Kapitel 15

Kai

Ich gebe zu, ich habe mich die ganze Nacht furchtbar gequält. Ich weiß genau, dass Isaiah mich dazu provozieren will, mich wie ein gestörter Höhlenmensch aufzuführen und mir Miller über die Schulter zu werfen und sie davonzuschleppen oder so einen Scheiß. Aber die ganze Nummer hat mich nur in dem bestärkt, was ich bereits weiß – ich kann es mir nicht leisten, der Typ zu sein, den sie sich wünscht.

Den ganzen Abend liegt ein ansteckendes Lächeln auf ihren rot geschminkten Lippen, und sie hat die Tanzfläche praktisch nicht verlassen. Sie ist lustig und hinreißend, und am liebsten würde ich ihrer Anziehungskraft nachgeben, aber morgen, wenn ich aufwache, wird mir wieder sehr nachdrücklich in Erinnerung gerufen werden, wer ich bin: ein alleinerziehender Vater, der keine Zeit dafür hat, einer Fünfundzwanzigjährigen hinterherzujagen.

Trotzdem gilt meine Aufmerksamkeit die ganze Zeit nur ihr. Ich habe jeden ihrer Schritte verfolgt wie ein verfluchter Stalker, und vielleicht bin ich ja genau das. Himmel, ich fühle mich wie ein echt widerwärtiges Ekel, aber ich kann einfach nicht anders.

Dass Isaiah mit ihr tanzt, ist kein Problem für mich, weil ich weiß, dass er mich nur ärgern will. Tatsächlich komme ich auch bei den anderen aus dem Team erstaunlich gut damit klar, wenn sie mit ihr tanzen, auch wenn ich mit unverwandter Aufmerksamkeit zusehe und darauf achte, dass niemand die Hände zu tief Richtung Millers Po sinken lässt. Travis hat es ein bisschen übertrieben, und ehrlich gesagt würde ich ihnen allen gern eine ordentliche Abreibung für das alles verpassen.

Aber stattdessen, beschließe ich, werde ich jetzt nach Hause gehen.

Während unser Right Field mit Miller auf der Tanzfläche herumwirbelt, gehe ich zu Isaiah. »Ich hau jetzt ab. Behalte sie für mich im Auge und sorg dafür, dass sie heil ins Hotel zurückkommt, okay?«

»Was?« Isaiah dreht sich um und starrt mich an. »Geh noch nicht, Mann.«

»Ich hab Bier getrunken, nur um mich davon abzuhalten, etwas zu sagen oder zu tun, was ich später bereuen würde. Also denke ich, ich hau jetzt besser mal ab.«

»Scheiße, Kai, wir haben doch nur Spaß gemacht. Wir wollten, dass du endlich aus dem Quark kommst und dir das Mädchen schnappst.«

Ich lege eine Hand an seine Wange und klopfe ihm auf die Schulter. »Ich liebe dich. Mach keine Dummheiten und sag nachher Bescheid, wenn du gut nach Hause gekommen bist.«

Ich verabschiede mich von den Teamkollegen am Tisch, indem wir die Fäuste gegeneinanderstoßen, und wende mich zum Gehen. Werfe noch einen kurzen Blick auf die Tanzfläche … und sehe, wie Dean Cartwright Miller an sich zieht.

Das kann doch verdammt noch mal nicht wahr sein.

Ein Muskel an meinem Kiefer zuckt, mein Blut wird kochend heiß. Ich spüre förmlich, wie es durch meine Adern rauscht und in die Fäuste strömt. Seit ich Vater bin, habe ich mich echt gut im Griff, aber in diesem Moment bin ich auf einmal sehr sicher, dass ich gleich einen öffentlichen Ausraster hinlegen werde.

Dean hat sein aufgeblasenes Arschlochgrinsen aufgesetzt. Ich kann weder Millers Miene noch seine Körpersprache deuten, aber sie reden viel, und das gefällt mir nicht.

»Malakai!« Mein Bruder meint es ernst, wenn er mich bei meinem vollen Namen nennt.

»Er sollte besser seine verdammten Hände von ihr lassen.«

Isaiah stellt sich vor mich. »Beruhig dich.«

Ohne den Blick von den beiden abzuwenden, gehe ich an ihm vorbei und steuere auf die Tanzfläche zu. »Ich will nur kurz mit ihm reden.«

»Kai, wenn du deine Hand verletzt, bringt Monty mich um.«

»Ich werde ihn nicht schlagen.«

Deans Hand auf ihrem Rücken sinkt gefährlich tief.

Okay, ich habe gelogen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass ich heute Abend ins Gefängnis gehe.

Er lässt die Hand weiter sinken. Jetzt ruht sie direkt über Millers Hintern, der in dieser engen Jeans unfassbar gut aussieht.

Meine Umgebung hat ein dumpfes, trübes Rot angenommen, aber irgendwie schaffe ich es, trotzdem lässig auf die beiden zuzuschlendern, obwohl glühender Zorn durch meinen Körper pulsiert.

»Lass deine verdammten Hände von ihr«, sage ich und stoße ihn kräftig vor die Brust, weg von ihr.

Er fängt sich und grinst mich herablassend an. »Kai Rhodes. Ich bin schockiert, dich heute Abend in freier Wildbahn zu sehen. Solltest du nicht lieber zu Hause bei deinem Sohn sein? Wir wollen doch nicht, dass er seinen Daddy vermisst, weil der nie da ist, oder?«

»Was zum Teufel hast du gerade gesagt?« Ich will auf ihn zustürmen, aber Miller packt mich fest am Hemd.

Dean ist eine Plage, schon seit unserer Kindheit. Und wir kennen uns gut genug, dass mir völlig klar ist, dass er auf meinen eigenen Vater anspielt.

»Oder lass mich raten … Du bist gerade auf der Suche nach einer neuen Mommy für deinen Sohnemann.«

Diesmal ist es Miller, die auf ihn losgehen will, und ich bin es, der sie zurückhält.

»Oh.« Dean sieht sie strahlend an. »Soll das etwa Maxchens neue Mommy werden? Komm schon, Ace, sie ist viel zu jung für so ein ödes Leben wie deins. Das musst du doch selbst wissen.«

»Kai.« Ich höre die warnende Stimme meines Bruders kaum, so laut dröhnt und rauscht es in meinen Ohren.

Wenn er nur über mich reden würde, wäre es halb so wild. Aber über Max? Dafür mache ich ihn fertig.

Ich trete auf ihn zu und klopfe ihm spöttisch mit den Fingerknöcheln gegen den Kiefer. »Brauchst du noch einen? Vielleicht links, passend zu den Zähnen, die ich dir auf der rechten Seite ausgeschlagen habe?«

»Kai«, mahnt mein Bruder erneut, aber ich höre ihn kaum.

»Wow, das war viel einfacher als erwartet.« Dean stößt ein arrogantes Lachen aus. »Weiß dein Trainer, dass du wegen seiner Tochter Schaum vor dem Maul hast?«

Ich schüttle den Kopf. »Fick dich. So ist es nicht. Sie ist nur das Kindermädchen meines Sohns.«

Ich verachte mich selbst für diese Worte, sobald sie meine Lippen verlassen haben.

Er lacht auf. »Gut gemacht. Und daran kannst du nicht mal mir die Schuld geben.«

Als ich mich umdrehe, erwarte und fürchte ich, Miller direkt hinter mir zu sehen, aber sie ist weg. Und ich weiß mit jeder Faser meines Seins, dass sie mich gehört hat.

Am anderen Ende des Raums sehe ich dunkles brünettes Haar und tätowierte Schultern aufblitzen … Miller eilt zu der Treppe, die nach unten zu den Toiletten führt. »Du bist ein Stück Scheiße«, teile ich dem ekelhaft selbstzufriedenen Dean mit, dann laufe ich ihr hinterher.

Sie ist schnell, aber ich bin schneller.

»Miller!«, rufe ich so laut, dass sie mich garantiert hört, aber sie wird nicht langsamer. »Wo zum Teufel willst du hin?«

»Ich kann auf mich selbst aufpassen«, schreit sie mich über die Schulter hinweg an. »Ich hatte alles im Griff, bevor du aufgetaucht bist und eine Szene gemacht hast.«

Soll das ein Witz sein?

»Er hat dich festgehalten!«, sage ich, packe sie am Ellbogen und zwinge sie dazu, stehen zu bleiben.

»Ich kann auf mich selbst aufpassen!« Wütend starrt sie mich an. »Wie oft muss ich dir das eigentlich noch sagen? Scheiße, erst ignorierst du mich die ganze Nacht, und dann das? Du verpasst mir noch ein Schleudertrauma.«

»Ich habe dich die ganze Nacht ignoriert?«

Verdammt, so muss es ihr tatsächlich vorkommen, oder? Sie weiß ja nicht, dass ich sie nicht mal dann ignorieren könnte, wenn ich es wollte.

Sie reißt sich los und stürmt die Treppe runter, aber ich hole sie mit wenigen langen Schritten ein und verstelle ihr den Weg. Ich stehe zwei Stufen tiefer als sie, sodass wir auf Augenhöhe sind.

Gereizt verschränkt sie die Arme vor der Brust. »Willst du mir jetzt etwa in die Damentoilette folgen, oder was? Ich weiß gar nicht, warum du dich eigentlich so aufregst. Ich bin doch nur das Kindermädchen.«

Verdammte Scheiße.

Sanfter als zuvor sage ich: »Ich wollte nicht, dass es so rüberkommt. Ich habe es nicht so gemeint.«

»Schon in Ordnung. Ich hab ja selbst gesagt, dass ich gern mal den früheren Kai sehen würde.« Sie versucht, an mir vorbeizukommen, aber ich lasse sie nicht durch.

»Das war nicht der frühere Kai. Es war nur … Verdammt, es hat mich fertiggemacht, dass er dich anfasst. Mein altes Ich … Ich war immer dafür bekannt, dass ich mich um die Leute kümmere, die mir wichtig sind, ganz egal, was dafür nötig ist.«

Die Leute, die mir wichtig sind. Sie.

Ich sehe in ihrem Gesicht, wie sie die Puzzleteile zusammensetzt.

»Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert. Ich war lange Zeit auf mich allein gestellt, und ab September werde ich es wieder sein. Ich kann auf mich aufpassen.«

»Hör auf, das zu sagen.«

»Was zu sagen?«, fragt sie. »Dass ich auf mich selbst aufpassen kann oder dass ich bald abreise?«

Verärgert fahre ich mir mit der Hand durchs Haar, meine Brust vibriert vor Zorn. »Gott, du bringst mich um meinen gottverdammten Verstand, Miller. Er hat dich angefasst!«

»Weißt du, wer mich heute Abend noch alles angefasst hat? Travis. Cody. Dein Bruder. Und da hast du nichts getan.«

Mein Kiefer mahlt. »Das ist was anderes. Das sind gute Jungs. Wenn du wolltest …« Ich schüttle den Kopf, unfähig, es auszusprechen. »Dean Cartwright ist Abschaum. Ich kenne ihn, seit wir Kinder waren. Damit wäre ich nicht einverstanden.«

»Glaubst du etwa, ich brauche deine Erlaubnis?« Sie lacht auf, aber es klingt kein bisschen belustigt. »Du bist nicht mein Vater. Ich kann tun, was ich will, mit wem ich will, und ich bin dir keinerlei Rechenschaft schuldig.«

Leute drängen sich an uns vorbei und werfen uns zwei Streithähnen auf der Treppe misstrauische Blicke zu.

Ich kneife die Augen zusammen. »Du willst ihn also?«

Sie wirft die Hände in die Luft. »O mein Gott, du bist unmöglich! Geh weg. Um mich musst du dich nicht kümmern, ich bin nicht dein Problem.«

Sie dreht sich um und will wieder nach oben gehen, aber ich halte sie auf und drücke sie gegen die Wand. Jetzt stehen wir auf derselben Stufe, und ich überrage sie um ein gutes Stück. »Doch, verdammt.«

Sie starrt mich unbeeindruckt an. »Kai, ich bin nicht dein Problem.«

Meine Aufmerksamkeit wandert zu ihren Lippen. »Sei mein Problem.«

Sie schluckt und legt den Kopf schief, um mich forschend zu mustern. »Dann tu etwas, um mich zu deinem Problem zu machen.«

Gottverdammt. Ich bin so fürchterlich in diese Frau verliebt, dass ich genau das tue.

Ich mache sie zu meinem Problem.

Ich küsse sie, und an diesem Kuss ist nichts sanft oder süß, ebenso wenig wie an Miller. Sie macht mich wütend, fordert mich heraus.

Und sie erwidert meinen Kuss, als wolle sie mich ebenso sehr wie ich sie.

Ich umschließe ihr Gesicht mit beiden Händen und spüre, wie sie einen Seufzer ausstößt, als wäre dieser Kuss eine unendliche Erleichterung. Ihre Lippen sind so weich, wie ich es mir vorgestellt habe, und ihre Zunge, ihre verdammte Zunge …

Es ist fast zu viel. Zu gottverdammt perfekt.

Ich stoße die Zunge in ihren Mund, beuge mich vor und versuche, ihr einen noch tieferen Kuss zu rauben.

Millers Hände liegen auf meinen Schultern, ich spüre ihre Nägel auf meiner Haut, und dann zieht sie an meinem Haar, als könnte sie nicht genug von mir bekommen. »Fuck, Kai«, flüstert sie, und ihre Hände gleiten genüsslich über meinen Körper. »Mehr.«

Ich kann selbst nicht sagen, wann ich mich das letzte Mal so gefühlt habe. Gewollt. Begehrt.

Umsorgt.

Irgendwelche Leute gehen auf der dunklen Treppe an uns vorbei, aber das ist mir völlig egal. Ich presse Miller mit den Hüften gegen die Wand, und Miller schlingt ein Bein um meinen Oberschenkel, um mir noch näher zu sein.

Verdammt, unsere Körper passen perfekt zueinander.

Ich stoße mit dem Becken vor, mein schmerzhaft harter Schwanz sucht nach Reibung.

Sie ist so hübsch. So erschütternd willig.

Ich dachte, es würde ein gewaltiges Gerangel um die Führung geben, aber Miller ist nachgiebig .

Ich packe ihren Hintern, schlinge auch ihr anderes Bein um meine Hüfte. Sie lässt den Kopf nach hinten fallen, entblößt ihren schlanken Hals, und ich lecke über ihre Kehle und grabe die Zähne in ihre weiche Haut.

»O Gott, ja«, stöhnt sie.

Ich sauge an ihrem Schlüsselbein und fahre mit der Zunge über die tätowierten Linien. »Wie passend, Miller.« Ich küsse ihren Kiefer, finde ihr Ohr und beiße hinein. »Du schmeckst so süß wie ein gottverdammtes Dessert.«

Sie stößt mir die Hüften entgegen, reibt ihre Pussy an mir, und ich werde noch härter, als ich mich frage, ob ihre Pussy wohl genauso süß schmeckt.

Als ich sie wieder auf den Mund küsse, stöhnt sie auf, süße kleine Laute direkt in meinen Kuss hinein, und das Stöhnen wird tiefer, als ich mit der Zunge wieder in sie vordringe.

Ich weiß, das klingt besitzergreifend und gierig, aber im Augenblick bin ich auch genau das.

Ich will sie. Sie will bald wieder weg, auch wenn ich wünschte, sie würde bleiben, aber trotzdem will ich sie so sehr. Und wenn sie mich auch will, dann werde ich egoistisch sein und mir nehmen, was ich will.

Sie hört auf, sich zu bewegen, und als könnte sie meine Gedanken lesen, flüstert sie dicht an meinen Lippen: »Kai.« Ein sanfter Kuss, dann sieht sie mich an. »Ich werde bald gehen.«

Forschend blicke ich ihr in die Augen und sehe darin die sanfte Mahnung, mich nicht zu sehr an sie zu binden. Sie bietet mir noch einen letzten Ausweg, wenn ich nicht damit fertigwerde. Mit ihr. Mit dem hier. Damit, wenn es für mich mehr ist.

Es wirkt wie ein Eimer kaltes Wasser.

Die ganze Zeit mache ich mir Sorgen, dass mein Sohn zu sehr an ihr hängen könnte, und jetzt stehe ich hier und gerate wegen eines verdammten Kusses derart ins Grübeln.

Ich stoße die Luft aus, lege meine Stirn an ihre und schließe kurz und voller Bedauern die Augen. Setze sie ab, während sie mein Gesicht mustert, um herauszufinden, wie ich auf ihre Worte reagiere.

»Ich muss zurück ins Hotel und nach Max sehen.«

Ein niedergeschlagener Seufzer entweicht ihr, aber sie nickt und folgt mir aus der Bar hinaus auf die Straße.