Feuerengel veranstalten theatralische Feuerwerke am Heiligen Sitz des Herrn im Himmel
Es ist früh am Morgen, und ich gehe in einen nahegelegenen Bagel-Laden, um ein Omelett zu essen. Beim Eintreten sehe ich ein Gemälde an der Wand, ein bunt bewegtes Bild, das die biblische Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten in das Land Israel vor Tausenden von Jahren darstellt. Auf diesem Gemälde tragen die Israeliten interessanterweise Schtreimel und andere chassidische Kleidungsstücke und sind alle männlichen Geschlechts. Und ja: Auch Moses der Gesetzgeber trägt hier einen Schtreimel.
Wer, der noch bei Verstand ist, glaubt, dass die Israeliten, die später Juden hießen, in Schtreimel aus Ägypten auszogen? Gute Frage. Eine andere gute Frage ist: Wer, der noch bei Verstand ist, glaubt, in Mea Schearim gebe es »nicht ein Kind, das nicht [sexuell] missbraucht wurde«?
Fazit: Man muss kein Charedi sein, um ein Idiot zu sein. Man kann hochgebildet und säkular sein und trotzdem an Bobe-Majße, Ammenmärchen, glauben.
Was mich betrifft, so gehe ich nach meinem Omelett zu Reb Betzalel, einem Mann, dem nachgesagt wird, dass er die gan239ze mystische Welt und all ihre Engel kennt. Reb Betzalel wurde in den Vereinigten Staaten ausgebildet und lebt jetzt mit seiner Frau und seinen Kindern in Jerusalem, wo er den Großteil seiner Zeit dem Thorastudium widmet.
Seine Wohnung im dritten Stock eines Wohnhauses ist spärlich mit Tischen, Stühlen und einem Bücherregal eingerichtet. Auf dem Wohnzimmertisch stehen speziell für meine Wenigkeit Muffins, Erdnusskekse und Getränke bereit. Seine kleinen Kinder spielen mit ihren Spielsachen, und seine Frau backt in der Küche Challot.
Wie jeder weiß, löst der Duft von Challot, die in einer jüdischen Wohnung gebacken werden, in Menschen das Bedürfnis aus, über Gott zu diskutieren, und genau das tun wir auch.
Das Erste, was man über Den Namen wissen muss, erklärt mir Reb Betzalel, ist der Atsmuth Des Namens, sein Wesen. Darüber hinaus offenbart sich Der Name selbst auf verschiedene Weisen. Es beginnt mit dem Or En Sof, dem Licht des Unendlichen, das die erste Offenbarung Gottes ist. Sie und ich existieren, unterrichtet er mich, Gott hingegen existiert nicht. Gott, erläutert er, ist das Wahre Sein; Er ist das Wesen, die wahre Existenz.
Das ergibt für mich nicht viel Sinn, aber genau so sagt er es, und für ihn ergibt es jede Menge Sinn.
Die Welt, in der wir leben, sagt er, wenn ich ihn richtig verstehe, ist Olam Asija, die Welt des Herstellens. Über ihr steht Olam Jezira, die Welt der Formung, in der die Engel leben. Darüber befindet sich Olam Beria, die Welt der Schöpfung, wo die Seelen sind. Und darüber ist Olam Aziluth, die Welt der Emanation, mit dem Heiligen Sitz des Herrn. Zusammengenommen: vier Welten.
Mich interessiert Jezira, wo die Engel leben. Wer sind die Engel?, frage ich. Chayot und Ophanim Hakodesch, antwortet er. Diese Wörter lassen sich unterschiedlich übersetzen, etwa in Tiere und Heilige Räder, Lebendige und Heilige Zyklen und so weiter, aber wie auch immer die Übersetzung lautet, viel schlauer werde ich nicht aus ihr.
240Ein Engel, führt er weiter aus, ist etwas vom Namen Geschaffenes, eine Offenbarung Seiner selbst. Aziluth ist die Weise, wie Er Sich offenbart. Ein Engel ist etwas, das eine Erkenntnis der Wahrheit Gottes hat, und sein ganzes Wesen besteht darin, dass er mit Gott eins werden will, er will aufhören zu existieren. Wie sieht ein Engel aus?, frage ich den Mann.
Wie es in der Bibel heißt, antwortet er mir, haben Engel Flügel und Augen.
Wo steht das in der Bibel?
Nun, da ist er sich nicht sicher.
Was haben Engel noch außer Flügeln und Augen?
Weiß er nicht.
Hat ein Engel einen Bris? Benutzt ein Engel iPhones? Trägt ein Engel einen Schtreimel? Kann man einen Engel anschauen, oder wird man dann in Versuchung geführt, wie wenn ein Mann eine schöne Lady ansieht? Leiden alle charedischen Engel da oben unter sexuellem Missbrauch? Mögen Engel Gefilte Fisch? Trinken Engel lieber Cola Zero oder Pepsi Max? Gibt es einen Tisch im Himmel, an dem ein Rebbeengel und 1000 Goldene Engel, die ihn betrachten, Lokschen-Kugel lecken? Heiraten Engel untereinander? Haben Engel Heiratsvermittler? Trägt ein Engel weiße Socken oder schwarze Socken? Dienen Engel ihren Betten? Tun sie es im Dunkeln? Kann ich mich in ihre Schlafzimmer schleichen, um zu sehen, wie sie es tun? Ist ein durchschnittlicher Engel ein Chassid oder ein Litwak?
Das sind nur einige der Fragen, die mir durch den Kopf gehen. Wird irgendjemand mir helfen, sie zu beantworten?
Reb Betzalel versucht es. Er zieht ein Buch nach dem anderen aus dem Regal, um die Antworten zu finden, aber von ihnen ist weit und breit keine Spur. Frustriert lassen wir uns von Google helfen, der Frucht der Erkenntnis unserer Tage. Dort lesen wir die magischen Wörter: Buch Hesekiel.
Reb Betzalel reicht mir das Buch Hesekiel, und dort steht:
Und mitten darin war etwas wie vier Wesen; die waren anzusehen wie Menschen.
241Und jedes von ihnen hatte vier Angesichter und vier Flügel.
Und ihre Beine standen gerade, und ihre Füße waren wie Hufe von Stieren und glänzten wie blinkende, glatte Bronze.
Und sie hatten Menschenhände unter ihren Flügeln an ihren vier Seiten; die vier hatten Angesichter und Flügel.
Ihre Flügel berührten einer den andern. Und wenn sie gingen, brauchten sie sich nicht umzuwenden; immer gingen sie in der Richtung eines ihrer Angesichter.
Ihre Angesichter waren vorn gleich einem Menschen und zur rechten Seite gleich einem Löwen bei allen vieren und zur linken Seite gleich einem Stier bei allen vieren und hinten gleich einem Adler bei allen vieren.
Und ihre Flügel waren nach oben hin ausgespannt ; je zwei Flügel berührten einander, und mit zwei Flügeln bedeckten sie ihren Leib.
Immer gingen sie in der Richtung eines ihrer Angesichter; wohin der Geist sie trieb, dahin gingen sie; sie brauchten sich im Gehen nicht umzuwenden.
Und in der Mitte zwischen den Wesen sah es aus, wie wenn feurige Kohlen brennen, und wie Fackeln, die zwischen den Wesen hin und her fuhren. Das Feuer leuchtete, und aus dem Feuer kamen Blitze.
Und die Wesen liefen hin und her, dass es aussah wie Blitze.
Als ich die Wesen sah, siehe, da stand je ein Rad auf der Erde bei den vier Wesen, bei ihren vier Angesichtern.
Die Räder waren anzuschauen wie ein Türkis und waren alle vier gleich, und sie waren so gemacht, dass ein Rad im andern war.
Alles in allem: ziemlich schaurige Geschöpfe. Keine Schtreimel, keine Socken welcher Art auch immer, keine Spur von Gefilte Fisch und kein Duft nach Challot. Und kein Heiratsvermittler in Mea Schearim, Gott ist mein Zeuge, wird in einer Million Jahren versuchen, einen passenden Partner für irgendjemanden zu finden, der aussieht, »wie wenn feurige Kohlen brennen«. Vergiss es einfach.
Wie kann es sein, fragen Sie sich vielleicht, dass ein gelehrter Mann wie Reb Betzalel, der in mystischen und kabbalistischen 242Texten bewandert ist, nichts vom Buch Hesekiel weiß, der Grundlage der jüdischen Mystik schlechthin?
Weil das Buch Hesekiel ein Teil der Bibel ist, eines verbotenen Textes.
Ich weiß es aus eigener Erfahrung. Ich habe an einer Jeschiwa studiert, und an der Jeschiwa haben wir den Großteil der Bibel nie gelesen, geschweige denn studiert. Das Buch Hesekiel haben wir, wie die meisten anderen Bücher der Bibel, nicht einmal aufgeschlagen. Genauso wenig wussten wir, dass Hesekiel den rabbinischen Weisen zufolge ein Abkömmling der biblischen Prostituierten Rahab war. Rahab war denselben Weisen zufolge eine der vier schönsten Frauen der Welt. Sie war so sexy, sagt der Talmud, dass ein Mann sofort ejakulierte, wenn er nur »Rahab, Rahab« sagte.
Einzuräumen, dass die Weisen solche Dinge schrieben, wo doch die charedischen Religionsführer vor langer Zeit vorschrieben, dass die Wörter »Prostituierte« und »ejakulieren« verboten seien und niemals ausgesprochen werden dürften, ist für die charedische Denkungsart die Grundlage aller Blasphemie. Als ich studierte, war die Lektüre eines Buches wie Hesekiel verboten. Ja, wir verwendeten Wörter wie Chayot und Ophanim Hakodesch im Gebet, weil sie im jüdischen Gebetbuch stehen, ohne dass wir eine Ahnung gehabt hätten, was sie bedeuteten. Für uns hätten Chayot auch so etwas wie wilde sephardische Mädchen und Ophanim Hakodesch ein Mercedes mit einer Mesusa sein können.
Das Fazit lautet also, so seltsam es klingen mag: Dieselben Leute, die geschworen haben, ihr Leben der Thora zu widmen, ob sie Litwakim sind oder Chassidim, haben keine Ahnung, was in der Thora steht.
Als wir seinerzeit den Talmud studierten und den Traktat Kidduschin durcharbeiteten, lasen wir, dass ein Mann eine Frau durch den Akt des Biah heiraten kann. Biah meint hier Beischlaf, allgemein aber bedeutet das Wort an sich Kommen. Da niemand es mir anders erklärt hatte und ich damals noch nichts über Patricia wusste, war Biah in meiner Vorstellung der Akt, an die Tür 243einer Frau zu klopfen. Ich konnte es mir bildlich vorstellen. Ich sah mich an eine Tür klopfen, hinter der ein Mädchen lebte, und neun Monate später würde ich ein Baby haben. Und so achtete ich darauf, an keine einzige Tür zu klopfen, um nicht mit 13 verheiratet zu sein und mit 14 Vater zu werden.
Wenn ich heute daran denke, muss ich darüber lachen, was für ein naiver Junge ich war.
In diesem Moment kommt Reb Betzalels Sohn mit einem winzigen Challa aus der Küche, das vielleicht so viel wiegt wie eine normale Scheibe Brot, und ich frage ihn, ob ich es ihm abkaufen kann. Für 100 Schekel (ca. 25 Euro), entgegnet er, wäre er bereit, sich von seinem Challa zu trennen. Ich zücke den Geldbeutel, er überreicht mir das Challa, das teuerste Challa, das ich je besessen habe.
Vielleicht ist er so naiv, wie ich es in der Frage des Anklopfens war, aber er ist zweifellos auf dem Weg, ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann zu werden.
Werden charedische Rabbis es ihren Schülern je erlauben, das Buch Hesekiel zu studieren? Höchstwahrscheinlich nicht. Die Charedim malen im Rahmen ihrer Lehre ein Bild des Himmels, in dem die Rechtschaffenen, oft sehr alte Rabbis, im Garten Eden, also im Himmel neben Dem Namen sitzen, die Thora studieren und Psalmen zu Seiner Ehre rezitieren. Das entspricht 244nicht der Darstellung im Buch Hesekiel. Das Gericht Des Namens im Himmel, wie es dort beschrieben wird, ist geprägt von Gewalt, Macht und Feuer, ein Ort, der einen eher an einen Luftwaffenstützpunkt oder ein U-Boot-Geschwader denken lässt als an eine Jeschiwa oder Schul, während die meisten charedischen Rabbis ihre Studenten anweisen, sich dem Dienst in der israelischen Armee unter allen Umständen zu entziehen. Der Name, sagen sie ihnen, liebt Buchseiten, keine Feuershows, nur dass die Bibel ganz andere Vorstellungen hat.
Nun ist es nicht an mir, diesen Leuten zu sagen, was sie glauben und wie sie ihr Leben führen sollen. Sie sagen, dass Gott Seiten liebt, also werde ich mich ihnen anschließen und mit ihnen Buchseiten studieren.