herumreichen sollten. »Keine Ahnung. Es ist totenstill, seit er da drin ist.« Sie griff nach einem Fernglas, das neben ihr an einem Baum hing, und reichte es mir.
Ich nahm es und richtete es auf Kevins Haus, das im Mittagsdunst gespenstisch ruhig wirkte. Vor der Villa stand vielleicht ein Dutzend Motorräder. Der einzige andere Unterschied, den ich erkennen konnte, war ein großes weißes Laken, das zwischen zwei Fenstern im oberen Stockwerk gespannt war. Darauf prangte ein großer Pfotenabdruck.
»Was soll denn die Pfote?«, fragte ich, als ich das Fernglas an Sierra weiterreichte.
»So nennen die sich eben.«
Goldie verdrehte die Augen und ging zu einem Tisch hinüber, an dem sich zwei weitere SQUATisten und ein Ritter über eine riesige Landkarte beugten. »Eine Klaue wäre sicher furchterregender gewesen, aber vielleicht ist die schwerer zu zeichnen oder so.«
Sie zeigte uns auf der Karte, wie sie das Haus von allen Seiten umstellt hatten, als Sierra das Fernglas sinken ließ und vortrat.
Goldie sah sie verwirrt an. Sie schaute zu Joe hinüber und dann zu mir, dann wieder zu Sierra. »Hab ich irgendwas verpasst?«
Sierra lächelte traurig und ziemlich schief. »Irgendwie schon. Mein wahrer Name ist Sierra Käppchen.«
Goldies rechte Augenbraue schoss nach oben. Sie legte einen Moment lang den Kopf schrägt und sah Sierra mit neuem Interesse an.
In diesem Moment hörten wir das Geräusch eines winzigen Elektromotors, der sich wimmernd den Hügel hinaufquälte. Wir fuhren herum und erblickten Schulleiter Haggard, der sich über das verbeulte Zwergoped krümmte, das der Wolf gestern benutzt hatte.
Er bremste neben uns und stieg (mühsam) von dem albernen kleinen Rad. Als er sein Hemd glatt gestrichen und sich ein paar Mücken von der Stirn gepflückt hatte, schaute er uns verlegen an. »Ja, es gehört mir. Ich hab das blöde Teil an der Hust- und Pust- Losbude gewonnen, klar? Spart euch eure Kommentare.«
Goldie bat uns ins Hauptzelt, zusammen mit dem leitenden Ritter und dem Chef der SQUATisten, Nils Holgersson (der es seit seinen Jugendtagen, wo er Gänsehirt oder so etwas gewesen war, ziemlich weit gebracht hatte). Was folgte, war eine hitzige Diskussion, bei der Sierra darauf bestand, sich den Wölfen ausliefern zu dürfen, während wir anderen versuchten, ihr klarzumachen, dass sie verdammt noch mal den Verstand verloren hatte.
Wir hatten das alles an die dreißig Mal durchgesprochen, als SQUATist Holgersson in seine Tasche griff und einen Schokoraspelriegel hervorzog. Als er das Papier herunterriss und energisch hineinbiss, war mein erster Gedanke: ganz schön unhöflich. Mein zweiter Gedanke war, dass ich hoffte, sein Schokoraspelriegel schmeckte nicht nach Kohlzwiebelsuppe. Und mein dritter Gedanke war, dass ich eine Idee hatte.
Ich stand auf. »Wartet mal.«
Alle drehten sich zu mir um. Ich marschierte auf und ab und versuchte, meine Eingebung auszutüfteln. Mein Trollhirn ist an Ideen nicht so gewöhnt, deshalb war es ein bisschen wie der Versuch, Knetgummi durch einen Strohhalm zu blasen.
»Wir sind uns darüber einig, dass Sierra sofort zu Wolfsfutter wird, wenn sie da reingeht, ja?«
Alle nickten.
Ich lief noch einige Male im Zelt auf und ab. »Aber wir müssen wissen, was da drinnen vor sich geht, stimmt's? Wir brauchen jemanden vor Ort.«
Noch mehr Nicken.
Mr. Holgersson sagte, den Mund voller Schokoraspelriegel: »Wär toll.«
»Also …« Ich stieß hier wirklich an die Grenzen des Trolldenkens.
»Was, wenn wir einen Wolf reinschicken?«
Alle sahen mich an, als ob mir etwas extrem Ekliges aus der Nase hinge.
Goldie machte einfach nur ein verwirrtes Gesicht. »Was? Etwa den Doofen Dusseligen? Was sollte das denn wohl nützen? Der würde doch nie im Leben mit uns zusammenarbeiten.«
Ich blieb stehen und holte tief Luft. »Und was, wenn der Wolf gar kein Wolf wäre?«