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Schlacht.

 

Die Armeen prallten aufeinander. In ihrer Mitte, dem Zentrum des Kampfes, wie eine Esse, die beiden gegnerischen Sarissareihen. Zertrümmernd, zermahlend und haltend. Gefallene wurden einfach niedergetrampelt. Kianas Reiter griffen die illyrianischen Schwertkämpfer an. Das laute Krachen des Bannfeuers, um den illyrianischen Gegenangriff zu unterbinden. Berittene Bogenschützen, immer in Bewegung, nie an einem Fleck, galoppierend, schießend und wie Vögel herumsausend. Marith auf der linken Außenseite, am Ufer des schnell fließenden Jaxertane, wartend, atemlos, die entstellte linke Hand an Thalias Brosche. Der Himmel war voller Feuer, Explosionen heller als der Sonnenaufgang, aufblitzende Dunkelheit, die die Luft plötzlich erkalten ließ. Die Schatten konnten nur mit Mühe dagegenhalten. Die silbernen Lichter wanden sich um sie herum und versuchten, sie festzuhalten. Der Feuervogelgott tauchte auf Mariths Männer herab und riss sie mit Klauen, die an Falkenkrallen erinnerten, in Stücke. Bannfeuerpfeile flogen über das Schlachtfeld. Das Licht war gleißend hell. Aber noch hielten seine Reihen.

Seine rechte Hand zuckte auf dem Schwertgriff. Tod und Ruin! Bald. Oh, so bald.

Kianas Attacke hatte eine Bresche in die leicht gerüstete illyrianische Infanterie geschlagen und sie nach hinten gedrängt, wo sie verwirrt in Richtung der Hügel zurückwich. Ein Großteil war verwundet, schwerfällig im Vergleich zu den berittenen Bogenschützen, und dann stürzten sich die schnellen berittenen Schwertkämpfer in Wellen auf sie. Kiana zog ihre Truppen zusammen und formierte sie neu, um den nächsten Angriff auszuführen. Die schwere illyrianische Kavallerie kam ihr entgegen, hielt sie auf, schlug sie zurück. Sie stemmte sich dagegen, die Bogenschützen töteten mehrere Pferde der Illyrianer. Ein Stoß Magierfeuer. Mehrere ihrer berittenen Bogenschützen gingen zu Boden.

»Der Magier!«, kreischte jemand. »Tötet den Magier!« Eine Bannfeuerexplosion. Grünes Feuer und weißes Licht. Erneut Magierfeuer. Wieder Bannfeuer. Der Magier ging in grünen Flammen auf.

Die Sarissalinien bekämpften einander erbittert. Stampfen und Knacken von Muskeln. Zerbrochene Bronzespeerspitzen. Das Knacken zersplitternden Holzes. Stimmen, die lautstark Befehle erteilten, die Reihen zusammenhielten, sie schreiend zum Durchhalten aufforderten.

Die Schatten unterlagen den silbernen Lichtern am Himmel ebenso wie der Drache. Wurden in Stücke gerissen. Die wenigen zerfetzten Überreste flohen. Silbernes Licht explodierte und fiel auf Mariths Armee. Gesichter lösten sich auf. Schreiend. Schönheit, wundersam anzusehen. Der Feuervogel stürzte sich auf die Schatten und verschlang sie. Noch immer gelang es seinen Reihen heldenhaft, die Stellung zu halten. Befehle wurden gebrüllt, um aufklaffende Lücken zu füllen, Stimmen forderten die Männer auf, nicht nachzulassen. Die rechte Seite, die Schwertkämpfer unter Osen, wurde langsam nach hinten gedrängt. Ein Schwall Bannfeuer ging auf die illyrianische Kavallerie nieder, die Kianas Reiter ein weiteres Mal attackierte. Brennende Knochen wirbelten durch die Luft. Klumpen aus Metall, die einst Schwerter gewesen sein mochten. Osens Linien bewegten sich rückwärts. Silbernes Licht schmolz über ihnen. Löste sie auf. Lücken, wo ein Mann nach dem anderen fiel. Kiana griff wieder an, und ihre Kämpfer ritten einen Bogen, um auf die kreisenden Vögel zu schießen, während Osens Männer nur mit Mühe und Not standhielten und nach und nach zurückgedrängt wurden.

Die Illyrianer bewegten sich schneller vor, zuversichtlicher, ihre Götter und ihre Magie trieben die Armee des Dämons zurück. Immer mehr Lücken klafften auf. Osens Männer wichen weiter und weiter zurück.

Ein kluger Mann, dieser Osen. Gepriesen sei sein gutes und umsichtiges Herz. Er tat genau das, was er tun musste, ohne dazu aufgefordert worden zu sein.

Eine Lücke in den illyrianischen Linien, die begierig weiter vorrückten.

Sie wurde größer. Perfekt ausgerichtete Formationen brachen freudig auseinander.

Marith griff an der Spitze seiner schweren Kavallerie an.

Der Feuervogel sah ihn. Schoss auf ihn zu.

Wie zuvor tötete er ihn mit einem Schwerthieb.

 

Der Himmel brüllte. Die silbernen Lichter stürzten sich auf ihn. Seine Attacke sprengte den rechten illyrianischen Flügel, und schon wendeten sie und attackierten erneut. Der Druck in der Mitte ließ plötzlich nach, als die Soldaten reagierten. Die ithischen Speerkämpfer auf Mariths rechter Flanke rückten für den Angriff näher. Der Druck auf dem Schlachtfeld verlagerte sich, veränderte sich, zerbrochene Linien versuchten, sich neu zu formieren, all die magischen Kräfte, die über dem Schlachtfeld entfesselt worden waren, ließen von den Soldaten ab und konzentrierten sich allein auf ihn. Silbernes Licht ging auf ihn nieder, wieder und immer wieder.

Die Lichter waren … Frauen? Bestien? Götter? Herumwirbelnde Muster aus Ästen mit tierartigen Körpern und Menschenköpfen. Undeutlich, trübe. Er schlug auf sie ein, hackte Dinge ab, die an Geweihe erinnerten, nur um mit anzusehen, wie sie nachwuchsen, gestaltlose, verdrehte Wesen aus Licht, und beiläufig dachte er an den Gestmet, den Landra in sein Zelt in den Bergen geführt hatte. Er kämpfte dagegen, rang damit, versuchte, sich nicht darin zu verlieren. Der Geruch nach Blumen, Brot und Brackwasser. Der Geschmack von Gras und Fäule und dicken grünen Baumblättern. Lebendigen Dingen.

Er setzte ihnen mit dem Schwert zu, fiel über sie her. Jedes Mal schienen sie sich noch größer und heller als zuvor um ihn herum zu erheben. So gewaltig wie der Himmel und so winzig wie Insekten, und er tat es ihnen nach, war riesig wie sie, klein wie sie, bewegte sich, fiel, schwebte, kämpfte und kämpfte und kämpfte. Durch sie hindurch konnte er geisterhaft die Schlacht ausmachen: Er sah sie, fühlte sie in seinem Verstand, die Reihen seiner Soldaten, die die Stellung hielten, vorrückten, töteten, Osen, der sie antrieb, Kiana, die seine Position einnahm und eine weitere Attacke der schweren Kavallerie anführte, sie mochten vielleicht sogar gewinnen, die Sarissakämpfer schoben energisch, und die illyrianische Mitte brach auf, aber sie stürzten zu eifrig vor, er konnte es erkennen, bevor es geschah, die Formation brach, die illyrianischen Reiter drehten, um sie zu attackieren, die Linie der Speere schwankte, er fühlte, wie Nasis Jaeartes an der Schulter verletzt wurde, zurücktaumelte, durch einen Schwertschlag zu Boden ging, starb. Ein Blitz aus Magierfeuer zuckte durch Osens Linien. Nein, nicht Osen! Nicht Osen! Nicht nach Carin! Er versuchte, sich einen Weg zu ihm zu bahnen, war jedoch eingesperrt in der Umklammerung aus silbernem Licht, das seine Feinde zum Leben erweckt hatten. Er hackte auf sie ein, stach zu, zerrte an ihnen, und sie umgarnten ihn, umringten ihn, hielten ihn von seinen Soldaten fern. Dinge, die Thalia peinigten, sich weigerten, von ihr abzulassen, versuchten, ihr wehzutun, um ihm Schmerzen zuzufügen. Sie töteten seine Soldaten. Bestraften sie. Magierfeuer toste über ihn hinweg. Seine Haut fühlte sich trocken und heiß an. Er hackte auf sie ein, stach zu, zerrte an ihnen, und sie blieben unangetastet. Es war, als wollte er gegen eine tosende Wasserwoge ankämpfen. Als wollte er gegen den Nachthimmel kämpfen oder die bodenlose See.

Der Himmel brüllte. Marith hackte auf die Götter ein, die ihn bekämpften. Der Tod ist stärker als das Leben. Mächtiger als alle Kräfte des Lebens. Ein Schwerthieb, und das Leben ist vorbei. Beendet, erloschen, so einfach ist das. Er hackte auf sie ein, stach zu, zerrte an ihnen. Sein Schwert loderte silbrig. Regenbögen flackerten um ihn herum. Immer mehr Schatten ergossen sich aus einem Riss am Himmel. Die Götter, die ihn bekämpften, begannen zu sterben. Er hieb auf sie ein, und sie fielen auseinander. Bestrafe sie. Der Tod wird immer über das Leben triumphieren.

Osen rief die Soldaten zusammen und trieb sie schreiend an. Sie jubelten ihm beinahe so begeistert zu, wie sie es bei Marith taten. Das Schwert des Calien Mal loderte. Die Adlerklinge, geschaffen aus Adlerknochen. Das Schwert tanzte in Osens Hand. Die Armee von Amrath stürmte vor, zertrampelte die illyrianischen Verräter unter sich. Schäumendes Blut, ineinander verhakte Körper, die in Stücke gehackt wurden, erstaunlicher, wundervoller, perfekter Gestank nach Kot, Pisse und Tod. Oh Freude! Oh Wunder! Töten und töten und töten! Marith stieß einen Jubelschrei aus. Die Götter des Lebens fielen gebrochen vor ihm zu Boden. Die Soldaten aus Illyr gingen gebrochen zu Boden, fünf, zehn, zwanzig auf einen Streich. Das Loblied aus tausend Kehlen. Für Amrath! Für den Tod! Für den Ruin! Für die Zerstörung der Welt!

»Warum müssen wir sterben oder ziehen in Kriege,

Des Lebens Sinn … alles eine Lüge!

Tod! Tod! Tod!«