Sein Pferd kommt über das Wasser geflogen, er spürt das Wasser an seinen Beinen, und dann sind sie am anderen Ufer, stürzen sich auf das Lager, die anderen hinter ihm können einige glorreiche Herzschläge lang nicht mithalten, er allein reitet voraus, sein Pferd bäumt sich auf und hat Blut an den Hufen, im Lager herrscht große Verwirrung, Männer rennen herum, schreien, sie wissen nicht, was sie davon halten sollen, was sie tun sollen, er hört sie, fassungslos, es fallen die Worte »Verrat« und »Verräter«, beinahe hätte er sie ausgelacht.
Nun sind auch seine Männer bei ihm. Er spürt das Donnern der Hufe, die die Unbewaffneten treffen, die Freude, die sich entfaltet, als die Schwerter herabfahren. Freude über das Töten. Freude, getötet zu werden. Er greift einen Weglaufenden an, stößt ihm sein Schwert in den Leib; es ist so einfach, wieder durchtrennt er ungeschütztes Fleisch, trennt es ab, zerfetzt einen Mann und zeigt ihm die Stücke, sieh nur, das bist du, nichts als stinkendes Fleisch und Knochen. Der menschlichen Gestalt wohnt kein Glanz, kein Wunder inne. Männer sind keine Götter. Sieh dir deine Innereien voller Scheiße an, die sich auf den Boden ergießen: Das bist du, daraus bestehst du. Fleisch und Scheiße, und alles wird fort sein, vergangen, dein Leben ist nichts, nichts wert, keine Erinnerung, bloß die Lügen eines Narren.
So. Vergangen.
Er zielt beim nächsten Mal höher, erwischt seinen Gegner im Gesicht. Es gefällt ihm, Gesichter aufzuschlitzen. Der Mann stirbt nicht sofort, als seine Haut weggeschält wird, nichts als rotes Fleisch und weiße Schädelknochen zu sehen sind. Ein nasenloser, mundloser Klumpen. Die Kiefer bewegen sich, ein Gurgeln dringt heraus, bevor der Mann zusammenbricht. Er reitet vorbei, so schnell, dass er das Lager bereits durchquert hat, sieht den Waschplatz, den sie ausgegraben haben, die Latrinengrube flussabwärts, die Pferdekoppeln. Wieder Scheiße, Gestank in der feuchten Luft. Und Erinnerungen: ausheben von Latrinengruben für Skie und Tobias, ein Nichts, ein Junge, den sie auslachen, das schwache Opfer ihrer Witze. Männer rennen herum, taumeln ins Wasser, er stößt einem von hinten die Klinge in den Hals, trennt einem anderen den Kopf mit einem Schlag ab. Es ist fast bedauerlich, dass es nicht mehr sind, denkt er, es ist alles so schnell vorbei, er kann den Kampflärm hinter sich hören, seine Männer, die töten. Nur einhundert, der Feind hat fünfmal mehr, aber sie mähen sie alle nieder. Das werden sie. Das müssen sie.
Seine Männer erreichen die Pferde und drehen um, treffen auf größere Gegenwehr, sogar einige Berittene kommen auf sie zu. Er attackiert einen, der weiße Federbusch auf dem Bronzehelm weist ihn als Kommandanten aus, sein Schwert hat eine geschwungene Klinge und erinnert an einen Haken. Es prallt hart auf seinen Arm, die Krümmung zieht ihn mit sich, zerrt an seinem Schwertarm, den er nicht mehr richtig kontrollieren kann. An der Schwertspitze winzige Zacken, die sich in die Haut bohren. Er dreht den Arm, zieht ihn weg, da ist Blut, der Federbusch-Behelmte zischt: »Verräter! Betrüger!«, pariert seinen Schlag. Etwas prallt gegen die Flanke seines Pferdes, lässt es taumeln, er wehrt die gekrümmte Klinge ab, ein anderes Schwert trifft ihn. Er spürt, wie die Klinge seine Rüstung aufreißt und seine Haut. Wieder wirbelt er herum, lässt sein Schwert hart auf den schlecht geschützten Bereich am Hals herunterfahren, wo der Bronzehelm nicht ganz auf der bronzenen Plattenrüstung aufliegt. Der Aufprall zuckt schmerzhaft durch seinen Arm. Ein herrliches, feuchtes Knirschen von Fleisch. Heißes Blut im Regen. Er leckt sich die Lippen, und es schmeckt eisern und himmlisch, darunter ein Hauch von Quecksilber: Sie trinken Quecksilber, die Ither, die Adligen, die Götter allein kennen den Grund dafür.
Aber er kann es nicht genießen, der andere schlägt auf ihn ein, er spürt einen Schmerz in der linken Schulter, wirft sich herum, dreht sich wie Wasser im Sturm, sein Pferd kreischt, gerät beinahe außer Kontrolle, das Pferd des Toten versucht, ihn zu beißen, bevor es die Flucht ergreift. Er wendet sein Pferd, dreht und dreht es, reißt sein Schwert hoch und lässt es herabsausen, pariert, hackt, zertrümmert fast den Arm seines Gegners. Der metallüberzogene Stoff gibt nach, es fühlt sich seltsam weich darunter an, dicke Wattierung, die ebenfalls nachgibt, fast wie das halb vergessene Gefühl, ein Kind zu töten. Ein Schrei.
Beinahe hätte er sich schuldig gefühlt. Aber es hatte so kommen müssen: Es überrascht ihn, verletzt ihn, dass sie ihn als »Verräter« beschimpfen, während er sie tötet. Hatten sie es denn nicht klar und deutlich kommen sehen, dass das passieren musste? Er ist der König. Der wiedergeborene Amrath. Er braucht keine Verbündeten, Allianzen oder Hilfe.
Was hat Amrath getan?
Er hat getötet.
So tötet auch er mehr von ihnen. Zu Fuß die Dummen, die es nie bis zu ihren Pferden geschafft haben. Bei den Göttern, er hätte diese Männer ohnehin nicht in seiner Armee gewollt, nicht, wenn sie nicht einmal rechtzeitig aufsitzen und sich verteidigen konnten. Er tötet einen weiteren, der verletzt auf ihn zugeritten kommt, der Mann kämpft mit der linken Hand, da seine rechte eine glänzende rote Masse ist. Sein Pferd galoppiert durch eines der Kochfeuer, die sie angezündet haben, Holz und Asche fliegen in einer Wolke aus Funken in die Luft, der heiße, verkohlte Gestank, wo eine Leiche ins Feuer gefallen ist, Blut die Flammen erstickt. Er spürt Hufe über die Asche trampeln, Regen und Blut löschen das Feuer.
Der Kampflärm wird schwächer. Der Boden bebt nicht länger unter den Pferdehufen. Er lässt sein Pferd anhalten und blickt sich um.
Das Lager ist gefallen. Seine Männer zügeln ihre Pferde, keuchen und sehen sich lachend um. Etwa zehn sind gefallen – nein, einige mehr, vielleicht zwölf oder fünfzehn. Fußsoldaten kommen herbei, um alles zu sichern. Er beobachtet, wie einer einen Verwundeten findet, sich rasch umschaut, ob jemand ihn bemerkt, und dem Mann schnell in den Hals sticht. »Verarzten« hat Tobias das immer genannt.
Osen und Yanis Stansel reiten zu ihm. Osens Gesicht ist vor Freude gerötet, seine Augen strahlen. Yanis sieht müde aus. Blut strömt aus einem Schnitt an seiner Wange. Seine linke Hand ist ebenfalls blutverschmiert. Aber es scheint nicht tödlich zu sein. Diener eilen herbei, binden Yanis los und heben ihn aus dem gepanzerten Rahmen, der ihn auf dem Pferd hält, um ihn zu seinem Rollstuhl zu tragen. Yanis’ Pferd schnaubt und schüttelt sich. Osen steigt ab, kniet nieder, hält ihm sein Schwert hin. Der Knauf aus Vogelknochen ist mit Blut befleckt.