SIEBZEHN
»Worauf trinken wir?«, fragte Erck.
Sie saßen seit zehn Minuten in der Norddorfer Strandhalle und hatten soeben den Weißwein serviert bekommen. Lena hob ihr Glas. »Hatten wir schon auf unser neues Heim angestoßen?«
Erck zuckte mit den Schultern. »Und wenn, ich habe kein Problem damit, ein zweites und auch drittes Mal darauf anzustoßen.«
Lena lächelte sanft. »Ich auch nicht. Auf unser neues Haus, auf Husum und auf die Liebe meines Lebens.«
Erck bekam feuchte Augen. »Das Letzte gebe ich an dich zurück. Und ich freue mich wahnsinnig auf unser erstes gemeinsames Nest.«
Für eine gefühlte Ewigkeit versanken ihre Blicke ineinander, bis Erck vorsichtig sein Glas an Lenas stieß. Sie tranken beide einen kleinen Schluck, ohne einander aus den Augen zu lassen. Erst als sie Jookes Stimme hörten, der sie fragte, was er ihnen bringen könne, schreckten sie auf.
»Ich wollte das junge Glück nicht stören«, kommentierte Jooke die Situation schmunzelnd. »Aber ihr habt doch sicher Hunger.«
Jooke war mit Lena und Erck auf Amrum zur Schule gegangen und hatte vor einigen Jahren die Strandhalle von seinen Eltern übernommen.
Lena warf ihm einen gespielt bösen Blick zu. »Wenn wir dich nicht schon so lange kennen würden, wärst du jetzt tot.«
Jooke wich theatralisch zurück. »Mir war es schon zu unserer Schulzeit nicht ganz geheuer, als du immerzu von der Polizei gesprochen hast.«
Lena lachte. »Spinner! Ich habe zu der Zeit noch nicht im Traum daran gedacht, Polizistin zu werden. Und jetzt erzähl uns lieber, was du uns von der Karte empfehlen kannst.«
Nur noch wenige Gäste hielten sich in der Strandhalle auf. Nach dem Essen hatte sich Jooke mit einem Glas Rotwein zu ihnen gesetzt und von seinen beiden Kindern erzählt. Zwei Mädchen, sechs und acht Jahre alt, die er mit stolzer Miene als Amrumer Wildkatzen bezeichnete. Eine halbe Stunde später verabschiedete er sich, nachdem Lena ihn zur Einweihungsparty in Husum eingeladen hatte.
»Was machen wir morgen?«, fragte Erck, als der Espresso serviert worden war. »Ich habe mir den Tag freigeschaufelt.«
Lena lächelte verführerisch. »Lange schlafen, spät aufstehen, noch länger frühstücken, einen verdammt langen Spaziergang machen und später noch ein Mittagsschläfchen.«
Erck trank seinen Espresso. »Klingt nach einem guten Plan. So sollte man eigentlich jeden Dienstag verbringen.«
Lena stand auf und rückte ihren Stuhl neben den von Erck. »Das wollte ich schon den ganzen Abend machen.« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Warum brauchen wir Menschen nur manchmal so lange, um uns zu entscheiden – oder das zu tun, was wir eigentlich immer wollten?«
Erck küsste sie zärtlich auf den Mund. »Wichtig ist doch, dass wir die Träume letztendlich leben und nicht irgendwann im Alter unser Leben verfluchen.«
Lena schmiegte sich an ihn. Sie musste an ihren Tag denken und daran, dass die Arbeit sie auch auf Amrum verfolgte. Sie hörte die beißende Stimme von Jens Groll, sah den wuchtigen Mann vor sich. Die Ermittlungen würden Wochen, wenn nicht Monate dauern. Während dieser Zeit würde ihr Groll beim LKA immer wieder über den Weg laufen. Allein seine Stimme am Telefon hatte die damaligen Ereignisse wieder in ihr hochkochen lassen. Heute war ihr klar, dass ihr Rückzug ein schwerer Fehler gewesen war. Wie würde sie reagieren, wenn Groll ihr persönlich gegenüberstand?
»Ich hatte heute ein sehr unangenehmes Gespräch mit Groll.«
»Ist das dieser SoKo-Chef von damals?«
Lena nickte. »Er hat mir gedroht.«
»Womit?«, fragte Erck entsetzt.
»Wenn ich ihm in die Quere komme, will er mich beruflich fertigmachen. Keine Ahnung, ob er die nötigen Kontakte hat, um mir ernsthaft zu schaden, aber …«
Erck sah sie fragend an. »Aber?«
»Nichts aber. Kein Thema für heute Abend. Hatte ich dir gesagt, dass ich Beke zu uns eingeladen habe? Ich meine, nach Husum. Wir haben ja ein Gästezimmer und für Beke ist die Fahrt hin und her an einem Tag sehr anstrengend.«
»Klar, gute Idee. Meine Eltern haben sich auch schon angemeldet.«
Lena lachte. »Bald brauchen wir einen Belegungskalender. Vielleicht sollten wir doch erst mal einziehen.«
»Ich habe unsere Vermieterin heute erreicht. Den Vertrag hat sie bekommen, in ein paar Tagen kann ich ins Haus. Wann suchen wir eine Küche aus?«
»Morgen! Ich habe eine fantastische Seite im Internet gefunden. Mit Hunderten von Angeboten und einem Tool, um die Küche gleich maßstabsgetreu zu planen. Und das Beste ist, in Flensburg haben die eine Filiale mit Musterküchen und allem Drum und Dran.«
Als Erck sie erstaunt ansah, fuhr sie fort: »Was denn? Dachtest du, mir ist das egal? Die Seite ist wirklich gut. Ich habe sie mir heute ausgiebig angeschaut.«
»Klingt, als wäre sie für uns gemacht.« Er hob seinen Daumen. »Perfekt! Dann kann ich ja meinem Küchen-Freund absagen.«
Lena reckte sich im Bett. Draußen dämmerte es. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Kurz nach halb sechs. Vorsichtig richtete sie sich im Bett auf, um Erck nicht zu wecken. Im Traum war ihr Jens Groll begegnet. Nach einem kurzen Wortgefecht hatte er sie körperlich angegriffen, Lena hatte sich gewehrt und ihn niedergeschlagen. Gleich darauf waren andere Mitglieder der SoKo erschienen, hatten ihr die Waffe abgenommen und sie in Handschellen abgeführt.
Lena schüttelte sich. Wie kam ihr Gehirn nur auf so verrückte Einfälle? Lag ihr das damalige Geschehen immer noch so auf der Seele? Dabei war es überhaupt nicht bis zum Äußersten gekommen. Das Schleswiger SoKo-Team hatte sich nach einem arbeitsreichen Wochenende in der Stammkneipe getroffen, auf eine Runde folgte die nächste, bis sich gegen Mitternacht die Gruppe langsam auflöste. Als Lena nach einem Toilettenbesuch zum Tisch zurückkam, saß nur noch Groll dort. Sie trank noch ihr Bier aus und wollte sich gerade verabschieden, als er aufstand und sich ihr anschloss. Lenas Wohnung lag nur zehn Gehminuten von der Kneipe entfernt, Groll erbot sich, sie zu begleiten, da in der gleichen Richtung ein Taxistand lag. Als er hier keinen Wagen fand, griff er nach dem Handy und stellte fest, dass sein Akku leer war. Lena hatte ihr Handy vergessen und schlug vor, das Taxi von ihrem Festnetzanschluss in der Wohnung zu rufen. Dort angekommen, bat er um ein Glas Wasser. Zurück im Flur, verkündete ihr Chef, dass das Taxi eine halbe Stunde brauchen würde. Sie gingen zusammen in die Küche, um dort zu warten.
Wenn sie sich die nächsten zehn Minuten ins Gedächtnis rufen wollte, verschwammen die Einzelheiten vor ihren Augen. Sie war sich sicher, dass Groll sich nicht auf den angebotenen Stuhl gesetzt hatte, auch sie war in der engen Küche stehen geblieben. In der nächsten Szene, an die sie sich erinnerte, stand Groll direkt vor ihr, seine Hände berührten ihre Schultern und wanderten langsam weiter nach unten. Sie stieß ihn weg, was ihn anscheinend noch mehr anstachelte. Seiner wuchtigen Gestalt hatte sie wenig entgegenzusetzen und sie wurde von ihm immer weiter in die Enge getrieben. Lena war wie gelähmt vor Entsetzen, und erst als sie seine Hand zwischen ihren Beinen spürte, schien sie mit einem Ruck aus der Erstarrung aufzuwachen. Ihr Knie schnellte vor, er schrie auf und schreckte zurück. Lena zwängte sich an dem mächtigen Körper ihres Chefs vorbei und flüchtete in den Flur. Als er dort auftauchte, stand sie mit gezogener Waffe in der Hand vor ihm. Nach kurzem Zögern verließ er hämisch grinsend ihre Wohnung.
Lena meldete sich am nächsten Tag krank, vermied den Kontakt mit Groll für den Rest der Woche und vertraute sich erst dann einem älteren Kollegen an. Dieser riet ihr, die Sache zu vergessen und sich von Groll fernzuhalten. Sie reichte Urlaub ein, Groll zitierte sie zu sich ins Büro. Wie sich schnell herausstellte, hatte Lenas Kollege sie an ihn verraten. Groll machte ihr in drastischen Worten deutlich, dass sie keine Chance hatte, ihre Version des Vorfalls zu beweisen. Er präsentierte ihr drei unterschriebene Aussagen von Kollegen, die bestätigten, dass Lena sich am Abend in der Kneipe aufdringlich an ihn herangemacht habe. Er drohte ihr mit einer Anzeige wegen des Waffeneinsatzes und mit dem Ende ihrer Karriere. Am Schluss des einseitigen Gesprächs reichte er ihr den unterschriebenen Urlaubsantrag zurück und wünschte ihr erholsame Tage.
Nach dem Urlaub hatte Lena ihr Ausscheiden aus der SoKo beantragt, ein halbes Jahr später verließ sie Schleswig Richtung Kiel. In den Folgejahren achtete sie darauf, Groll nicht über den Weg zu laufen. Den Rat einer Freundin, sich Hilfe bei einem Psychologen zu holen, ignorierte sie.
Erck öffnete die Augen und lächelte. »Schon lange wach? Hattest du nicht einen anderen Plan? Oder habe ich mich gestern verhört?«
Als Erck die Arme ausbreitete, glitt sie ins Bett zurück und kuschelte sich an ihn. »Stimmt! Wie konnte ich das vergessen?« Sie küsste ihn. »Bist du noch müde oder …«
» Oder wäre vielleicht durchaus eine gute Wahl.«
Lena richtete sich auf und zog T-Shirt und Slip aus. »Das trifft sich gut. Ich bin auch nicht müde.«
Die Stunden des Dienstags zogen dahin, ohne dass Lena an die abgebrochenen Ermittlungen dachte oder etwas von Johann oder Ole Kotten hörte. Auch Jens Groll schien anderes zu tun zu haben, als Lena weitere Vorwürfe zu machen oder ihr zu drohen. Am Abend kochte Erck eine Fischsuppe, die jedem Gourmetrestaurant zur Ehre gereicht hätte. Das selbst gebackene Brot war dabei die Krönung des Abendessens. Anschließend gingen sie in die Spätvorstellung des Norddorfer Kinos, das einen französischen Liebesfilm zeigte.
Nach einem ausführlichen Frühstück machte sich Erck zu einem Termin in Flensburg auf. Er plante, am späten Nachmittag wieder auf Amrum zu sein. Lena räumte die Küche auf, kaufte ein paar Dinge im nahen Supermarkt ein und saß schließlich mit einer zweiten Tasse Kaffee am Küchentisch, um die Liste der Jachten durchzugehen, die Ole Kotten ihr geschickt hatte.
Die zweiundvierzig Segel- und Motorboote waren entweder an dem Wochenende vor Rieckerts Tod dort vor Anker gegangen oder lagen dort dauerhaft. Neben den Namen der Boote standen die Registrierungsnummern sowie zum Teil die Namen der Eigner. Als sie nichts Verdächtiges fand, griff sie kurz entschlossen nach dem Autoschlüssel und verließ die Wohnung.
Eine Viertelstunde später parkte sie auf dem Platz am Seglerhafen und suchte nach dem Büro des Hafenmeisters. Sechs kleinere Holzhäuser, deren Fronten in verschiedenen Schattierungen von Gelb, Rot und Blau angestrichen waren, beherbergten neben dem Restaurant Seefohrerhus auch das Büro des Hafenmeisters. Lena klopfte an die Tür und trat ein. An einem kleinen Schreibtisch saß ein Mann in ihrem Alter, mit blonden struppigen Haaren, breiten Schultern und wettergegerbtem Gesicht. Als er aufsah, warf Lena ihm einen irritierten Blick zu. »Tamme?«
Der Mann grinste. »Jo, so ist es, Lena. Du hast dich ja gar nicht verändert.« Er stand auf und reichte ihr die Hand. »Hab schon gehört, dass du jetzt eine bekannte Kommissarin bist. Wieder auf Verbrecherjagd? Wusste gar nicht, dass auf Amrum was passiert ist.«
Tamme Ohlsen war mit Lena zur Grundschule gegangen. Sie waren sich auch später immer mal wieder über den Weg gelaufen, auch wenn er nicht zu ihrem unmittelbaren Freundeskreis gehört hatte.
»Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist. Kommissarin ist aber schon richtig.« Sie zog ihren Ausweis aus der Tasche und reichte ihm das Dokument.
»LKA! Das klingt ja megawichtig«, kommentierte er mit einem schelmischen Gesichtsausdruck den Ausweis. »Dann bist du ja sicher nicht hier, um mit mir eine Tasse Tee zu trinken.«
»Warum nicht«, antwortete Lena und lud ihren alten Schulkameraden ins Café nebenan ein. Nachdem ihnen der Tee serviert worden war, legte Lena Tamme die Liste vor. »Mein Kollege aus Husum, Ole Kotten, hat die Liste von dir bekommen. Uns interessiert die Esprit
»Jo, die gehört den drei Typen von Hooge. Thomsen, Brunken und …« Der dritte Name schien ihm entfallen zu sein.
»Eike Knudsen«, half Lena aus.
»Mag sein. Mit dem habe ich noch nie gesprochen.« Er warf ihr einen gespielt ängstlichen Blick zu. »Sind das etwa Verbrecher?«
»Tamme, das ist kein Spaß. Und nein, die drei sind Zeugen und ich muss ihre Angaben überprüfen.«
»Schade! Da denkt man doch, hier ist endlich mal was los, mit Polizei und allem Drum und Dran, und dann …« Er seufzte. »Was willst du denn wissen?«
»Dass die Jacht an diesen beiden Tagen hier gelegen hat, konnte ich den Unterlagen entnehmen. Sind die drei häufiger mit dem Boot hier auf Amrum?«
»Jo, seit einiger Zeit kommen die zwei- oder dreimal im Jahr. Manchmal nur für ein paar Stunden, aber auch schon mal für ein oder zwei Tage. Warum?«
»Das darf ich dir nicht sagen, Tamme. Sind sie denn immer zu dritt?«
»Ich sagte ja schon: Diesen einen, den Knudsen, kenne ich nicht so gut. Der ist seltener hier gewesen. Aber Thomsen war, glaube ich, fast jedes Mal dabei.«
»Was machen die so?«
Tamme Ohlsen goss sich Tee nach und ließ langsam die Sahne in die braune Flüssigkeit laufen. »Die Zeit muss sein«, kommentierte er das Teeritual und trank einen kleinen Schluck aus der Tasse. »Was die so machen? Na ja, segeln halt und feiern. Die sind wohl selten hier im Jachtklub geblieben, wie ich gehört habe. Ins Taxi und dann nach Wittdün in die Blaue Maus oder nach Nebel ins 54° Nord. Aber das weiß ich natürlich nur vom Hörensagen.«
»Und hier im Hafen? Haben sie da Kontakt zu anderen Seglern?«
»Das kommt ja automatisch, Lena. Die fühlen sich doch alle ihrer, wie nennt man das heute, Community verbunden. Da spielt es dann keine große Rolle, ob man stinkreich ist oder nur Bauer auf Hooge.«
»Gab es da besondere Kontakte?«
»Nee, ich habe nichts beobachtet. Aber man sitzt schon mal zusammen und hält einen Schnack. Am Steg oder hier im Klub. Manche laden sich auch gegenseitig auf die Boote ein. Jo, so ist das.«
»Hast du schon mal den Namen Klaas Rieckert gehört?«
Tamme Ohlsen kratzte sich am Kopf. »Ist das nicht der Typ von Hooge, der im Watt ertrunken ist? Bist du deshalb hier?« Als er Lenas Blick bemerkte, hob er schützend die Hände. »Schon klar, du darfst mir nichts sagen.« Er fuhr sich noch einmal mit der Hand über den Kopf. »Hatte dieser Rieckert denn auch ein Boot?«
»Nein, er selbst auf jeden Fall nicht.« Lena rief auf ihrem Smartphone das Foto von Klaas Rieckert auf und reichte es Tamme Ohlsen. »Erkennst du ihn vielleicht hier drauf?«
Tamme Ohlsen ließ sich Zeit. »Wenn er vor mir stehen würde, könnte ich dir das genau sagen. Aber so … Irgendwie kommt mir der Typ bekannt vor. Der hat ja auch ein Allerweltsgesicht. Aber ich kann ihn auch genauso gut mit jemandem verwechseln.« Er gab Lena das Handy zurück. »Also beschwören würde ich es nicht, aber, wie gesagt, irgendwie kommt mir der Mann bekannt vor. Rieckert, hast du gesagt? Und wie war noch der Vorname?«
»Klaas.«
»Klaas. Mag sein, dass ich ihn tatsächlich mal gehört habe.« Er sah Lena entschuldigend an. »Damit kannst du jetzt nicht so viel anfangen, oder?«
»Denk noch mal ein paar Tage drüber nach. Vielleicht fällt dir ja noch ein, wo du den Mann gesehen hast. Wenn du mir deine Handynummer gibst, schicke ich dir das Foto.«
Tamme Ohlsen zog einen Kugelschreiber aus seinem Arbeitsanzug und schrieb eine Nummer auf seine Serviette. Grinsend reichte er sie Lena. »Ist schon lange her, dass mich eine hübsche Frau nach meiner Handynummer gefragt hat.«
Lena unterdrückte ein Schmunzeln und fragte: »Noch mal zu Jan Thomsen und den beiden anderen. Hatten die auch manchmal weitere Leute an Bord?«
Tamme Ohlsen sah sie mit zusammengekniffenen Augenbrauen an. »Du willst jetzt aber nicht von mir hören, dass Thomsen diesen Rieckert auf seinem Boot hatte, den er dann später auf See über Bord geworfen hat? Nee, die beiden bringe ich überhaupt nicht zusammen.«
»Aber sie hatten schon mal andere Leute dabei?«
»Ich kontrolliere doch nicht, wer alles an Bord ist! Wir schreiben hier sowieso schon eine Menge mehr Zeugs auf, als es so manch ein anderer Hafen macht. Da wandert das Geld auch schnell mal so über den Tisch, ohne Quittung und Registrierung. Bei mir nicht!«
Lena versuchte es ein letztes Mal. »Also besondere Kontakte hat es nicht zwischen der Crew der Esprit und anderen Seglern gegeben?«
»Irgendwas Geheimnisvolles, meinst du? Nee, ist mir nicht aufgefallen. Tut mir echt leid, Lena, ich hätte ja gerne mal bei so einem Kriminalfall mitgemacht.«
Sie reichte ihm die Liste der Boote und fragte Tamme Ohlsen nach den Gastliegern. Er nickte und griff wieder nach seinem Kugelschreiber. Kurz darauf hatte Lena den Ausdruck wieder in der Hand. Mit der Esprit waren acht Boote an diesem Wochenende im Seglerhafen gewesen. Tamme Ohlsen konnte ihr nicht sagen, ob die Besatzung von Thomsens Jacht mit der eines der anderen Gastlieger Kontakt gehabt hatte.
Lena bat ihren alten Schulfreund um die Listen der Gastboote, die in den zwei Wochen vor Rieckerts Tod im Hafen lagen. Er sagte es ihr für den nächsten Tag zu. Sie saßen noch eine Weile zusammen, bevor Lena sich wieder auf den Weg nach Norddorf machte.