Wien, Pension am Gürtel
Ich kann das nicht.
Julia saß in ihrem Pensionszimmer vor dem Laptop und starrte auf die leere Seite auf dem hell erleuchteten Bildschirm.
Es war höchste Zeit, ein paar Zeilen zusammenzubringen, doch je länger ihre Finger bewegungslos auf der Tastatur verharrten, desto weniger fühlte sie sich in der Lage, an irgendetwas oder irgendjemand anderen zu denken als Natalia.
Sie fühlte sich mies, weil sie ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte – und zugleich als Journalistin unfähig. Wie sollte sie je etwas in Erfahrung bringen, wenn sie nicht reinen Wein einschenkte und direkt danach fragte? Zugleich glaubte sie noch immer, Natalias intensive Blicke zu spüren. Julia ahnte, dass es damit schlagartig vorbei wäre, sobald sie ihre wahre Identität offenbart hätte.
Wut auf Egle machte sich in ihr breit: Was bildete sich der eigentlich ein? Er saß im fernen Hamburg und bastelte sich eine Geschichte zusammen, die sie im Grunde nur bestätigen sollte! Sie aber wollte nicht irgendetwas über Natalia schreiben, nur weil Egle das sich so ausgedacht hatte, sondern sich auf Anima Theodorescu und Arian Tabor konzentrieren, die eigentlichen Hauptfiguren des Dramas.
Als sie sich das noch einmal richtig bewusst machte, wusste sie, wohin ihr nächster Weg sie führte: ins Landeskriminalamt.