Kai
Miller blickt aus dem Beifahrerfenster und betrachtet die Wolkenkratzer der Stadt, als wir die Innenstadt verlassen, um nach Hause zu fahren.
Ich frage nicht, was los ist, denn wir wissen es beide. In nicht mal zehn Stunden wird sie abreisen; der Countdown für unsere gemeinsame Zeit läuft morgen ab.
Ich mustere sie von der Seite, greife über die Mittelkonsole und lege die Hand auf ihren Oberschenkel. Millers Atem lässt das Glas beschlagen. Sie legt ihre Hand auf meine, hält sie fest. Lächelt mich an, aber das Lächeln erreicht nicht ihre Augen.
Zu Hause angekommen, nimmt sie Max aus seinem Autositz und drückt ihn an ihre Brust, während wir ins Haus gehen. Sie will ihn gar nicht mehr loslassen, und ich verstehe sie nur zu gut. Mir geht es immer genauso, wenn ich zu einem Spiel muss, aber im Gegensatz zu mir wird sie nicht wieder zurückkommen.
Als sie sich auf den Weg zu seinem Zimmer macht, lege ich eine Hand um ihre Taille und halte sie auf. »Warte.« Mit dem Kinn deute ich Richtung Küche. »Ich hab noch was für dich, bevor wir ihn ins Bett bringen.«
Sie runzelt die Stirn, folgt mir aber zur Küche. Mit meinem Sohn auf der Hüfte sieht sie aus, als wäre sie meinen kühnsten Träumen entstiegen.
Zur Freude meines Egos klatscht Max begeistert, als ich meinen selbst gebackenen Kuchen vor der berühmten Patissière auf den Tresen stelle.
»Du hast mir einen Kuchen gebacken?«, fragt sie.
Ich blicke auf und sehe, wie sie ihn anstarrt, die Unterlippe zwischen die Zähne geklemmt.
»Du hast Geburtstag, Mills. Jeder verdient einen Geburtstagskuchen.«
Sie lächelt das traurigste Lächeln, das ich je gesehen habe. »Ich habe keinen Kuchen mehr gebacken bekommen, seit mein Vater es damals versucht hat, als ich noch ein kleines Mädchen war. Er war nicht sehr gut.«
»Tja, erwarte nicht zu viel. Ich habe den Verdacht, Monty und ich sind in der Küche ähnlich unbegabt.«
Sie lacht, aber es klingt ein wenig erstickt. Der Tag heute ist sehr schwer für sie. Und ja, in gewisser Weise wollte ich ja auch, dass ihr der Abschied schwerfällt. Ich wollte, dass sie sich mit uns so verbunden fühlt, dass es ihr wirklich wehtut, uns zu verlassen. Aber verdammt noch mal, ich liebe dieses Mädchen, und ich will auf keinen Fall, dass sie traurig ist, besonders an ihrem Geburtstag.
»Es ist eine Backmischung, da sind wir also auf der sicheren Seite. Aber ich musste mein eigenes Frosting machen. Das könnte schiefgegangen sein.« Schüchtern kratze ich mich im Nacken.
Sie wischt mit dem kleinen Finger etwas Frosting vom Rand und bietet es Max an. Er leckt es ab und verzieht das Gesicht, als wäre es Folter und kein Dessert.
»O nein«, murmle ich. »Das ist kein gutes Zeichen.«
Miller probiert selbst ebenfalls, nickt nachdenklich und stellt fest: »Das schmeckt furchtbar.«
Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen.
Sie sieht mich mit ihren grünen Augen an, ihr Blick wird weich. »Danke, Kai. Das ist …« Sie verstummt und nickt mir nur wortlos zu.
»Der beste Kuchen, den du je gegessen hast?«
Ihr Lächeln bricht durch. »So ähnlich.«
Ich lehne mich über die Kücheninsel, die uns trennt, und küsse sie. »Eine Sache noch.«
»Noch eine Sache?« Sie hebt Max etwas höher und kuschelt sich an ihn. »Noch eine Sache, kleiner Käfer?«
Er kichert, und ich schiebe eine kleine Geschenktüte über den Tresen. Sie starrt mich an. »Du musst mir doch nichts schenken.«
»Es ist ganz klein. Praktisch nichts, wirklich.«
Max greift in die Tüte und zupft an dem dunkelgelben Tuch, das den Inhalt der Tüte verbirgt.
»Gut gemacht, danke für deine Hilfe«, lobt ihn Miller und schiebt die Hand hinein, um mein Geschenk herauszuziehen.
Ich beobachte sie, während sie das gerahmte Foto betrachtet. Sie verzieht das Gesicht, presst die Lippen zusammen, und ihre Augen bekommen einen verdächtigen Glanz. Sie starrt es eine ganze Weile an, und als sie blinzelt, kullert die erste Träne.
»Mills …«
Sie schüttelt den Kopf, ohne den Blick vom Bild abzuwenden. Es ist ein Foto, das Isaiah vor ein paar Wochen geschossen hat. Wir drei auf der Couch im Wohnzimmer. Max macht ein Nickerchen auf ihr, und sie hat den Kopf auf meinen Oberschenkel gelegt. Ihr schokoladenbraunes Haar fällt über meine Beine, und ich habe eine Hand auf ihren Kopf gelegt und blicke auf sie hinunter, als wäre sie das Wunderbarste, was ich je gesehen habe.
»Mmmm aua«, sagt Max und zeigt auf eine Träne, die ihr über die Wange läuft.
Sie wischt sie weg. »Nein, Baby. Mir tut nichts weh. Ich bin glücklich. Ich weine nur, weil ich dich so sehr liebe.«
Scheiße . Jetzt fange ich auch an zu heulen.
Wie zum Teufel kann es sein, dass das alles morgen schon vorbei sein wird?
Ich räuspere mich. »Ich habe das gleiche Foto für Max’ Zimmer rahmen lassen.«
Und für meins.
»Und es ist auch noch eine Karte in der Tüte.«
Miller wirft mir einen so finsteren Blick zu, als wolle sie sagen, dass es ja wohl reicht, sie heute einmal zum Weinen zu bringen. Sie setzt Max auf den Tresen und kramt die Geburtstagskarte heraus.
Sie ist ganz schlicht, nichts Auffälliges oder Außergewöhnliches, aber auf der Innenseite hat sich Max mit grünen und orangefarbenen Buntstiften ausgetobt, und ganz unten habe ich für ihn und mich unterschrieben:
Alles Gute zum Geburtstag, Miller.
Ich liebe dich.
In Liebe, Max
Ihr Lachen ist fast nur ein Ausatmen. »Hast du das für mich gemacht?«, fragt sie meinen Sohn. »Danke, Käferchen. Das ist wunderschön. Ich werde es behalten und immer anschauen, wenn ich dich vermisse, und das wird die ganze Zeit der Fall sein.« Sie streicht ihm übers Haar und wendet ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Karte zu.
»Danke«, sagt sie zu mir.
»Alles Gute zum Geburtstag, Mills. Ich hoffe, es ist dein bisher schönster.«
Sie sieht mich an. »Ist er. Und zwar euretwegen.«
Normalerweise bringen wir Max nicht gemeinsam ins Bett. Wenn ich rechtzeitig zu Hause bin, lege ich ihn schlafen, und wenn ich noch auf dem Feld bin, übernimmt das Miller. Aber heute ist ihr letzter Abend bei uns, und wir gehen alle gemeinsam rüber.
Ich wechsle seine Windel, ziehe ihm einen Schlafanzug an und putze kurz seine Zähnchen, und dann übergebe ich ihn an Miller, damit sie ihn in den Schlaf wiegen kann. Sie wird morgen nur etwa eine Stunde Zeit mit ihm haben, bevor sie aufbricht, also gebe ich ihr heute Abend so viel Max-Zeit, wie sie möchte.
Sie setzt sich mit ihm in den Schaukelstuhl, während ich an der Tür stehe und versuche, mir das Bild tief einzuprägen.
Max ist schon so schläfrig, dass sie ihm nicht mehr vorliest. Sie drückt ihn einfach an die Brust und schaukelt auf dem Stuhl vor und zurück. Ihr Gesicht ist gequält, ihr Kinn bebt ein wenig.
»Miller«, flüstere ich, aber sie schüttelt den Kopf, als wolle sie sich ganz der Traurigkeit hingeben.
Langsam hebt Max den Kopf und sieht sie an, und sie findet die Kraft, ihm ein Lächeln zu schenken. Mit seinem winzigen Zeigefinger tippt er vorsichtig an ihren Septumring.
»Ich liebe dich, Max.« Ihre Stimme ist kaum hörbar.
»Mmmm«, summt er und berührt ihr Gesicht so sanft, wie er kann.
»Du hast es fast geschafft. Eines Tages werde ich hören, wie du meinen Namen sagst. Du musst dafür sorgen, dass dein Daddy es für mich aufnimmt.«
Er sieht sie direkt an mit seinen eisblauen Augen, und dann sagt er vollkommen unmissverständlich: »Mmmm … Mama.«
Miller wird totenbleich. »Was hast du gesagt?«
»Mama.« Max grinst stolz, weil er einen Namen hervorgebracht hat, den er schon seit Wochen übt. »Mama! Mama!«
Millers Kopf schnellt in meine Richtung. Sie steht offenbar kurz vor einem Nervenzusammenbruch, während sie meinen Sohn im Arm hält, der sie ansieht, als wäre jedes fehlende Puzzleteil in seinem Leben gerade wieder an Ort und Stelle gerückt worden.
Er schmiegt sich wieder an ihre Brust und wiederholt leise das Wort immer wieder, während Miller ihn wiegt und sich die Augen aus dem Kopf weint.
Und ich beobachte von der Tür aus, wie ihr das Herz bricht, während mein eigenes ebenfalls in Stücke bricht, um meinetwillen und wegen meines kleinen Sohns.