Kapitel 14

Miller

Violet: Na, wie läuft deine Pause? Machst du Fortschritte? Wie sieht es mit den Rezepten aus?

Ich: Die Pause läuft großartig.

Violet: Und was ist mit meinen anderen Fragen?

»Eine Linedance-Bar?«, beschwert sich Isaiah, als wir die Location betreten. »Cody, was zum Teufel soll das, Mann?«

Cody lächelt wie ein Kind am Weihnachtsmorgen und sieht sich in dem riesigen, offenen Raum um. Die Tanzfläche ist gigantisch, wie in Texas üblich, auf der Bühne steht eine Live-Band. Wohin ich auch blicke, überall Jeans, Flanell und Cowboystiefel – auch Cody trägt welche an den Füßen, sie sind nagelneu.

»Das ist keine Linedance-Bar, nur eine gute alte Country-Bar.« Er atmet tief durch, ein lächerlich aufgeregtes Lächeln auf den Lippen, und steuert direkt auf die Bar zu. »Na los, Jungs.«

Die anderen folgen ihm, ohne zu zögern.

Bevor ich ihnen ebenfalls folgen kann, spüre ich eine große Hand auf meiner Hüfte. Instinktiv weiß ich, dass es Kai ist. Er ist in sehr besitzergreifender Stimmung, seit wir die Hotellobby verlassen haben.

»Macht hier jeder, was er sagt?«, frage ich und sehe zu, wie sich das Team um die Bar schart.

»Er ist der Planer. Er überlegt sich immer was für unsere freien Tage. In Tampa hat er ein Boot gemietet. In New York City Karten für eine Broadway-Show besorgt. Einen Ausflug zu den Niagarafällen organisiert, als wir in Toronto waren. Und jetzt in Dallas ist es offensichtlich eine Country-Bar.«

Ich drehe mich zu ihm um. »Und wo warst du bei all diesen Ausflügen?«

»Im Hotel bei Max.«

»Aber nicht heute Abend.«

Kais stahlblaue Augen hinter der Brille wandern über mein Gesicht und schließlich zu meinen Lippen. »Nein. Nicht heute Abend.«

»Ace!«, ruft einer der Jungen und hält ein Schnapsglas hoch, bis zum Rand mit bernsteinfarbener Flüssigkeit gefüllt.

»Scheiße«, murmelt Kai. »Ich kann keinen Schnaps trinken.«

»Auf keinen Fall. Das würde deine zweiunddreißigjährige geriatrische Leber nicht verkraften.«

»Nennst du mich etwa alt, oder willst du mich provozieren?«

»Beides.« Ich gehe rückwärts auf die Bar zu. »Neulich Abend hast du mir gesagt, du hättest eine wilde Ader. Ich will sie sehen. Komm schon, Baseball-Daddy, es wird Zeit, die andere Hälfte des Gleichgewichts zu finden, das ich dir versprochen habe – den Spaß.«

Er folgt mir. Es sieht ganz gemächlich aus, aber seine langen Beine schreiten viel weiter aus als meine. Er hakt einen Finger in den Bund meiner Jeans und zieht mich zurück. Meine Brust stößt gegen seine.

Oh, ich habe keinen Zweifel daran, dass wir heute Abend Spaß haben werden.

Mit einer raschen Zungenbewegung befeuchtet er seine Lippen. »Über welche Sorte Spaß reden wir hier?«

O Gott. Ich versuche, mich zusammenzureißen, das versuche ich wirklich nach Kräften, aber auf einmal kann ich an nichts anderes mehr denken als daran, wie ich seinen riesigen Körper erklimme.

Er lacht leise, zieht den Finger aus dem Bund meiner Jeans und fasst mich um die Hüften, um mich zur Bar zu drehen. »Komm schon, Mills. Zeig mir, wie sich die jungen Leute heutzutage mit Shots abschießen.«

»O Gott, du bist ein zweiunddreißigjähriger Boomer, oder?«

»Und stolz drauf.«

Als wir uns zu seinen Teamkollegen gesellen, taucht Travis plötzlich neben mir auf, und Kai hinter mir vibriert förmlich vor Ärger.

Er hat keine Ahnung, dass Travis mir in der Hotellobby erzählt hat, dass die Jungs vorhaben, Kai zu ärgern, indem sie ihn heute Abend keinen Moment mit mir allein lassen. Und wer bin ich denn, dass ich dem Team-Bonding in die Quere komme, ganz gleich, wie seltsam es mir vorkommt?

»Kai«, ruft Isaiah und hält zwei Shotgläser hoch.

Kai seufzt, aber er geht zu seinem Bruder.

»Zimt-Whiskey.« Travis schiebt mir ebenfalls ein Glas zu.

Ein Schauer durchfährt mich. Das ist einer dieser »Ich will so was nie wieder anrühren«-Drinks, nachdem ich mir wegen solchen Zeugs an meinem einundzwanzigsten Geburtstag die Eingeweide aus dem Leib gekotzt habe. Aber dann sehe ich, wie Kai und sein Bruder lachen, und in diesem Lachen liegt eine Unbeschwertheit, die ich an Kai nur sehr selten sehe, also scheiß drauf … Zimt-Whiskey also.

Das Zeug brennt höllisch in der Kehle, und es kostet mich meine ganze Willenskraft, um nicht zu würgen. Aber dann sehe ich, wie Kai mich unverwandt ansieht, während er sein eigenes Glas leert, und ich bewahre eine stoische Miene und lasse mir meine Qualen nicht anmerken.

Es gibt nur einen einzigen akzeptablen Grund, um in Kai Rhodes’ Gegenwart zu würgen, und der hat nichts mit Schnaps zu tun.

Er tritt vor und wischt mit dem Daumen einen Tropfen Alkohol aus meinem Mundwinkel. »Alles okay? Eben warst du noch so selbstbewusst. Du wirst doch nicht etwa würgen, oder?«

Ich zucke mit den Schultern. »Hoffentlich erst später.«

Er schüttelt den Kopf – so wie fast immer, wenn ich etwas sage, das ihn kalt erwischt. »Flirtest du etwa mit mir, Montgomery?«

»Schon seit wir uns kennen. Fängst du an zurückzuflirten?«

»Miller«, unterbricht uns Isaiah, bevor Kai antworten kann. »Würdest du mir diesen Tanz schenken?«

Vorhin war mir nicht klar, dass ich mich selbst so sehr über die ständigen Unterbrechungen ärgern würde. Aber Kai sollte wissen, dass ich mich für keinen seiner Teamkollegen interessiere. Der alleinerziehende Vater hat mir dafür viel zu sehr den Kopf verdreht.

Isaiah strahlt mich hoffnungsvoll an, also lege ich meine Hand in seine, und er führt mich auf die Tanzfläche, gefolgt von mehreren Jungs aus dem Team.

»Ich habe keine Ahnung, wie man zu Country-Musik tanzt«, rufe ich ihm über die Live-Band hinweg zu.

»Ich auch nicht. Ich fürchte, wir werden alle wie Idioten aussehen, aber was soll’s?«

Lächelnd sehe ich ihn an, und dann begehe ich den Fehler, einen Blick zur Bar zurückzuwerfen.

Kai, ein Bier in der Hand, blickt absolut mörderisch drein, und als er mich ansieht, fällt mir das Lächeln aus dem Gesicht. Kurz wandert sein Blick auf meine Hand in der seines Bruders, dann führt er das Bier an die Lippen.

Wir nehmen unsere Positionen ein.

»Die Sache ist die …« Isaiah legt mir einen Arm über die Schulter, zieht mich an sich und sagt mir ins Ohr: »Ich stehe nicht auf dich.«

Ich lache laut auf.

»Ich meine, nicht falsch verstehen, es wäre was anderes, wenn ich glauben würde, dass ich eine Chance habe. Aber ich mag meine Eier genau da, wo sie sind. Monty macht mir schon genug Angst. Aber mein großer Bruder …«

Wir beide sehen ihn an, wie er da an der Bar steht. An seinem Kiefer zuckt ein Muskel.

»Kai ist wahrscheinlich der Einzige im Team, der Zeit mit dir verbringen kann, ohne dass Monty ausrastet. Und ich glaube, er mag dich. Das glauben wir alle, aber er hat es nicht mehr drauf, sich zu nehmen, was er will. Stattdessen hält er sich zurück und schaut eher darauf, was die anderen wollen und brauchen, und da dachte ich mir …«

»Dass du ihn zu seinem Glück zwingen solltest?«

Er zuckt mit den Schultern. »Wir Männer sind schlichte Geschöpfe, und Eifersucht kann Wunder bewirken. Ich dachte mir, ich schleife dich auf die Tanzfläche, überlasse vielleicht ein paar der Jungs auch hier und da mal einen Tanz, und vielleicht bringen wir so den weniger attraktiven Rhodes-Bruder dazu, endlich mal egoistisch zu sein und klar zu sagen, was er will. Und ich ziehe dich nur in diese Nummer mit rein – korrigiere mich, wenn ich falschliege – weil du ihn auch willst.«

Ich korrigiere ihn nicht. »Travis hat mir schon erzählt, was ihr vorhabt.«

»Also bist du dabei?«

Als das Lied beginnt, werfe ich einen raschen Blick in Kais Richtung. Es war mein Ernst, als ich sagte, dass er heute heiß aussieht, und dass er eifersüchtig zu sein scheint, macht ihn nur noch heißer. Ja, mein Vater hat gesagt, ich solle darauf achten, dass er nicht zu sehr an mir hängt, aber Kai weiß genau, dass ich in zwei Monaten abreisen werde, und trotzdem sieht er mich so an. Vielleicht will er ja einfach nur für den Rest des Sommers ein wenig Spaß mit dem Kindermädchen seines Sohns haben.

»Erst mal: Dein Bruder ist heißer als du.«

Isaiah kichert.

»Aber, ja, ich bin dabei.«

Mit einem durchtriebenen Lächeln wirbelt Isaiah mich herum und zieht mich dann wieder an sich. Ringsum beginnen alle zu tanzen.

Sechs Songs später weiß ich, dass die Spieler meines Vaters alle erstaunlich gut tanzen. Mit sechs von ihnen habe ich getanzt, wobei Cody am geschmeidigsten war, als wären seine nagelneuen Cowboystiefel verzaubert und würden ihm die Fähigkeit verleihen, zu schneller Country-Musik herumzuwirbeln, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan.

Inzwischen ist das ganze Team auf der Tanzfläche, nur Kai steht immer noch an der Bar, von wo aus er mich und seine Teamkollegen perfekt im Blick hat.

»Gottverdammt«, sagt Travis neben mir, die Hände in die Hüften gestemmt, und verschnauft kurz ein bisschen. »Ich hätte gedacht, er würde viel schneller dazwischengehen. Ich bin Catcher; meine Knie sind im Arsch. Ich kann nicht die ganze Nacht mit dir tanzen.«

»Ich glaube, ihr habt ihn falsch eingeschätzt. Es scheint ihn nicht zu interessieren, also ist das Ganze völlig sinnlos.«

»Ach Quatsch.« Travis wirft einen Blick zurück auf die Bar. »Er hat sich verändert, seit Max da ist. Jetzt gibt er gern den Märtyrer. Letzte Saison hätte er keinem von uns auch nur einen einzigen Tanz mit dir durchgehen lassen.«

Die Musik wird langsamer, und überall ringsum finden sich die Leute zu Paaren zusammen.

»Ach du Scheiße.« Travis legt mir eine Hand auf den Rücken und zieht mich an sich. »Ich schwöre bei Gott, wenn Ace mich danach hasst, haue ich Isaiah für diese blöde Idee eine rein.«

Über seine Schulter hinweg sehe ich Isaiah, der auf einem Barhocker an einem Stehtisch sitzt und aufgeregt zwischen uns und Kai hin- und hersieht. Ich vermeide den Blick zur Bar. Am Anfang war es witzig, aber inzwischen wird es irgendwie unangenehm, einen Kerl dazu bringen zu wollen, die Initiative zu ergreifen, der offensichtlich überhaupt keine Lust dazu hat.

Gerade als Trav uns herumwirbelt, sehe ich, wie Kai aufsteht und direkt auf die Tanzfläche zusteuert, den Blick auf mich gerichtet. Doch kurz vor der Tanzfläche biegt er ab und geht auf den Tisch zu, an dem sein Bruder sitzt. Er beugt sich zu ihm runter und sagt etwas zu ihm.

Mit weit aufgerissenen Augen blickt Isaiah zur Eingangstür.

»Was ist da los?«, frage ich Travis und deute mit dem Kinn auf die Rhodes-Brüder.

Er folgt erst meinem Blick, dann dem von Isaiah. »Oh, Scheiße«, haucht er dann und bugsiert mich zu Isaiahs Tisch. »Was machen die denn hier?«, fragt er ihn.

Kai betrachtet mit bohrendem Blick Travis’ Hand, die immer noch auf meinem Rücken liegt. Dann trinkt er einen Schluck Bier und stützt die Ellbogen lässig auf den Stehtisch.

Ich will ihm eine reinhauen. Ebenso dringend will ich sein dummes, hübsches Gesicht küssen. Aber der Ball liegt bei ihm … Ich habe die letzten zwei Wochen damit verbracht, ihm ständig unter die Nase zu reiben, wie sehr ich mich zu ihm hingezogen fühle.

»Morgen beginnt ihre Spielserie gegen Texas.« Isaiah dreht sich zur Tanzfläche. »Cody!«

Der erste Baseman tanzt gerade mit einem süßen Typen, der einen schwarzen Cowboyhut trägt, und wirft Isaiah wegen der Unterbrechung einen Blick zu, der ohne Weiteres töten könnte. Doch dann deutet Isaiah zur Tür, und im nächsten Moment sitzt Cody bei uns am Tisch. »Dean Cartwright ist hier? Hätten die sich nicht eine andere Bar aussuchen können?«

»Was ist denn los?« Fragend blicke ich in die kleine Runde.

»Daddy hier hat den da vermöbelt.« Isaiah zeigt auf eine Gruppe von Männern, die eine ähnliche Statur haben wie die Jungs, mit denen ich hier bin. »Letztes Jahr, als wir gegen Atlanta gespielt haben.«

»Ich hab ihn nicht vermöbelt.« Kai trinkt einen weiteren Schluck aus seiner Flasche, den Blick auf den wenige Zentimeter breiten Spalt gerichtet, der mich von seinem Catcher trennt.

»Sie haben dich des Felds verwiesen, weil du Dean einen rechten Haken gegen den Kiefer verpasst hast, der ihn umgehauen hat.«

»Mit deinem Wurfarm, Ace. Weißt du, wie viel Geld der wert ist?«

Kai zuckt mit den Schultern. »Er hatte es verdient.«

»Was hat er getan?«, frage ich, und endlich sieht Kai mich an. Doch er antwortet nicht sofort, also schaltet sich Travis ein.

»Cartwright ist mit einem illegalen Slide in die Base rein, an der ich gerade gestanden hab, und hat mich an den Knien erwischt. Übles Foul, hat mich für den Rest des Spiels außer Gefecht gesetzt.«

Mein Kopf ruckt zu Kai herum. »Und dafür hast du ihm einen Kinnhaken verpasst?«

»Natürlich nicht.« Gemächlich nimmt er einen Schluck aus seiner Flasche. »Ich habe ihm einen Pitch reingebrettert, als er das nächste Mal am Schlag war. Er ist auf mich losgegangen, und dann habe ich ihn geschlagen.«

Ich muss lachen, weil das überhaupt kein bisschen nach dem Kai klingt, den ich kenne.

Der Anflug eines Lächelns blitzt hinter seiner Flasche hervor. »Das war vor Max.«

Ah. Natürlich. Er hat mir gesagt, dass er damals ein anderer Mensch war. Aber wie sein Kiefer sich anspannt, wenn er den Abstand zwischen Travis und mir betrachtet, verrät mir, dass dieses Feuer immer noch da ist – und es gefällt mir.

Der Tisch ist klein, die Bar überfüllt. Ich stehe keinen Zentimeter dichter neben seinem Catcher als er selbst neben seinem Bruder. So sehr mir diese eifersüchtige Seite auch gefällt, er übertreibt.

Travis springt auf. »Ich hol uns noch eine Runde.«

Cody und Isaiah wenden sich wieder der Tanzfläche zu und machen sich einen Spaß daraus, die vorbeitanzenden Frauen zu begutachten, Cody allerdings begutachtet auch die Cowboys genauer. Kai nutzt die Gelegenheit und rutscht um den Tisch herum an meine Seite. Er stützt sich auf die Unterarme, nippt an seinem Bier und sieht mich nicht an, als er demonstrativ beiläufig sagt: »Travis ist ein guter Kerl.«

Soso. »Ja, das ist er.«

Er nickt, ohne mich anzusehen. »Und im selben Alter wie du.«

»Tja, schade. Wie ich schon sagte, ich stehe auf ältere Männer.«

Er sieht mir in die Augen. »Er mag dich.«

Er ist ein guter Schauspieler.

»Stört dich das?«

Er stößt ein humorloses Lachen aus. »Isaiah hat mich das auch schon gefragt.«

»Und was hast du geantwortet?«

Kai richtet sich zu seiner vollen Größe auf und blickt herablassend auf mich herunter. »Ich habe ihm gesagt, dass es mich nur deshalb stören würde, weil du wegen Max hier bist.«

»Und ist das wahr?«

Er versucht erfolglos, sein Lächeln zu unterdrücken. »Wenn du die Wahrheit hören willst: Es stört mich so sehr, dass ich den ganzen Abend überlege, wie ich Monty dazu bringen kann, ihn in ein anderes Team abzuschieben.«

Ich muss ebenfalls lachen. »Und du nennst mich albern.«

»Ich hatte meine Momente. Vor Max war ich ein anderer Mensch.«

»Ein Mensch, der andere Spieler mitten im Spiel schlägt.«

»Ein Mensch, der seinen Mannschaftskameraden beschützt.«

Fragend ziehe ich eine Braue hoch. »Und der jetzt will, dass derselbe Mannschaftskamerad in ein anderes Team getauscht wird.«

»Wir haben alle unsere Grenzen, nicht wahr?«

»Und ich gehöre also dir?«

Sein Blick wandert über mein Gesicht und verweilt schließlich auf meinen Lippen. »Das könnte durchaus sein.«

Los, Kai, jetzt mach endlich deinen verdammten Zug.

Ich weiß, dass er es will. Ich habe den ganzen Abend gesehen, wie seine Frustration stetig anwuchs. Aber es ist, als hätte er beschlossen, dass ich besser zu Travis passen würde oder zu einem seiner Teamkollegen, mit denen ich getanzt habe, also hält er sich zurück. Und ich mache mir so langsam Sorgen, dass das kleine Spielchen der Jungs nur gezeigt hat, dass Kai nicht mehr bereit ist, sich zu nehmen, was er will.

Und ich befürchte das umso mehr, als Travis zum Tisch zurückkehrt, mehrere Flaschenhälse zwischen die Finger geklemmt. Als er die Flaschen abstellt, umrundet Kai den Tisch und stellt sich wieder neben seinen Bruder.

»Gehen wir oder bleiben wir?«, fragt Travis mit einem Blick auf Cartwright und seine Kollegen.

»Wir bleiben.« Isaiah spricht schon leicht undeutlich. »Scheiß auf den Kerl. Er war schon ein Arschloch, als wir als Kinder zusammen Ball gespielt haben, und jetzt ist er ein noch größerer Scheißkerl.«

»Wenn wir sowieso bleiben, tanze ich.« Cody streckt mir die Hand entgegen.

Die Jungs drehen sich zu ihrem Pitcher um und warten darauf, dass er eingreift, aber er nimmt sich nur schweigend ein neues Bier.

Ein paar Tänze später, als ein Lied endet und das nächste beginnt, schiebt mich einer der Spieler in die wartenden Arme des nächsten Tänzers. Nur ist der Mann, der mich packt, keiner der Jungs aus dem Team … Es ist Dean Cartwright, der Spieler aus Atlanta.

»Wie heißt du?«, fragt er, eine Hand auf meinem Rücken und den Mund viel zu nahe an meinem Ohr.

Ich schlucke und sehe mich auf der Tanzfläche nach einem bekannten Gesicht um, aber ich habe ziemlich viel getrunken, er dreht mich ein bisschen zu schnell, und alles verschwimmt. »Miller.«

Ein träges Lächeln breitet sich auf seinen Lippen aus. »Willst du mich nicht nach meinem Namen fragen?«

»Ich weiß, wie du heißt.«

»Dachte ich mir.« Ein Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus, das die meisten Frauen wohl als sexy bezeichnen würden. Aber ich stehe nicht auf diese demonstrative Arroganz. Ich denke nur noch an einen ganz bestimmten heißen Typen, der sich seiner selbst gerade ziemlich unsicher ist, und ich kann mir nichts Heißeres vorstellen, als dass er sein wohlverdientes Selbstvertrauen wiederfindet. Besonders wenn ich dabei eine Rolle spiele.

Ich versuche, mich aus Cartwrights Griff zu befreien, aber er packt mich nur noch fester.

»Was willst du?«, frage ich.

»Nur einen Tanz. Ich beobachte dich schon eine Weile und frage mich, was zum Teufel du hier mit den Windy City Warriors machst.«

Ich blicke ihm direkt in die Augen. »Mein Vater ist der Field Manager.«

Er zieht die Brauen hoch. »Du bist Montys Tochter? Dein Vater wollte mich nicht unter Vertrag nehmen.«

»Klingt nach ihm. Er hatte schon immer einen guten Geschmack.«

Er lacht, aufrichtig amüsiert. »Du bist ein ganz schön bissiges kleines Ding, hm?«

»Kann ich jetzt gehen?«, frage ich und versuche erneut erfolglos, mich aus seinem Griff zu befreien, ohne gleich eine Szene zu machen.

»Nur einen Tanz, Miller Montgomery.«

Kurz sträube ich mich, dann gebe ich auf. »Gut. Aber nur, wenn du mir sagst, warum dich das Team so sehr hasst.«

Wir beginnen zu tanzen, und er betrachtet mich mit einem durchtriebenen Lächeln. »Ich kenne die Rhodes, seit wir als Kinder Baseball gespielt haben. Ganz eventuell habe ich in der Highschool mit ein oder zwei von Isaiahs Freundinnen geschlafen.«

»Isaiah hat keine Freundinnen.«

»Früher schon. Und es war ein einfaches Rezept, um ihn vor einem Spiel aus dem Tritt zu bringen.«

Ich kann mir ein ungläubiges Lachen nicht verkneifen. »Du bist also ein echter Scheißtyp, was?«

»Ich bin Wettkämpfer. Wenn etwas so Triviales dazu führt, dass mein Gegner schlecht spielt – sein Pech.«

»Du bist echt das Allerletzte, weißt du das eigentlich? Ich hoffe, der Wurf, mit dem Kai dich getroffen hat, war ein Fastball direkt in die Eier.«

Ein Lächeln zuckt über seine Lippen. »Danke, Puppe.«

Ich sehe mich nach dem Team um und entdecke sie endlich: Sie sind alle um einen Tisch versammelt, die Augen auf uns gerichtet.

»Was machst du hier?«, frage ich. »Hast du nicht morgen ein Spiel?«

»Du kennst meinen Zeitplan? Wie unerwartet aufmerksam von dir. Meine Stiefschwester ist auch gerade in der Stadt, und ich dachte, ich könnte sie heute Abend mal aus dem Hotel locken. Du kennst sie vielleicht sogar …« Dean blickt über meine Schulter. »Oh, wow.« Seine Hand wandert weiter nach unten, die Fingerspitzen streifen meinen Hintern. »Ace konnte ich nie aus dem Tritt bringen.«

»Ich will hier keine Szene machen, aber wag es ja nicht, deine Hand noch weiter nach unten wandern zu lassen.«

Er lächelt nur. »Besser gesagt: Bis heute konnte ich Ace noch nie aus dem Tritt bringen.«

Was?

Und dann spüre ich Kais Präsenz, noch ehe er Dean von mir wegreißt und ihn so hart vor die Brust stößt, dass der andere Spieler in die Menge taumelt.

»Lass deine verdammten Hände von ihr.«