Kapitel 21

 

Marek

 

Ich betrachte den Pfannkuchen, der in der Pfanne kleine Bläschen bildet, dann werfe ich einen Blick über die Schulter. Lilly sitzt im Wohnzimmer und starrt wie gebannt auf den Fernseher. Etwa das hundertste Mal seit ihrem Einzug schaut sie sich auf Netflix Vaiana an, und ich ertappe mich dabei, wie ich zu Mauis Lied „Voll gerne“ summe.

Ich widme mich wieder den Pfannkuchen und bin verdammt stolz auf mich. Lilly hat heute Morgen sowohl Gracen als auch mich überrascht, als sie zu uns ins Bett kletterte. Wir lagen eng umschlungen unter der Decke, die uns zum Glück bis zu den Schultern reichte. Lilly schien sich nicht daran zu stören, dass ihre Mutter sich ein Bett mit mir teilte. Sie begann einfach, auf und ab zu hüpfen und uns mitzuteilen, dass sie Hunger habe.

„Lilly, warst du heute Morgen schon auf dem Töpfchen?“, wollte Gracen wissen.

Lilly grinste schüchtern und schüttelte den Kopf.

Gracen warf ihr einen strengen Blick zu – wozu ich mich bei meiner Tochter bisher noch nicht durchringen konnte – und zeigte auf die Schlafzimmertür. „Geh aufs Töpfchen und zieh dir eine Hose an. Danach frühstücken wir.“

Lilly ist wirklich ein großartiges Kind, denn sie schenkte ihrer Mutter ein Grinsen und sagte fröhlich: „Okay, Mommy.“

Sie sprang vom Bett und lief zur Tür hinaus.

Ich drehte mich zu Gracen um, die unserer Tochter mit einem liebevollen Lächeln hinterherblickte. Mit einer Hand zog ich sie an mich und küsste sie innig. Dann zog ich den Kopf zurück und sagte: „Sie ist ein wunderbares Kind. Und sie hört so gut auf dich.“

Gracen lachte schallend und drückte mich spielerisch von sich. „Oh, sie hat dich wirklich getäuscht. Du hast Lilly noch nicht erlebt, wenn sie einen ausgewachsenen Wutanfall bekommt.“

„Das will ich gar nicht erleben“, bemerkte ich lachend. „All das kannst du bewältigen, während ich mich um die lustigen Sachen kümmere.“

Gracen lachte erneut. „Wenn es nur so leicht wäre, ein Kind zu erziehen. Ich will mir nur schnell etwas anziehen, dann gehe ich nach unten und mache Frühstück.“

„Nein“, erwiderte ich und überraschte mich damit selbst. „Du bleibst im Bett und entspannst dich. Ich bereite das Frühstück zu.“ Gracen zog eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie mit einer ausladenden Handbewegung zur Tür deutete. „Dann hol deine Tochter, Tiger.“

Nun stehe ich in meiner Küche und backe Pfannkuchen für sie. Es ist erstaunlich, wie sehr sich mein Leben in nur einem Monat verändert hat.

Nachdem ich erneut einen Blick auf Lilly geworfen habe, mache ich mich daran, den Pfannkuchen zu wenden. Vielleicht überschätze ich meine Kochkünste ein wenig, aber ich umfasse den Griff der Pfanne und hebe sie ruckartig an. Ich erwarte, dass der Pfannkuchen in die Luft fliegt, sich dreimal anmutig überschlägt und dann mit der anderen Seite in die Pfanne zurückfällt. Zu meiner Bestürzung landet er jedoch mit einem Klatschen auf den italienischen Fliesen hinter dem Herd, um dann langsam daran herabzugleiten und eine teigige Spur zu hinterlassen.

Leise lachend beschließe ich, nie wieder einen Pfannkuchen auf diese Weise zu wenden. Ich blicke über meine Schulter und stelle fest, dass Lilly immer noch gebannt auf den Fernseher starrt. Allerdings steigt mir die Hitze in den Nacken, als Gracen plötzlich vor mir steht. Sie hat die Arme vor der Brust verschränkt und grinst mich an. Ich schenke ihr ein verlegenes Lächeln und drehe mich um, um den Pfannkuchen mit dem Pfannenwender von der Wand zu schaben.

„Ich wollte nur etwas Neues ausprobieren“, murmele ich. „Das mache ich nicht noch einmal.“

Gracen lacht fröhlich und geht zur Kaffeemaschine. „Ich bin beeindruckt, dass du die Pfannkuchen selbst zubereitest. Meistens greife ich einfach zu den Tiefkühlpfannkuchen, die man in der Mikrowelle auftauen kann.“

Ich nehme ein Stück Butter und schmelze es in der Pfanne. „Das werde ich mir merken.“

Nachdem Gracen sich eine Tasse Kaffee gerichtet hat, stellt sie sich neben mich an den Herd und lehnt sich mit der Hüfte gegen die Anrichte. Sie trägt eine graue Yogahose und ein eng anliegendes Tanktop, das nichts der Fantasie überlässt. Der Anblick ist verdammt sexy, und wenn Lilly nicht hier wäre, würde ich Gracen auf dem Küchenboden vernaschen.

Oder auf der Anrichte.

Oder an der Wand.

Hör auf damit.

„Wie viele Pfannkuchen möchtest du?“, frage ich, bevor ich noch einen Ständer bekomme, den ich vor meinem Kind ganz sicher nicht zur Schau stellen will.

„Zwei.“

Ich nicke und gieße etwas Teig in die Pfanne. „Zuerst mache ich einen für Lilly, danach bist du dran.“

„Ich habe es nicht eilig.“

Gracen nimmt einen Schluck Kaffee und betrachtet Lilly für einen Moment. Dann wendet sie sich wieder mir zu, beugt sich vor und fragt mit gedämpfter Stimme: „Glaubst du, es war seltsam für sie, dass wir zusammen im Bett lagen?“

Ich zucke mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Sie schien kein Problem damit zu haben. Sollten wir mit ihr darüber reden?“

Gracen zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Du wirst früh genug herausfinden, dass man als Eltern oft aus dem Bauch heraus handelt und sich auch einmal irren kann.“

Ich schiebe den Pfannenwender unter den Pfannkuchen, als er Bläschen bildet, und wende ihn. „Meines Erachtens nach hast du dich bisher außerordentlich gut geschlagen. Ich stehe hinter dir und tue, was immer du für richtig hältst.“

Die Dankbarkeit in Gracens Lächeln zeigt mir, dass meine Meinung ihr sehr wichtig ist. Sie nimmt noch einen Schluck Kaffee und fragt: „Kann ich dir irgendwie helfen?“

Ich schüttle den Kopf. „Ich muss gleich ins Fitnessstudio, und dann haben wir eine Runde Lauftraining auf dem Eis im Stadion. Aber ich wollte dich etwas fragen.“

„Schieß los“, fordert sie mich auf.

„Diesen Sonntagnachmittag haben wir ein Heimspiel, und meine Eltern wollen Lilly mitnehmen. Bist du damit einverstanden?“

Ein bekümmerter Ausdruck huscht über Gracens Gesicht. Aber im nächsten Moment ist er verschwunden, und ich frage mich, ob ich es mir nur eingebildet habe. Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln. „Natürlich. Ich bin sicher, das macht ihr eine Menge Spaß.“

Gracen will sich von mir abwenden, aber ich gebiete ihr Einhalt, indem ich sage: „Ich habe noch eine Frage.“

Sie dreht sich wieder zu mir um, doch diesmal beäugt sie mich verhalten.

Ich lasse mich davon nicht beirren. „Morgen Abend haben wir ein Heimspiel, und ich hatte gehofft, du würdest es dir im Stadion ansehen. Meine Eltern würden zweifellos gern hier bei Lilly bleiben.“

Gracen steht vor Staunen der Mund offen. „Du willst, dass ich zu deinem Spiel komme?“

Lachend nehme ich die Pfanne vom Herd und lege den Pfannenwender auf der Anrichte ab. Ich drehe mich zu Gracen um, umfasse ihre Hüften und ziehe sie sanft an mich, um nichts von ihrem Kaffee zu verschütten. Sie wirft einen flüchtigen Blick auf Lilly, die uns beide weiterhin ignoriert, dann wendet sie sich wieder mir zu.

„Gracen, ich möchte, dass du ins Stadion kommst. Es wäre schön, dich dabei zu haben. Ich habe immer am besten gespielt, wenn du mir zugesehen hast.“

Gracen blinzelt mehrmals, bevor sie die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. „Was soll das? Du könntest mir zumindest erklären, nach welchen Regeln wir spielen.“

Ich lasse sie los und trete einen Schritt zurück. „Warum müssen wir nach Regeln spielen?“

Im Flüsterton antwortet sie: „Weil ich einst ein wesentlicher Bestandteil deines Lebens und ständig bei deinen Spielen war. Du hast mir vor Jahren das Herz gebrochen, Marek, und das will ich nicht noch einmal durchmachen. Vor ein paar Jahren wolltest du keine Verantwortung übernehmen, und jetzt willst du Vater-Mutter-Kind spielen und lädst mich ins Stadion ein. Das ist sehr verwirrend für mich.“

Es ärgert mich, dass sie meine Absichten überhaupt infrage stellt, aber ich unterdrücke meine Wut. Denn ich kann ihre Beweggründe verstehen.

„Ich bin genauso verwirrt wie du, Gracen. Ich hätte nie erwartet, dass du wieder in mein Leben trittst, doch nun bist du hier. Mit Lilly. Alles hat sich verändert, einschließlich meiner Wünsche und Bedürfnisse.“

Gracen starrt mich ausdruckslos an. Ich kann sehen, dass sie nicht ganz versteht, was ich ihr sagen will.

„Wir haben gestern Abend darüber gesprochen, Gracie. Erinnerst du dich? Wir müssen für den Moment leben und abwarten, was die Zukunft bringt.“

Gracen senkt kurz den Blick, bevor sie mich wieder ansieht. Sie beugt sich vor und flüstert: „Hast du mir denn vergeben? Für das, was ich getan habe? Dafür, dass ich dir Lilly vorenthalten habe?“

Ich bin zunächst verblüfft, dass sie es für nötig hält, mir diese Frage zu stellen. Doch dann wird mir klar, dass ich ihr bisher nicht gesagt habe, wie ich dazu stehe. Zuvor hat sie nichts als meinen Zorn und meine Wut zu spüren bekommen, wenn es um die verlorenen Jahre mit meiner Tochter ging. Aber seit dem Tag, an dem sie mich wissen ließ, dass sie sich nicht mehr bei mir entschuldigen wolle, haben wir nicht wirklich über das Thema gesprochen.

Also lege ich ihr eine Hand auf die Schulter. „Ja. Ich habe dir vergeben. Und ich schäme mich tatsächlich, dass ich so lange dafür gebraucht habe.“

„Wann?“

Ich verstehe sofort, was sie wissen will. Wann sich meine Gefühle ihr gegenüber geändert haben.

„Als du mir von der vorzeitigen Plazentalösung erzählt hast“, antworte ich. „Eigentlich war meine Wut schon vorher etwas verebbt. Schon bei unserem ersten Kuss in der Küche wusste ich, dass ich nicht so wütend auf dich sein konnte, wie ich geglaubt hatte. Aber als du mir gestanden hast, dass du fast gestorben wärst, wurde mir klar, dass du selbst eine harte Zeit durchgemacht hast. Trotz allem hat du die Zähne zusammengebissen und nach vorn geblickt. Und das sollte ich auch tun.“

Gracen atmet hörbar aus und ist sichtlich erleichtert. Es schmerzt mich, dass sie immer noch so sehr unter den Schuldgefühlen leidet, dass sie überhaupt Erleichterung empfindet, aber zumindest weiß sie jetzt, wo ich stehe.

„Also, kommst du morgen Abend zum Spiel? Reed hat gesagt, dass Josie da sein wird. Ich dachte mir, ihr zwei könntet zusammensitzen, und danach könnten wir vielleicht alle zusammen ausgehen.“

Bevor Gracen antworten kann, klingelt mein Handy. Ich ziehe es aus der Tasche, um einen Blick auf das Display zu werfen, und stelle fest, dass ich den Anruf annehmen muss.

Ich schaue wieder zu Gracen auf. „Ich muss da rangehen. Also, bist du dabei?“

Sie lächelt zögerlich. „Sicher. Es wird bestimmt lustig.“

„Wunderbar.“ Ich schenke ihr ein Grinsen und zeige mit einem Nicken auf die Pfanne. „Kannst du die fertig backen?“

„Schon dabei“, sagt sie fröhlich.

Ich drehe ihr den Rücken zu und gehe in mein Schlafzimmer, um ein wenig Privatsphäre zu haben. Beim dritten Klingeln nehme ich ab. „Jimmy, gibt es etwas Neues?“

Jimmy Schaeffer ist mein Anwalt. Er hat mir mit dem Kredit für mein Haus geholfen, als ich es gekauft habe, und auch eine Reihe von Verträgen und Sponsoring-Deals geprüft, die mir in den letzten Jahren angeboten wurden. Er war die erste Person, die ich bei meiner Rückkehr nach North Carolina anrief, nachdem ich erfahren hatte, dass ich eine Tochter habe. Ich musste wissen, welche Rechte ich hatte.

„Ich habe gerade mit Mr. Waller telefoniert“, berichtet er.

„Und?“

„Er versteht deine Bedenken und hat mir versichert, dass er mit seinem Sohn sprechen wird“, erklärt Jimmy süffisant.

Ich habe Jimmy gebeten, mit Owens Vater zu reden und ihm meine Bedenken über das obsessive Verhalten seines Sohnes mitzuteilen. Zudem wollte ich ihn wissen lassen, dass die Moores ihr Grundstück nicht an Owen verkaufen würden, weshalb er aufhören müsse, sie und ihre Tochter deshalb zu belästigen. Jimmy drohte indirekt mit einer einstweiligen Verfügung und damit, die Presse zu informieren. Sein Vater verstand offenbar, dass er sich der Angelegenheit umgehend annehmen musste.

„Der alte Waller hat mir versichert, dass Owen kein Problem mehr für die Familie Moore darstellen werde, und möchte sich bei Miss Moore und ihren Eltern entschuldigen.“

Ich stoße ein leises Lachen aus. „Und was ist mit ihrer Hypothek?“, frage ich.

„Wie von dir gewünscht, habe ich Mr. Waller gebeten, einen Zahlungsaufschub in Betracht zu ziehen, bis der Verkauf ihres Grundstücks abgeschlossen ist. Alternativ habe ich ihm angeboten, dass du den Kredit auch abbezahlen kannst. Aber Mr. Waller hat mir versichert, dass es kein Problem sei, einen Aufschub zu erwirken, und dass er persönlich mit den Moores zusammenarbeiten würde.“

„Ich nehme an, du wirst das alles schriftlich fixieren?“

„Natürlich“, antwortet Jimmy lachend. „Es geht heute noch raus.“

„Okay, Kumpel. Danke, dass du dich darum kümmerst. Schick mir deine Rechnung.“

„Oh, das werde ich“, sagt er fast drohend.

Was auch immer er mir in Rechnung stellt, es ist die Gewissheit wert, dass ich mir keine Sorgen mehr um Owen machen muss. Mir ist klar geworden, dass er es eigentlich nur auf das Grundstück der Moores abgesehen hatte und Gracen als Bauernopfer benutzte. Daher war ich ziemlich zuversichtlich, dass er nicht noch einmal hier auftauchen würde, sobald er erfahren würde, dass der Kauf für ihn vom Tisch war. Trotzdem wollte ich mich zusätzlich absichern, indem ich seinen Vater mit ins Spiel brachte, da ich mir schon gedacht habe, dass dem alten Waller der Anstand wichtiger war als alles andere. Es hat sich definitiv ausgezahlt, daher werde ich Jimmy allzu gern für den Anruf und Brief entlohnen.

Ich verabschiede mich von Jimmy und packe meine Sporttasche. Mir bleibt gerade noch genug Zeit, um mit Lilly und Gracen zu frühstücken, dann muss ich zur Arbeit.