Die glücklichsten Männer kriegen einen Happen vom Heiligen Gefilte
Am Freitagabend treffe ich mich mit anderen Gästen des Aristocrat-Hotels zum Sabbatmahl. Sehen Sie nur, sehen Sie sich die charedischen Frauen und ihre Töchter an, und wie sie gekleidet sind! Glitzernde Samtkleider, mit goldenem Futter und rosafarbenen Blumen, wie europäische Prinzessinnen aus längst vergangenen Zeiten, und alle haben eine perfekte Figur. Wie machen sie das nur? Auf keinem französischen Filmfestival findet man eine so fantastisch gekleidete Schauspielerin! Sie sehen absolut hinreißend aus, diese verführerischen charedischen Ladys, und ich frage mich, ob ihre Rabbis nicht durch die schiere Existenz dieser Mädels verrückt werden.
Das Essen ist übrigens köstlich. Chassidische Spitzenküche, wie sie einem selbstverliebten Aristokraten geziemt, und davon reichlich. In meiner Kindheit war koscheres Essen ziemlich schlecht, aber die koschere Lebensmittelindustrie hat sich seither enorm weiterentwickelt, und ich liebe jeden einzelnen Bissen davon.
Echt.
Nachdem ich mir den Magen vollgeschlagen und Loblieder auf den Sabbat gesungen habe, gehe ich zusammen mit Tausenden von Vizhnitzer Chassidim zum Tisch des Rebbes von Vizhnitz. Die Gemeindevorsteher haben die Straße, die zur Schul führt – und wie alle Straßen in Bnei Brak am Sabbat für den Autoverkehr gesperrt ist –, mit Trennwänden zweigeteilt: Die eine Seite der Straße ist für die Männer, die andere für die Frauen. Wenn Männer und Frauen auf der Straße dieser heiligen Gemeinde unterwegs sind, dürfen Männer, der Herr schütze uns, weder das Gesicht noch den kleinen Finger einer Frau sehen.
509Ich weiß nicht, ob ich das vor Ihnen ausbreiten soll, und würde es öffentlich natürlich niemals zugeben, aber ich nehme mir die Zeit, die kleinen Finger der ultrarechtschaffenen Vizhnitzer Ladys ausgiebig zu studieren. O mein Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde, diese kleinen Finger sind die sinnlichsten, reizendsten, sexysten und romantischsten kleinen Finger der Welt! Wenn der Messias auch nur einen halb so mächtigen kleinen Finger hat wie diese chassidischen Ladys, wird er eine Million toter Juden pro Sekunde auferwecken können. Das schwöre ich.
Ich begebe mich zum Tisch und den heiligen Vizhnitzer Chassidim.
Sie singen, und die Glücklichsten unter ihnen erhaschen sogar ein paar Krümel Schirajim, Essensreste. Ich bin so neidisch auf sie. Zwischen zwei Liedern hält der Rebbe eine Rede, von der allerdings niemand ein Wort versteht, mit Ausnahme der wenigen Auserwählten direkt neben ihm. Er redet und redet und redet, und niemanden hier scheint es zu kümmern, dass er seinen Rebbe nicht hören kann. Das erinnert mich an den Slonimer Rebbe am Vorabend von Jom Kippur. Ein Chassid bietet mir einen Schluck aus einer großen Flasche Mineralwasser an, während der Rebbe vor sich hinmurmelt, und als ich mich auf Jiddisch bedanke, verliebt er sich gleich in mich. So ein Jiddisch, sagt er, ich müsse wohl ein heiliger Mann sein.
Sein Opa und mein Opa, nehme ich an, sind sich gerade begegnet.
Dieser Chassid ist ein Glückspilz, da er nunmehr zwei Männer hat, die ihn beschützen, den Rebbe und meine Wenigkeit.
O Gott, ich habe meinen Beruf verfehlt. Ich hätte Rebbe werden sollen.
Die Vizhnitz-Lieder, die bei diesem Tisch gesungen werden, sind heilige jüdische Weisen, die die jüdische Seele mit ihrem Ursprung im Himmel vereinen, wie mir ein Chassid erklärt, und ich frage mich: Wer hat sie komponiert? Moses der Gesetzgeber, König David, Patriarch Abraham? Es gibt kein chassidisches Ju510dentum ohne chassidische Musik, wie jedes Kind weiß, aber wer hat sie begründet?
Chaim Banet, mit dessen Musik ich aufgewachsen bin, dürfte der produktivste Komponist chassidischer Musik der vergangenen Jahrzehnte sein, vielleicht kennt er die Antwort. Der gebürtige Rumäne lebt in Haifa und hat sein Studio in Bnei Brak. Seine Kompositionen sind im Stil der alten Vizhnitzer Melodien gehalten, und auch er ist ein Chassid von Vizhnitz (Seret-Vizhnitz, um genau zu sein). Über seinen Sohn Ruvi, den Manager von Motty Steinmetz, mache ich einen Termin mit ihm in den nächsten Tagen aus und hoffe, dass er mich aufklären wird.
Wie klein die Welt ist. Motty hat mich überhaupt erst auf die Idee gebracht, in Vizhnitz diesen chassidischen Hof und seine Musik zu erleben. Und hier bin ich und versuche, das größte jüdische Musikgeheimnis zu ergründen.