Im hohen Haus am Hafen von Toreth lag Hohepriesterin Thalia wach in der Dunkelheit und lauschte dem Atem ihres Geliebten. Von draußen drangen unterschiedliche Geräusche herein: eine rufende Frauenstimme, das Singen Betrunkener, ein Kreischen und ein Poltern. Gelächter. Der Wind hatte wieder aufgefrischt. Sie konnte das Meer hören, die Wellen, die auf den Steinstrand schlugen, die Möwen.
Ich habe einen Drachen gesehen, dachte sie. Ich habe einen Drachen im Wind tanzen sehen. Ich habe das Meer gesehen. Den Himmel. Den kalten Frost. Die Schönheit der Welt. Ich habe das Licht der Sonne im Gesicht gespürt, als sie über der Wüste aufgegangen ist. Ich habe gespürt, wie klares Wasser zwischen meinen Zehen hindurchgesprudelt ist. Ich habe Leid und Schmerz und Glück und Liebe erlebt.
Sie setzte sich auf und entzündete eine Kerze. Der Mann neben ihr regte sich und kratzte sich heftig das Gesicht. Sie strich ihm mit einer Hand über die Stirn, und er schlief seufzend wieder ein.
König Marith Altrersyr. Zurückgekehrter Amrath. König Ruin. König der Schatten. König des Staubes. König des Todes.
Drachenfürst. Drachentöter. Drachengleicher. Dämonengeborener.
Elternmörder. Hathasüchtiger.
Der schönste Mann der Welt.
Sie ging hinüber zu der Wand, an der sein Schwert hing, nahm es ab und trat vor das Bett. Einen Augenblick zitterten ihre Hände.
Es wäre Güte, dachte sie.
Die Möwen kreischten vor dem Fenster.
Sie hob das Schwert, hielt es über sein Herz.
Blickte auf ihn herab.
Güte. Ihm und auch ihr gegenüber.
Aber er ist so wunderschön, dachte sie.
Sie ließ das Schwert sinken und legte sich neben Marith.
Schlief.