19

Derryhill Road

Wir fuhren zurück nach Norden. DS Clare fuhr mit seinem Team voran, ich folgte ihm mit meinen Leuten im zweiten Land Rover.

Es regnete, und außerhalb von Dromad hatte es wohl einen Autounfall gegeben, aber das war kein Problem, da uns die Umleitungsschilder zur Derryhill Road führten, ein Umweg von gerade mal einer Viertelstunde.

Bei Tage war dies hier eine hübsche Gegend im County Louth, in die man sich gern umleiten ließ. Dutzende kleine Gassen, die zum Newry River und zum Carlingford Lough führten. Das war genau der Ort, an dem der große Cuchulainn, Held von Ulster, sich an einen Felsen band und die Armeen von Meath bezwangwenn man denn an so etwas glaubte. Und warum sollte man das nicht?

»Duffy«, kam Clares Stimme über Funk, »wissen Sie, in welchem Winkel der Erde wir uns hier befinden?«

Ich nahm das Mikro. »Haben Sie sich verfahren?«, fragte ich.

»Nein. Ich habe mich nur gefragt, wo an dieser Straße die Grenze ist«, erwiderte er gereizt.

Ich grinste McCrabban an. »Nur Special Branch schafft es, sich fünfhundert Meter vor der Grenze zu verfahren.«

Crabbie nickte und stopfte sich die Pfeife.

»Soll ich die Führung übernehmen und mal schauen, ob ich die Grenze finden kann? Oder sollen wir zur Hauptstraße zurück?«, fragte ich über Funk.

»Nein! Das ist nicht nötig. DCI Preston hat gerade eine sehr gute Karte gefunden, Maßstab 1 : 60 000. Wir schaffen das schon. Er kennt sich in dieser Gegend aus. Alles im Griff«, sagte Clare.

»Die haben alles im Griff«, sagte ich McCrabban und grinste. »Das bedeutet, wir könnten die ganze Nacht hier verbringen.«

»Könnte sein«, pflichtete er mir bei. »Ich bin ja kein Experte, Sean, aber ich habe hier unten schon ein paarmal Kühe gekauft. Diese Umleitung ist sehr merkwürdig.«

»Ach ja?«

»Ja. Wenn wir die offizielle Umleitung ignorieren und zurück nach Dromad fahren, gibt es ein paar Straßen, die uns nach …«

Schwerelosigkeit.

Metall.

Licht.

Staub.

Meine Knochen knirschten.

Mein Körper klappte zusammen.

Blut im Mund.

Blut in den Augen.

Alles rot.

Alles schwarz.

Stille.

Ein Schlag.

Zwei.

Drei.

Schreie.

Alarm.

Blut in der Kehle. Flüssigkeit auf dem rechten Oberschenkel, Urin oder Blut.

Finger auf meinem Gesicht. Jemand schnallt mich ab und zieht mich hinaus. Zwei Hände im Nacken an meiner schusssicheren Weste. Eine Stimme, die aus einem Brunnenschacht nach mir ruft. Regen auf dem Gesicht. Meine Beine werden über die Windschutzscheibe gezerrt. Die Stimme wird drängender, deutlicher.

Der Regen ergießt sich über mir wie Taufwasser.

»Sean, alles okay?«

»Was?«

»Alles okay?«

Ich lag außerhalb der Fahrerkabine. Crabbies Nase war nur ein paar Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Es goss in Strömen. Wir lagen in einem tiefen Sheugh neben der Straße.

Ein Lärm wie von Gewehrfeuer.

Ich sah auf meine Beine hinab. Sie taten höllisch weh, waren aber noch intakt.

Wasser floss mir in den Nacken, und in der Dunkelheit konnte ich unmöglich erkennen, ob die Feuchtigkeit unter meinen Armen Wasser war oder Blut.

»Alles okay?«, fragte Crabbie erneut.

»Glaub schon. Aye, mir geht’s gut. Was ist passiert?«

»Hinterhalt.«

»Hinterhalt?«

»Hinterhalt. Panzerfaust und jetzt Maschinengewehre.«

»Von wo?«

»Von der anderen Straßenseite.«

Ich rieb mir das Gesicht und sah hinüber. Der erste Land Rover lag auf der Seite, unser auf dem Dach. Sie mussten beide Panzerfäuste gleichzeitig abgefeuert haben. Jetzt beschossen sie uns mit schweren Maschinengewehren und AK47. Mindestens ein Dutzend Mann. Zwei IRA-Zellen, vielleicht drei. Ein brillanter Einsatz. O’Roarke hält uns den ganzen Tag auf dem Revier fest, ein Team verfolgt uns von Dundalk, ein zweites Team baut die falsche Umleitung auf, und schließlich erwarten uns drei Killerkommandos auf der Ferryhill Road.

Das schnelle Feuer eines Maschinengewehrs Kaliber .50 knabberte an der Kabine und am Motor des Land Rover und grub sich bei jedem Mal tiefer in die Armierung. Drinnen brüllten Leute. Crabbie hatte seine Pistole gezückt, doch was er damit gegen ein schweres Maschinengewehr anstellen wollte, konnte ich mir nicht denken. Genauso gut hätte er sie mit einem Samuraischwert angreifen können.

Das war nicht das erste Mal, dass Crabbie und ich in einem Land Rover gesessen hatten, der beschossen wurde – ach Scheiße, wahrscheinlich war die Zahl schon zweistellig –, aber dies schien das letzte Mal gewesen zu sein.

Wir waren wirklich und wahrhaftig am Arsch.

»Siehst du Clare oder Preston oder sonst wen von den anderen?«, fragte ich.

»Nein.«

»Sind sie rausgekommen?«

»Weiß ich nicht. Jedenfalls schießen sie nicht zurück.«

Wir hatten unsere eigenen Probleme. In der Kabine meines Land Rover waren drei Polizisten eingesperrt, doch nach einer Weile würde die .50er Munition die Panzerung durchschlagen und alle töten. Lawson und diesen Kerl mit dem Unterlippenbärtchen und die Praktikantin mit dem intelligenten Blick, wie hieß sie noch gleich?

Schwarzer Himmel.

Keine Sterne.

»Sean, alles okay?«

»Ja. Was fragst du andauernd?«

»Du kippst immer wieder weg. Blutest du?«

»Glaub nicht.«

Ich schaute nach oben und ließ mir vom Regen das Gesicht kühlen.

Lagebericht.

In dem Graben waren wir im Augenblick in Sicherheit, doch früher oder später würden die Männer mit den AK47 mit Handgranaten und Gewehrsalven ankommen und uns erledigen.

Und weil wir noch auf der irischen Seite der Grenze waren, konnten wir nicht mit Hilfe der British Army rechnen. Selbst wenn sie etwas von diesem Hinterhalt mitbekamen, würden die Armeehubschrauber nicht ohne Erlaubnis des britischen Premierministers die Grenze überqueren, und der musste erst den irischen Premierminister darüber informieren. Und das würde Stunden dauern.

»Hast du einen Notruf abgesetzt?«, fragte ich Crabbie.

»Keine Zeit. Ich konnte dich nur rausziehen.«

Ich schaute über den Grabenrand und sah zu dem Fahrzeug hinüber. Kugeln flogen durch die Windschutzscheibe und prallten im Wagen ab. Das Funkgerät lag zerschlagen auf dem Himmel des Land Rover.

Dann duckte ich mich wieder. »Das Funkgerät ist eh zerschossen … Bist du okay?«

»Ein paar Kratzer. Du?«

»Keine Ahnung. Blute ich?«

»Das habe ich dich schon gefragt. Halt mal still.«

Crabbie nahm eine blitzschnelle Sichtung vor. »Scheint alles okay zu sein.«

»Lawson und die anderen werden umkommen, wenn wir sie nicht rauskriegen«, sagte ich.

Crabbie reichte mir seine Waffe. »Du hast recht. Gib mir Feuerschutz, so gut du kannst, ich versuche, die Hecktüren aufzukriegen.«

»Die werden dich umbringen.«

»Ich schaff das schon, ich ducke mich.«

»Ich sag dir was, du deckst mich, und ich versuche, die verdammten Türen aufzukriegen«, sagte ich und versuchte, ihm den Revolver zurückzugeben.

»Das war meine Idee.«

»Ich bin dein Vorgesetzter, du Blödmann!«

»Wir sind beide in der Reserve!«, konterte Crabbie. »Und du bist der bessere Schütze. Du deckst mich. Drei, zwei, eins.«

Crabbie war nicht gerade Mr Adrenalin oder Mr Überschwang, es kam durchaus überraschend, dass er das Kommando an sich riss, also musste man gehorchen.

Er kroch aus dem Sheugh, und ich feuerte mit seinem Revolver und meiner Glock auf verschiedene Mündungsfeuer.

Er kroch zu den Hecktüren des Land Rover und zerrte an den Griffen, während die Insassen von innen gegen die Panzerung hämmerten.

»Beeil dich!«, brüllte ich hinüber.

Plötzlich gaben die Türen nach, und die drei zu Tode erschrockenen jungen Polizisten purzelten heraus.

»Hier rüber!«, rief ich. »Auf den Boden!«

Lawson, DC William Mitchell und DC Judy McGuire krochen zum Graben, gefolgt von Crabbie. Die Dunkelheit bot ihnen Schutz, und sie schafften es, zu mir zu gelangen, ohne von Kugeln durchlöchert zu werden.

Der Plan der Terroristen wäre noch effektiver und tödlicher gewesen, wenn sie daran gedacht hätten, ein paar Leuchtkugeln mitzubringen. Oder einen Kerl mit Maschinengewehr auf der Böschung hinter uns zu postieren – aber man kann ja nicht an alles denken, und Brendans Plan konnte vielleicht trotzdem aufgehen.

Ich klopfte Crabbie auf den Rücken. »Gut gemacht, Mann.«

Er brummte zur Antwort und schöpfte Atem.

»Lawson, Mitchell, McGuire, jemand verletzt?«

»Ich bin okay«, sagte Lawson. Den anderen hatte es vor Schreck die Sprache verschlagen.

»Klopf sie ab, Crabbie. Sag mir, wenn sich jemand ernsthaft verletzt hat.«

»Mach ich.«

»Und der andere Land Rover?«, fragte Lawson.

»Ein Stück die Straße lang, auf der Seite. Keine Ahnung, ob jemand rausgekommen ist.«

»Wie viele Terroristen?«, fragte Lawson ganz professionell.

»Keine Ahnung. Zwölf?«

»Sind wir über die Grenze?«

»Nein, wir sind noch in der Republik.«

Lawsons blasses Gesicht wirkte im Mondschein grimmig. »Das war’s also, hm?«

»Nein, das war es nicht«, entgegnete Crabbie. »Wir werden hier rauskommen.«

»Crabbie hat immer recht. Wir kommen hier raus, okay?«

»Okay«, sagte Lawson, die anderen beiden konnten immer noch nicht sprechen.

Das Feuer legte sich, die IRA-Männer luden nach und besprachen sich.

»Alle abgeklopft. Keiner ernstlich verletzt, Sean«, sagte Crabbie.

»Was haben wir vor, Sir?«, fragte Lawson. »Losrennen?«

»Wenn wir aus dem Graben klettern und losrennen, dann macht das große Maschinengewehr Hackfleisch aus uns«, antwortete Crabbie.

»Ich habe die MP5 aus der Kabine mitgenommen«, sagte Lawson.

»Ehrlich?«

»Ja.«

Er griff hinter sich und gab mir eine der Maschinenpistolen.

»Sie haben beide mitgenommen?«, fragte ich.

»Ja, Sir.«

»Ein kühler Kopf. Sehr gut, Lawson.«

»Wie viele Schuss?«

»An die Ersatzmagazine bin ich nicht gekommen. Jede ein Magazin.«

»Sind alle anderen bewaffnet?«

»Ich hab meine Dienstwaffe irgendwo verloren«, antwortete Mitchell.

»Sonst noch jemand?«

»Ich hab meine«, sagte McGuire.

»Ich habe nur noch zwei Schuss«, sagte Crabbie.

»Hier, du nimmst die andere MP5«, meinte ich und gab Crabbie die Maschinenpistole.

Mitchell gab ich meine Glock.

Zeit für ein paar aufmunternde Worte, damit sie mir nicht völlig auseinanderfielen. »Jeder ist bewaffnet«, fing ich an. »Und hier unten im Graben sind wir in Sicherheit. Wenn sie uns angreifen, rennen sie in ein höllisches Sperrfeuer. Zielt auf den Brustkorb. Sie werden über offenes Gelände kommen. Schätze, wir können es hier noch ein Weilchen aushalten. Wir schaffen es.«

Gemurmelte Zustimmung.

Man durfte nicht zulassen, dass sie in Schock oder Panik gerieten. Sollten sie panisch losrennen, würden die Terroristen einen nach dem anderen erledigen. Crabbie war stabil, Lawson war stabil, aber die Youngster – wenn mir schon die Muffen gingen (und das taten sie), musste es ihnen noch viel, viel schlimmer gehen.

Ich schaute auf die Uhr.

0.15 Uhr. Zwei Minuten, in denen kein Schuss gefallen war. Was hatten die vor?

»Laden sie nach?«, fragte Lawson.

»Nein, das sind Profis. Das hätte höchstens fünfzehn Sekunden gedauert.«

»Und was haben die vor?«, fragte Crabbie.

»Keine Ahnung. Die Position wechseln? Von den Flanken aus angreifen? Lawson, Sie gehen zum Rand des Grabens da vorne und schauen, ob Sie irgendetwas erkennen, und geben mir Bescheid.«

»Und wenn ich einen Treffer landen kann?«

»Dann schießen Sie.«

»Mach ich«, sagte Lawson.

Vor einer Ewigkeit hatten Lawson und ich schon mal in einer ähnlichen Situation gesteckt, aber damals hatten wir nur drei Gegner gehabt, und wir waren in der Überzahl gewesen. Diesmal waren sie doppelt oder dreimal so viele wie wir.

Was zum Teufel war mit dem anderen Land Rover passiert? Waren sie tot? Waren sie aus dem Wagen gekommen und losgerannt, um Hilfe zu holen?

Wieder schaute ich auf die Uhr.

0.16 Uhr und noch immer keine Schüsse.

Hatten sich die Kommandos zurückgezogen? Wollten sie uns von der Flanke aus angreifen?

Ich steckte meinen Kopf über den Grabenrand und sah die Straße rauf und runter. Keine Bewegung, kein Geräusch. Doch am ersten Land Rover bemerkte ich einen Schatten.

Ich ließ mich wieder in den Sheugh sinken.

»Ich glaube, ich habe jemanden bei dem anderen Land Rover gesehen«, sagte ich zu Crabbie. »Schätze, wenigstens einer von denen ist rausgekommen.«

»Vielleicht funktioniert deren Funk?«, hoffte er.

»Vielleicht«, pflichtete ich ihm bei. Ich drehte mich zu den anderen um. »Wahrscheinlich ist Hilfe schon unterwegs. Reißen Sie sich noch ein paar Minuten zusammen.«

»Sollten wir Kontakt zu ihnen aufnehmen?«, fragte Crabbie.

»Ich möchte nicht rufen, nur damit die auf unsere Stimmen zielen können. Ich glaube, es ist besser, wir bleiben stumm.«

Crabbie nickte. »Ich könnte den Graben entlangkriechen und so in Kontakt mit ihnen kommen.«

»Was ist denn heute mit dir und deinem Heldenmut los? Du hast Frau und drei kleine Kinder. Wir bleiben schön hier sitzen. Lass die bösen Jungs den nächsten Schritt tun.«

Im selben Augenblick landete fünfzig Meter von uns entfernt die erste Granate, explodierte dort in einem Blitz und schleuderte glühend heißes Schrapnell umher.

»Was zum Teufel war das, verflucht?«, schrie Lawson.

»Eine Granate«, sagte ich. »Alle Köpfe runter.«

Granaten.

Sie hatten sich Granatwerfer besorgt und konnten uns die ganze Nacht über damit beschießen, bis sie die richtige Distanz fanden und uns alle im Graben erledigten.

Wir waren so richtig am Arsch.

Das also war das Ende. Wenn da nicht Emma und Beth wären, wäre ich fast froh darüber. Wie dramatisch.

Wir duckten uns, als erneut eine Granate über uns hinwegpfiff, doch die landete noch weiter vom Ziel entfernt, dreißig Meter hinter uns.

Sie hatten zu kurz gezielt und zu lang, doch sie würden besser werden.

»Warte hier, Crabbie. Ich krieche den Graben entlang zu Clares Land Rover und schaue nach, ob deren Funkgerät noch funktioniert.«

»Du bleibst hier! Ich gehe«, entgegnete Crabbie.

Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter, und wir sahen uns in die Augen. Ich drückte seine Schulter, und er nickte.

»Wenn ich es nicht zurückschaffe, dann versuchst du, das Junggemüse zu retten, okay?«, flüsterte ich.

»Mach ich. Viel Glück, Sean.«

Ich kroch den Sheugh entlang, der sich als Abflussgraben für ein nahe gelegenes Schlammfeld entpuppte. Ich kümmerte mich nicht um Dreck, Schlamm und Brackwasser. Alles besser als ein Schrapnell im Rücken.

Ich kam zum ersten Land Rover und sah DCI Preston scheinbar konzentriert über das Funkgerät gebeugt sitzen, doch als ich ihn erreichte, war da eine riesige, schäumende Pfütze Blut rings um ihn.

»Himmel!«

Ein Schrapnell hatte es irgendwie geschafft, an seiner Schutzweste und der Metallplatte über seinem Herzen vorbeizukommen, und war ihm unterhalb des Arms bis in den Brustkorb gedrungen.

»Sprich mit mir«, sagte ich, aber seine Augen waren blau und starrten tot.

Ich schüttelte ihn trotzdem.

Ich legte ihn auf den Boden und riss seine Brustpanzerung auf. Ich öffnete sein Hemd, aber das Schrapnell hatte seine Organe durchbohrt. Das Einzige, was man mit Gewissheit sagen konnte, war, dass der Tod höchstwahrscheinlich recht schnell eingetreten war, entweder durch den Aufprall oder durch die massiven Blutungen.

Ich schnappte mir das Funkgerät, aber die Granate, die ihn getötet hatte, hatte auch einen Splitter in die Batterie gejagt und sie völlig zerschlagen.

Ich hämmerte mit der Faust auf die Seite des Land Rover, während überall willkürlich abgefeuerte Leuchtspurmunition herumsauste. »Lebt da drin noch jemand?«, brüllte ich.

»Wir leben!«, antworteten die beiden Detectives von Special Branch.

»Macht auf, kommt raus und folgt mir«, sagte ich.

»Woher sollen wir wissen, wer Sie sind?«

»Ich bin Duffy, ihr habt mich heute Morgen gesehen und gestern auch, verdammt!«

»Das kann jeder behaupten. Das könnte ein Trick sein.«

»Ich bin Sean Duffy, Carrickfergus RUC

»Ich glaub, das ist seine Stimme«, sagte die Frau zu dem anderen.

»Er ist Katholik, vielleicht steckt er mit denen unter einer Decke. Vielleicht hat er das Ganze eingefädelt!«, entgegnete der andere Detective.

Eine weitere Granate landete mit einem mächtigen Blitz mitten auf der Straße zwischen den beiden Land Rovern. Ich sprang in den Sheugh, glühend heiße Schrapnellstücke bohrten sich in den Boden hinter mir und in die Unterseite des Land Rover.

»Keine Ahnung, was ihr beiden macht, ich gehe zu meinen Leuten zurück. Preston ist tot und Clare ist verschwunden. Kommt mit oder bleibt, eure Sache!«, brüllte ich in den Wagen.

Die Hecktür ging auf, und ein Gewehrlauf starrte mich an.

»Gut, schnell jetzt, schnappt euch da drin alles, was ihr könnt. Waffen, Munition, Tränengas, alles und folgt mir. Sofort links von euch ist ein Abflussgraben. Die Terroristen schießen kaum noch. Jetzt bewerfen sie uns mit Granaten. Sobald ihr zur Tür hinaus seid, runter auf den Bauch und in den Graben.«

Ich nahm einen Zug an meinem Inhalator, während die beiden ihr Zeug packten und zum Graben krochen. Sie waren jung und verängstigt, zerschunden, aber am Stück.

»Und jetzt den Graben entlang zu den anderen. Wird schon gutgehen. Wie heißt ihr noch mal?«

»Michael O’Leary«, sagte der junge Mann.

»Siobhan McGuinness«, sagte die junge Frau.

»Michael, Siobhan, macht euch keine Sorgen, ihr werdet noch euren Enkelkindern von diesem besonderen Tag erzählen. Jetzt los, runter und mir nach.«

Wir robbten bäuchlings zurück durch den Dreck.

Der Regen wurde immer stärker und dann zu Hagel.

Aber es war nicht der Hagel, der mir Sorgen bereitete.

»Sean? Bist du das?«, fragte Crabbie.

»Aye.«

»Bist du verletzt?«

»Nein.«

»Nur zwei Überlebende?«, fragte Crabbie.

»Preston ist tot. Clare ist weg. Vielleicht holt er Hilfe.«

»Der Funk?«

»Kaputtgeschossen.«

»Keine Hoffnung für Preston?«

»Nein. War sofort tot. Schrapnell hat ihn unter dem Arm erwischt und ist durch ihn gefahren.«

Dann setzten die Granatwerfer wieder ein.

Die Einschläge kamen näher.

Sie zielten besser. Zwei Granaten fielen zehn Meter vor uns auf die Straße, eine dritte direkt auf dem Land Rover hinter uns. Er flog mit einer mächtigen Explosion in die Luft.

Wir zogen die Köpfe ein; Reifenfetzen, Glas- und Metallsplitter regneten vom schwarzen, unerbittlichen Himmel wie Sternschnuppen.

»Scheiße! Wir sind am Arsch, oder?«, fragte Michael O’Leary mit wildem Blick durch geborstene Brillengläser. »Wir sind tot, oder, Sir?«, fragte er und zupfte an meinem Ärmel. Clare war verschwunden, Preston tot, daher war ich der Ranghöchste und hatte damit bei uns sieben, die wir noch lebten, das Sagen. Ich überlegte kurz, um die Lage mit professionellem Abstand einzuschätzen. Wir waren vielleicht ein, zwei Kilometer innerhalb der Republik, in Unterzahl, umzingelt, das Funkgerät zerstört, keiner wusste, wo wir waren, und Hilfe durfte nicht über die Grenze kommen, selbst wenn man dort von der tödlichen Lage erfuhr. »Tja, mein Junge, tut mir leid«, wollte ich schon sagen, aber ich überlegte es mir anders.

»Das schaffen wir schon. Ich glaube, Superintendent Clare holt Hilfe«, sagte ich stattdessen.

Und falls nicht, dann würde ich verdammt noch mal dafür sorgen, dass der Mistkerl vor ein Kriegsgericht kam und erschossen wurde, fügte ich insgeheim hinzu.