Die ersten Blumen des Todes erblühen

Das All schien in Flammen zu stehen. Tausende von Raumtorpedos rasten mit annähernd halber Lichtgeschwindigkeit auf ihre Ziele zu, wurden von ECMs abgelenkt und vorzeitig zur Explosion gebracht, von Plasmalanzen, Laserwerfern oder Railgun-Geschossen im Anflug zerstört oder zerschellten an hochenergetischen Schutzschirmen, an denen ihre tödliche Fracht in einer grellen Explosion, aber wirkungslos verpuffte. Gleichzeitig feuerten die Schiffe mit ihren Energiegeschützen aufeinander, deren Strahlenbahnen gleißende Spuren durch das Weltall zogen. Dutzende explodierender Raumschiffe – vor allem aufseiten der Verteidiger – ließen im Sekundenabstand riesige, rötlich-gelbe Blumen des Todes aufleuchten, die ebenso schnell wieder verblühten und durch neue ersetzt wurden.

Die Choreografie des Todes besaß eine perverse Schönheit, wie Fleetadmiral Marty Joorthan sich eingestehen musste, während er den Schlachtverlauf anhand der Darstellung im Holotank und auf dem großen Holoschirm an der Stirnseite der Brücke verfolgte, dessen Bild von den Außenkameras der Genia gespeist wurde. Dabei kam es zu dem verwirrenden Effekt, dass die Kameras aufgrund der riesigen Entfernungen, über die sich die Front hinzog, einen großen Teil des Geschehens nicht in Echtzeit, sondern teilweise mit mehreren Sekunden Verzögerung einfingen. Die schematische Abbildung im Holotank hingegen beruhte auf dem Input der überlichtschnellen Taster und Scanner. So kam es, dass Fleetadmiral Joorthan die Explosionswolke eines im Holotank als gerade eben vernichtet ausgewiesenen Schiffes erst ein paar Sekunden später auf dem Holoschirm beobachten konnte.

Er schüttelte resignierend den Kopf.

Die Verluste seiner Geschwader waren immens und er konnte sich leicht ausrechnen, dass die Schlacht nicht nur bereits verloren war – das hatte von Beginn an festgestanden –, sondern auch deutlich schneller vorüber sein würde, als er gehofft hatte. Die Evakuierungsschiffe würden wesentlich weniger Zeit haben als gedacht, um weitere Kolonisten aufzunehmen und mit ihnen aus dem System zu entkommen.

Inzwischen war auch deutlich geworden, wie die Taktik der Artificials aussah und warum sie vor den Schiffen der Generäle Alexya Koppa und Chen Hong zurückgewichen waren, die trotz hoher eigener Verluste unverdrossen weiter angegriffen hatten. Die Artificials hatten die beiden Geschwader immer weiter von der Verteidigungslinie weggelockt, um sie dann durch ein plötzliches Manöver umgehen zu können. Man konnte ein Raumschiff nicht auf der Stelle wenden wie einen Bodengleiter. Bei Geschwindigkeiten von etlichen Prozent der Lichtgeschwindigkeit dauerte es bis zu mehreren Stunden, den Kurs um 180 Grad umzudrehen. Die Flugvektoren der Angreifer zielten hingegen bereits grob in Richtung des Planeten und sie hatten nur leichte Kursänderungen und Bremsmanöver durchführen müssen, um die Verteidiger von Krungthep wegzulocken. Als sie dann plötzlich beschleunigt und wieder auf ihren ursprünglichen Kurs eingeschwenkt hatten, war es den Schiffen von General Chen Hong nicht möglich gewesen, ihnen zu folgen. Generalin Alexya Koppa war nicht ganz so blauäugig gewesen. Sie hatte eine Finte geahnt, als die Artificials trotz ihrer offensichtlichen Überlegenheit einem längeren offenen Schlagabtausch aus dem Weg gegangen waren und mit Ausweichmanövern versucht hatten, ihr Geschwader dazu zu veranlassen, sich immer weiter von Krungthep zu entfernen. Deshalb hatte sie nach kurzer Zeit ihren Schiffen den Befehl erteilt, umzukehren und wieder die ursprüngliche Verteidigungsstellung einzunehmen.

Trotzdem war es einem großen Teil der Angreifer gelungen, auch an Generalin Koppas Einheiten vorbeizukommen und die andere Hälfte ihrer Flotte beim Angriff auf die gestaffelte Abfangstellung der Geschwader der Generäle Hooloor und Fallok sowie Klauter und Roschi, der 'siamesischen Zwillinge', zu unterstützen.

Alexya jagte den Artificials mit den ihr verbliebenen Schiffen unter Maximalbeschleunigung hinterher. Es spielte keine Rolle, ob die Energiemeiler und Triebwerke dabei massiv überlastet und beschädigt werden würden, denn es spielte keine Rolle, in welchem Zustand ein Triebwerk in dem Moment war, in dem das Schiff in einem Feuerball explodierte.

Das Kräfteverhältnis an der Front entwickelte sich mit jeder verstreichenden Minute zuungunsten der Verteidiger. Selbst Alexyas dazustoßende Einheiten machten keinen großen Unterschied.

Fleetadmiral Marty Joorthan saß hilflos in seinem Kommandosessel und musste mit ansehen, wie seine Flotte aufgerieben wurde.

Heute schloss sich der Kreis, der vor langer Zeit mit der ersten Niederlage gegen die Artificials begonnen hatte.