Kapitel 4

Kai

Max zeigt auf die Küchenzeile in unserem Hotelzimmer und gibt einen eigenartigen Laut von sich, von dem ich weiß, dass er bedeutet, dass mein Sohn gern einen kleinen Snack hätte.

Ich setze ihn auf meine Hüfte. »Möchtest du ein bisschen Obstbrei?«

Er zeigt wieder auf die Küche.

»Kannst du Obstbrei sagen?«, frage ich ihn, aber er zeigt nur stur weiter Richtung Küchenzeile.

Ich nehme einen Beutel mit seiner Lieblingssorte pürierter Früchte, öffne den Deckel und gebe ihm den Beutel zum Nuckeln, während ich, meinen Sohn immer noch auf der Hüfte, das Zimmer aufräume, damit wir für Millers Besuch bereit sind.

»Schmeckt’s, kleiner Käfer?«

Er schmatzt.

Sein Repertoire umfasst bisher nur wenige Wörter, und ich freue mich immer sehr, wenn ich sie zu hören bekomme. Ich finde es auch toll, ihm dabei zuzusehen, wie er den Beutel selbst in seinen kleinen Händen hält, obwohl er das schon seit Monaten tut. Vielleicht klingt es albern, aber all die kleinen Veränderungen zu beobachten, während er lernt und wächst, sind die spannendsten Momente von allen.

In mir steigt die vertraute Frage auf, was ich wohl in den ersten sechs Monaten seines Lebens alles verpasst habe, als ich nicht mal wusste, dass es ihn gibt. Der Gedanke wird von der üblichen Traurigkeit begleitet. Rasch schiebe ich sie beiseite.

Ich sollte ihn wahrscheinlich ins Bett bringen oder ihn in den Hochstuhl setzen, damit er sich ein bisschen ausruht, aber an Spieltagen bin ich immer sehr anhänglich. Ich werde ihn den ganzen restlichen Tag nicht mehr sehen, verpasse sowohl das Abendessen als auch das Insbettbringen. Also ja, an Spieltagen werde ich zum Helikoptervater.

Es klopft an der Tür, und ich vergewissere mich mit einem raschen Rundumblick, dass das Zimmer okay aussieht, bevor ich der Tochter meines Trainers öffne. Aber vor der Tür steht nicht Miller, sondern mein Bruder.

»Was machst du denn hier?«, frage ich.

Er stürmt herein. »Ich habe gehört, das neue Kindermädchen ist heiß.« Er sieht sich in meinem Hotelzimmer um – auf der Suche nach ihr, nehme ich an. »Und es ist diesmal eine Frau, Scheiße noch mal, so ein Glück.«

»Fluch nicht vor den Ohren meines Kindes.«

Wem mache ich was vor? Max wächst unter lauter Baseballspielern auf. Er hat schon Schlimmeres gehört.

»Tut mir leid, Maxie«, sagt Isaiah. »Verdammt noch mal. Besser, Dad?«

Ich verdrehe die Augen.

»Wo steckt sie denn?«

»Woher weißt du überhaupt von ihr? Und dass sie heiß ist?«

»Sie ist also heiß? Oh, das wusste ich nicht. Ich habe mich in Gedankenmanifestation geübt.« Isaiah nimmt in der kleinen Küchenecke Platz und legt die Füße auf einen Hocker. Bei Auswärtsspielen bekomme ich meist ein größeres Zimmer, weil noch jemand bei mir wohnt und ich eine Menge Platz für das ganze Zeug von Max brauche. Außerdem gibt es immer ein angrenzendes Zimmer für sein Kindermädchen. Seit Troy weg ist, steht es leer, aber Miller wird dort unterkommen, wenn ich nachher beim Spiel bin.

»Sie ist nicht nicht heiß.«

»O mein Gott«, sagt mein Bruder anklagend. »Du wirst das neue Kindermädchen vögeln, oder? Was für ein Klischee, mein Junge.«

»Nein, werde ich nicht. Und du auch nicht, denn sie ist nicht nur Max’ neues Kindermädchen, sondern auch Montys Tochter.«

Isaiah erstarrt zur Salzsäule. »Du verarschst mich doch. Monty hat eine heiße Tochter? Wie alt ist sie?«

»Fünfundzwanzig.«

»Und sie kann gut mit Kindern?«

»Na ja. Sie ist wie ein verdammter Wirbelsturm. Aber Monty will unbedingt, dass ich sie einstelle, also habe ich keine andere Wahl.« Isaiah nickt verständnisvoll. »Woher zum Teufel weißt du überhaupt von ihr? Ich habe sie doch gerade erst kennengelernt.«

»Team-Gruppenchat.« Er hebt sein Handy, und ich rücke meine Brille zurecht und sehe aufs Display. »Du solltest vielleicht wenigstens ab und zu mal die Stummschaltung aufheben.«

Travis: Hab gehört, Max’ neues Kindermädchen ist eine Frau. Na endlich, Ace.

Cody: Troy war süß, aber sein Ersatz ist süßer. Ich glaube, ich hab sie vorhin auf dem Flur gesehen. Hätte nichts dagegen, wenn sie mein Kindermädchen wäre. Sie dürfte mich füttern. Mich ins Bett bringen. Sogar meine Temperatur messen.

Isaiah: Sie ist keine Krankenschwester, du Idiot.

Cody: Ich beanspruche sie als meine Sitznachbarin im Flugzeug.

Travis: Was zum Teufel? Das ist mein Platz.

Cody: Warte, bis du sie siehst. Du wirst mich verstehen.

Isaiah: Okay, beanspruch sie ruhig als Sitznachbarin. Ich beanspruche alles andere.

Zu meiner Überraschung durchzuckt mich Verärgerung. Miller ist Montys Kind und Max’ neue Betreuerin. Und sie ist nicht ihretwegen hier. Die Jungs benehmen sich wie ein Rudel ausgehungerter Hunde, die sich um einen Knochen balgen, obwohl in Wirklichkeit in jeder Stadt, die wir besuchen, ein ganzes Büfett auf sie wartet.

Das weiß ich zufällig genau. Ich habe mich früher auch oft am Büfett bedient.

»Okay.« Ich schiebe ihn vom Hocker runter. »Hau hier ab, bevor sie kommt.«

»Auf keinen Fall. Wenigstens einer der Rhodes muss einen guten Eindruck machen, und du bist in letzter Zeit viel zu gestresst und mürrisch dafür.«

»Wenn es hier einen Rhodes gibt, bei dem ich darauf zähle, dass er einen guten Eindruck macht, dann bist das ganz sicher nicht du. Max kriegt das schon hin.« Ich starre ihn mit umwölkter Stirn an. »Und ich bin nicht mürrisch, du Arsch.«

Ich bin es einfach leid . Ich habe es satt, alles allein zu machen. Ich bin es leid, trotzdem ständig das Gefühl zu haben, dass es nie reicht.

»Ach nein?« Isaiah lacht schallend. »Weißt du, früher warst du der fröhlichste Mensch, den ich kannte, aber jetzt könnte ich nicht mehr sagen, wann ich das letzte Mal erlebt habe, dass du wirklich Spaß hattest. Früher hast du noch viel mehr geflirtet als ich … und das schockierenderweise mit deutlich größerem Erfolg. Wann hattest du zum letzten Mal richtig Spaß, hm?«

»Es gibt noch andere Möglichkeiten, Spaß zu haben, als sich quer durch jede Stadt zu vögeln.«

Zum Beispiel kann man sich immer wieder dasselbe YouTube-Video mit singenden und tanzenden Bauernhoftieren ansehen. Oder eine Stunde lang hinter einer Serviette Kuckuck spielen, damit ein zahnendes Kleinkind aufhört zu weinen. Meine neue Definition von Spaß.

»Ja, aber so viel Spaß halt nicht.« Er grinst.

In meinen Zwanzigern habe ich kaum etwas anderes getan, als zu flirten und in der Gegend herumzuvögeln, aber die Verantwortung hat meine Prioritäten verschoben. Manchmal kommt mein altes Ich wieder zum Vorschein, wenn ich auf irgendeiner Veranstaltung bin, doch dann fällt mir wieder ein, wer zu Hause auf mich wartet.

Aber darüber werde ich nicht mit meinem kleinen Bruder reden, denn so sehr ich ihn auch liebe, er wird es nie verstehen. Unsere Teenagerjahre waren schrecklich, aber er hat keine Ahnung, wie schlimm sie wirklich waren, weil ich ihn immer beschützt habe. Das ist mein Job: Verantwortung übernehmen.

»Geht es dir gut?«, frage ich.

»Hm?«

»Du siehst krank aus. Vielleicht solltest du heute Abend mal aussetzen. Bleib doch auf dem Zimmer. Pass auf meinen Sohn auf.«

Er verdreht die Augen. »Sagt der Typ, der nur alle fünf Tage spielt.«

»Ganz genau. Und sieh nur, wie gut ich dafür bezahlt werde. Ich bin unverzichtbar

Isaiah bellt ein Lachen. »Ich bin der Shortstop. Ich bin bei jedem verdammten Spiel mit dabei. Aber du? Es gibt noch vier weitere Starting Pitcher, die auf ihren großen Moment warten.«

»Deshalb sollte ich mich wohl besser vorzeitig zurückziehen. Die Warriors kommen auch ohne mich klar.«

Er kneift die braunen Augen zusammen. »Du rennst gerade einfach nur im Kreis und hoffst, dass einer deiner Punkte zählt, was?«

»Den Versuch ist es wert.«

»Wenn Montys Tochter ihm ähnlich ist, wird sie gut mit Max zurechtkommen. Worüber machst du dir solche Sorgen?«

Ein Klopfen an der Tür unterbricht uns.

»Wirst du gleich sehen.«

Isaiah dreht sich mit einem verschmitzten Lächeln wieder zu mir um. »Wer ist denn da?«, flötet er im Singsang.

Halt die Klappe , forme ich lautlos mit den Lippen.

»Fluch nicht vor meinem Neffen.«

»Hier ist dein Lieblingsmensch in ganz Miami«, schallt es aus dem Korridor.

»Sexy Stimme«, flüstert Isaiah, und ich ärgere mich, weil es ihm aufgefallen ist.

Er öffnet die Tür, lehnt sich lässig an den Rahmen und versperrt mir den Blick auf das Mädchen im Flur. Dann strafft sich sein Rücken, und sein Kopf ruckt zu mir herum. Mit weit aufgerissenen braunen Augen und offen stehendem Mund starrt er mich an.

Ich kenne den Kerl besser als er sich selbst, also weiß ich, dass er sich gerade fragt, warum ich ihm nicht gesagt habe, dass Miller das Mädchen aus dem Aufzug ist, in das er sich heute Morgen verknallt hat.

»Isaiah, Miller. Miller, Isaiah. Mein Bruder.«

»Zwei für den Preis von einem. Witzig«, höre ich sie sagen, aber ich kann sie immer noch nicht sehen, weil mein Bruder weiterhin reglos in der Tür steht.

»Ich bin der Onkel«, platzt es schließlich aus ihm heraus.

Sie stößt ein tiefes, kehliges Lachen aus, das in meinem Schwanz vibriert. »Das habe ich mir aus der ganzen Bruder-Sache schon erfolgreich zusammengereimt.«

»Isaiah, beweg dich.«

»Ja. Willkommen. Komm rein.« Es klingt, als wäre es sein Zimmer, in dem er sie willkommen heißt. »Kann ich dir was bringen? Ein Glas Wasser? Einen Snack? Meine Nummer?«

Sie tut, als hätte sie ihn nicht gehört.

Sie trägt immer noch diese abgeschnittene Latzhose. Ich könnte selbst nicht sagen, was mich an ihren Oberschenkeln so fasziniert, aber sie sind kräftig und muskulös, so wie man sie vom jahrelangen Softballspielen bekommt, und ich kann nicht aufhören, mir vorzustellen, wie herrlich es sich anfühlen würde, wenn sich genau diese Oberschenkel um meine Taille schließen würden. Oder, noch besser, um mein Gesicht.

Aber dann fällt mir wieder ein, dass sie Montys Kind ist, und ich schließe kurz die Augen.

»Alles klar, Baseball-Daddy?«

Isaiah wiehert vor Lachen.

Ich reiße die Augen auf und stelle fest, dass sie mich ansieht, als würde irgendwas mit mir nicht stimmen, und tatsächlich scheint irgendwas mit mir nicht ganz in Ordnung zu sein, wenn ich ausgerechnet diese Frau so ansehe.

Sie ist nämlich eindeutig verrückt.

»Ja.« Ich räuspere mich. »Das ist Max.« Ich drehe mich ein Stück um, damit er sie von meiner Hüfte aus besser sehen kann.

»Hi, Max«, sagt Miller, und ihr Blick wird sanfter.

Sie wirkt nicht mehr ganz so wild wie heute Morgen, vielleicht aus Rücksicht auf Max oder auch aus Rücksicht auf mich, keine Ahnung, aber jedenfalls kommt es mir nicht mehr ganz so undenkbar vor, dass es klappen könnte.

Errötend versteckt Max den Kopf an meiner Brust, und seine kleine Cap fällt zu Boden. Er ist schüchtern, ganz anders als heute Morgen, als er verzweifelt zu Miller wollte, aber immerhin hat er keine Angst vor ihr, so wie vor den meisten Fremden. Ich glaube, er ist nur verlegen wegen ihrer Aufmerksamkeit, obwohl es ihm eigentlich gut gefällt.

Insgeheim freue ich mich ein bisschen darüber, dass mein Sohn sich bei mir ankuschelt, obwohl ein hübsches Mädchen seinen Namen ruft.

»Er ist ein bisschen schüchtern.«

»Das ist schon okay, Max. Diese Wirkung habe ich oft auf Jungs.«

Zum Beispiel auf meinen Bruder. Mein Blick wandert zu Isaiah, der wie eine Statue dasteht, stumm, aber fasziniert.

»Wollen wir Miller mal deine Sachen zeigen?«, frage ich meinen Sohn.

Max tastet nach seiner Cap, um sich darunter zu verstecken, aber sie liegt auf dem Boden, und alle sehen seine rosigen Wangen und das übermütige Lächeln.

»Na komm, kleiner Käfer.« Ich nehme ihm die leere Obstbrei-Packung ab und lege sie auf den Küchentisch, ehe ich Max neben mir auf den Boden stelle.

»Kleiner Käfer?«

»Sein Spitzname. Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, hatte er einen Strampler mit pastellfarbenem Käfermuster an. Irgendwie ist das hängen geblieben.«

Max greift nach meinen Händen und hält sich daran fest, während er mit langsamen, wackligen Schritten losmarschiert.

»Er kann noch nicht allein laufen?«

Mein Kopf schnellt zu Miller herum, und ich suche in ihrem Blick nach Verurteilung, finde aber keine. Tatsächlich hat sie es auch ganz neutral gesagt.

Es liegt an mir, nicht an ihr – ich sorge mich manchmal darum, was andere über meine Erziehungsfähigkeiten oder die Entwicklung meines Sohns denken mögen. Er ist fünfzehn Monate alt. Vielleicht sollte er schon laufen können. Vielleicht sollte er einen größeren Wortschatz haben. Ich weiß es nicht. Um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht wissen, denn ich gebe mein Bestes. Könnte ich es besser machen? Möglich. Aber er ist gesund, und ich tu, was ich kann.

»Noch nicht. Aber es wird jeden Tag so weit sein.« Rasch richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Max, der mit tapsigen Schritten auf die Küchenzeile zuwackelt. Ich will nicht, dass sie meine Verunsicherung sieht.

»Das ist angenehm. Ich bin froh, dass ich mir keine Sorgen machen muss, dass er mir wegläuft.« Sie kichert.

Als ich sie ansehe, stelle ich fest, dass sie meinen Sohn mit einem sanften Lächeln betrachtet. Sie urteilt nicht über uns.

Sie urteilt nicht über mich.

»Dafür ist er ein verdammt guter Krabbler.« Als ich seine Hände loslasse, lässt sich Max sofort auf den Boden plumpsen und krabbelt los. »Die meiste Zeit bewegt er sich auf Händen und Knien fort.«

»Das sollten alle Männer tun.«

Isaiah bringt sich mit einem albernen Auflachen wieder in Erinnerung. »Ich mag sie«, sagt er.

»Na, wenigstens einer der Rhodes-Jungs.«

»Zwei«, werfe ich ein.

Ein Anflug von Verwirrung und vielleicht auch ein wenig Hoffnung huscht über ihr Gesicht.

»Ich meine Max.«

Sie gibt ein bellendes Lachen von sich, das ich so frustrierend sexy finde, dass ich mich räuspere und rasch von ihr abwende.

»Notrufnummern«, sage ich und zeige auf eine Liste am Kühlschrank. »Meine Nummer. Die des Team-Reisekoordinators. Die Hotelrezeption. Das örtliche Krankenhaus …«

»Du hast sogar die 9 – 1 – 1 aufgeschrieben.«

»Das ist eine Notrufnummer.«

»Ich glaube, die kenne ich schon.«

Ich gehe die Liste weiter durch. »Dein Vater.«

»Die Nummer hab ich auch schon.«

Isaiah schiebt sich mit gezücktem Stift zwischen uns. »Meine Nummer«, sagt er und kritzelt sie ganz unten hin, zehnmal so groß wie der Rest. »Schreib mir jederzeit eine Nachricht. Ruf mich an, wann immer du willst, Notfall oder nicht.« Er wendet mir den Rücken zu, einen Arm auf den Kühlschrank gestützt, als wolle er mich abblocken. »Ich bin Max’ Lieblingsmensch, und ich habe da so das Gefühl, ich könnte auch deiner werden.«

Miller lacht leise. »Wie aufdringlich von dir.«

Oh, das ist neu. Ich bin es gewohnt, dass die Frauen scharenweise auf die charmant-lässige Playboy-Nummer meines Bruders reinfallen.

Isaiah rührt sich nicht. »Ich nenne mich selbst gern eifrig.«

»Übereifrig«, schlägt sie vor. »Bedürftig.«

»Verzweifelt«, helfe ich ihr aus.

»Hey.« Isaiah hebt tadelnd einen Finger. »Wenn ich erfolglos wäre, dürftest du mich verzweifelt nennen, aber mir geht es in dieser Hinsicht sehr gut, also würde ich sagen, dass ich mit Begeisterung verfügbar bin.«

»Klingt, als hättest du viel um die Ohren. Also musst du ja sicher nicht an der Tochter deines Trainers rumgraben, oder? Ich glaube sowieso nicht, dass ihm das gefallen würde.« Miller legt den Kopf schief.

Isaiah versteift sich. »Bitte sag es deinem Vater nicht«, bittet er sie.

»Dann mach mir die Zeit, in der ich auf deinen Neffen aufpasse, bitte nicht unangenehm.«

Okay … Vielleicht gibt es drei Rhodes, die sie mögen.

»Du hast die Frau gehört.« Ich schiebe ihn Richtung Tür. »Hör auf, sie zu belästigen, und geh jetzt endlich, damit Max und sie sich kennenlernen können.«

»Aber ich will sie auch kennenlernen«, protestiert er, als ich ihn gerade aus dem Zimmer schubse.

Ich schließe die Tür hinter ihm und kehre zu den beiden anderen zurück. »Tut mir leid.«

»War ich zu direkt?«

»Nein. Ein bisschen Zurückweisung tut seinem übergroßen Ego mal ganz gut. Allerdings hat er sich dank deiner Zurückweisung höchstwahrscheinlich in dich verliebt, also … viel Glück.«

»Na großartig«, sagt sie, und dann bemerkt sie Max, der zu ihren Füßen sitzt und zu ihr hochblickt.

Sie geht in die Hocke und bringt sich, so gut es geht, auf Augenhöhe mit ihm. »Hallo, kleiner Käfer.«

Max lächelt, und ich lehne mich an die Wand, um die beiden zu beobachten.

»Was sagst du denn dazu? Willst du mit mir abhängen, während dein Vater arbeitet? Wir können uns sein Spiel ansehen und uns darüber lustig machen, wie eng seine Hose sitzt.«

»Wirst du es dir ansehen?«

»Das Spiel? Oder deinen Hintern?«

»Beides.«

Mit ihren grünen Augen blickt Miller mich über die Schulter hinweg an.

Scheiße. Zwei Sekunden, nachdem sie meinen baggernden Bruder in die Schranken gewiesen hat, kommt mein früheres Ich heraus und will spielen.

Sie lächelt und antwortet vage: »Ja, sehe ich mir an.«

»Scheiße. Mist «, korrigiere ich mich schnell. »Du hast wahrscheinlich Karten, oder? Du solltest zum Spiel gehen, und danach kannst du Zeit mit deinem Vater verbringen. Ich sage Sanderson Bescheid, dass er auf Max aufpassen soll.«

»Schon gut.« Sie winkt ab. Ganz offensichtlich ist ihr nicht klar, dass es mir lieber wäre, wenn Sanderson heute auf Max aufpasst. Ich vertraue ihm, und Max wäre ganz in meiner Nähe. »Ich bin jetzt wohl den ganzen Sommer über dabei … Da gibt es noch jede Menge Gelegenheiten, mir ein Spiel anzusehen.«

Tja, das werden wir noch sehen.

Auf einmal wird mir klar, dass ich sie gern scheitern sehen würde, damit ihr Vater sie feuern muss. Aber es würde auf lange Sicht auch Max schaden, wenn sie scheitert.

Genau in dem Moment, als mir diese hässlichen Gedanken durch den Kopf gehen, streckt Max die Hände nach Miller aus. Sie hebt ihn hoch, und er vergräbt den Kopf an ihrer Schulter, was er bei Fremden niemals tut, schon gar nicht bei einer Frau.

Dann sieht mein Sohn mich an, ein kleines Grinsen auf den Lippen, als wolle er mir wortlos zu verstehen geben, dass sie bleiben wird, ganz gleich, was ich davon halte.

Ich nehme meine Cap ab und streiche mit dem Daumen über das kleine Foto von Max, das ich ins Innenband gesteckt habe.

Travis signalisiert mir einen Change-up, aber ich schüttle den Kopf. Ich hatte Glück, dass dieser Kerl meinen letzten Change-up nicht erwischt hat, das werde ich nicht noch mal riskieren.

Zwei Outs, nach zwei Würfen dann das dritte. Am Ende des siebten Innings stehen wir bei 3:1 gegen Miami, und ich bin wütend. Ich war unkonzentriert und habe dem Batter meinen Pitch praktisch in die Hände gespielt.

Zum Glück waren keine weiteren Läufer auf den Bases, aber das muss definitiv das letzte Mal gewesen sein, dass ich an die verdammte Miller Montgomery gedacht habe, während ich auf dem Mound stehe.

Es ist ihr erster Abend mit Max … und wohl auch ihr letzter, wenn ich an unsere Begegnung heute Morgen denke. Es ist praktisch undenkbar, dass sie es nicht versaut.

Travis, mein Catcher, gibt mir, was ich will – einen schnellen Four-Seamer. Ich will, dass dieses Inning endlich vorbei ist. Keine unnötigen Läufer auf den Bases, kein endloses Durchgehen von Pitchsequenzen. Einfach durchziehen. Drei At-Bats. Drei Outs.

Ich nicke ihm zu, richte mich auf und lege die Finger auf die Nähte des Balls in meinem Handschuh. Atme tief ein und werfe meinen bewährten Fastball, hoch und gerade weit genug außen. Der Batter holt aus und verfehlt, was mir meinen zweiten Strike einbringt.

Selbst vom Schlaghügel aus sehe ich, wie wütend er ist. Das gefällt mir. Und als Travis mir meinen nächsten Wurf vorgibt, weiß ich, dass der Mann gleich noch viel wütender sein wird, wenn ich meinen letzten Strike mit einem Slider lande.

Er ähnelt meinem Curveball, aber mein Slider ist absolut tödlich. Es ist erst die zweite Saison, in der Travis mein Catcher ist, aber er weiß schon jetzt, wie gern ich ein Inning so beende. Er ist effektiv, und dafür bin ich dankbar. Effizienz beendet das Inning schneller, und dann kann ich ins Dugout und nach meinem Sohn sehen.

Der Batter schlägt mit größter Präzision genau so, wie ich es haben wollte, der Ball geht in die Abwärtskurve und saust am Schläger vorbei.

Drei Strikes. Drei Outs. Fertig.

Travis kommt mir auf halbem Weg zwischen Home Plate und Pitchers’ Mound entgegen, und wir stoßen die Handschuhe gegeneinander. »Verdammt, Ace, irgendwann zertrümmerst du mir mit deinen Fastballs noch die Hand. Wie geht’s dem Arm?«

Ich lasse die Schultern kreisen. »Fühlt sich immer noch gut an.«

Fast bin ich versucht hinzuzufügen, dass ich locker noch ein weiteres Inning packen würde, aber ich spreche das lieber nicht laut aus … Aberglaube und so.

»Das hör ich gern.«

»Los geht’s, großer Bruder!« Isaiah joggt von seiner Position zwischen der zweiten und dritten Base heran und haut mir mit dem Handschuh auf den Hintern. »Was ist denn heute in dich gefahren?«

Langsam trabe ich mit den beiden Richtung Dugout. »Ich will nur, dass dieses Spiel so schnell wie möglich vorbei ist.«

»Verdammte Scheiße.« Er lacht. »Ist es wegen der heißen Nanny?«

»Was zum Teufel hast du gesagt, Rhodes?«, ruft Monty, an dem wir gerade vorbeikommen. Im Dugout werde ich mit Arschklatschern, Schulterklopfen und begeistertem Lob für meinen Wurf begrüßt.

»Nichts. Ich glaub nicht, dass ich irgendwas gesagt habe.« Er sieht sich um. »Nope, niemand hier hat auch nur ein Wort gesagt.«

»Gut so. Ich mag dich viel lieber, wenn du den Mund hältst.« Monty klopft mir auf den Hinterkopf. »Schöner Wurf, Ace.«

Ich nicke und sehe mich nach jemandem um, der gerade nicht beschäftigt ist. »Sanderson«, rufe ich jemandem aus unserem medizinischen Stab zu, während ich auf der Bank Platz nehme, hoch genug, um das Spielfeld überblicken zu können. »Hast du dein Handy dabei?«

Nervös mustert er mich. Zwischen den Innings sollte man nicht mit einem Pitcher sprechen. Normalerweise vermeide ich es, und meine Mannschaftskameraden wissen alle, dass ich nicht gestört werden will, sobald ich auf der Bank Platz genommen habe, aber heute Abend ist eine Ausnahme.

Sieben Innings, und nach jedem Inning bisher habe ich Miller eine Nachricht geschickt. Nur kann ich es nicht selbst tun, weil im Dugout zu viele Kameras auf mich gerichtet sind.

»Schick eine Nachricht für mich ab«, rufe ich ihm zu und rassle Millers Nummer herunter, die ich mir heute Nachmittag eingeprägt habe.

»Was soll ich schreiben?«

»Frag sie, wie es Max geht, und erinnere sie daran, dass sie jederzeit mit ihm herkommen kann, falls es Probleme geben sollte. Du kannst ihn ihr doch abnehmen, oder?«

»Ace!«, ruft Monty. »Hör auf, meine Tochter zu nerven, und konzentrier dich auf das verdammte Spiel.«

»Hey, du bist es, der dieses durchgedrehte Mädchen großgezogen und sie eingestellt hat, um auf meinen Sohn aufzupassen. Das ist alles deine Schuld.«

Der Anflug eines Lächelns zuckt über seine Lippen.

Sanderson räuspert sich. »Sie hat geantwortet.« Mit ausdrucksloser Stimme liest er vor: »Sie schreibt:

Sag Kai, wenn er mich nicht in Ruhe lässt, füttere ich sein Kind mit sämtlichem Zucker, den ich in diesem Hotel finden kann, setze ihn vor den Fernseher, schalte Cocomelon ein, was auch immer das ist, und lasse ihm davon eine Gehirnwäsche verpassen, und dann wünsche ich diesem alten Grantelkopf eine schöne Nacht mit seinem Sohn.«

»Nicht witzig.« Ich greife nach seinem Handy.

»Ace«, sagt Monty hinter vorgehaltener Hand, damit niemand von seinen Lippen ablesen kann. »Kameras.«

Mit einem resignierten Seufzer sage ich: »Schreib ihr zurück und sag ihr, dass sie gefeuert ist.«

Monty lacht leise in sich hinein.

Sanderson hält mir sein Handy hin, damit ich die eintrudelnden Nachrichten lesen kann.

Miller: Ich wurde schon nach dem dritten und dem sechsten Inning gefeuert … Das muss ein neuer Rekord sein.

Miller: Sag ihm, dass er für seinen Change-up ebenfalls gefeuert gehört. Das war echt hässlich.

Miller: Oh, und sag ihm, dass sein Hintern in dieser Baseballhose schlimm aussieht.

Miller: Nein, Moment, man soll nicht lügen. Aber sein Change-up … Das war nicht gelogen, der war echt hässlich.

»Mein Gott«, stoße ich kopfschüttelnd hervor. »Frag sie einfach, ob mein Kind noch lebt.«

Sandersons Handy klingelt. Er hört kurz zu, dann sagt er: »Lebt noch.«

Eine kleine Last fällt von meinen Schultern. Sieben Innings sind vorbei, zwei stehen noch aus.

»Ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen«, höre ich Travis sagen. Er sitzt mit mehreren Teamkollegen auf der Bank.

»Es wurde ja wohl auch mal Zeit, dass Max ein heißes Kindermädchen bekommt«, sagt mein Bruder.

»Es wurde Zeit, dass wir ein heißes Kindermädchen bekommen. Das haben wir verdient«, wirft Cody ein, unser First Baseman. »Für die Jungs ist das viel aufregender als für Maxie.«

Monty dreht sich um und will meinen Teamkollegen eine Standpauke halten, aber ich komme ihm zuvor. »Pass auf«, sage ich von meinem einsamen Platz aus und stehe auf. Die Jacke rutscht mir von der Schulter. So laut, dass man mich im ganzen Dugout hört, sage ich: »Ich sage das nur ein Mal, also hört gut zu: Ihr lasst alle die Finger von ihr. Es ist mir scheißegal, ob ihr sie für ein Geschenk Gottes ans Team haltet – keiner von euch rührt sie an. Das ist meine einzige Warnung: Wenn einer von euch in irgendeiner Weise dafür sorgt, dass sie sich unwohl fühlt, ziehe ich ihn dafür zur Verantwortung. Ihr glaubt, Monty ist furchteinflößend, wenn es um sein Kind geht?« Ich stoße ein spöttisches Lachen aus. »Ihr wollt mich nicht kennenlernen, wenn ich mein Kind beschütze. Und wenn jemand Miller querkommt oder sonst irgendwem, der auf meinen Sohn aufpasst, ist es dasselbe, als würde er Max querkommen, also überlegt es euch lieber sehr, sehr gut.«

Ich lasse mich zurück auf die Bank sinken und ziehe die Jacke wieder über meine Schulter, um sie warm zu halten.

Im Dugout ist es totenstill. Wahrscheinlich sind meine Mannschaftskameraden allein schon deshalb entsetzt, weil ich überhaupt etwas gesagt habe. Die unausgesprochenen Regeln und der Aberglaube im Baseball sind stark. Aber Max ist wichtiger.

»Ja!«, ruft mein Bruder und durchbricht damit die peinliche Stille. »Nur Ace darf dafür sorgen, dass sie sich unwohl fühlt, stimmt’s, Coach?«

»Isaiah, sei kein solcher Arschkriecher und geh da raus. Du bist dran mit Pitchen.«

»Jawohl, Sir!« Er tauscht die Mütze gegen seinen Helm aus und huscht aus dem Dugout, während ich dasitze und darauf warte, dass dieses verdammte Spiel endlich vorbei ist.