Kapitel 8

 

Gracen

 

Als es an der Tür klingelt, werfe ich schnell einen Blick in den Ofen. Meine Quiche wird bereits schön braun, also drehe ich das Gas ab, bevor ich durch das Esszimmer zum Eingang gehe.

Ich öffne die Tür und erblicke Josie. Sie hält eine Flasche Wein in der einen und eine Tüte Hershey’s Kisses in der anderen Hand.

„Ich muss schon sagen, dein Wein und deine Schokolade sehen wesentlich verlockender aus als die Quiche, die ich im Ofen habe“, bemerke ich trocken und lasse sie herein.

Josie tritt lachend ein und zwinkert mir zu. „Eine Quiche klingt wunderbar. Dazu trinken wir den Wein, und die Schokolade essen wir zum Nachtisch.“

„Gute Idee“, stimme ich grinsend zu und gehe voraus in die Küche.

„Wo ist Lilly?“, fragt Josie, stellt die Mitbringsel auf die Anrichte und setzt sich auf einen der Hocker an der L-förmigen Kücheninsel.

„Sie macht gerade Mittagsschlaf“, sage ich, während ich die Quiche aus dem Ofen hole. „Ich habe sie schon etwas früher ins Bett gebracht, damit wir Zeit für uns haben.“

Ich habe mich riesig gefreut, als Josie mich heute unerwartet angerufen hat, kurz nachdem Marek wie ein begossener Pudel abgezogen war, um einem seiner Mannschaftskameraden zu helfen.

Ja, er ist mit eingezogenem Schwanz abgehauen, denn er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er mich vorschnell verurteilt hatte. Aber ich ließ es auf sich beruhen, da ich wusste, dass er kaum etwas von Kindererziehung versteht. Während Lilly ihre Pfannkuchen aß, grübelte ich bei einer Tasse Kaffee über Mareks Wut und Verachtung und versuchte, das alles mit der Tatsache zu vereinbaren, dass er mich gestern Abend verführen wollte.

Josie war eine willkommene Ablenkung. Sie fragte mich, ob ich mit ihr zu Mittag essen wolle, also lud ich sie hierher ein, da ich ein Quiche-Rezept kreiert hatte, das ich ausprobieren wollte. Es enthält Spinat, Ziegen- und Feta-Käse, und ich hoffe, es schmeckt.

Auf jeden Fall duftet es gut.

„Es gibt eine freie Stelle in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite“, sagt Josie aus heiterem Himmel, und mir fällt fast die Quiche aus der Hand. Ich platziere sie auf dem Herd, lege die Topflappen auf die Anrichte und wende mich ihr zu, als sie fortfährt: „Sie suchen zwar keine Schwester für die Säuglingsstation, aber für die Entbindungsstation. Bisher wurde der Posten noch nicht einmal öffentlich ausgeschrieben, doch die Mitarbeiter wurden informiert, falls sie persönlich jemanden empfehlen können.“

„Okay“, bemerke ich zögerlich.

„Falls du interessiert bist, würde ich dich gern empfehlen“, erklärt sie.

„Aber warum?“, platze ich heraus und trete an die Kücheninsel, die Josie und mich voneinander trennt. „Du kennst mich doch gar nicht.“

„Das ist wahr“, räumt sie mit einer abwinkenden Handbewegung ein. „Vielleicht sollte ich dich zuerst fragen, ob du überhaupt an einem Job hier interessiert bist. Und wenn ja, bist du qualifiziert?“

„Natürlich bin ich qualifiziert“, antworte ich mit einem Lächeln. „Obendrein habe ich ausgezeichnete Referenzen. Mein Vorgesetzter hatte überraschenderweise Verständnis dafür, dass ich so schnell und unerwartet abreisen musste, also mache ich mir darüber keine allzu großen Sorgen. Aber ich bin mir nicht sicher, wie ich deine erste Frage beantworten soll. Ich kann dir nicht sagen, ob ich interessiert bin.“

„Weil das bedeuten würde, dass du dich darauf einstellst, dauerhaft hier zu bleiben“, vermutet Josie.

Damit liegt sie verdammt richtig. Trotzdem halte ich mich bedeckt. „Es wäre ein Neuanfang für mich.“

Josie mustert mich einen Augenblick, doch dann zeigt sie mit einem Nicken auf die Quiche. „Hast du vor, die anzuschneiden? Ich bin am Verhungern.“

Für einen Moment bin ich verwirrt, fange mich aber gleich wieder. „Ja, natürlich. Ich hole nur schnell die Teller.“

Sofort schlüpfe ich in die Rolle der Gastgeberin und serviere zwei perfekt geschnittene Stücke Quiche. Als ich nach Gabeln in der Schublade rechts von mir greife, fragt Josie: „Willst du dann hierbleiben?“

Wenn es nach mir ginge, ja.

Wenn es nach Owen ginge, nein.

Ich habe so viel Zeit damit verbracht, über diese Frage nachzudenken, dass ich wie aus der Pistole geschossen antworte: „Ich denke schon. Aber ich will meine eigene Wohnung mieten. Das Zusammenleben mit Marek wird auf lange Sicht nicht funktionieren.“

„Verhält er sich nach wie vor wie ein Arschloch?“, fragt Josie und sticht mit der Gabel in ihre Quiche. „Denn ich kann Reed …“

Ich schüttle den Kopf und hebe die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten. „Nein, das ist nicht nötig. Er ist zwar immer noch wütend auf mich, aber er hat sich schon wieder etwas beruhigt. Ich kann es fühlen.“

„Wo liegt dann das Problem? Schließlich wäre es eine Sorge weniger, wenn du nicht deine eigene Unterkunft finden und Miete bezahlen musst.“

Ich schüttle erneut den Kopf. „Darum geht es nicht. Es ist nur …“

Ich verstumme, weil ich die Worte nicht einmal aussprechen will.

Aber Josie reißt die Augen auf, als hätte sie gerade eine Erleuchtung gehabt. Dann beugt sie sich über die Kücheninsel und flüstert: „O mein Gott. Du hast auch heute noch Gefühle für ihn, nicht wahr?“

Vor Scham lasse ich den Kopf hängen. Dann begegne ich ihrem Blick und gestehe: „Ich hatte immer Gefühle für ihn, selbst als ich ihn dafür verachtet habe, dass er mir das Herz gebrochen hat. Seine erste Liebe vergisst man nicht einfach.“

„Und nun hat das Schicksal euch beide wieder zusammengeführt, obwohl die Umstände alles andere als ideal sind“, sinniert sie laut, als würde sie versuchen, verschiedene Puzzleteile zusammenzufügen.

„Aber das alles ist nicht von Bedeutung“, sage ich hastig, um sie davon abzuhalten, weiter auf das Thema einzugehen. „Marek wird mir nie verzeihen, dass ich Lilly vor ihm verheimlicht habe. Außerdem ist er ein Frauenheld. Er ist zwar bereit, seiner Tochter ein Vater zu sein, doch mehr als unsere Pflichten als Eltern werden wir nie gemeinsam haben. Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er keine feste Bindung will, weil er seine Freiheit viel zu sehr schätzt.“

„Ich weiß nicht recht“, murmelt Josie und schüttelt den Kopf. „Du hättest ihn sehen sollen, als er erfahren hat, dass du heiraten willst. Er ist total ausgeflippt. Ich glaube, er hat noch Gefühle für dich.“

„Das ist unwichtig“, behaupte ich standhaft und weigere mich, diese Möglichkeit überhaupt in Erwägung zu ziehen. Im Moment ist ohnehin alles in der Schwebe, da Owen Sand ins Getriebe streut und erwartet, dass ich in ein paar Wochen wieder in New York bin. „Alles hat sich geändert, nachdem er herausgefunden hat, dass ich Lilly zur Welt gebracht habe, ohne es ihm zu verraten.“

Allerdings … hätte er mich letzte Nacht fast geküsst.

Aber er war betrunken, Gracen.

Betrunken und dumm. Das ist alles.

„Wir sind doch Freundinnen, nicht wahr?“, fragt Josie und legt ihre Gabel beiseite.

Ich blinzle sie verwirrt an. „Äh … ja.“

„Also schön, dann werde ich mich jetzt einfach in deine Angelegenheiten einmischen. Wenn es dir unangenehm ist oder du das Gefühl hast, dass wir vielleicht gar keine so enge Freundschaft aufbauen können, lass es mich wissen. Ich kann meine Neugierde, wenn nötig, im Zaum halten.“

„Okay“, sage ich zögerlich.

„Ganz offen, von Freundin zu Freundin. Da steckt doch mehr hinter der Geschichte. Ich schwöre dir, dass ich es mit ins Grab nehmen werde, nicht einmal Reed werde ich davon erzählen. Aber was für eine Rolle spielt Owen bei der Sache?“

Ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen steigt. Sie hat mir sowohl ihre Freundschaft als auch einen Job angeboten, und nun fragt sie mich unverblümt nach Owen. Ich mag sie wirklich und glaube, dass wir gute Freundinnen werden können.

Ich überlege, ob ich mein Geheimnis für mich behalten oder ihr die ganze Wahrheit erzählen soll. Immerhin hat sie mir geschworen, es niemandem zu verraten. Ich will auf keinen Fall, dass Marek von meiner vertrackten Lage erfährt. Er denkt ohnehin, dass ich ein paar Schrauben locker habe, weil ich ihm Lilly vorenthalten habe.

Mit einem tiefen Seufzer steche ich mit meiner Gabel in die Quiche und schütte Josie mein Herz aus. „Owen hat mich erpresst, ihn zu heiraten.“

Ich begegne Josies Blick. Sie blinzelt mich mit großen Augen ungläubig an. „Ich habe keine Ahnung, was ich dazu sagen soll.“

„Du könntest mich als Idiotin bezeichnen, weil ich mich darauf eingelassen habe“, murmele ich, bevor ich den ersten Bissen von meiner Quiche nehme.

Ich stoße unwillkürlich ein leises Stöhnen aus. Verdammt, das schmeckt himmlisch. Das Rezept werde ich mir auf jeden Fall merken.

„Du bist keine Idiotin“, sagt Josie mit einer solchen Überzeugung, dass ich ihr fast glauben könnte. Aber nur fast.

Sie erhebt sich von ihrem Hocker und greift nach der Flasche Wein. „Wo ist der Korkenzieher?“

Ich zeige auf eine Schublade neben dem Spülbecken.

„Und die Gläser? Ein einfaches Glas reicht völlig. Wir brauchen keinen ausgefallenen Schnickschnack.“

Ich deute auf einen Schrank.

Josie kommt zurück an die Kücheninsel, entkorkt den Wein und schenkt uns ein. Nachdem sie einen großzügigen Schluck genommen hat, nickt sie mir zu. „Okay. Raus mit der Sprache.“

Ich lege meine Gabel beiseite und trinke ebenfalls einen Schluck Wein. Dann noch einen, nur um sicherzugehen.

„Alles ist so schnell außer Kontrolle geraten“, beginne ich. „Er hat mich zu einem Date eingeladen. Ich kannte ihn seit der Highschool. Damals hatte ich zwar nichts für ihn übrig, aber er schien erwachsen geworden zu sein. Er hat einen hochrangigen Job in der Bank, und ich dachte mir, warum eigentlich nicht? Ich war es leid, allein zu sein.“

Josie nickt mir verständnisvoll zu. „Süße, du weißt gar nicht, wie sehr ich das nachvollziehen kann, doch das ist eine andere Geschichte. Erzähl weiter.“

„Also bin ich ein paarmal mit ihm ausgegangen“, fahre ich niedergeschlagen fort. „Es war nett. Er war freundlich und aufmerksam, und er war gut zu Lilly. Es hat zwar nicht gefunkt, aber das war in Ordnung.“

„Er klingt verdammt langweilig“, murmelt Josie.

Dem kann ich leider nicht zustimmen, denn er war alles andere als langweilig. Vielmehr war er irritierend und einschüchternd. In seiner Gegenwart war ich stets auf der Hut.

„Meine Eltern haben bei der Bank, bei der sein Vater arbeitet, eine zweite Hypothek auf ihr Haus aufgenommen, um mein Studium zu finanzieren. Vor etwa einem Jahr ist mein Vater entlassen worden, und dann hat er sich am Rücken verletzt. Aus verschiedenen Gründen konnte er keine Arbeit finden, und als die Ersparnisse aufgebraucht waren, gerieten sie mit den Zahlungen in Verzug.“

„Lass mich raten“, wirft Josie wissend ein. „Owen ist eingesprungen und hat geholfen.“

„Sein Vater ist der Direktor der Bank. Zuerst wurde die Frist auf Bitte meiner Eltern um dreißig Tage verlängert. Dann noch einmal. Gleichzeitig hat Owen sich bei mir mehr und mehr ins Zeug gelegt. Er begann sogar, das Thema Heirat in unsere Gespräche einfließen zu lassen. Ich wollte ihn nicht heiraten, aber ich fühlte mich, als würde ich in einer Falle sitzen. Er ließ seine Beziehungen spielen, um meinen Eltern zu helfen, also habe ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Um genau zu sein, habe ich ihn hingehalten.“

Josie zieht die Augenbrauen in die Höhe, doch sie scheint mich nicht zu verurteilen, sondern betrachtet mich mit einem mitfühlenden Ausdruck im Gesicht. Mit einem Nicken fordert sie mich auf, fortzufahren.

„Irgendwann konnte ich ihn nicht länger hinhalten“, gebe ich zu. „Sein romantischer Antrag beinhaltete eine langatmige Diskussion darüber, dass die Familie seiner Frau sich in Zukunft um nichts mehr Sorgen machen müsse. Um die Andeutung zu untermauern, hat er meinen Eltern einen vorübergehenden Zahlungsaufschub gewährt. Ich wusste, dass meine Eltern alles verlieren würden, wenn ich nicht einwillige, seine Frau zu werden.“

„Was für ein Arschloch“, murmelt Josie.

„Mein Gott, ich war so dumm.“ Der weinerliche Unterton in meiner Stimme klingt selbst in meinen eigenen Ohren schmerzhaft. „Er liebt mich nicht, das weiß ich. Aber ich liebe ihn auch nicht. Ich hätte mich nie von ihm dazu drängen lassen dürfen. Meine Eltern hätten nie gewollt, dass ich mich für sie aufopfere, doch ich konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass sie ihr Haus verlieren könnten. Immerhin haben sie es riskiert, um mir meine Ausbildung zu finanzieren.“

„Warum hat er es getan?“, will Josie wissen. „Ich meine, du bist wunderschön, liebenswürdig und klug, also kann ich verstehen, dass er sich zu dir hingezogen fühlt. Aber warum will er eine Ehe erzwingen, die eindeutig nicht auf Liebe begründet ist?“

„Ich habe keine Ahnung“, antworte ich am Boden zerstört. Genauso niedergeschlagen bin ich jedes Mal, wenn ich vergeblich versuche, mich Owen zu entziehen. „Unsere Beziehung war bestenfalls lauwarm. Wir haben nicht einmal … äh … miteinander geschlafen. Ich konnte es einfach nicht tun, da ich mich sexuell nicht zu ihm hingezogen fühle. Also habe ich vorgegeben, warten zu wollen, bis wir verheiratet sind. Das ist doch furchtbar, nicht wahr?“

„In meinen Ohren klingt das, als wäre der Kerl fast besessen von dir“, sinniert Josie.

„Ich weiß es nicht. Da ich nun etwas Abstand zu ihm gewonnen habe, erscheint mir alles surreal. Ich erkenne mich selbst kaum wieder, weil ich kurz davorstand, mit jemandem vor den Traualtar zu treten, den ich nicht wirklich liebe.“

„Du hast es getan, um deine Eltern zu schützen“, erinnert Josie mich sanft.

„Sie wären so enttäuscht von mir, wenn sie wüssten, dass ich es nur ihretwegen getan habe.“ Ich hatte es ihnen nie gestanden.

Josie ergreift meine Hand und drückt sie beruhigend. „Wie sieht die Lage momentan für sie aus?“

„Owen hat mir zwei Wochen Zeit gegeben, um zurückzukommen. Er will die Hochzeit über die Bühne bringen und hat die Frist für den Hypothekenbrief erneut verkürzt.“

„Marek würde …“

„Nein“, sage ich mit einem energischen Kopfschütteln. „Er weiß nichts davon, und ich will, dass es so bleibt. Ich war dumm genug, mich auf dieses Fiasko einzulassen. Er hält mich ohnehin schon für verrückt, weil ich ihm Lilly verheimlicht habe. Noch mehr seiner herablassenden Bemerkungen kann ich einfach nicht ertragen.“

An Josies Blick kann ich erkennen, dass sie mir widersprechen will. Sie glaubt sicher daran, dass Marek ein gutes Herz hat, und will sich für ihn einsetzen. Vielleicht würde er tatsächlich anbieten, mir zu helfen, aber ich kann ihn nicht darum bitten. Ich habe kein Recht, etwas anderes von ihm zu erwarten, als dass er unserer Tochter ein guter Vater ist.

„Wie hoch ist die Hypothek?“, fragt Josie und scheint zu akzeptieren, dass ich nicht weiter auf Marek eingehen will.

„Fast fünfzigtausend“, antworte ich ihr und atme tief durch. „Und nun zurück zu deiner ursprünglichen Frage wegen des Jobs … Ja, ich bin interessiert. Wenn ich Geld verdienen würde, könnte ich möglicherweise eine Ratenzahlung mit der Bank aushandeln. Es wäre zwar nicht viel, da ich Miete bezahlen müsste und andere Ausgaben hätte, aber vielleicht könnte ich dadurch verhindern, dass wir in Zahlungsverzug geraten.“

„Das ist sicher ein vernünftiger Gedanke“, sagt Josie, doch ich kann an ihrem Tonfall erkennen, dass sie eine noch bessere Idee hat. „Du könntest auch weiter mietfrei hier bei Marek wohnen und ihn eure Lebenshaltungskosten übernehmen lassen. Dann hättest du mehr Geld, um die Hypothek abzubezahlen.“

„Ich weiß nicht, ob das klug wäre“, murmele ich und betrachte mein Weinglas.

„Warum nicht?“, fragt Josie entschlossen. „Solange er dir gegenüber nicht beleidigend ist, ist sein Zuhause ein angenehmes Umfeld für dich und Lilly. Hier habt ihr ein schönes Haus, und ihr seid sicher. Außerdem kann Marek dadurch mehr Zeit mit seiner Tochter verbringen. Dir würde es die Möglichkeit geben, deine Eltern aus ihrer misslichen Lage zu befreien, ohne dich an diesen Idioten Owen zu opfern oder Marek bitten zu müssen, die Hypothek abzubezahlen.“

Josies Argumente klingen verdammt vernünftig. Zum ersten Mal, seit ich hier in North Carolina bin, spüre ich, wie die Last auf meinen Schultern ein wenig leichter wird. Vielleicht gibt es tatsächlich eine Möglichkeit, wie ich mich Owen entziehen kann, ohne meinen Eltern zu schaden.

Ich begegne Josies Blick und verziehe die Lippen zu einem Lächeln. „Also ja, ich bin sehr an dem Job interessiert.“

„Wunderbar“, sagt Josie und nimmt ihr Weinglas. Sie streckt es mir entgegen, und ich stoße mit ihr an.

Nachdem ich einen Schluck getrunken habe, lache ich nervös. „Ich kann kaum glauben, wie viel leichter ich mich gerade fühle. Natürlich habe ich den Job noch nicht, aber zumindest habe ich einen Plan.“

„Das ist die richtige Einstellung“, erwidert Josie mit einem leisen Lachen. „Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen.“

Ich stelle mein Weinglas ab und wende mich ihr zu. Meine Belustigung erstirbt, und ich sage mit ernstem Tonfall: „Danke. Dafür, dass du ein offenes Ohr für mich hast und mir hilfst, Arbeit zu finden. Das ist mehr, als ich jemals von einer Freundin erwarten könnte, dich ich noch nicht lange kenne.“

Josies Augen strahlen Zuneigung aus. „Du und ich, wir haben viel gemeinsam. Ich weiß, wie es ist, verlassen zu werden und mit einem gebrochenen Herzen zu enden. Und ich weiß, wie belastend das ist.“

„Wie kommst du darauf, dass mir das Herz gebrochen wurde?“, frage ich neugierig. Ich habe ihr nichts von meiner Vergangenheit mit Marek erzählt.

„Das sehe ich“, murmelt Josie. „Oder liege ich etwa falsch?“

Ich schüttle den Kopf und schenke ihr ein trauriges Lächeln.

„Nun, ich weiß auch, dass der Schmerz verebbt, sobald der richtige Mann in dein Leben tritt.“

„Reed?“, rate ich.

„Ja“, antwortet sie und nickt. „Das ist eine interessante Geschichte, die ich dir erzählen werde, wenn wir die Schokolade verspeisen.“

Lachend wende mich wieder meiner Quiche zu und fühle mich so gut wie schon lange nicht mehr. „Abgemacht.“