56

Den ganzen Morgen haben Tobias und Landra auf einem Hügel gesessen und die Schlacht beobachtet, die unter ihnen tobte. Als würden sie in ein Fass starren, in dem Stoff gefärbt wurde. Linien bewegten sich hierhin und dorthin. Drängten vorwärts. Wurden zurückgedrängt. Brachen, wurden von der anderen Seite verschluckt, gingen platt getrampelt und tot zu Boden. Ein Ansturm von Reitern gegen leicht bewaffnete Fußsoldaten, und der Boden wurde rot und schlammig. Befleckt. Speerkämpfer hoben und senkten in Formation die Waffen, lange Speerschäfte bewegten sich wie ein Webstuhl. Zwei Linien aus Speerkämpfern trafen aufeinander wie sich umklammernde Hände. Tobias merkte, wie er bei diesem Anblick die Finger verschränkte.

Das war nun schon seit einer Weile nicht mehr passiert. Die meisten Speere waren längst verloren gegangen oder fallen gelassen worden. Linien hatten gedrückt, geschoben und gehalten, um dann zu zerbrechen, und die überlebenden Speerkämpfer mussten grob mit dicken kleinen Schwertern auf ihre Gegner einhacken. Lange Zeit hielten sie stand, schoben einander, Schulter an Schulter, wie Betrunkene, die sich stützen, was irgendwie eine witzige Intimität an sich hatte, die für ihn unerwartet kam, da er nie ein Speerkämpfer gewesen war. An vorderster Front mussten sie halb untereinander begraben sein. Sie drängten sich dicht an dicht. Bis eine Seite brach, auseinanderfiel und die andere brüllend hindurchrannte. Oder bis ein Magier oder ein Drache auftauchte und alle frittierte. Aber zu guter Letzt hatten die meisten einfach aufgegeben. Einige Kolonnen kämpften noch tapfer weiter, eine hielt sogar den Ansturm schwer gerüsteter Reiter auf. Doch der Großteil war entweder tot oder hackte wie besessen auf den Gegner ein und ließ sich von erfahreneren Schwertkämpfern niederstrecken, die weitaus geschickter darin waren, jemandem den Arm mit einer kurzen dicken Klinge abzuhacken.

Der gegenseitige Angriff der Kavallerie beider Seiten war schlichtweg spektakulär gewesen. Die schwer gepanzerten Pferde waren langsamer, als sie aussahen, wenn sie direkt auf einen zukamen, stellte er fasziniert fest. Dann der Aufprall, und tatsächlich flogen blutige Körperteile hoch in die Luft. Sie ritten aneinander vorbei, prallten gegen jeden, der das äußerst große Pech hatte zu glauben, eine Reihe von Pferden mit massiven Panzerungen wäre eine gute Verteidigungslinie zwischen einem selbst und dem Feind, drehten sich aufgeregt, um herauszufinden, ob jemand den Angriff überlebt hatte, um sogleich das Ganze in die andere Richtung zu wiederholen.

Aus der Ferne sah es beinahe lustig aus, jedenfalls dieser Teil, die Nachwirkungen eines gewaltigen Kavallerieangriffs. Große Lords auf großen Pferden, die leicht überrascht feststellten, dass sie am Ende des Kampfes noch am Leben waren und keine anderen Gegner mehr hatten als ein paar sich in die Hose scheißenden Ausreißer, die eine strategische Defensivposition weit in der Mitte bezogen hatten. Es war faszinierend, das alles auf diese Weise mit anzusehen. Und lehrreich. Man bekam in seinem Metier nicht oft die Gelegenheit, sich zurückzulehnen, zuzuschauen und den künstlerischen Wert eines Kampfes zu beurteilen. Es hatten nur noch ein Bier und eine Pastete zu einem zünftigen Picknick gefehlt.

 

Raeta hatte sie vor Sonnenaufgang geweckt und gezischt, dass in Mariths Lager etwas vor sich ging. Das war nicht überraschend: Normalerweise wurden Angriffe bei Tagesanbruch ausgeführt, über den Fluss, während der Nebel aufstieg, in der Hoffnung, den Feind noch halb schlafend anzutreffen. Zudem hatte der Junge ohnehin einen Hang zum Dramatischen. Die Illyrianer hatten sich auf der anderen Seite aufgestellt und waren kampfbereit. Ein guter, hart aussehender Haufen, Pferde, lange Speere, schwere Eisenrüstungen, rote Flaggen. Sie hatten sich zu dritt einen schönen geschützten Fleck am Rand der Hügel gesucht, die Mariths Lager umgaben. Etwas zu nah an Mariths Lager für Tobias’ Geschmack, aber es war wohl nicht damit zu rechnen, dass überhaupt jemand in ihre Richtung sah. Sie krabbelten den Hang etwas weiter nach oben und krochen in einen Dornbusch, um vor dem Regen geschützt alles beobachten zu können.

»Ich muss … etwas unternehmen«, sagte Raeta. »Bleibt hier.«

»Etwas unternehmen?«

»Sei vorsichtig«, ermahnte Landra sie.

Raeta nickte. Schatten von Geweihstangen und Ästen und nickenden Blättern, Zweige, die im Wind wehten.

»Sei vorsichtig«, sagte Tobias.

Der Himmel wurde heller. Auf beiden Flussseiten schien sich die Dunkelheit zu regen. Aus Menschenmengen bildeten sich Armeen. Linien starrten einander mit grimmigen Gesichtern an.

Der Himmel nahm eine blasse rosa-silbrige Farbe an, die auf Eisen und Bronze flackerte.

Mit lautem Schrei stürmte Marith direkt über den Fluss auf die Illyrianer zu. Ein offener, halb selbstmordartiger Kavallerie-Frontalangriff.

Die Illyrianer standen einfach nur da, lange Reihen aus Speerkämpfern, lange Reihen aus Reitern, ebenfalls mit Speeren bewaffnet. Pfeile flogen über ihre Köpfe hinweg ins Wasser und schufen eine breite Schneise unter Mariths Reitern, bevor diese überhaupt am anderen Ufer angekommen waren. Mehrere Magier attackierten Marith mit Feuer und ließen das Wasser brennen. Es waren weitaus mehr Illyrianer als Männer von den Weißen Inseln zu sehen. Sehr viel mehr. Sie standen in Fünfer-, in Zehnerreihen.

Er wird irgendetwas Gewitztes tun, wie sich zurückziehen und ein Ass aus dem Ärmel ziehen, dachte Tobias. Mariths Bogenschützen feuerten Bannfeuer ab. Die Illyrianer fingen an zu brennen. Das an sich war schon eine sehr merkwürdige Taktik, schließlich stürmten Marith und seine Freunde direkt auf die Front zu, die sie soeben in Brand steckten. Außerdem landete jeder Schuss, der den Feind nicht erreichte, unausweichlich auf Mariths eigenen Männern.

Doch Marith zog sich nicht zurück. Die Pferde überquerten den Fluss, wobei ein gutes Drittel zurückfiel, weil es tot oder schwer verwundet war, und hielt direkt auf die illyrianischen Speere zu. Ein Krachen, das Tobias sogar hoch oben auf seinem Beobachtungsposten noch spüren konnte. Selbst Landra keuchte auf und stieß einen Schrei aus. Der wunderschöne, schillernde Marith verschwand in einer Masse aus Speeren und Pferden. Die Soldaten von den Weißen Inseln feuerten weiter Bannfeuer ab. Offenbar hatten sie den Befehl, ihren eigenen König zu grillen. Ein Kontingent aus Mariths Infanterie überquerte in perfekter Formation den Fluss, marschierte langsam durch das Wasser auf den tosenden Morast zu, der soeben ihre Kavallerie verschluckt hatte. Die Illyrianer setzten ihnen ununterbrochen mit Magierfeuer und Pfeilen zu. Die Soldaten der Weißen Inseln schleuderten Bannfeuer. Die Fußsoldaten marschierten unverdrossen mit ihren Speeren das Ufer hinauf und hielten auf die Illyrianer zu. Diese stoischen Mistkerle.

Er wird etwas Gewitztes tun, sagte sich Tobias.

Wenn ich nur wüsste, was.

Sterben?

Das wäre ebenso gewitzt wie unglaublich hilfreich.

Eine weitere Infanteriereihe, diesmal leicht gerüstete Schwertkämpfer. Sie mussten Schlange stehen, um den Fluss zu überqueren, da die vorderen damit beschäftigt waren, sich das andere Ufer hinaufzukämpfen. Marith war bemerkenswert weit in die illyrianischen Reihen vorgedrungen, wenn Tobias die wogenden Muster der Kämpfenden richtig deutete, aber er konnte doch unmöglich davon ausgehen, dass er dabei genug Männer mit sich ziehen und dann …

Schatten stürzten sich auf die Illyrianer. Sie kamen wie eine Plage vom noch fast dunklen Himmel herab. Attackierten die brodelnden Kampfreihen. Aus der Entfernung war es unmöglich, einzelne Gestalten auszumachen, aber Tobias sah – da war er sich ganz sicher –, wie Marith seinen Schwertarm zum Willkommensgruß hob.

Der Druck im Fluss nahm zu. Die Männer kämpften schon fast gegeneinander in ihrer Gier, auf die andere Seite zu gelangen und sich den illyrianischen Truppen zu stellen. Sie drängten vorwärts. Im Pfeilhagel. Ein Mahlstrom wie ein roter Färbekessel.

Magierfeuer jagte gen Himmel. Die Schatten brannten. Erhoben sich laut kreischend in eine Wolke. Schrei um Schrei um Schrei. Wilde Lichtexplosionen. Es roch nach verbrannten Blumen. Kochendem heißem Fleisch. Erneut schoss Magierfeuer nach oben, erneut brannten die Schatten. Taumelten schlingernd höher. Kleine schwarze Löcher in der Welt. Eine Feuersäule entstand inmitten der Schlachtlinie. Tobias glaubte zu sehen, wie Marith Altrersyr eine halbe Meile entfernt auf einem Hügel gegen einen Magier kämpfte und seine Augen vor Wonne funkelten. Ein Kavallerieangriff traf auf eine Mauer aus Magierfeuer. Ging in Dampf auf. Landra hielt sich die Ohren zu, weil sie die Schreie nicht mehr ertragen konnte. Tosende Strudel. Der Fluss färbte sich rot.

Er schlägt sich gar nicht so gut, wie ich erwartet hatte, stellte Tobias fest. Wo er doch der wiedergeborene Amrath, König Ruin, König des Todes und was weiß ich noch alles ist. Der einzige Kerl in ganz Irlast, der würdig genug ist, dass die schöne Thalia für ihn die Beine breitmacht. Er wurde zwar nicht entscheidend geschlagen, vielversprechend sah es für ihn allerdings auch nicht aus. All die Soldaten überquerten den Fluss und kamen doch nicht weit. Und die berühmten Schatten, über die er in Ith so viel gehört hatte, stellten sich als ziemlicher Reinfall heraus, wenn man ehrlich war. Zwar wollte er aus offensichtlichen Gründen nie selbst gegen einen kämpfen, doch die illyrianischen Magier setzten ihnen ordentlich zu. Ein großes, glänzendes, riesiges Vogelwesen fiel Mariths Kavallerie in den Rücken und zerfetzte sie. Goldene und silbrige Federn, verkörpertes Licht, etwas wie Hörner oder Äste auf dem Kopf, Adlerkrallen so lang, wie ein Mann groß ist. Die Kreatur sang am Himmel, während sie tötete. Ein süßes Lerchenlied. Der Auftakt zum sommerlichen Sonnenaufgang.

Die Kavallerie war zerlegt, das göttliche Vogelwesen wandte sich gegen die Schatten. Die Schatten taten das Vernünftigste und ergriffen die Flucht. Das Vogelwesen jagte hinter ihnen her. Magierfeuer brannte Schneisen in die Reihen der Kämpfenden. Linien bewegten sich, wirbelten herum, drängten vor, Mariths Truppen gerieten ins Wanken, sammelten sich und griffen wieder an. Kamen ein Stück weiter. Die Überreste von Mariths Kavallerie gruppierte sich für den nächsten Ansturm.

Wo ist der Drache?, fragte sich Tobias auf einmal. Sie hatten ihn nun seit Tagen jeden Morgen über den Bergen fliegen sehen, wo er Feuer spie und sich stolz präsentierte. Marith hatte ihn gerufen. Marith hatte einen Drachen. Aber wo steckte er?

Unruhe in den hinteren Reihen der Illyrianer. Männer sprengten auseinander. Gaben sie Fersengeld? Aber sie waren doch vermeintlich am Gewinnen. Er sah Pferde hinter einer Flussbiegung hervorkommen. Sie bewegten sich schnell. Aber warum …?

Ach! Oh, verdammt. Der Mistkerl hatte eine komplette zweite Armee den Fluss an einer anderen Stelle überqueren lassen. Die Männer hier konnte er ruhig opfern, da er woanders noch genug andere und zusätzlich den Drachen hatte, die dem Feind in der klassischen alten Hammer-und-Amboss-Taktik in den Rücken fielen.

Vielleicht hatte der Junge bei ihm und Skie ja doch etwas gelernt.

Abermals brach Magierfeuer über die heranstürmenden Reiter herein. Marith loderte kurz in hellem Licht auf. Tobias wusste genau, dass er es war, weil er der Einzige war, der die andere Seite erreichte.

Schon seltsam, wie klein er aussah. Tobias hatte geglaubt, er wäre inzwischen größer geworden. Wie ein Riese. Würde über dem Wrack der Welt kauern. Er sollte größer sein. So groß wie das Sterben. Schließlich musste jeder der anderen verdammten Mistkerle hier nur seinetwegen sterben.

Marith mähte illyrianische Soldaten nieder. Licht umgab ihn. Licht und Freude. Töten und töten und töten und töten. Tod! Tod! Tod!

Er schlägt sich ziemlich gut, dachte Tobias, trotz allem. Allein seine Verluste durch das Magierfeuer mussten gigantisch sein. Die Hammer-und-Amboss-Strategie war gut, aber im Augenblick schenkt man ihm ordentlich ein. Fast so viel, wie er sich gestern Abend eingeschenkt hat.

Einen Moment lang war er unglaublich zufrieden mit sich ob dieses großartigen Einfalls. Er nahm sich vor, es später Raeta zu erzählen, die es gewiss zu würdigen wusste. Fast so viel, wie er sich gestern Abend eingeschenkt hat.

Der Moment war dahin. Ein großer, robuster, gewaltiger dunkler Schatten legte sich auf den Hügel hinter ihnen. Begleitet vom Geruch nach heißem Metall und einem Brüllen.

Ach, sieh an! Da ist ja der Drache! Er fliegt über Tobias’ Kopf!

 

Rot und golden stürzte sich der Drache herab. Sauste über die Hügelkuppe. Pflanzen verdorrten. Die Luft kochte. Warme, sonnige Flügelschläge. So nah, dass Tobias ihn beinahe berühren konnte. Silberne, starrende Augen.

Die Augen des Jungen. Trauer, Scham, Freude, Hass, Wonne spiegelten sich darin.

Er schwebte über dem Schlachtfeld, blickte nach unten. Ein gewaltiger Flügelschlag. Eine Drehung des Halses. Die Muskeln an seinen Flanken bebten.

Der Schwanz zuckte. Er saugte wie ein Blasebalg die Luft ein.

Stieß nach unten. Spie Feuer.

Die ganze Welt verschwand in einem Feuerstoß. Heißer Wind wehte Tobias ins Gesicht. Der Geruch nach heißem Metall. Er hatte den Geschmack von geröstetem Fleisch im Mund. Besser als Steak. Tausend verzweifelte Stimmen schrien im Einklang. Eine winzige schimmernde Gestalt, den Kopf triumphierend erhoben, zeichnete sich vor den Flammen ab.

Der Drache sauste durch die in der Sonne funkelnden Regentropfen. Wasser glitzerte auf seinen Flügeln. Nebel stieg um ihn herum auf. Warme Wolken aus Metall und Blut. Er frohlockte in der Luft. Sauste abermals nach unten. Spuckte Flammen.

Das Zusehen kam Tobias wie eine halbe Ewigkeit vor. Das Schönste, was ein Mann je zu Gesicht bekommen würde. Es reinigte den Geist von allem anderen. Er konnte sich nicht daran erinnern, ob es vor diesem Augenblick schon etwas anderes gegeben hatte. Es existierte nur noch ein im Wind tanzender Drache.

Ein Strahl aus weißem Licht schoss nach oben. Eine enorme, hoch aufragende, wundersame Säule aus Licht. Sie traf den Drachen. Der Drache schrie, als würde die ganze Welt den Schmerz spüren. Er hing am Himmel und war von silbrigen Funken umgeben. Schlug schnell mit den gewaltigen Flügeln. Spuckte Feuer. Spie Wut aus. Die Lichtsäule verschwand.

Eine Art von Magie war gebrochen. Tobias war beinahe dazu in der Lage, den Blick vom Drachen abzuwenden und die Schlacht darunter wieder wahrzunehmen. Gestalten, die panisch herumliefen, sich neu formierten. Die eine, die er erkannte, ohne sie auch nur richtig zu sehen, war Marith Altrersyr, der vorwärtspreschte, trotz des sich aufbäumenden Pferdes, mit dem Schwert um sich schlug, die Hufe des Pferdes mit Blut beschmiert. Weißes Licht umgab ihn. Wie der Drache kreischte auch er und schüttelte es ab. Eine armselige Linie aus Reitern bildete sich hinter ihm. Sie attackierten die illyrianischen Soldaten.

Gemetzel.

Männer wurden wie verrottender Abfall niedergetrampelt.

Die Illyrianer wichen zurück. Wurden dorthin getrieben, wo die andere Armee des Ansikanderakesis Amrakane auf sie zumarschierte. Hammer und Amboss. Der Drache kreiste am Himmel und trieb sie weiter. In seinem Kopf und seinem Herzen hörte Tobias das Echo des Lobgesangs. »Tod! Tod! Tod!«

Und dann goldene Schatten. Vogelgezwitscher. Kühler Morgentau über der sengenden Drachenhitze. Das Vogelwesen mit Flügelschlägen so sanft wie Spinnweben. Es sang sein Lied über den Schmerz und die Freude, am Leben zu sein. Die plötzliche, schreckliche Erinnerung an Tobias’ Kindheit, wie er morgens im Bett lag und die Dämmerung anbrechen sah in der ruhigen, wunderschönen, hoffnungsvollen Vollkommenheit der Welt.

Der Drache schrie. Schwebte am Himmel. Widerwillig. Es wirkte beinahe, als wollte er wegfliegen. Einige haben Drachen verehrt, dachte Tobias. Aber sie lassen sich zähmen. Sie sind keine Götter. Man kann sie verletzen. Sie töten.

Das Götterwesen wartete, kreiste. Rief. Der Drache zischte und schnaubte Flammen.

Sie näherten sich einander.

Tanzten wie alle Mächte des Lebens und der Dunkelheit. Der Himmel wurde prächtig erhellt. Eintausend Sonnen gingen auf und eintausend silbrig schimmernde Monde. Die Luft war erfüllt vom Klang der aufeinanderprallenden Schwerter. Das Klirren des Metalls stieg bis zu den Sternkreisen empor. Alle Menschen sehnen sich danach, einen Drachen zu sehen. Sie träumen von Wundern. Hoffen tief in den hintersten Winkeln ihrer Seele, Wunder auflodern, brennen und sterben zu sehen. Wir beten den Himmel an und die Bäume und die Erde und das Meer und die Steine, über die wir gehen. Wir träumen von Licht und Schatten und dem Glanz von etwas weitaus Größerem, den alten, wilden Mächten der Welt. Götter und Dämonen stolzieren umher. Die geheimen Dinge, die wir nicht sehen können, die sich weit jenseits des Bereichs aufhalten, den wir mit unserem menschlichen Auge wahrnehmen können. Und da, in strahlender Herrlichkeit, rangen sie miteinander, blendende Schönheit, die der Verstand nur ansatzweise erfassen kann. Drachen und Götter und Dämonen. Singen und weinen und schreien, während sie kämpfen. Bluten Licht und Dunkelheit. Reißen gewaltige Löcher in die Substanz der Menschenwelt.

Der Triumph des Lebens. Da! Ruhm! Tobias hätte fast geglaubt, ein guter Mensch zu sein, nur weil er das sehen durfte. Weil er den Sieg mit ansehen durfte. Töte die toten Dinge! Den Feind! Das Leben wird über die Dunkelheit triumphieren! Leben! Leben! Leben!

Der Drache flog kreischend davon. Verwundet. Er ließ seinen Schmerz an den Menschen um sich herum aus. An der Erde der Ebenen. Den Wolken am Himmel.

Der letzte Schatten stürzte sich auf das Götterwesen. Wurde zerfetzt. Zerstob. Verbrannte wie Seidenstoff.

Leben!

Marith kam auf seinem Hengst angeritten. Der blutige Umhang wehte hinter ihm her. Augen wie Messerwunden. Strahlend weißes Licht umgab seine Schwertklinge.

Das Götterwesen loderte ruhmreich am Himmel. Dieser winzige Mann auf seinem winzigen Pferd mit seinem winzigen Schwert. Weißes Licht und goldene Regenbögen. Leben! Leben!

Stirb endlich, dachte Tobias. Elender kleiner Scheißer Marith Altrersyr. Stirb einfach. Menschen mögen dich nicht töten können. Raeta konnte dich nicht umbringen. Aber das hier …

Das Götterwesen setzte zum Sturzflug an. Leuchtete golden. Leben und Hoffnung, so überaus rein und perfekt.

Marith tötete es mit einem Schwerthieb.