3. Die dunkle Seite des Glücks
E
s war spät am Vormittag, als das Ehepaar aufstand. Sandra Baumgartner wuschelte durch ihr Haar und fühlte sich wie gerädert. Sah so der Morgen nach einer Hochzeitsnacht aus? Irgendwie hatte sie sich das anders vorgestellt. Romantischer und mit mehr Einfühlungsvermögen. Wo war der Kerl, den sie kennengelernt hatte und der ihr ewige Treue schwor? Sollte sie sich in ihm derart getäuscht haben? Hatte Manfred ihr etwas vorgemacht? Hätte sie es merken müssen? Ach
, tat sie letztendlich die merkwürdige Nacht ab. Sicher sind mit ihm nur die Pferde durchgegangen. Eine besondere Situation verlangt nach einer besonderen Vorgehensweise. Bestimmt war er ebenso überwältigt wie ich. Immerhin heiratet man nicht jeden Tag.
Ihr nachdenkliches Gesicht ließ Manfred fragen: »Gestern Nacht hast du mir bewiesen, dass du meine Frau bist. Siehst du, am Ende hat es dir doch Spaß gemacht. Hättest dich weniger zieren müssen. Ich wusste, dass du es ebenso willst.«
Frau Baumgartner verzog ärgerlich die Lippen. »Ein wenig einfühlsamer hättest du aber sein können. Ich fühle mich wie durch den Wolf gedreht.«
Er gab ihr im Stillen recht und kam zu einer Entscheidung. »Heute Abend lasse ich dich in Ruhe, versprochen. Dann bist du am Wochenende wieder fit.«
Sandra nickte stockend. »Gestern Nacht dachte ich noch, ich wäre im siebten Himmel. Hättest du es nicht langsamer angehen können?«, meinte sie scherzhaft, um das Thema zu beenden.
»Wie bitte? Bist du etwa nicht auf deine Kosten gekommen?«, fuhr er sie aufgebracht an, mit dem Blick, den sie abgrundtief hasste, weil er nichts Gutes verhieß.
»Schatz, es war nicht so gemeint«, ging sie liebevoll auf ihn ein.
Sein Kehlkopf wanderte auf und ab und sie spürte, wie er innerlich kochte. »Du blöde Kuh, da gibt man sich Mühe und bekommt einen Vorwurf nach dem anderen an den Kopf geknallt. Zum Dank sollte ich es dir gleich noch mal besorgen.« Mit hasserfüllten Augen starrte er sie an. »Hast Glück, wir müssen bis 13 Uhr auschecken.«
Wie kann man da von Glück reden, wenn ich mich von nun an ständig vor dir in Acht nehmen muss?,
grübelte sie und schluckte im Inneren.
»Was ist?«, bluffte er sie an. »Jetzt, wo die Fronten geklärt sind, werden wir eine harmonische Ehe führen. Wirst sehen.«
»Sicher hast du recht«, stimmte sie ihm zu, ohne an ihre Worte zu glauben.
»Gut, lass uns packen und das kleine Malheur vergessen«, meinte er selbstsicher und gefiel sich in der Rolle des Überlegeneren.
Zurück in seinem Haus, das nun auch das ihre war.
Den Koffer hatte er ihr noch ins Schlafzimmer getragen und war danach im Badezimmer verschwunden. Er musste duschen, hatte er gesagt, weil er müde war und den Rest des Tages vor dem Fernseher verbringen wollte, statt mit ihr spazieren zu gehen. Immerhin sei man aus dem Teenageralter heraus, als dass man mit Süßholzraspeln die Zeit totschlage. Zudem hatte sie nach dem verlängerten Wochenende doch wohl genügend im Haushalt zu tun, wie die Wäsche erledigen, kochen und sich um den Kleinen kümmern, den die Oma zurückgebracht hatte. Ihren Unmut hatte er nicht einmal bemerkt.
Gegen Abend gesellte sie sich dann müde zu ihm auf die Couch, nachdem alles erledigt war. »Ich glaube, heute werde ich nicht alt. Ich bin völlig erschlagen«, sagte sie und gähnte, während er schnaufte, was sie als Zustimmung empfand und dem ein »Lass uns zu Bett gehen« folgte.
Nachdem sie ebenso unter der Dusche verschwunden war, wozu ihr bislang keine Zeit geblieben war, legte sie sich zu ihm. »Schlaf gut«, hatte sie ihm sagen wollen, als sie auch schon sein »Hast du nicht etwas vergessen« vernahm und ihm daraufhin verunsichert einen Kuss auf den Mund drückte.
»Das ist alles?«, entgegnete er barsch.
»Ich glaubte, du seist müde«, bemerkte sie kleinlaut und ahnte, was ihr bevorstand.
»Na ja, ein bisschen fummeln geht immer«, knurrte er.
»Och, Schatz können wir das nicht auf morgen vertagen?«
Er bäumte sich auf. »Verdammt, ich nahm an, das wäre geklärt«, begann er, seine Stimme zu erheben, die an Lautstärke gewann. »Wie soll man ein guter Ehemann sein, wenn du dich ständig auflehnst. Mach gefälligst einmal mit.«
Wieso gibt er keine Ruhe? Man kann nicht jeden Tag miteinander schlafen. Andererseits, wenn ich ihn nicht besänftige, wird der Kleine wach. Warum muss das Kinderzimmer direkt nebenan liegen? Besser ich tue ihm den Gefallen. Vielleicht sollte ich mich ändern. Er hat ja auch seine guten Seiten.
»Tut mir leid. Ich gebe mir künftig mehr Mühe, versprochen.«
»Gute Entscheidung. Wenn jeder meiner Mitarbeiter etwas anderes wollte als ich, wäre ich längst pleite. Gibt nur einer den Ton an, funktioniert es. Wirst sehen, wir raufen uns zusammen.« Er stoppte kurz. »Und jetzt zieh das blöde Nachthemd aus, versteh gar nicht, wie man das im Bett tragen kann.«
Sie tat, was er verlangte. Alles andere hatte keinen Zweck.
Er betrachtete ihren schmalen Körper, die wohlgeformten Brüste sowie ihr rasiertes Dreieck und schien wieder besserer Laune. Den Moment genießend, geriet er in Stimmung und legte sich triumphierend auf sie. Der Gedanke, dass er sie geehelicht hatte und ihr erstes Aufbegehren im Keim erstickt worden war, brachte ihm den gewünschten Effekt. Sein Blut kam in Wallung und staute sich an einer Stelle. Demzufolge drang er in sie ein, packte sie am Haar und nahm sich, wonach ihm der Sinn stand. Ihr Wehklagen deutete er als Lust und das schmerzverzerrte Gesicht als Zeichen seiner Männlichkeit. Lauthals ergoss er sich in ihr und fiel danach wie eine vollgesaugte Zecke von ihr ab.
Kurz darauf drehte er sich von ihr weg und begann lautstark zu schnarchen, während sie eine Weile mit offenen Augen neben ihm lag.
Am nächsten Tag
Sie hatte sich den Montag freigenommen, da sie sich ein wenig Erholung gönnen wollte. Zudem war sie zum Mittagessen mit der Freundin verabredet. Nachdem sie den Kleinen zu Fuß in den Kindergarten gebracht hatte, ging sie zum Bäcker um die Ecke und kaufte sich Brötchen für das Frühstück. Endlich hatte sie Zeit für sich. Ihr Ehemann war früh aufgestanden und in seine Firma gefahren. Darüber hinaus war sie froh, sich dem Alltag zu widmen, denn unter der Woche war er zu beschäftigt, um etwas von ihr zu wollen.
Die kommenden Stunden bis mittags sollten ihr gehören. Niemand würde sie stören. Vielleicht nahm sie ein Buch zur Hand, gönnte sich ein heißes Bad oder schaute Fernsehen. Dinge, zu denen sie sonst kaum Zeit hatte. Und so war der Entschluss für ein Vollbad schnell gefasst, welches sich wunderbar mit einem Schmöker verbinden ließ. Sich vom warmen Nass umhüllen lassen, bis die Finger schrumpelig wurden, hatte sie sich schon lange nicht mehr gegönnt. Der Blick zur Uhr verkündete ihr vier Stunden Auszeit. Zeit für sich, die sie sich nahm und die sie in der Badewanne einschlafen ließ, bis sie plötzlich ihren Gatten vor sich stehen sah, der sie mit lüsternen Augen fixierte.
Ihr lautes »Och, mit dir habe ich gar nicht gerechnet« tat er mit einem sanftmütigen Lächeln ab. »Das denke ich mir. Ich dachte, es wäre schön, wenn wir ein paar Stunden für uns hätten. Du holst Elias doch erst gegen 14 Uhr aus der Kita.«
Das »Ja« kam leise über ihre Lippen, weil sie nun ihre Pläne über den Haufen werfen musste. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich verabredet hatte und Manfred ihr dazwischenfunkte. Meist hatte sie nachgegeben, um dem Ärger aus dem Weg zu gehen.
»Was meinst du, soll ich zu dir kommen oder …?«, fragte er sich mit der Hand über die Stirn fassend, da das Klima im Badezimmer dem einer Sauna glich.
Aber Sandra hatte längst beschlossen, die Wanne zu verlassen, weil sie schwitzte. Ihr Vorsatz, eine halbe Stunde zu dösen, war ebenso hinfällig geworden wie das Mittagessen mit der Freundin. Wusste er davon? Hatte er sich etwa wieder an ihrem Taschenkalender zu schaffen gemacht? Immerhin wäre es nicht das erste Mal gewesen.
»Reichst du mir bitte das Handtuch«, meinte sie stattdessen und setzte sich langsam auf. Schaum hatte sich auf ihren Bauch gelegt, den sie behutsam wegwischte.
»Wie du meinst. Dann eben nicht«, zischte er gereizt.
»Sorry, so war das nicht gemeint. Mir ist es zu warm, außerdem habe ich Durst. Was hältst du davon, wenn ich uns eine Flasche Sekt öffne? Geh schon mal ins Schlafzimmer.«
Obwohl sich Sandra noch immer wie durch den Fleischwolf gedreht fühlte, war sie sich bewusst, dass sie ihre Ehe am Leben erhalten wollte. Weitere Ausflüchte waren da fehl am Platz. Und jetzt bot sich eine Gelegenheit. Immerhin mochte Manfred halterlose Strümpfe und hochhackige Schuhe sowie einen Push-up-BH, der die Brüste praller wirken ließ.
Zunächst aber öffnete sie die Sektflasche und beschloss, sich ein Glas zu gönnen. Das Getränk verhalf zur Lockerheit, die jetzt dringend vonnöten war. Nachdem die Wirkung eingesetzt hatte, zog sie sich raffiniert an, was aufgrund eines gewissen Vorrates an hübscher Wäsche leicht zu bewerkstelligen war. Sie entschied sich für ein schwarzes Outfit und stolzierte mit High Heels ins Bad, um sich ein sinnliches Make-up zu verleihen. Danach betrat sie das Schlafzimmer, in dem Manfred nackt auf dem Bett lag und sie mit großen Augen betrachtete. »Du schaust fantastisch aus.« Er richtete sich auf und winkte sie herbei. »Siehst du, ich wusste, dass du mich verstehst.«
Sandra stolzierte auf ihn zu und übergab ihm ein Glas, das sie anstandslos befüllte. »Auf uns, Liebster, und auf ein paar schöne Stunden.«
Für ihn klangen die Worte wie eine Befreiung. Ungestüm riss er sie an sich, küsste sie voller Inbrunst, ohne daran zu denken, dass ein Vorspiel angebracht gewesen wäre. Er vergaß alles um sich herum, drückte ihren Körper mit Gewalt aufs Bett, schob sich zwischen ihre Schenkel, bis er in sie eindrang und wie ein wild gewordener Stier nahm.
Sandra war außer sich, doch sein Griff war hart, sodass sie sich dem nicht entziehen konnte. Immer wieder unterbrach er sein Tun, keuchte laut und begann von Neuem, während sie begonnen hatte, alles um sich herum zu vergessen, in der Hoffnung, dass es bald vorbei sei.
Von sich überzeugt, dass auch sie es nicht anders gewollt hatte, ließ er von ihr ab. Er trank einen Schluck Sekt, um ihr dann zu sagen, dass er immer davon geträumt hatte und man es alsbald wiederholen sollte. Im Anschluss zog er sich an, küsste sie und meinte, dass er in zwei Stunden wieder daheim sei. Genügend Zeit zum Anziehen, den Jungen aus dem Kindergarten zu holen und Manfred mit freudigem Lächeln zu empfangen. Jedoch nicht ausreichend für eine Verabredung mit der Freundin.
Sandra fühlte sich wie gelähmt, sie konnte weder aufstehen noch weinen. Alles in ihr war taub. Die Hochzeit, die am Freitag derart prächtig begonnen hatte, war für sie nunmehr zum Albtraum geworden.
Es war Mitte September und das Wetter noch immer sommerlich warm. Wie gerne wäre Frau Baumgartner mit der Freundin spazieren gegangen, stattdessen blieb sie daheim, lüftete die Betten und begann, das Abendessen vorzubereiten. Lediglich fünfzehn Minuten hatte sie dem Sohn gegönnt, verbunden mit dem Spaziergang zur Kita und zurück.
Ebenso hatte sie die Handynachricht ihres Mannes sofort beantwortet, was ihn zufrieden stimmte genauso wie das Fußballspiel am Abend. Er war beschäftigt und verlor jedes Interesse an ihr. Zudem wurde das Spielende erst gegen 22.30 Uhr erwartet. Für gewöhnlich fiel er danach müde ins Bett. So wie jetzt, sodass ihr Zeit zum Nachdenken blieb. Jedoch die Minuten, die sie sich darauf konzentrieren konnte, waren rar wie das Glück, das an ihr vorbeigegangen zu sein schien. Allmählich kam sie sich wie eine Gefangene vor. Entweder sie schickte Manfred zum Teufel oder sie trachtete ihm nach dem Leben. Da sie weder finanziell dazu in der Lage war noch imstande, einen Mord zu verüben, entschied sie sich für den Mittelweg. Augen zu und durch. Wer hätte ihr schon geglaubt? Hatte der eigene Mann sie am Mittag vergewaltigt? Oder hatte er sie nur härter rangenommen? Wie hätte sie dagestanden, wenn sie jemandem davon erzählt hätte? Niemand würde ihr Glauben schenken. Möglicherweise hätte man sie sogar beneidet. »Sein Sie froh, wenn er Sie liebt.« Beziehungsweise: »In der Ehe ist nun einmal nicht alles hundertprozentig.« Oder: »Was genau werfen Sie ihm vor? Sie haben ihn doch erst animiert. Mit Reizwäsche am Mittag, was denken Sie wohl, wie sich das für einen Außenstehenden anhört? Ne meine Liebe, Ihr Mann scheint ganz normal zu ticken. Lassen Sie ihm das Vergnügen. Ich wünschte, ich könnte meine Frau mal so richtig, Sie verstehen schon, was ich meine …?«, hörte sie irgendwelche Leute in ihrem Inneren sagen.
Über ihren Gedanken schlief sie ein, ohne dass Manfred etwas von ihr wollte.
Tags drauf war sie zufrieden, wieder in ihrem Alltag zu sein. Der Job wurde für sie zur Bastion, in die er nicht eindringen konnte. Hier fühlte sie sich vor ihrem Gatten sicher. Dennoch war sie stets angreifbar, immer dann, wenn er sie per WhatsApp kontaktierte. Jeder Piepton einer eingehenden Nachricht ließ sie aufschrecken und verstohlen auf das Display schauen. Heute aber schien ein guter Tag zu sein, auch deshalb, weil die Kollegen ihr mit einem riesigen Blumenstrauß gratulierten.
Die restliche Zeit verbrachte sie mit Schreiben von Mailnachrichten, die während ihrer Abwesenheit unbeantwortet geblieben waren. Dabei bemerkte Sandra nicht einmal, wie rasch sie verflog, sodass ein pünktliches Gehen unmöglich wurde, und demzufolge eine unverschämte Nachricht von Manfred folgte.
Na mal wieder Überstunden? Sicher mit deinem Chef.
Als Sandra das las, war sie wie gelähmt. Was sollte sie antworten? Tat sie es nicht, musste sie mit einer weiteren Frechheit rechnen.
Ich komme gleich nach Hause. Es ist leider viel liegen geblieben.
Das küssende Smiley fügte sie widerwillig an. Wie sie es hasste, sich erklären zu müssen, für etwas, das völlig normal war.
Wie gewohnt parkte sie ihren Wagen direkt vorm Haus. Dass der Gatte bereits daheim war, war unschwer zu erkennen, weil sein Audi im Carport stand. Sandra schloss die Haustür auf, stieg mit flauem Gefühl die Treppe empor und öffnete die Tür, hinter der er wartete und sie mit hasserfüllten Augen anstarrte.
»Tut mir leid, Schatz. Aber es ging nicht früher«, war der Satz ihrer Entschuldigung, den er mit »Was heißt hier, es ging nicht früher?« zurückschmetterte. »Schon vergessen, um 18 Uhr sollte das Essen auf dem Tisch stehen. Es ist halb sechs. Und kochen sollst du auch noch. Du bist eine beschissene Hausfrau. Siehst ja, dass sich Beruf und Haushalt nicht vereinbaren lassen. Ich verdiene genug. Das reicht für uns. Kündige und kümmere dich um die Familie. Und deine Freundinnen musst du eh nicht jede Woche sehen.«
Sandra wollte sich rechtfertigen, doch Manfred fuhr ihr über den Mund, indem er zu verstehen gab, dass alles gesagt sei, und wandte sich von ihr ab. »Soll ich etwas beim Italiener bestellen?«, fragte sie dennoch.
Manfred stoppte sofort und drehte sich ihr zu. »Gehts noch. Wozu habe ich dich geheiratet. Ne, das fangen wir gar nicht erst an. Zieh dich um und schwing deinen Hintern gefälligst in die Küche. Essen wir halt später. Kennst jetzt meine Meinung. Außerdem habe ich keine Lust, mich jeden Tag aufzuregen.«
Der Gedanke an einen Notgroschen schlich sich in ihren Kopf, denn irgendwie fühlte sich das alles nicht so an, wie es sollte. Meine Arbeit aufgeben? Niemals. Was bleibt mir dann noch? Am Ende besitze ich nichts mehr und bin ihm ausgeliefert. Andererseits muss ich mir viel mehr Mühe geben. Wenn ich ihn immer erzürne, brauche ich mich nicht wundern, dass er derart reagiert. Er hat ja recht. Ich werd’s ihm sagen.
Als sie das Wohnzimmer betrat, lief der Fernseher. Manfred lag auf der Couch und sah auf sein Mobiltelefon.
»Hatte ich nicht gesagt, du sollst dich ums Essen kümmern?«, gab er garstig zur Antwort.
Sandra setzte sich zu ihm. »Ja geht gleich los. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leidtut und dass ich künftig früher komme. Was hältst du von Lasagne?« Während sie das sagte, legte sie die Hand auf die seine und sah, wie ein Foto einer nackten Frau auf dem Handy aufpoppte. Sie ignorierte es, um die Stimmung nicht weiter zu vermiesen.
»Gute Idee.« Er zog sie zu sich und gab ihr einen Kuss. »Na bitte geht doch.«
Wieso schaut er sich Nacktfotos an? Ach, das machen andere Männer auch. Soll er ruhig.
Manfred errötete bis unter den Haaransatz. Hatte sie etwas bemerkt? Immerhin war er seit Tagen auf diversen Sexportalen unterwegs. Und jetzt, da er verheiratet war, wollte er endlich seine Interessen wahrnehmen, für die er allerdings nur als Paar in Erscheinung treten konnte. »Was die Leute einem alles schicken«, lautete die Entschuldigung, die sie mit einem leisen Zischen entgegennahm.
Sandra verließ das Wohnzimmer, ihr rannte die Zeit davon und mit seiner Unterstützung war nicht zu rechnen.
Nachdem das Essen zu Manfreds Zufriedenheit gekocht war, er es sich hatte schmecken lassen, verschwand er wie gewohnt vor dem Fernseher und schaute sich irgendwelche Sendungen über Automobile an. Kurz nach zwanzig Uhr hatte seine Frau ebenso Zeit, bis sie irgendwann gegen zehn sein Stupfen spürte, weil sie vor Müdigkeit eingenickt war. Sein Tonfall war dementsprechend gereizt. »Ich geh schlafen. Hast den ganzen Abend verpennt.«
Sie zuckte zusammen. Die Angst, er wollte noch etwas von ihr, ließ sie aufstehen. Doch heute war ein guter Abend, da er sie, erstmals seit Tagen nicht behelligte und dies mit Schnarchen signalisierte. Nachdem sein Sägen gleichmäßig geworden war, atmete sie tief durch und drehte sich von ihm weg. Endlich kam sie zur nötigen Erholung.