Kimi wurde leicht. Das Gefühl glich der Schwerelosigkeit, die sie kannte, aber es betraf ihre Gedanken. Sie schwebte, von allem befreit, das sie belastet hatte. Es war ein außerordentliches Glück. Aber wieso jetzt schon? Die Sorgen kamen schneller zurück, als es ihr lieb war. Sie hätte diesen Zustand gern ausgekostet, doch wenn der Übergang in den Hyperraum gescheitert war, würden Iks und Mendrak sterben.
»Du hast es geschafft, Kimikizu«, sagte Alexa. »Die dreitägige Beschleunigungsphase ist vorüber. Die Sphäre wird gleich den Hyperraumtunnel öffnen.«
Drei Tage? Das war unmöglich. Niemand konnte diesen Schmerz drei Tage lang ertragen. Doch warum sollte Alexa sie belügen?
»Der Übergang wird schmerzfrei sein«, sagte Alexa. »Aber ich kann dir nicht sagen, wie genau er für dich ablaufen wird. Jedes Bewusstsein verarbeitet ihn anders. Es liegen noch keine Erfahrungen mit Iks oder Mendrak vor.«
Der Hyperraum. Sie hatte keinerlei Vorstellung davon. Die Iks hatten noch nicht einmal eine allgemein akzeptierte Theorie entwickelt, in der er eine Rolle spielte. Und doch war er real. Wie sah er aus? Schade, dass sie jetzt nicht zusehen konnte, wie sich der Tunnel in der Raumzeit öffnete. Sie stellte sich den Eingang als Strudel vor, wie er am Grund einer Wanne entsteht, wenn man nach dem Bad den Sand ablässt. Aber es musste wohl schwarzer Sand sein. Oder glühte er? Hoffentlich zeichnete Alexa den Vorgang auf, und sie konnten nach der Ankunft mit eigenen Augen sehen, was passiert war. Nein, nach der Ankunft wartete eine andere Aufgabe auf sie.
Plötzlich riss etwas an ihr. Trat das Schiff jetzt in den Hyperraum ein? Sie befand sich mitten in einem Sturm. Eine mächtige Strömung blies ihre Gedanken von ihr weg. Sie hatte ihr nichts entgegenzusetzen. Die Hülle, die ihr Bewusstsein zusammengehalten hatte, löste sich auf. Sie versuchte dagegenzuhalten, griff nach ihren Gedanken, fügte sie zu Bildern zusammen und machte sie an Erinnerungen fest. Aber auf die Erinnerungen war kein Verlass. Sie blähten sich auf, wuchsen zu grotesken Formen. Eben war sie noch ein Elefant, jetzt eine Qualle, und gleich wurde sie zum Grippevirus.
Ihr Zustand veränderte sich so schnell, dass sie vergaß, wer sie gewesen war. Sie hätte ein Sack voller Bitterkartoffeln sein können, aber der Stoff des Sackes hatte sich aufgelöst, und sein Inhalt hielt sie nur noch zusammen, weil er nicht bemerkt hatte, dass es dafür keinen Grund gab. Kurz war sie ein Ichthyo. Nein, sie erinnerte sich an ihre frühere Gestalt: zwei Beine, zwei Flügel, zwei kurze Arme und ein langer Schnabel. Doch sie war auf einen mächtigen Stachel aufgespießt, und ein heißes Gas verbrannte all ihr Fleisch und all ihre Gedanken, bis nur noch ein dürres Gerippe übrig war.
Der Stachel löste sich auf. Ihre Knochen fielen klappernd herunter und bildeten einen lockeren Haufen, der dem Wind kaum noch Widerstand entgegensetzte.
Dann erwachte sie. Sie hatte Kopfschmerzen, aber hatte sie einen Kopf?
»Wir sind durch«, sagte Alexa. »Moment.«
Ein Moment, das klang gut. Momente waren kürzer als Tage, wenn sie sich recht erinnerte.
»Die Instrumente haben gerade bestätigt, dass wir das Krungthep-System erreicht haben. Im Hyperraum haben wir 11.227 Lichtjahre zurückgelegt.«
Sie waren also weit von der Heimat entfernt. Sehr weit. Was war mit den Artificials?
»Unsere Geschwindigkeit liegt im Moment knapp unter der Lichtgeschwindigkeit. Ich muss dir sicher nicht sagen, was das bedeutet.«
Das Schlimmste stand ihnen also noch bevor. Wie hatte sie das bis jetzt verdrängen können? Die Sphäre musste genauso lange bremsen, wie sie im Sonnensystem beschleunigt hatte.