Am Ende verbringe ich die Nächte auf dem Sofa im Wohnzimmer. Die anderen schlafen, Friederike oben in unserem Bett, in unserem Schlafzimmer, das für mich etwas anderes geworden ist. Vielleicht ist sie allein, wahrscheinlich liegt Wolf bei ihr. Ich müsste ihr nur eine Hand auf die Schulter legen. Und dann was sagen? Es geht nicht mehr? Hilfe? Am Ende ging es bis jetzt ja noch jede Nacht. Und wie um Hilfe bitten, wenn ich gar nicht mehr glaube, dass mir jemand helfen kann? Finger weg von den anderen, von denen, die richtig sind.
Die meiste Zeit starre ich ins Dunkel. Oder noch eine Serie sehen, noch ein letztes Bad aus der Pfütze im Warmwasserspeicher nehmen. Mehr von den Sachen in mich reinstopfen, die irgendwo zwischen dem Kühlschrank und mir in der Dunkelheit ihren Geschmack verlieren. Alles zu normal für jemanden, dem passiert, was mir passiert.
Am Anfang habe ich ja noch versucht, in unserem Bett zu schlafen, das in den letzten Nachtstunden oft Friederikes, Wolfs, Theos und mein Bett ist. Vier Körper, vier Arten, sich auszustrecken, sich aneinanderzudrücken, Platz zu beanspruchen, sich zuzudecken, zu atmen. Drei, die träumen, und einer, der leerläuft, der ein hohes Summen ----------. Zahnarztbohrerheulen in einem leeren Kopf und eine Gehwegplatte auf der Brust. Diese ganze, dieser riesige Haufen -----? Nein. Ja was eigentlich. -----. Denken ist das nicht, Angst ist das nicht, Wut, Trauer, Trauer. Dann eben einfach Trauer. Von mir aus Trauer. Können wir es bitte Trauer nennen? Eine Turbine -- ------ im Kopf, das ganze Drehen. Alles zerreißt, ein heilloses Durcheinander. Alles vertauscht, an falsche Stellen gezerrt und gequetscht und gespuckt. Ich kann keinen Gedanken fassen, sie stolpern über sich selbst. Und da ist kein Gefühl mehr, das ich ertragen kann. Aber die Gefühle durchzucken ja meinen Körper, brennen unter der Haut und über dem Chaos. Und es gibt kein Aufstehen mehr, nur die Panik und den Stapel Gehwegplatten auf der Brust.
Und wenn ich doch kurz einschlafe, schrecke ich aus Träumen hoch, die ich sofort wieder vergessen habe. Ich setze mich auf und gucke stumpf in die Dunkelheit, warum nicht alle wach sind. Weil ich doch geschrien habe, weil ich doch von meinen eigenen Schreien aufgewacht bin. Aber keiner ist wach. Die roten Ziffern auf der Radioweckerdigitalanzeige. Ich hoffe, dass zwei Stunden vergangen sind, wenigstens eine. Bitte eine. Siebzehn Minuten. Und die Dunkelheit und die Nacht sind riesig und überall.
Schlafen. Ich versuche, mich nicht zu bewegen. Wenn man sich in der Nacht nicht bewegt, schläft man ein.
Ich liege starr, um Friederike nicht zu wecken. Meine Muskeln angespannt, mein Blick stochert in der Dunkelheit, als wären die Schrecken da draußen. Wie fremd ich der Welt geworden bin, wie fremd ich mir selbst bin. Wie ich niemand mehr bin. Nichts. Nicht mal -----. Ein –
Was eigentlich? Ich wüsste das so gern. Ich weiß es nicht. Ich bin ein Experiment und weiß nicht, in was ich mich verwandeln werde und wer den Versuch überwacht. Ich habe Angst. Vor mir, vor der Zukunft. Warum? Weil ich nicht mehr ich bin, weil es für das, was einmal ich war, keine Zukunft mehr geben, weil ich nichts Schönes mehr denken kann. Weil ich mich vor mir fürchte, davor, wie die Welt vor meinem Kopf verdüstert und ergraut. Weil mein Kopf mir die Welt zertrümmert hat. Nachts bin ich allein mit mir, mit dieser hässlichen, irren Nacht, die weder hässlich ist noch irre, nur diese stille, unbelebte Welt, die kalt und klirrend ------ -------- ---- -----, eine Nacht, die ich ganz allein mit Hässlichkeit und Irrsinn auffülle. Und die Tage sind die von einer gleichgültigen Sonne übergossene Schwester der Nacht. Tags werde ich nicht mehr richtig wach. Tags finde ich mich noch unheimlicher als nachts, tags habe ich noch mehr Angst vor mir, und ich habe Angst vor den Blicken der anderen. Ich versuche, den anderen so viel wie möglich von dem Nichts zu ersparen, das ich geworden bin.
Also ist unser Bett jetzt Friederikes Bett, und ich oder das, was aussieht wie ich, haust nachts im Wohnzimmer und zieht tags in das Schlafzimmer mit den zugezogenen Vorhängen um, legt sich in das Bett, das nachts Friederikes Bett ist und tags meine Grabkuhle. Einmal höre ich Theo nebenan sagen – Ich glaube, Papas psychische Krankheit ist, dass er Tag und Nacht verwechselt.