Miller
»Max, da ist dein Vater.« Ich zeige auf den Fernsehbildschirm.
Der Kleine reißt die Augen auf und quietscht und klatscht aufgeregt.
»Ist dein Vater der beste Baseballspieler aller Zeiten?«
Seine eisblauen Augen leuchten auf, und ich nehme das als Max’ Version eines Ja.
»Wer wird wohl Babe Ruth und Willie Mays die Nachricht überbringen?«
Er hat ganz bestimmt keine Ahnung, wovon ich rede, kichert aber trotzdem.
In den letzten Stunden mit ihm habe ich festgestellt, dass ich der witzigste Mensch auf Erden bin – wenn er weiterhin über alles lacht, was ich sage, platzt bis zum Ende des Sommers mein Ego aus allen Nähten.
Anfangs war ich skeptisch, als mein Vater mir vorgeschlagen hat, das Kindermädchen für den Sohn seines Pitchers zu spielen. Ich habe noch nie so viel Zeit am Stück mit einem Kind verbracht, und natürlich habe ich große Angst, dass ich es nicht besonders gut hinbekomme. Aber ob ich gut darin bin oder nicht – ich kann damit meinem Vater helfen. Sonst versuche ich immer, ihn zu beeindrucken, ihm zu zeigen, dass ich etwas aus meinem Leben mache. Aber jetzt habe ich die Möglichkeit, ihm das Leben ein bisschen leichter zu machen.
Max steht vor dem Tresen, in einem komischen kleinen Turm, der ihn stützt, sodass er aufrecht steht, und beobachtet seinen Vater im Fernsehen, während ich sein Abendessen zubereite. Er greift nach seinem Trinkbecher mit Wasser und leert ihn, während ich eine Avocado aufschneide, sie auf den kleinen Tisch seiner Turmkonstruktion lege und einen Toast in den Toaster werfe. Möge die Sauerei beginnen.
Ich weiß nicht, ob ich plötzlich ein Händchen für die Arbeit mit Kindern habe oder ob Max das unkomplizierteste fünfzehn Monate alte Kind der Welt ist, aber dass alles so gut klappt, stärkt mein Selbstbewusstsein enorm. Wenn ich ihm Fragen stelle, die er mit Ja oder Nein beantworten kann, antwortet er mir auf seine eigene Art immer eifrig, er isst, was ich ihm vorsetze, und als ich vorhin aus Holzklötzen eine Burg gebaut habe, war er völlig hin und weg.
Ich war schon vorher davon überzeugt, dass Kai das Problem ist und nicht die gefeuerten Kindermädchen, und der Nachmittag mit Max beweist mir, dass ich recht habe. Der ganze ML B -Verband versucht, ihm zu helfen, mit der neuen Situation klarzukommen, aber so langsam beschleicht mich das Gefühl, dass Kai vielleicht gar nicht so erpicht darauf ist, eine Betreuungslösung zu finden.
Ich richte die Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher. Das achte Inning hat begonnen, und die Warriors liegen bereits bei zwei Outs. Nummer einundzwanzig steht auf dem Mound und sieht umwerfend aus in seinem königsblauen Trikot. Der Dreitagebart betont den markanten Kiefer, die perfekt proportionierten Lippen und die dichten Augenbrauen. Im Moment hat er Kontaktlinsen drin. Mir gefällt es, wenn er seine Brille trägt, denn dann verkörpert er durch und durch den Typ »verklemmt, aber äußerst fickbar«. Ich habe eine Schwäche für Clark-Kent-Imitate.
Kai lehnt mit einem Kopfschütteln den ersten Vorschlag ab, den ihm sein Catcher signalisiert, dann den zweiten. Erst beim dritten nickt er.
Ich verdrehe die Augen, bin aber froh, dass ich offenbar nicht die Einzige bin, die Kai nichts recht machen kann.
Er holt aus, der große, schlanke Körper streckt sich, und dann ballert er einen Curveball raus, der unfassbar schnell ist für einen Curveball, aber es ist unzweifelhaft einer, und zwar ein ausgesprochen böser.
Dritter Strike. Drittes Out.
»Max, warum hast du mir nicht gesagt, dass dein Vater so gut ist?«
Er schmatzt auf der Avocado herum und lächelt mich mit grünen Milchzähnen an. »Dadda.« Mit einem avocadoverschmierten Finger deutet er auf den Bildschirm, auf dem Kai vom Feld trabt, vom Zoom der Kamera verfolgt.
Der Kerl sieht echt ekelhaft gut aus. Er hat die Cap tief ins Gesicht gezogen, aber sie ist knallblau und bringt seine Augen so gut zur Geltung, dass sie selbst im Schirmschatten leuchten.
»Kai Rhodes spielt eine großartige Saison«, sagt ein Sprecher. »Und mit zweiunddreißig gibt er eine noch bessere Figur auf dem Feld ab als mit zweiundzwanzig.«
Ich gehe davon aus, dass sie über sein Talent sprechen, aber es lässt sich nicht leugnen, dass Kai Rhodes mit seinen zweiunddreißig Jahren auch optisch eine verdammt gute Figur abgibt.
Eine andere Stimme sagt: »Die Fans in Chicago können sich glücklich schätzen. Er hat letzte Saison bei den Warriors unterschrieben, um noch mal zusammen mit seinem Bruder zu spielen, bevor er nach Vertragsende in den Ruhestand geht, aber so wie er in letzter Zeit spielt, ist der Ruhestand bestimmt das Letzte, woran er denkt.«
Der kleine, dunkelhaarige Junge neben mir sieht mit sehnsüchtigen blauen Augen staunend zu, wie sein Vater in den Dugout geht. Kai sieht nicht nur aus wie ein Superheld, ich glaube, für seinen Sohn ist er auch einer. Man erkennt es sofort an der Art, wie Max seinen Vater ansieht. Und wie Kai ihn ansieht … Ich würde, ohne zu zögern, eine hohe Summe darauf wetten, dass Kai von morgens bis abends an den Ruhestand denkt.
»Max«, sage ich. »Ich habe dir etwas gemacht.«
Ich habe zwar nicht viel Erfahrung mit Kindern, aber selbst ich weiß, dass die meisten Kinder keine Brotkruste mögen, also habe ich sie abgeschnitten und das Ganze etwas spannender gemacht, indem ich den Toast mit dem Messer in Hundeform gebracht habe.
Seht nur her, wie ich schon am ersten Tag dieses Jobs meine Küchenkünste einsetze. Wer braucht schon Ausstechformen?
»Wuff! Wuff!«, macht Max und zeigt auf den Toast.
»Magst du Hunde?«
Er klopft aufgeregt auf den Toast, bevor er ein Bein abreißt und sich in den Mund steckt.
Tja, ich habe nicht vergessen, was ich auf der Kochschule gelernt habe, auch wenn ich nie geglaubt hätte, mal solche Begeisterung damit zu ernten, ein gekauftes Brot in Labrador-Form zu schneiden.
Ich stütze mich mit den Ellbogen auf dem Tresen ab, um mich auf seine Höhe zu begeben. »Max, was glaubst du, was mit mir nicht stimmt?«
Verdammt. Eine etwas zu komplexe Frage für ein fünfzehn Monate altes Kind. Ich glaube, ich habe wirklich ein Problem.
Er antwortet nicht und kaut weiter auf Toast und Avocado herum. Er hat ja keine Ahnung, dass es Leute gibt, die fünfundzwanzig Dollar und mehr für einen Avocado-Toast bezahlen, und er matscht einfach damit herum, ehe er ihn in den Mund stopft.
Ich formuliere meine Frage um. »Glaubst du, ich bekomme mein Leben bis zum Ende des Sommers in den Griff?«
Er sieht mich mit glänzenden Augen an.
»Meinst du, ich höre auf, in der Küche zu versagen?«
Er kichert.
Ich kneife die Augen zusammen. »Glaubst du, dass ich meine Rezepte für den Artikel noch zusammenbekomme?«
Er schmatzt beim Kauen und schenkt mir dann ein hinreißendes Lächeln.
»Wow.« Ich richte mich auf. »Auf dich aufzupassen, ist hervorragend für mein Selbstvertrauen, weißt du das eigentlich?«
Er quietscht, und ich kichere und streiche ihm die Haare aus der Stirn. »Na schön, kleiner Mann. Ich glaube, ich formuliere jetzt alle meine Fragen so, dass mir deine Antworten gefallen.«
Mein Handy summt. Das achte Mal in acht Innings.
Unbekannt: Hier ist Sanderson … schon wieder. Ace will wissen, wie es Max geht.
Ich kann nicht anders, als die Augen zu verdrehen angesichts der Frage, die ich schon sieben Mal beantwortet habe. Kai macht sich lächerlich und ist sich nicht zu schade, auch die anderen in seinen Helikopterscheiß mit reinzuziehen.
Ich: Gut. Er schläft prima nach dem Whiskey, den ich ihm in die Flasche getan habe.
Unbekannt: Oh, okay. Nun, äh … Ace will, dass ich dir sage, dass du gefeuert bist.
Ich: Seltsam. Ich wurde heute Abend schon dreimal gefeuert, aber ich bin immer noch mit seinem Sohn im Hotel.
Unbekannt: Ich bin sicher, dass er sich nach dem neunten Inning wieder melden wird.
Ich: Ja, das denke ich auch.
Als ich mich bereit erklärt habe, es mit diesem Job zu versuchen, war ich nicht ganz sicher, ob ich wirklich Lust darauf habe, mich meinen freien Sommer über um ein fremdes Kind zu kümmern statt nur um mich selbst, aber es ist mir fast unmöglich, meinem Vater etwas abzuschlagen. Und was Max betrifft, mit dem auszukommen sich als unglaublich leicht erweist, bereue ich es kein Stück. Der übermäßig besorgte Erziehungsstil seines Vaters allerdings …
Ich sehe den kleinen Jungen an, der über und über mit Avocado beschmiert ist. »Max, ist dein Vater der schlimmste Helikoptervater aller Zeiten?«
Er quietscht vergnügt, und ich beschließe, dieses Geräusch fortan als nachdrückliches Ja zu betrachten.
»Das habe ich mir gedacht.«