Kapitel 18

 

Gracen

 

Marek atmet tief und gleichmäßig. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um sich aus dem Staub zu machen. Es beschämt mich, dass ich immer noch in seinem Bett liege. Zudem bringt es mich in Verlegenheit, dass ich meinen Kopf auf seine Brust gebettet und meinen Arm um seine Taille geschlungen habe. Als ich im Licht der Morgensonne erwachte, das unter den Jalousien hindurchschien, habe ich mich sofort dafür getadelt, dass ich überhaupt noch hier bin.

Dieses Stelldichein sollte eine einmalige Sache sein, auf die wir uns dank unseres betrunkenen Zustands eingelassen haben. Es beinhaltet jedoch nicht, dass wir uns im Bett aneinander kuscheln. Ich befürchte, er könnte wütend werden, wenn er mich beim Aufwachen hier vorfindet, und ich habe keine Lust, mir seinen Zorn zuzuziehen.

Marek hat die Arme zu beiden Seiten seines Körpers ausgestreckt, was bedeutet, dass offenbar nur ich die Nähe des anderen gesucht habe. Nachdem er mich gestern Abend in sein Schlafzimmer getragen hat, haben wir es noch zweimal miteinander getrieben und sind dann vor Erschöpfung eingeschlafen. Und irgendwann während der Nacht muss ich mich unbewusst an ihn geschmiegt haben.

Jetzt rolle ich mich auf die Seite.

Ich schaffe es, aufzustehen, ohne ihn zu wecken. Bevor ich gehe, werfe ich einen letzten Blick auf seinen perfekten nackten Körper. Marek hat den Kopf leicht zum Fenster gedreht, und seine Brust hebt und senkt sich gleichmäßig.

Ich schleiche mich ins Esszimmer und ziehe mir die Kleider an, die mir Marek gestern Abend hier ausgezogen hat. Ein heißer Schauer durchfährt mich, als ich mich daran erinnere, was er hier alles mit mir angestellt hat. Ich sammle seine Klamotten ein, falte sie und lege sie auf den Tisch. Ich werde sie später in seinen Wäschekorb werfen.

In der vergangenen Nacht hat Marek es wild mit mir getrieben und mich in verschiedenen Stellungen genommen. Mein zerzaustes Haar ist der Beweis dafür, doch dieses Problem werde ich mit etwas Spülung beheben können. Mir entfährt ein leises Seufzen bei der Aussicht auf eine heiße Dusche, die die Spuren der Leidenschaft abspülen wird. Danach werden wir beide wieder nur die Eltern von Lilly sein. Der Gedanke macht mich traurig, denn im Gegensatz zu ihm habe ich noch Gefühle für ihn.

Auf Zehenspitzen schleiche ich mich aus dem Esszimmer und durchs Wohnzimmer. Als ich an dem weißen Ledersofa vorbeikomme, das den Wohnraum vom Eingangsbereich trennt, sticht mir eine Bewegung zu meiner Linken ins Auge. Ich drehe mich zur Seite und werfe einen Blick durch die Glasscheibe an der Eingangstür. Mein Herz setzt einen Schlag aus, denn ich sehe, dass Owen gerade die Stufen der Veranda hinaufkommt.

Owen ist hier.

Eilig gehe ich zur Tür, bevor er anklopfen oder klingeln kann. In diesem Moment hebt er den Kopf und begegnet meinem Blick.

Er sieht nicht glücklich aus.

Ich öffne die Tür, trete auf die Veranda hinaus und ziehe die Tür hinter mir zu. Als der Bewegungsmelder, den Marek über dem Eingang angebracht hat, ein leises Klingeln auslöst, zucke ich zusammen. Zum Glück habe ich die Schlafzimmertür geschlossen, nachdem ich mich hinausgeschlichen habe. Er wird ruhig und selig weiterschlafen.

„Was tust du hier?“, zische ich wütend.

Er antwortet nicht, sondern mustert mich langsam von Kopf bis Fuß. Für einen Moment mustert er meine Brüste und kneift die Augen zu dünnen Schlitzen zusammen. Ich verschränke schützend die Arme vor dem Oberkörper.

Das scheint ihn zu amüsieren, denn er verzieht die Lippen zu einem Grinsen und begegnet meinem Blick. „Du reagierst weder auf meine Anrufe noch auf meine Nachrichten, Gracen. Was hätte ich sonst tun sollen?“

„Warum sollte ich deine Anrufe oder Nachrichten beantworten?“, blaffe ich, wobei ich die Stimme so weit wie möglich senke. „Ich habe dir gesagt, dass ich nicht zurückkomme. Die Hochzeit findet nicht statt.“

„Liebst du mich etwa nicht?“, fragt er spöttisch.

Statt ihm zu antworten, recke ich lediglich mein Kinn in die Höhe.

„Liebst du deine Eltern etwa nicht?“, knurrt er und tritt einen Schritt auf mich zu. „Oder hast du schon vergessen, dass ich die Macht habe, sie zu ruinieren?“

Mir wird übel. Leider habe ich seinen Worten nichts entgegenzuhalten, denn die Bank hat weder auf meine E-Mails noch auf meine Anrufe reagiert. Als ich die Hochzeit abgesagt habe, habe ich in Kauf genommen, dass ich sie dadurch im Stich lassen könnte, und nun bereue ich meine Entscheidung.

Doch es ist nicht unter meiner Würde, zu betteln. Ich werde Owen einfach anflehen, seinen Ärger nicht an zwei unschuldigen Menschen auszulassen, die unfreiwillig ins Kreuzfeuer seiner seltsamen und unbeständigen Besessenheit von mir geraten sind. Vielleicht hat er ja doch eine Seele.

Aber bevor ich mich erniedrigen kann, wird die Tür aufgerissen und Marek stürmt auf die Veranda. Er hat seine Shorts angezogen und den Reißverschluss geschlossen, sie jedoch nicht zugeknöpft. Seine Haare sind genauso zerzaust wie meine. Letzte Nacht habe ich mehrmals mit meinen Fingern darin gewühlt.

„Was zum Teufel hast du auf meinem Grundstück zu suchen?“, bellt Marek und baut sich vor mir auf, um mich vor Owen abzuschirmen.

„Ich hole mir mein Eigentum zurück“, erwidert Owen mit einem höhnischen Grinsen.

Ich habe nicht einmal Zeit, mich über seine Worte zu ärgern, denn Marek holt mit seiner rechten Faust aus und rammt sie Owen ins Gesicht. Ein klatschender Laut erfüllt die Luft, als Fingerknöchel auf Fleisch treffen und Owen durch die Wucht des Schlags in Richtung Eingangstür fällt. Marek packt ihn am Hemdrücken und wirbelt ihn in die entgegengesetzte Richtung. Dann verpasst er Owen einen Stoß zwischen die Schulterblätter, sodass dieser von der Veranda taumelt. Er verfehlt die erste Stufe, schafft es, mit einem Fuß auf die nächste zu treten, aber landet trotzdem mit rudernden Armen und dem Gesicht voran in einem Beet neben dem Gehweg. Dabei reißt er einen kleinen Azaleenbusch aus und rollt auf die Seite, bevor er wieder auf die Füße springt.

Owen ist gut in Form und hat den Körperbau eines Linebackers. Er ist etwas muskulöser als Marek, daher erwarte ich, dass er zurückkommen und auf ihn losgehen wird. Stattdessen reibt er sich vorsichtig das Kinn und lächelt Marek herablassend an.

„Jetzt weiß ich, wessen Eigentum sie ist“, stichelt Owen, bevor er mich mit einem verächtlichen Blick bedenkt. „Es ist nicht zu übersehen, dass ihr beide miteinander vögelt.“

Mein Gesicht läuft vor Verlegenheit hochrot an.

„Das ist nur recht und billig“, fügt Owen hinzu und schiebt sein Kinn vor uns zurück. „Sie war schon eine Schlampe, als du sie abserviert hast, aber jetzt ist sie noch eine schlimmere Schlampe.“

„Dafür wirst du bezahlen“, knurrt Marek und setzt sich in Bewegung. Sein Gesicht ist vor Wut so verzerrt, dass ich ihn kaum wiedererkenne.

Ich mache einen Satz auf ihn zu, stelle mich ihm in den Weg und presse meine Hände gegen seine Brust. Ich verlagere mein ganzes Gewicht nach vorn, um ihn zu bremsen, aber ich kann ihn nicht aufhalten. Er packt mich an den Schultern und schiebt mich einfach beiseite.

„Marek, bitte nicht“, murmele ich und schneide ihm erneut den Weg ab. Er starrt Owen über meinen Kopf hinweg an, und seine Augen funkeln unheilvoll. „Er ist es nicht wert.“

Für einen Moment rührt sich Marek nicht von der Stelle. Er hat den Blick auf Owen gerichtet und die Zähne so fest zusammengebissen, dass ich befürchte, sie könnten zerbrechen.

„Denk an die kommende Saison“, fahre ich mit sanfter Stimme fort. „Du willst dir doch keinen Ärger einhandeln.“

Ich ernte nichts als Schweigen. Seine Muskeln sind immer noch angespannt, während er Owen weiterhin mit einem hasserfüllten Blick fixiert.

„Marek“, flehe ich ihn an, doch er weigert sich, mich anzusehen. „Denk an Lilly. Ich will ihr nicht erklären müssen, warum ihr Daddy im Gefängnis sitzt.“

Sofort entspannt Marek sich und begegnet meinem Blick. In seinen Augen lodert zwar immer noch ein wütendes Feuer, aber es wird gedämpft von der Frustration darüber, dass er Owen nicht verprügeln kann.

Er atmet tief durch und nickt. Ich lasse meine Hände sinken und drehe mich zu Owen um.

Bevor ich etwas sagen kann, ergreift Marek das Wort. Sein Tonfall ist überraschend kühl und gefasst. „Verschwinde von meinem Grundstück. Und wenn ich dich noch einmal in der Nähe von Gracen oder Lilly erwische, dann wirst du es bereuen. Das kannst du mir glauben.“

Owen erwidert nichts; er wendet sich mir zu und grinst. Mit einer bedrohlichen Geste zeigt er direkt auf mich. „Als Tochter bist du eine Schande, Gracen. Richte Mommy und Daddy schöne Grüße von mir aus.“

„Fick dich, Owen“, knurre ich, als meine Wut die Oberhand über die Schuldgefühle gewinnt, die mich zu erdrücken drohen.

Ich hätte jedoch besser den Mund gehalten, denn Owen lacht erfreut und senkt seine Hand. Er schüttelt den Kopf und amüsiert sich über meinen Kampfgeist. „Ich kann nicht glauben, dass du deine Eltern so im Stich lässt, Gracen. Du bist alles andere als loyal.“

„Wovon zum Teufel redet er?“, will Marek mit gedämpfter Stimme wissen.

Aber ich ignoriere ihn.

Genauso wie Owen.

Ich kehre beiden Männern den Rücken zu und marschiere ins Haus. Mich durchströmen Wut, Ekel und absolute Hilflosigkeit. Ich habe das Gefühl, mich übergeben zu müssen, also eile ich die Treppe hinauf in mein Badezimmer.

Ich beuge mich über das Waschbecken, spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht und atme tief durch. Das war nicht nur die unangenehmste Konfrontation meines Lebens. Jetzt muss ich auch noch mit meinen Eltern reinen Tisch machen. Ich kann nichts weiter tun, als sie anzurufen und ihnen zu beichten, dass sie ihr Haus verlieren werden.

Zwar wussten sie nicht einmal etwas von meinem Versuch, es zu retten, aber möglicherweise können wir gemeinsam eine Lösung finden. Vielleicht können sie zur Bank gehen und eine monatliche Rate aushandeln, die ich mir leisten kann. Ich verdiene als Krankenschwester gutes Geld und habe keine nennenswerten zusätzlichen Kosten, solange ich hier bei Marek wohne.

Ich beuge mich vor, schöpfe eine weitere Handvoll Wasser und tauche mein Gesicht hinein. Dann richte ich mich auf und sehe im Spiegel, dass Marek mit finsterer Miene hinter mir steht.

„Wovon hat Owen gesprochen?“, fragt er mit unnachgiebigem Tonfall, mit dem er mir zu verstehen gibt, dass er Ausflüchte nicht gelten lassen wird.

„Von gar nichts“, antworte ich, während ich mir mit dem Handtuch das Gesicht abtupfe. Dann wende ich mich Marek zu und füge hinzu: „Es ging nur um ein paar persönliche finanzielle Angelegenheiten, um die du dir keine Sorgen machen musst.“

Ein Muskel in Mareks Kiefer beginnt zu zucken, und er verschränkt die Arme vor der Brust.

Mein Gott, diese Brustmuskeln. Mir wird warm ums Herz, wenn ich daran denke, dass ich letzte Nacht darauf geschlafen habe.

„Das reicht mir nicht“, presst Marek zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Dieser Typ hat etwas gegen dich und deine Eltern in der Hand. Er ist eindeutig total verrückt, denn er ist den ganzen Weg hierhergekommen, um dich damit zu verhöhnen. Du denkst vielleicht, dass mich das nichts angeht, aber Lilly lebt auch in diesem Haus, und ich will wissen, was los ist.“

Die Tatsache, dass er jetzt Lillys wichtigster Beschützer ist, erwärmt zwar mein Herz, ist jedoch zugleich demütigend. Ich bin überglücklich, dass er sie so sehr liebt, aber es erinnert mich daran, dass ich nicht so gut für sie sorgen kann wie er.

„Ich kann damit umgehen.“

„Gracen“, warnt Marek leise. „Sag mir die Wahrheit.“

Ich öffne und schließe den Mund, als wollten die Worte aus mir herausströmen, ich bringe jedoch keinen Ton hervor. Ich bin viel zu beschämt, um ihm gegenüber zuzugeben, wie dumm ich war. Im Wesentlichen habe ich eingewilligt, jemanden aus rein finanziellen Beweggründen zu heiraten. Zwar hätte ich selbst kein Geld dabei gewonnen, aber Owen hätte die Schulden meiner Eltern getilgt.

„Letzte Chance“, knurrt Marek mit bedrohlichem Tonfall.

Ich muss schlucken, doch ich kann mich einfach nicht dazu durchringen, meine Dummheit einzugestehen.

„Stur wie eh und je“, murmelt Marek und macht auf dem Absatz kehrt. Er verlässt mein Schlafzimmer und ich höre ihn noch sagen: „Ich bin sicher, deine Eltern können mir erzählen, was los ist.“

Es dauert einige Sekunden, bis ich die Bedeutung seiner Worte verarbeitet habe, doch dann eile ich die Treppe hinunter, um ihn einzuholen. Ich finde ihn in seinem Schlafzimmer, wo er gerade die Kontakte in seinem Handy durchblättert. Es überrascht mich nicht im Geringsten, dass er nach wie vor die Handynummern meiner Eltern hat.

„Marek, bitte nicht“, zische ich und greife nach seinem Telefon. Er dreht sich von mir weg und tippt auf das Display.

Dann führt er das Handy an sein Ohr und weicht mir erneut aus, als ich noch einmal versuche, mir das Gerät zu schnappen. Im nächsten Moment bin ich wie erstarrt, denn er begrüßt meine Mutter: „Sheryl, hallo, hier ist Marek.“

Ich kann mir vorstellen, dass meine Mutter ziemlich schockiert ist, einen Anruf von Marek zu erhalten. Aber was auch immer sie sagt, zaubert Marek ein zärtliches Lächeln ins Gesicht.

Mit sanftem Tonfall erwidert er: „Es ist auch schön, deine Stimme zu hören.“

Ich verspüre einen Stich im Herzen, dann durchströmt mich ein warmes Gefühl. Marek liebte meine Eltern so sehr wie ich seine. Offenbar bedeuten sie ihm noch viel, und das berührt mich tief.

„Ich würde auch gern mit Tim reden. Ist er in der Nähe? Du musst den Anruf auf Lautsprecher stellen, damit er mithören kann.“

Mir fällt die Kinnlade herunter, und ich versuche ein weiteres Mal vergeblich, nach dem Telefon zu greifen, obwohl ich nicht einmal weiß, was ich dann tun würde. Vielleicht würde ich es in den Müllschlucker werfen, um dieses Gespräch zu unterbinden.

Marek drückt auf die Lautsprechertaste, dann ertönt die Stimme meiner Mutter. „In Ordnung, Marek. Tim steht direkt neben mir. Geht es Gracen und Lilly gut?“

Marek zuckt zusammen, als er den besorgten Unterton in der Stimme meiner Mutter vernimmt. Er versichert ihr jedoch schnell: „Sie sind beide wohlauf. Gracen ist hier und hört ebenfalls mit. Lilly ist bei meinen Eltern.“

„Hey, Schatz“, höre ich meinen Vater zu mir sagen. Ich stehe meiner Mutter zwar nahe, aber ich bin auch der Augapfel meines Vaters. Wenn er hier gewesen wäre, hätte er direkt neben Marek auf der Veranda gestanden und Owen für seine Worte windelweich geprügelt.

„Hey, Dad“, erwidere ich mit zugeschnürter Kehle.

Marek redet nicht gern um den heißen Brei herum und kommt gleich zur Sache: „Owen Waller war gerade hier. Lange Rede, kurzer Sinn: Er hat Gracen ein paar furchtbare Dinge an den Kopf geworfen, und ich habe ihm einen Fausthieb verpasst. Mittlerweile ist er gegangen, aber zuvor hat er etwas gesagt, was mir Sorgen bereitet.“

Mit einem Blick flehe ich Marek an, meinen Eltern nichts davon zu erzählen. Ich bin noch nicht bereit, alle wissen zu lassen, wie tief ich gesunken bin.

Marek starrt mich an und nimmt meine stumme Bitte zur Kenntnis. Nichtsdestotrotz presst er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und sagt: „Bevor er ging, beschuldigte er Gracen, als Tochter eine Schande zu sein. Und dann wurde es richtig unheimlich, denn er fügte hinzu: ‚Richte Mommy und Daddy schöne Grüße von mir aus.‘ Da ich Gracen kenne, weiß ich, dass sie alles andere als eine Schande ist, aber sie will mir nicht verraten, was zum Teufel los ist. Doch ich muss es wissen, falls dieser Mistkerl noch einmal hier auftaucht.“

Meine Eltern schweigen. Sie haben keine Ahnung, was los ist, da ich sie bezüglich meiner Beweggründe, Owen zu heiraten, völlig im Dunkeln gelassen habe.

Marek starrt mich erwartungsvoll an, während die Stille am anderen Ende der Leitung immer quälender wird.

Ich atme tief durch und gestehe: „Ich wollte Owen heiraten, weil er eure Hypothek bei der Bank abbezahlen wollte, nachdem ihr mit den Zahlungen in Verzug geraten seid.“

Marek blinzelt mich überrascht und verwirrt an.

Hastig füge ich hinzu: „Da ich ihn nun nicht heiraten werde, wird er das Haus natürlich pfänden. Es tut mir so leid. Ich habe versucht, es zu verhindern, aber … ich kann ihn einfach nicht heiraten.“

„Gracen Calliope Moore“, schreit meine Mutter, und ich zucke zusammen, als Marek mir das Handy entgegenstreckt. Ich weiche einen Schritt zurück. „Wie konntest du nur zustimmen, so etwas Dummes zu tun? Man heiratet aus Liebe, nicht wegen des Geldes.“

Ich laufe hochrot an und spüre, wie mir der Schweiß auf Stirn und Oberlippe tritt. „So hat unsere Beziehung nicht angefangen“, versuche ich, mich zu verteidigen.

Doch dann gerate ich ins Stottern, weil selbst ich weiß, wie albern das klingt. Ich wusste von Beginn an, dass Owen ein schrecklicher Mensch ist und ich ihn nie lieben würde. Aber statt die Beziehung zu beenden, ließ ich mich von ihm in den Glauben wiegen, dass er zumindest mein Elternhaus retten könnte.

„Ich kann es einfach nicht fassen“, keucht meine Mutter fassungslos. „Ich bin so enttäuscht von dir, Gracen.“

Ich lasse die Schultern hängen und senke den Blick zu Boden. Die Wertschätzung meiner Eltern ist mir unsagbar wichtig. Obwohl ich darauf vorbereitet war, dass sie verärgert sein würden, ist ihre Enttäuschung schwer zu ertragen.

„Wir sollten Gracen nicht noch mehr zerknirschen, Sheryl“, sagt Marek bestimmt, und ich sehe ungläubig auf. Ich kann nicht glauben, dass er mich verteidigt, denn er hält mich zweifellos für eine Närrin. Er begegnet meinem Blick, als er meine Eltern fragt: „Wie lauten die Bedingungen der Hypothek? Ich werde euch helfen.“

Ich weiß, dass meine Eltern zu stolz sind, um seine Hilfe anzunehmen, und erwarte, dass sie ihm mit Schweigen begegnen. Stattdessen lacht mein Vater. „Das ist nicht nötig. Die Raten werden bald abbezahlt sein.“

„Wie bitte?“, rufe ich schockiert aus. Mein Vater ist schon seit einer Weile arbeitslos.

„Nun, deine Mutter und ich haben vor einigen Monaten herausgefunden, dass wir auf unserem Grundstück ein Erdgasvorkommen haben. Wir haben einen Anwalt angeheuert, um unsere Möglichkeiten zu sondieren. Zu Anfang haben wir uns überlegt, zu bohren und die Rechte zu verpachten, aber letztendlich haben wir uns entschieden, das Grundstück an ein Gasunternehmen zu verkaufen, das auch die zweite Hypothek abbezahlen wird.“

„Ihr verkauft das Haus?“, frage ich mit belegter Stimme. Mein Mund ist plötzlich wie ausgetrocknet.

„Offenbar ist das Gasfeld beträchtlich“, erklärt mein Vater und lacht erneut. Doch dann wird er ernst. „Jetzt bereue ich, dir nicht schon früher davon erzählt zu haben. Wir wollten dich überraschen und dir und Lilly helfen, ein eigenes Zuhause zu finden.“

Ich taumle ein paar Schritte rückwärts und stoße mit den Beinen an die Kante von Mareks Bett. Also lasse ich mich auf die Matratze fallen und starre zu Boden.

„Owen wusste davon“, sagt meine Mutter, und ich blicke überrascht auf. „Er versucht schon seit Monaten, das Haus zu kaufen. Aber nachdem du zugestimmt hast, ihn zu heiraten, hat er uns nicht mehr bedrängt. Offenbar glaubte er, er würde das Grundstück einmal erben.“

„Woher konnte er davon wissen?“, fragt Marek.

„Weil wir der Bank eine Absichtserklärung vorgelegt haben, in der wir das Erdgasvorkommen nachgewiesen und erklärt haben, dass wir einen Verkauf oder eine Verpachtung anstreben. Aus diesem Grund hat die Bank uns einen Zahlungsaufschub gewährt. Doch nachdem du nach North Carolina gegangen warst, hat Owen wieder angefangen, uns zu belästigen.“

„Wir hätten an ihn verkauft“, fügt meine Mutter hinzu. „Aber er hat einfach nicht genug geboten. Das Gebot der Gasgesellschaft war dreimal höher.“

In diesem Moment bricht etwas in mir. Mit der Beziehung zu Owen habe ich mir selbst die Hölle auf Erden bereitet. Es war schmerzhaft und demütigend, diese Scheinhochzeit zu planen, während ich vor Sorge um meine Eltern fast den Verstand verloren hätte.

Und die ganze Zeit über …

Sie wissen seit Monaten, dass alles gut werden würde, und ich hatte keine Ahnung.

„Also schön“, höre ich Marek leise sagen, doch ich habe den Blick wieder auf den Boden gerichtet. „Ich glaube, Gracen hat fürs Erste genug. Wie wäre es, wenn sie euch später anruft, in Ordnung?“

Meine Eltern verabschieden sich, aber ich bin in meinen eigenen Gedanken gefangen. Ich bin überglücklich, dass meine Eltern nicht mehr mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Allerdings bin ich so enttäuscht von mir selbst, dass ich einfach etwas Zeit brauche, um alles zu verarbeiten. Ich stoße mich von Mareks Bett ab und verlasse sein Zimmer.

Er folgt mir nicht.