Ich habe ständig Angst. Die Angst saugt alle Kraft aus meinem Körper. Ich weiß nicht, wovor. Und ich glaube, es ist grad besser, das nicht zu wissen. Die Angst lässt mich die meiste Zeit angezogen auf dem Bett liegen und ein Buch nach dem anderen lesen.

Nein, das mit den Büchern ist doch nicht die Angst. Das bin ich. Wer Bücher liest, schafft noch was. Wer Bücher liest, ist noch nicht ganz unnütz. Wer Bücher liest, muss keine eigene Geschichte haben. Wer Bücher liest, muss keine Geschichte haben, die davon handelt, sich nicht um seine Familie kümmern zu können, sich nicht um sich selbst kümmern zu können, davon, trotz allem nicht krank genug zu sein. Oder falsch krank. Oder die Krankheit hat schon längst gewonnen, und wir sind untrennbar miteinander verschmolzen. So sehr, dass die Krankheit keine Krankheit mehr ist, sondern ein Teil von mir oder ich ein Teil von ihr. Ich bin jetzt Krankheit.

Ein bisschen davon, was mich hierher gebracht hat, ist in allem von mir, in jeder Zelle, in jedem Gedanken. Und wenn man mich gesund macht, wenn man die Krankheit aus mir herausgeholt hat, gibt es mich auch nicht mehr.

Dass man ist, wie man ist, ist ja bei allen so. Warum sollte ausgerechnet ich die Leute im Krankenhaus mit meinem Quatsch vollheulen? Einiges hat ja noch ganz gut funktioniert. Oder wie war das? Eigentlich habe ich doch ganz gut funktioniert. Oder wie war das noch? Eigentlich könnte ich doch wieder gehen. Nur nicht zurück nach Hause. Das ginge nicht. Nicht zurück zu Friederike und den Kindern, nur nicht zurück zur Arbeit, nicht zurück in unser Haus, nicht zurück zu meinen Freunden. Das nicht. Aber raus doch schon irgendwie. Oder wie war das? Gut. Wenn ich gehe, würde ich mitkommen. Das lässt sich nicht verhindern. Aber daran würde ich mich gewöhnen müssen. Ich müsste nur packen. Und dann könnte ich hier rausgehen und irgendwo funktionieren. Irgendwie. Bevor sie mich hier rauswerfen. Oder entlassen. Aus meinem Lesebett im Krankenhaus. Die Pfleger gucken schon so. Haben die Pfleger nicht so komisch geguckt, als heute Morgen die Medikamente verteilt wurden? Und dann wäre ich da draußen im Nirgendwo. In irgendeiner selbstgemachten Kälte.