Kai
»Max!«, ruft Indy, sobald sie uns die Tür ihres neuen Hauses öffnet.
»Und Kai«, bringe ich mich lachend in Erinnerung.
»Jaja.« Sie streckt die Hände nach meinem Sohn aus. »Und du.«
Max streckt ebenfalls die Arme nach ihr aus, also gebe ich ihn ab, und sie überschüttet ihn mit Küssen. Dann nimmt sie ihn mit ins Haus, und ich folge dem süßen Lachen meines Sohns.
Ryan ist in der Küche. »Hey, Mann«, sagt er, »danke, dass du so früh kommst.«
Ich reiche ihm die Hand, und mit den freien Händen umarmen wir uns. »Danke für die frühe Einladung.«
»Tja, du bist im Moment der Einzige mitten in der Saison, da dachte ich, wir sollten uns nach deinem Zeitplan richten.«
Ryan Shay ist Kapitän der Devils, Chicagos NB A -Team. Wir sind bei demselben Agenten unter Vertrag, und er war der erste Profisportler, den ich in Chicago kennengelernt habe, als ich vor achtzehn Monaten hergezogen bin. Wir haben im selben Apartmenthaus in der Innenstadt gewohnt, ehe wir beide im Frühjahr Häuser außerhalb der Stadtgrenze gekauft haben.
Wir haben uns von Anfang an gut verstanden, aber erst als Indy – inzwischen seine Verlobte – in sein Leben trat, haben wir uns richtig angefreundet. Vorher war er sehr verschlossen und wollte niemanden zu nahe an sich heranlassen. Ich weiß nicht, ob er damals außer seiner Zwillingsschwester überhaupt Freunde hatte, aber seit die beiden zusammen sind, lädt er ständig Leute ein, vor allem, seit sie im neuen Haus wohnen. Und jeden Sonntagabend veranstalten die beiden ein Familienessen. Seine Zwillingsschwester Stevie und ihr Verlobter Zanders, der erste Verteidiger in Chicagos NH L -Team, sind immer dabei, ebenso wie Zanders’ Verteidiger-Kollege Rio, mein Sohn und ich. Manchmal sind noch andere Teamkollegen der beiden dabei, und ich bringe gelegentlich Isaiah mit, wenn er nichts anderes vorhat.
Im Gegensatz zu meinem Bruder freue ich mich die ganze Woche aufs Sonntagsessen, weil ich mich von diesen Leuten besser verstanden fühle als von jedem anderen in Chicago.
Zanders und Stevie erwarten ein Kind, und Ryan und Indy arbeiten gerade an der ersten Schwangerschaft. Sie freuen sich immer sehr, wenn ich Max mitbringe. Bei ihnen ist es nie, als würde es jemanden stören, wenn ich mein fünfzehn Monate altes Kind mitbringe. Bei meinen Teamkollegen manchmal schon.
»Hi, Maxie«, sagt Ryan, während Indy mit Max die Kücheninsel umrundet, damit ihr Verlobter meinen Sohn ebenfalls begrüßen kann.
Sie versuchen schon seit mehreren Monaten, ein Kind zu bekommen, bisher aber erfolglos, und ich versuche, es zu ermöglichen, dass sie so viel Zeit mit Max verbringen können, wie sie nur wollen. Sie fragen mich regelmäßig, ob sie auf ihn aufpassen können, und Indy ist die einzige Frau, in deren Gegenwart sich Max wirklich wohlfühlt.
Beziehungsweise war sie die einzige. Vor Miller.
»Gegen wen spielt ihr heute Abend?« Ryan wendet sich wieder dem Herd zu.
»Cincinnati.«
»Wo steckt Isaiah?«, fragt Indy und hüpft mit Max in der Küche herum.
»Ich bin ziemlich sicher, dass er immer noch in demselben Bett liegt, in dem er letzte Nacht gestrandet ist. Sonntagmorgens ist er normalerweise verschollen.«
Ein Familienfrühstück ist für die Shays normalerweise ein No-Go, es sei denn, ich habe ein Sonntagabendspiel. Sie haben irgendeine geheimnisvolle Vorliebe dafür, das Frühstück zu zweit zu zelebrieren, aber heute machen sie für mich eine Ausnahme.
»Ist dein Onkel ein kleiner Playboy?«, fragt Indy meinen Sohn, und er kichert. »Ja, ist er. Er ist ein Playboy, hm?«
»Redest du über mich, Ind?«, höre ich eine Stimme, und die Eingangstür fällt ins Schloss.
»Nein, Zee, nicht alles dreht sich um dich.«
»Viel Glück dabei, ihn davon zu überzeugen«, sagt Stevie und legt die Hand auf ihren Bauch.
»Hallo, meine wunderschöne, strahlende beste Freundin.« Indy umarmt ihre zukünftige Schwägerin, ohne meinen Sohn abzusetzen.
»Wenn du mit strahlend meinst, dass ich launisch und dauerhungrig bin, dann ja, ich strahle von morgens bis abends.«
»Mehr als sonst irgendwer auf der Welt«, sagt Zanders und küsst sie auf den wilden Lockenschopf.
Nachdem wir uns alle begrüßt haben, gehen die Mädels mit meinem Sohn in den Garten, um draußen an der frischen Luft mit ihm zu spielen, und ich bleibe mit Ryan und Zanders in der Küche zurück.
»Wie geht’s Max?«, fragt Ryan und schenkt uns Kaffee ein.
»Gut. Alles bestens. Er macht das mit den ganzen Reisen und den Hotelzimmern einfach super, er ist total unkompliziert. Ich bin sehr dankbar dafür.« Ich stürze meinen Kaffee zur Hälfte hinunter und reiche Ryan den Becher, damit er mir nachfüllt.
Er hebt eine Braue und schenkt mir nach. »Wir alle lieben Max, aber hör mal, das hier ist eine seltene Gelegenheit, um dich ein bisschen über dein Schicksal als Alleinerziehender zu beklagen. Also lass hören. Du bist anscheinend ganz schön erschöpft.« Er reicht mir meine volle Tasse zurück.
»Bitte verlang nicht von mir, dass ich mich ausgerechnet bei dir ausweine, während du und Indy gerade alles versucht, um Eltern zu werden.«
»Kai, wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Aber das heißt doch nicht, dass ich nicht hören will, was bei dir gerade doof ist. Außerdem haben wir ziemlich viel Spaß bei unseren Schwangerschaftsexperimenten.«
Zögernd betrachte ich die beiden. Es kommt mir seltsam vor, ausgerechnet über den Menschen zu klagen, den ich mehr liebe, als ich je zuvor jemanden geliebt habe. Max ist das Beste, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist. Aber alleinerziehender Vater zu sein, ist trotzdem der härteste Job, den ich je hatte.
»Er hat mich neulich angepinkelt«, sage ich schließlich. »Und damit meine ich, er hat mich über und über vollgepisst. Ich hatte ihn gerade gewickelt, und da stand ich dann im triefend nassen Hemd. Es ist überall hingesprüht, sogar die Wände und die Decke haben was abbekommen.«
»Lieber Himmel.« Zanders macht große Augen.
»Tja, Zee, vielleicht solltest du deinen Wunsch nach einem Jungen noch mal überdenken.«
»Das solltest du dir in der Tat noch mal gründlich überlegen«, sagt Ryan. »Wir brauchen auf keinen Fall einen zweiten Zee in klein.«
»Ich liebe dich auch, Bruder.« Grinsend zeigt ihm Zanders den Mittelfinger.
»Na, wenigstens ist er echt süß«, sagt Ryan und sieht durchs Fenster zu, wie seine Verlobte und seine Schwester mit Max spielen. »Das macht die Sache mit dem Vollpissen wieder wett.«
»Er ist verdammt süß, aber was Entertainment betrifft, hat der Junge einen unfassbar schlechten Geschmack. Seine neueste Obsession ist so eine Serie mit tanzendem Party-Grünzeug: Obst und Gemüse mit Augen und Mündern. Sie reden kein Wort, sie tanzen nur die ganze Zeit zu Rave-Musik. Ich schwöre bei Gott, wer immer sich das ausgedacht hat, war voll auf LSD . Immer wenn das Zeug im Fernsehen läuft, fühle ich mich wie in einem Fiebertraum.«
Zanders starrt mich entsetzt an.
»Ich habe versucht, die Glotze auszuschalten, aber Max hat sich die Seele aus dem Leib geschrien, bis ich die Sendung schließlich wieder eingeschaltet habe. Die Radieschen haben getwerkt.«
»Wie twerkt denn ein Radieschen?«, fragt Zanders und setzt seinen Becher an die Lippen.
»Ich weiß es nicht, Mann. Ich weiß es verdammt noch mal nicht.« Ich schüttle den Kopf. »Und neulich musste ich Buch darüber führen, wie oft er scheißt. Ja, ich habe es aufgeschrieben. Jeden Morgen habe ich als Erstes an Kinderscheiße gedacht, weil er mehrere Tage lang nichts mehr in der Windel hatte.«
Ein Lächeln breitet sich auf Ryans Lippen aus, aber er versucht, es mit seiner Kaffeetasse zu verdecken. Zanders hingegen starrt mich an, als hätte ich ihm gerade erzählt, dass jemand seinen Hund getreten hat.
»Und der Schlafrhythmus. Seine Schläfchen tagsüber sind absolut heilig. Wenn einer meiner Mannschaftskameraden versucht, seinen Schlafrhythmus durcheinanderzubringen, raste ich aus, und zwar so richtig. Wenn er nicht vernünftig schläft, wird er wahnsinnig maulig, und außerdem sind diese Schläfchen die einzige Gelegenheit, ohne schlechtes Gewissen ein bisschen Zeit für mich zu haben.«
»Du hast ein schlechtes Gewissen?«, fragt Zanders.
»Immer.« Ich stoße einen langen Atemzug aus. »Die ganze verdammte Zeit. Sobald ich nicht bei ihm bin, fühle ich mich schuldig, aber wenn ich den ganzen Tag mit ihm verbringe, fühle ich mich auch schuldig, weil ich mich nach ein bisschen Zeit für mich sehne. Und die Angst. Ich habe ständig solche Angst, dass ihm etwas zustößt, wenn ich nicht da bin, oder dass mir etwas zustößt und er dann ganz allein ist.«
Zanders nimmt mir die Tasse ab und gießt einen kräftigen Schuss Baileys in meinen Kaffee.
»Was machst du da? Ich hab heute Abend ein Spiel.«
»Du bist heute Abend im Bullpen, also brauchst du das«, erwidert er und gibt auch in seinen Becher und in den seines zukünftigen Schwagers einen ordentlichen Schuss.
Ryan stupst mich gegen die Schulter. »Du weißt, dass Indy und ich immer für dich da sind und gern helfen. Wann immer du eine Pause brauchst, sag Bescheid.«
»Ich sollte aber keine Pause brauchen. Ich hatte in den ersten sechs Monaten seines Lebens eine Pause.«
»Mein Gott, Kai«, schnaubt Ryan. »Du kannst dich doch dafür nicht immerzu selbst geißeln. Du hattest keine Ahnung, dass er existiert. Du brauchst mehr gesunde Balance. Sein Dad zu sein, ist nur ein Teil deines Lebens.«
»Und Starting Pitcher zu sein, ist der andere Teil. Meine Zeit teilt sich auf zwischen Baseball und meinem Kind, und immer, wenn ich mich auf das eine konzentriere, habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich dem anderen nicht meine volle Aufmerksamkeit schenke.«
Scheiße . Ich wollte doch gar nicht jammern. Ich finde es blödsinnig, mich zu beklagen … Max ist das Allerbeste in meinem Leben. Aber ich muss zugeben, dass ich wirklich müde bin. Und ich bin es leid, mir ständig Sorgen zu machen und mich zu fragen, ob ich gerade alles vermassle.
»Weißt du …«, sagt Ryan und lacht leise. »Als ich dich Indy vorgestellt habe, hatte ich kurz Angst, sie könnte dich lieber mögen als mich. Früher warst du ihr sehr ähnlich, ein verdammter wandelnder Sonnenschein. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du sechs Monate später genauso mürrisch sein würdest wie ich früher.«
»Ich bin nicht mürrisch«, sage ich, aber leider klinge ich dabei verdammt grantig. »Ich bin erschöpft. Letztes Jahr wurde ich zu Beginn der Nebensaison auf einmal alleinerziehender Vater. Und bis zum Beginn der Saison hatte ich alles so weit im Griff, aber jetzt … Manchmal überlege ich wirklich, ob ich nicht vorzeitig …«
»Nein.«
»Sprich es bloß nicht aus«, fügt Zanders hinzu.
»Du gehst auf gar keinen Fall vorzeitig in den Ruhestand«, fährt Ryan fort. »Erstaunlicherweise bist du trotz deines Alters gerade im Zenit deines Könnens. Du wirfst auf keinen Fall das Handtuch. Du musst nur lernen, um Hilfe zu bitten und sie auch anzunehmen. Wie läuft’s mit Troy?«
Ich wende den Blick ab. »Hab ihn gefeuert.«
Kurz starrt er mich an, dann bricht er in Gelächter aus. »Natürlich hast du das, verdammt.« Er öffnet das Küchenfenster und ruft hinaus: »Blue! Kai hat das Kindermädchen gefeuert!«
Ich höre, wie sie ins Haus eilt. »War es vor oder nach Mittwoch?«
»Donnerstag, glaube ich. Warum?«
»Verdammt noch mal!«
Ryan schüttet sich aus vor Lachen. »Vielen Dank dafür.«
»Was hab ich verpasst?«
»Indy und ich haben darum gewettet, wann du ihn feuern wirst … Ich hatte so eine Ahnung, dass es diese Woche passieren würde. Sie hat auf die erste Hälfte der Woche gewettet, ich auf die zweite.«
»Ihr schließt Wetten über Max’ Kindermädchen ab? Äußerst liebreizend von euch.«
Stevie folgt Indy hinein, sie hält Max an den Händen, der selbst laufen möchte. »Was bekommt der Gewinner?«
»Blue schuldet mir einen Blowjob.« Ryan lächelt in seinen Kaffee.
»Bah.« Stevie zieht eine Grimasse.
Indy wirft das Haar über ihre Schulter. »Tja, die eigentliche Gewinnerin bin ich. Du hast ja keine Ahnung, wie gern ich dir einen blase.«
»Tja, woher sollte ich das auch wissen, hm?«
Ryan kommt zur Kücheninsel, um sich Max zu schnappen, und er und Indy kümmern sich liebevoll um ihn. Zanders deckt zusammen mit Stevie den Tisch und berührt sie zwischendurch immer wieder, weniger heimlich, als er vermutlich glaubt.
Sosehr ich mich auch mit diesen Jungs verbunden fühle, die ebenso wie ich Profisportler sind, die inzwischen ein ruhigeres Leben führen … Die beiden haben Partnerinnen. Jemanden, an den sie sich mal anlehnen, mit dem sie alles teilen können. Zum Glück werden sie wohl nie verstehen, was es bedeutet, ein Kind allein aufzuziehen, sodass alle Last nur auf den eigenen Schultern liegt. Aber vielleicht ist es sogar noch schlimmer, niemanden zu haben, mit dem man all die schönen Momente teilen kann. Niemand außer mir hat Max’ erstes Wort gehört. Niemand sonst hat gesehen, wie er zum ersten Mal gekrabbelt ist.
Für einen Moment fühle ich mich mitten unter meinen Freunden sehr allein.
Doch dann stürmt jemand zur Tür herein, der ebenso wie ich ganz eindeutig Single ist.
»Hier bin ich!« Rio DeLuca, Zanders’ Mannschaftskamerad, schießt mit voll aufgedrehter Boombox ins Haus – er liebt den großen Auftritt. »Was habe ich verpasst?«
»Kai hat ein weiteres Kindermädchen gefeuert«, erklärt Ryan, wirft mein lachendes Kind in die Luft und fängt es wieder auf.
»Tja, wurde auch Zeit. Wie lange ist es her, dass er ihn eingestellt hat … zwei Wochen?«
»Vier.«
»Ein neuer Rekord, Kai?«
Ist das so? Wow, ich könnte es nicht mit Sicherheit sagen.
»Ich hab schon jemand Neuen eingestellt. Sie hat in Miami auf Max aufgepasst.« Ich lasse vornehm unter den Tisch fallen, dass sie auch schon wieder weg ist, ehe sie sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegen.
»Sie?«, fragt Stevie.
»Sie.«
Rio stellt seinen Ghettoblaster ab. »Wer ist sie ? Und ist sie Single?«
Ist Miller Single? Ich habe keine Ahnung. Allerdings zieht sie das ganze Jahr umher, und ich kann mir nicht vorstellen, wie sie da eine Beziehung führen könnte. Es sei denn, ihr Partner ist ein ebensolcher Nomade.
»Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht.«
»Nehmen wir mal an, sie wäre hypothetisch gesehen sehr alleinstehend. Sehr verfügbar «, sagt Rio eifrig. »Würde sie sich wohl für mich interessieren?«
»Nein.«
»Wow, Kai. Antworte nächstes Mal doch noch ein bisschen schneller.«
»Woher soll ich das denn wissen? Sie ist die Tochter meines Trainers, und ich denke, es wäre gut, wenn niemand aus meinem näheren Umfeld«, ich werfe einen strengen Blick in die Runde, »es herauszufinden versucht.«
»Die Tochter des Trainers, Kai?« Indy setzt ein wissendes Grinsen auf. »Interessant. Der Plot gefällt mir jetzt schon.«
»Daran ist gar nichts interessant, du hoffnungslose Romantikerin.«
»Hoffnungsvoll «, korrigiert sie mich und deutet auf Ryan. »Das heißt jetzt hoffnungsvolle Romantikerin.«
»Wie auch immer. Ganz egal, was du dir gerade für ein Szenario mit mir und dem neuen Kindermädchen ausdenkst, vergiss es. Monty hat sie über meinen Kopf hinweg eingestellt, und ich konnte nicht mehr Nein sagen.«
»Blödsinn«, schnauft Ryan. »Du gehst nie Kompromisse ein, wenn es um Max geht, auch nicht, um deinen Coach glücklich zu machen. Du magst sie.«
»Nein, tu ich nicht. Um ehrlich zu sein, kann ich sie nicht ausstehen, aber das ist egal, denn sie ist ja schon wieder weg.«
Alle starren mich stumm an.
»Was zum Teufel ist los mit dir?«, bricht schließlich Ryan das Schweigen. »Du hast heute Abend ein Spiel. Was machst du denn dann mit Max?«
Ich ziehe die Brauen hoch und sehe ihn und seine Verlobte vielsagend an.
»O nein. Versuch’s gar nicht erst.« Abwehrend hebt Indy die Hände. »Wir lieben Max, aber wir werden nicht unterstützen, dass du ständig die Kindermädchen feuerst. Was hat mit ihr denn nicht gestimmt? Hat dir nicht gefallen, wie sie atmet? War sie zu nett? Warst du mit ihrer Lieblingsfarbe nicht einverstanden?«
»Max mochte sie viel zu schnell zu gern.«
Außerdem ist sie viel zu attraktiv, als dass ich sie den ganzen Sommer über in meiner Nähe haben wollte, aber das sage ich lieber nicht.
Indy blinzelt mich ausdruckslos an. »Mach dich nicht lächerlich. Ruf sie an und hol sie zurück.«
Das habe ich bereits versucht. Gleich nachdem sie gegangen war. Ich hatte keine Möglichkeit, ihr zu erklären, dass sie sich einfach zu gut um meinen Sohn gekümmert hat. Aber selbst wenn sie mir die Gelegenheit dazu gegeben hätte … Wie erbärmlich wäre es, ihr zu sagen, dass Max sich so schnell an sie gewöhnt hat, dass ich nervös geworden bin? Miller hat sich nur einen Tag lang um ihn gekümmert, und schon war er glücklicher mit ihr als je zuvor mit einem anderen Kindermädchen. Und ich habe es vermasselt, weil ich Angst habe. Angst davor, sie in der Nähe zu haben, und noch mehr vor dem Moment, wenn sie wieder geht.
»Ich habe es versucht«, gebe ich zu. »Ungefähr fünfzehn Mal. Aber sie ignoriert mich.«
»Oh, du wirst definitiv mit ihr im Bett landen.« Zanders lacht. »Hass-Sex oder Versöhnungssex. Eins von beidem. Garantiert.«
»Auf gar keinen Fall.«
»Kommt gar nicht infrage«, protestiert Rio. »Denn wenn Kai jemanden kennenlernt, bin ich der einzige Single, der in unserer Runde noch übrig ist, und ich will nicht der einzige verbitterte alte Single sein. Na ja, okay, Isaiah hat auch niemanden, aber der zählt nicht. Er ist gern allein.«
»Rio«, tröstet ihn Indy. »Du bist noch ein Baby, aber wenn du irgendwann alt bist, kannst du bei uns wohnen, und wir kümmern uns um dich. Ryan macht uns dann immer Frühstück, und du bist unser platonisches fünftes Rad am Wagen.«
»Ich mache ihm kein Frühstück«, widerspricht Ryan.
»Ich bin für niemanden das fünfte Rad am Wagen. Und mach keine Scherze darüber, dass ich mit Ryan Shay zusammenziehe, Ind. Dann ist ganz schnell jemand anders das fünfte Rad am Wagen, und das wäre weder Ryan noch ich.«
Ryan lacht leise in sich hinein.
»Also gut, lasst uns essen, ich muss bald los. Ich hoffe, Monty kann Miller vor meinem Spiel heute Abend überzeugen, mir doch noch eine Chance zu geben.«
»Sie heißt Miller?«, fragt Stevie, setzt sich an den Tisch, streckt die Beine aus und streicht sich über den Bauch. »Klingt süß.«
Ja, wahnsinnig süß. Ungefähr so süß wie ein Tornado. Oder ein Rudel ausgehungerter Löwen. Einfach supersüß.
»O mein Gott«, ruft Rio und starrt mich an. »Er hat nicht mal versucht, es zu leugnen! Am Ende bin ich der einzige verbliebene Single. Ich werde in das Haus meines besten Freunds ziehen müssen und gemeinsam mit dem verdammten Ryan Shay alt werden.«
Zanders macht einen Teller für Stevie fertig. »Du klingst nicht so, als würde dich das stören.«
Rio zuckt mit den Schultern. »Hab ich auch nie behauptet.«
Alle setzen sich, und ich ziehe den Hochstuhl heraus, der hier immer für Max steht, bevor ich ebenfalls Platz nehme. Meine Freunde wechseln sich damit ab, meinen Sohn zu füttern und ihn zu unterhalten. Mit leuchtenden blauen Augen strahlt er die Profisportler an, die ihm dumme Grimassen schneiden.
Und obwohl ich mich in Gegenwart dieser zwei glücklichen Paare manchmal verdammt allein fühle, bin ich unglaublich dankbar dafür, dass sie mich in ihre Mitte aufgenommen haben und ich bei ihnen in Chicago einen Ort gefunden habe, an dem ich mich wirklich zu Hause fühle.