Das Abendessen schmeckte fantastisch, und zu Ryans Überraschung zeigte sich Ma begeistert davon, wie gut der Braten geworden war. Sie redete über das feine Gespür, das man für den richtigen Gargrad des Bratens brauchte, und das Fingerspitzengefühl für die richtige Zubereitung des Gemüses und die Kontrolle der Temperatur des Ofens. Und überhaupt sprach sie über für sie völlig untypische Dinge, zumindest aus Ryans Sicht.
Anscheinend empfand Dad es genauso. »Aubrey, hättest du dir vor ein paar Wochen ein solches Gespräch vorstellen können?«, fragte er und lächelte, während er mit der Gabel eine Kartoffel aufspießte.
Ma lachte. »Weißt du, tatsächlich könnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, zu Hause so glücklich zu sein, wie ich es jetzt bin. Früher waren wir so versessen auf Dinge, die mir im Nachhinein so unwichtig erscheinen. Versicherungen, Rechnungen, Autoreparaturen. Das alles hatte nichts mit unserer Familie zu tun. Hier betrifft alles, was ich tue, unsere Familie. Ich kann ich sehen, wie meine Arbeit geschätzt wird.«
»Zum Beispiel?«, hakte Dad nach.
»Zum Beispiel«, antwortete Ma und verlagerte den Blick mit strahlenden Augen von Ryan zu Aaron, »durch Aaron, den Jungen, der sonst nie Fleisch gegessen hat und jetzt geradezu kämpft, um so viel wie möglich von dem Braten in sich reinzustopfen.«
Aaron schnitt sich gerade eine weitere dicke Scheibe von der Seite des Bratens ab, zuckte mit den Schultern und grinste.
»Und dann Ryan«, fuhr Ma fort. »Der größte Brotfan, den ich je gekannt habe, genießt einen Laib Brot, den ich mit meinen eigenen Händen gemacht habe.« Voll offensichtlichem Stolz schüttelte Ma den Kopf. »Dank Gwen weiß ich, wie man buchstäblich alles auf diesem Tisch zubereitet. Und ich darf erleben, wie meine Familie und meine Freunde sich genüsslich daran erfreuen. Obendrein bin ich schwanger. Ich hätte nie geahnt, wie glücklich mich solche Dinge machen könnten.«
Verdattert bemerkte Ryan, dass seinem Vater Tränen in die Augen traten.
»Außerdem machst du wunderbaren Nachtisch«, fügte Gwen hinzu. Sie warf Ryan und Aaron einen augenzwinkernden Blick zu. »Also lasst noch ein wenig Platz, Jungs.«
* * *
Am nächsten Morgen nahm Jared beide Jungen mit zur Schmiede. Er feuerte den Ofen an, denn er wollte keine Zeit dabei verlieren, den neuen Blasebalg auszuprobieren. Schon bald merkte man an der Hitze, die der Ofen abstrahlte, dass er wesentlich effizienter als der bei ihnen zu Hause im Schuppen funktionierte.
»Kann ich den Blasebalg ein bisschen pumpen?«, fragte Ryan.
»Und was ist mit dem Arm?«
Ryan zuckte mit den Schultern. »Fühlt sich gut an. Ich schaffe das schon.«
»Ich weiß nicht recht, mein Sohn. Du solltest dich nicht überanstrengen. Ma hat gesagt, der Schnitt war ziemlich tief. Solche Muskelverletzungen brauchen Wochen, um richtig zu verheilen.«
»Aber Dad, es geht mir gut, ehrlich. Die Naht juckt zwar, aber das ist auch schon alles.«
Jared runzelte die Stirn. »Darf ich mal sehen? Dass du überhaupt keine Schmerzen spürst, bereitet mir Kopfzerbrechen. Als ich mir letztes Jahr den Trizeps gezerrt habe, hat es über eine Woche lang höllisch wehgetan. Und du hast dir nicht nur was gezerrt, dir hat ein Messer den Arm aufgeschlitzt.«
Er entfernte den Verband von Ryans Arm, den er anschließend bald in die eine, bald in die andere Richtung drehte.
»Ryan«, sagte er schließlich, »was genau hat deine Mutter genäht?«
»Wie meinst du das?« Ryan blickte auf seinen Arm hinab. »Den großen Schnitt rechts ...« Abrupt verstummte er und starrte auf den Arm. Die Naht war zusammen mit ein wenig getrocknetem Blut vorhanden ... aber darunter fehlte jede Spur von einem Schnitt. »Wo ist der Schnitt?«
Jared drückte die Finger auf den genähten Bereich. »Tut das weh?«
Ryan schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht.«
Jared runzelte die Stirn. »Tja ... noch etwas, das in dieser Welt keinen Sinn ergibt. Aber ...« Er lächelte. »Ich will mich nicht darüber beschweren. Wir lassen Gwen einen Blick darauf werfen, wenn wir wieder im Haus sind. Aber vorerst denke ich, du kannst den Blasebalg bedienen.«
Ryan grinste.
»Was ist mit mir, Dad?«, fragte Aaron und kam herüber.
»Du kannst die Formen und die Mischung vorbereiten«, erwiderte Jared.
»Geht klar.« Aaron machte sich an die Arbeit.
Jared drehte sich wieder Ryan zu, der bereits begonnen hatte, den Blasebalg zu betätigen. »Sobald Aaron alles vorbereitet hat, möchte ich, dass du die Pfeilformen benutzt, die Throll uns gegeben hat. Arbeitet wie an einem Fließband zusammen. Mal sehen, wie viel wir heute schaffen.«
»Was wirst du tun?«, fragte Ryan.
»Na, ich kümmere mich um den Schmelztiegel.«
30 Minuten später hatten sie zwei Dutzend Pfeilformen zum Gießen vorbereitet, und den Schmelztiegel füllte geschmolzenes Eisen mit Schlacke obenauf. Jared benutzte einen Schlackenlöffel, der einer Gartenhacke stark ähnelte. Damit schöpfte er die Schlacke ab, bevor er Aaron zu sich rief.
»Okay, Aaron. Nimm die Gießpfanne, füll sie mit dem geschmolzenen Eisen und gieße es in eine der Formen. Ryan, du machst das Gleiche mit der zweiten Gießpfanne. Nur wechselt euch ab, damit ihr euch nicht gegenseitig im Weg seid.«
Die Jungen arbeiteten zügig und füllten die Formen eine nach der anderen. Es dauerte nicht lange, bis alle Formen rotglühendes Eisen enthielten – das bald zu perfekt gegossenen Pfeilspitzen werden würde.
Als die Farbe des Metalls verblasste, holte Jared einen Eimer Wasser und goss ihn langsam über die Formen. Dampf stieg um ihn herum auf. »Denkt immer daran«, sagte er und musste die Stimme erheben, um das Zischen des Dampfs zu übertönen, »nur weil es so aussieht, als wäre es nicht mehr heiß, dürft ihr nie annehmen, dass es auch so ist.« Wie zur Betonung holte er einen zweiten Eimer und goss weiteres Wasser über die Pfeilspitzen. »Immer doppelt überprüfen.«
Mit den Jungen an der Seite stellte sich Jared vor die erste Gussform und berührte sie vorsichtig, um sich zu vergewissern, dass sie nicht mehr heiß war. Dann löste er mit ein paar Schlägen des Hammers die Formen aus Ton davon. Zurück blieb eine lange Reihe noch miteinander verbundener Pfeilspitzen.
»Wir trennen sie mit Hammer und Meißel voneinander ... so«, sagte Jared und zeigte es vor. »Achtet darauf ... kurze, schnelle Hammerschläge.« Er zeigte auf eine überdimensionierte Schere. »Da das Metall so dünn ist, könnt ihr es auch mit der Schere versuchen, wenn ihr wollt. Könnte aber schwierig sein. Das ist nicht das normale Eisen, das die Leute hier gewohnt sind. Ich habe der Mischung im Schmelztiegel um Holzkohlepulver ergänzt. Wenn ich alles richtig berechnet habe, haben wir hier weniger Eisen, sondern eher einigermaßen kohlenstoffreichen Stahl vor uns. Der sollte stärker und rostbeständiger sein als alles, was Trimoria je gesehen hat.«
Dann forderte er die Jungs auf, ihm zum Schleifrad zu folgen – einem großen, groben, kreisförmigen Stein, der mit einem Fußpedal angetrieben wurde. Er begann, das Pedal zu bedienen. »Wir wollen jede der Pfeilspitzen ein bisschen schärfen, aber nicht zu sehr – sie soll nicht ihre Form verlieren.« Er drückte eine der Pfeilspitzen gegen den schnell rotierenden Stein. Funken stoben vom Stahl, als er die winzigen Unvollkommenheiten der Pfeilspitze wegradierte. Im letzten Schritt des Schleifvorgangs fügte er der Spitze eine scharfe Kante hinzu.
Als er fertig war, hob er das fertige Produkt an ins Licht, um es zu inspizieren. Dann reichte er es Ryan. »Ich möchte, dass sie alle so aussehen.«
Die Fließbandarbeit lief wieder an. Die Rivertons holten die Pfeilspitzen aus den Formen, trennten sie voneinander, schärften sie und sammelten die Reste zur Wiederverwendung ein. Am Ende hatten sie zwei Dutzend gut gefertigte – und extrem starke – Pfeilspitzen. Jared betrachtete seine Arbeit und seine Söhne voll Stolz.
»Was jetzt, Dad?«, fragte Aaron. Er wollte eindeutig weitermachen.
Dad grinste. »Ich denke, es ist an der Zeit, unsere Schwertformen auszuprobieren.«
Aarons Züge hellten sich auf.
Jared dämpfte mit einer Geste seinen Übermut. »Vergessen wir nicht den Ablauf, okay? Wir müssen bei allem, was wir tun, vorsichtig sein.«
»Natürlich, Dad.«
»Gut. Ich habe vor, Schwerter ähnlich zu schmieden wie wir es von den Meistern in Japan bei der Herstellung ihrer Katanas kennen. Wir wollen die Klinge sowohl hart als auch flexibel haben. Dafür brauchen wir das richtige Metall.«
Er deutete auf die Pfeilspitzen. »Stahl mit hohem Kohlenstoffgehalt ist nicht ideal. Man kann die Kante zwar sehr dünn schärfen, aber das Material ist spröde. Und einfaches Schmiedeeisen lässt sich zwar biegen, bewahrt aber keine wirklich beständige Kante. Also werden wir beides vereinen . Den Kohlenstoffstahl wickeln wir außen herum, damit wir dem Schwert eine rasiermesserscharfe Schneide verpassen können. Den Kern hingegen fertigen wir aus robustem Eisen, damit das Schwert stark genug wird, um Treffer im Kampf zu absorbieren.« Er lächelte. »Das wird revolutionär sein, zumindest in dieser Welt.«
»Was wird revolutionär?«, fragte eine Stimme von der Tür. Es war Sloane.
»Oh, hallo Sloane! Wir haben eine Ladung Pfeilspitzen für deinen Vater fertig und wollten gerade mit einer neuen Technik zum Schmieden von Schwertern beginnen.«
»Tja, bevor ihr anfangt ... wir haben Essen mitgebracht!«, verkündete Sloane grinsend.
»Wir?«, fragte Jared.
Sie folgten Sloane nach draußen, wo Aubrey bereits ein Picknick vorbereitete. Als sie Ryan erblickte, hielt sie abrupt inne.
»Was ist mit deinem Verband passiert, Ryan? Du holst dir noch eine Infektion, wenn du die Wunde nicht bedeckst. Jared, du musst ein Auge auf ihn haben!«
Ryan zuckte mit den Schultern und sah seinen Vater an. »Soll ich es ihr sagen, oder willst du?«
»Mir was sagen?«, fragte Aubrey scharf.
Jared fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Die Sache ist die ... Er scheint keine Wunde mehr zu haben .«
»Wovon redest du?« Sie trat zu ihrem Sohn, ergriff seinen Arm und betrachtete die Naht. »Wie um alles in der Welt ... Da ist ja nicht mal eine Narbe.«
»Wir verstehen es auch nicht«, sagte Ryan. »Aber es tut überhaupt nicht weh. Die Wunde ist verheilt.«
Jared wandte sich an Sloane. »Ist es ... hier üblich, dass so eine Wunde über Nacht verheilt?«
Sloane schüttelte den Kopf. »Von so etwas hab ich noch nie gehört.«
»Wann ist das passiert?«, fragte Aubrey.
»Heute Morgen, als wir angefangen haben«, antwortete Ryan. »Wir haben den Verband abgenommen, und die Stelle hat so ausgesehen. Obwohl sie eigentlich nicht mehr wehgetan hat, seit du sie genäht hast, nicht mal ein bisschen. Dürfte also schon gestern in Ordnung gewesen sein.« Er runzelte die Stirn. »Könnte es an dem Wein liegen, den Gwen draufgeschüttet hat? Dabei hab ich zum letzten Mal Schmerzen gespürt. Oh Mann, und was für welche.«
Sloane schüttelte den Kopf. »Der bekämpft nur Fäulnis. Er ist kein Heiltrank. So etwas gibt es nicht.«
Aubrey starrte immer noch auf Ryans Arm, als erwartete sie, der Schnitt würde auf magische Weise wieder erscheinen. »Ich versteh das nicht ...«, murmelte sie schließlich.
»Da die Wunde verheilt ist«, sagte Ryan, »können wir die Fäden rausziehen? Sie jucken.«
Aubrey schaute zu ihm auf. »Ich ... ich denke schon. Im Augenblick scheinen sie ja sinnlos zu sein. Aber sobald du auch nur die geringsten Schmerzen verspürst, kommen sie sofort wieder rein. Hast du mich verstanden?«
»Du willst sie wieder reinmachen?«, warf Jared ein. »Was soll das bringen. Da ist ja nicht mal eine ...«
Aubrey zeigte mit dem Finger auf ihn. »Du schweigst.«
Klugerweise hielt Jared den Mund.
»Aber essen wir erst mal«, schlug Aubrey vor.
»Ich bin dir weit voraus«, antwortete Aaron, der sich bereits Brot in den Mund stopfte.
* * *
Nach dem Essen fragten Ma und Sloane, ob sie noch ein Weilchen bleiben und zusehen könnten. Sie standen beide in sicherem Abstand, während die Männer arbeiteten. Einerseits, um nicht von verirrter Glut verbrannt zu werden, andererseits, weil es schon ein Stück entfernt wesentlich kühler war.
Ryan bearbeitete wieder den Blasebalg, während sein Vater den zweiten, kleineren Schmelztiegel mit etwas von dem Schmiedeeisen füllte, das sie am Vortag hergestellt hatten. Als der Tiegel bereit war, schob er ihn zusammen mit dem mittlerweile weicher werdenden Stahl in den Ofen. Dann legten er und Aaron zwei Schwertformen zurecht.
»Eine davon wird der Kern des Schwerts«, erklärte Dad. »Die zweite bildet die Außenkante.«
Dad forderte Ryan nach etwa zehn Minuten auf, den Blasebalg nicht mehr zu pumpen. Dann hob Jared mit Aaron den zweiten Schmelztiegel mit dem Schmiedeeisen an. Dad hatte dabei sichtlich Mühe, Aaron hingegen nicht im Geringsten.
»In diese Form gießen wir eine kleinere Menge«, brummte Dad. »Wie gesagt, das wird nur der Kern des Schwerts.«
Sie gossen etwa die Hälfte des Schmiedeeisens in die Form. Dann schöpfte Dad die ungefähre Menge geschmolzenen Stahls für eine halbe Klinge aus dem anderen Tiegel und goss sie in die zweite Schwertform. Er forderte Ryan auf, das Fass von draußen zu holen und neben den Amboss zu stellen. Ryan tat, wie ihm geheißen.
»Okay«, sagte Dad. »Jungs, während die Formen ein wenig abkühlen, möchte ich, dass ihr zum Brunnen geht und so viele Eimer Wasser holt, wie nötig sind, um das Fass zu füllen. Wir brauchen das Wasser zum Kühlen der Außenseite des Schwerts, sobald wir die Zusammensetzung und Form perfekt hinbekommen haben.«
Die nächsten 30 Minuten lang liefen die Jungen hin und her, füllten Eimer um Eimer und kippten das Wasser in das Fass. Als sie fertig waren, befand Dad, das Metall wäre kühl genug. Mit Hammer und Zange brach er die Gussform um die Teile der Schwerter weg, dann erhitzte er beide im Ofen. Sobald der Stahl die richtige Temperatur erreicht hatte, zog er ihn heraus und hämmerte ihn zu einer immer breiteren Form. Wenn das Material abkühlte, schob Dad es zurück in den Ofen, um die Temperatur wieder zu erhöhen. Nach einiger Zeit hatte er die Klinge flachgeklopft und zu einer U-Form gefaltet.
Als Nächstes zog er das rotglühende Schmiedeeisen aus dem Ofen und fügte es in das U des Stahls ein. Dann schlug er auf die Teile, um sie zu geschichteten Lagen aus Metallen zu schmieden.
Ryan erkannte die Arbeitsschritte, die sein Vater durchführte – er hatte gesehen, wie Meister in Japan Schwerter geschmiedet hatten. Allerdings erstaunte ihn, wie gut sein Vater es beherrschte. Er schien der geborene Schmied zu sein.
Als Dad mit dem Formen und Klopfen fertig wurde, strich er eine Mischung aus Lehm und Holzkohlepulver auf die Schneide der Klinge. »So isolieren wir die Schneide, um sicherzustellen, dass einige Teile der Klinge schneller abkühlen als andere«, kommentierte er. Dann ergriff er die fertige Form des Schwerts und legte sie zurück ins Feuer.
»Sloane, kannst du die Tür schließen?«, fragte er. »Ich brauche Dunkelheit.«
Sloane tat, wie ihr geheißen.
»Warum brauchst du Dunkelheit?«, wollte Aaron wissen.
»Weil das Schwert eine bestimmte Farbe annehmen soll, bevor ich mit dem Härten der Außenkante beginne. Wenn es zu heiß ist, könnte der Stahl brechen. Wenn es zu kalt ist, härtet es nicht richtig aus. Am besten lässt sich die Temperatur anhand der Farbe beurteilen. Und zum Einschätzen der Farbe von heißem Metall eignet sich Dunkelheit.«
Nur das Knistern des Ofens war zu hören, während alle den Blick Augen auf das Schwert gerichtet hielten. Die Farbe wechselte von Rot über Orange zu Weiß. Schließlich hob Dad das Metall mit der Zange an und tauchte es in das Fass mit Wasser. Dampf stieg explosiv auf und zischte so lange, dass sich Ryan fragte, ob das Geräusch je enden würde. Aber schließlich kehrte Stille ein, und Dad bat Sloane, die Tür wieder zu öffnen.
»Hat es geklappt?«, fragte sie.
Das wischte sich über die Stirn. »Mal sehen.«
Er steckte die Zange ins Fass und zog das Schwert heraus. Es erwies sich als unversehrt. Dad spähte die Länge der Klinge hinab und lächelte.
Mit beschwingten Schritten ging er zur Schleifscheibe und begann, die Klinge zu schärfen. Funken flogen. Und zehn Minuten später lehnte sich Dad zurück. »Jetzt kommt der letzte Schritt.«
Er ging zu einem Regal hinüber, das eine Reihe von Steinen enthielt. »Die hier nennt man Honsteine«, erläuterte er. »Man benutzt sie, um eine Klinge auf höchste Schärfe zu schleifen.«
Die nächsten 30 Minuten lang bearbeitete Dad das Schwert mit den Steinen. Als er fertig war, probierte er die Schneide an seinem Daumen aus, ritzte sich dabei und schaute lächelnd auf.
Wie sich herausstellte, gab es noch einen zusätzlichen Schritt. Dad ergriff Bänder aus Rohleder und umwickelte den Griff damit. Nach dem Abbinden war er fertig. Er wechselte das Schwert von einer Hand in die andere und grinste sichtlich zufrieden.
»Ist es jetzt fertig?«, fragte Aaron.
»Es ist fertig.«
»Und wird die Schneide halten?«, fragte Ryan.
Dad zuckte mit den Schultern. »Es gibt nur einen Weg, das rauszufinden.«
Damit ging er voraus nach draußen zu einem Stapel Holzscheiten neben der Schmiede. Er griff sich einen von oben, stellte ihn hochkant auf und hieb mehrfach mit dem wunderschönen neuen Schwert darauf ein. Mit nur wenigen flinken Streichen zerhackte die Klinge das Holz. Danach spaltete Dad zwei weitere Scheite. Anschließend überprüfte er die Schneide erneut mit dem Daumen.
Er zuckte zusammen, als ein Blutstropfen aus seinem Daumen quoll. »Immer noch sehr scharf«, verkündete er und steckte sich den Daumen in den Mund.
Alle jubelten.
Dad wickelte das Schwert in eine Lederschürze. »Also gut, lasst uns aufräumen. Ich denke, damit als Geschenk kann ich zumindest beginnen, Throll zu vergelten, was er alles für uns getan hat.«
Sloane entfuhr ein spitzes Quieken. »Du darfst es nicht einfach verschenken! Das wäre verrückt!«
»Sobald ich dazu komme«, sagte Dad, »wird mein nächstes Geschenk ein ähnlich gefertigter Dolch für dich, Liebes.«
Sloane trat einen Schritt zurück und wirkte erst, als wollte sie erneut protestieren – dann jedoch setzte sie stattdessen ein breites Lächeln auf. Dankbarkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben.
* * *
Ryan half seinem Bruder und seinem Vater beim Aufräumen. Dabei unterlief ihm ein so dummer Fehler, dass er ihn die Hand – wenn nicht sogar das Leben – hätte kosten können.
Er beobachtete seinen Vater und bewunderte den Ausdruck von Stolz und Kompetenz in seinem Gesicht. Der Mann fühlte sich hier wirklich zu Hause. Er war tatsächlich ein Schmied, obendrein ein guter.
Allerdings ließ sich Ryan ablenken, was in einer Schmiede nie ratsam ist. Als er nach der Zange griff, ohne hinzuschauen, packte er sie versehentlich am falschen Ende. Er hörte das Zischen seiner Haut fast im selben Moment, in dem sein Gehirn den Schmerz registrierte. Aber bevor er aufschreien konnte, schoss eine Explosion blendend greller Elektrizität aus seiner Hand, floss durch die Zange und sprang in einem Bogen auf den Hammer über, den sein Vater hielt, und schlug ihn aus seiner Hand. Es geschah innerhalb eines Lidschlags mit so donnernden Nachwehen, dass es in Ryans Ohren klingelte. Ehe er wusste, wie ihm geschah, lag er mit dem Rücken auf dem Boden.
»Was ist da ... gerade ... passiert?«, fragte Aaron.
Ryan schüttelte den Kopf. »Ich bin so dumm. Ich hab mich an der Zange verbrannt. Dabei muss ein Funke von ihr weggesprungen sein.«
»Ryan«, sagte Dad, »das war kein Funke. Das war ein Energieblitz . Es ist von der Zange direkt auf mich zugeschossen.«
»Das ist nicht von der Zange ausgegangen«, merkte Aaron an. »Sondern von Ryan .«
Alle Blicke hefteten sich auf Ryan.
Sloane brach das Schweigen: »Äh ... Jared ... Sieh dir mal deinen Hammer an.«
Alle schauten auf den Boden, wo der Hammer gelandet war. Im Wesentlichen wirkte er unverändert ... nur schimmerte er mit einem bläulich-weißen Licht. Dad kniete sich hin und streckte behutsam die Hand danach aus, weil er fürchtete, er könnte heiß sein. Aber anscheinend spürte er nichts, denn gleich darauf schloss er die Finger um ihn und hob ihn auf. Er drehte den Hammer in den Händen.
Mit ernster Miene drehte er sich Sloane zu. »Sloane, bitte behalt das für dich. Dein Vater hat uns gewarnt, dass jeder Anschein von ... na ja, irgendetwas Ungewöhnlichem unerwünschte Aufmerksamkeit erregen würde.«
Sloane schnaubte. »Natürlich. Wofür hältst du mich denn? Für ein Klatschweib?«
Ryan bemerkte, dass seine Mutter nachdenklich wirkte. »Ma? Was ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Mir ist nur ein Gedanke gekommen. Du kannst das. Und wir haben gesehen, was Aaron kann. Also ... Jared, kann ich mir mal deinen Daumen ansehen? Wo du dich geschnitten hast?«
Mit neugieriger Miene streckte Dad ihr die Hand hin.
Ma fand den Schnitt, legte die Finger darauf und schaute drein, als würde sie sich konzentrieren.
»Was machst du da?«, wollte Dad wissen.
Ma hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie schloss die Augen. Nach einem Moment schwankte sie leicht. Genau wie am Vortag, als sie Ryans Wunde versorgt hatte. Dann richtete sie sich auf – und lächelte.
»Schau dir den Daumen an«, forderte sie ihren Ehemann auf.
Dad tat es, und seine Augen wurden groß. Ryan und Aaron drängten hin, um ebenfalls einen Blick darauf zu werfen.
Keine Spur von einem Schnitt.
Ryan sah seine Mutter an. »Du auch?«
»Sieht so aus. Jetzt gib mir deine Hand.«
Ryan streckte die verbrannte Hand aus. Es hatten sich bereits Blasen daran gebildet. Seine Mutter bedeckte die Brandwunde mit den Fingern, konzentrierte sich intensiv und schwankte wieder.
Schließlich öffnete sie die Augen, betrachtete Ryans Hand und klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen. »Sieh nur, Jared! Ich hab’s geschafft!«
Ryans Hand war vollständig verheilt.