Bei neuen Medikamenten mache ich es so. Ich überlege, wie schlecht es mir geht und wie viele Nebenwirkungen ich bereit bin, für eine Besserung in Kauf zu nehmen. Als ich das Quetiapin absetze und mit Lithium anfange, bin ich ziemlich im Arsch.
Die Wirkung von Lithium ist keine Ahnung und irgendwas mit, dass man sich nicht mehr umbringen will. Außerdem haben Nirvana einen Song so genannt. Das macht Lithium zum Rockstar unter den Psychopharmaka. Wenn du Lithium sagst, denken alle so, Whoa! Super! Ist das nicht das geile Zeug, das auch Kurt Cobain nicht geholfen hat?!
Die Nebenwirkungen von Lithium sind, geht schlimm auf die Nieren, ist leicht überzudosieren und geht dann noch schlimmer auf die Nieren, leicht so schlimm, dass man stirbt. Wobei eines der Anzeichen einer leichten Überdosierung ist, dass man gelbe Ringe sieht. Klingt eigentlich ganz schön. Ist mir bisher noch nicht passiert. Außerdem Tremor. Ich habe Lithiumpatienten gesehen, die aussahen, als würden sie einen unsichtbaren Presslufthammer halten.
Bevor es losgeht, überlege ich und entscheide, dass ich bereit bin, den Presslufthammer zu halten. Nebenwirkung von Auf-den-Tremor-Warten, ich denke ständig ›Presslufthammer B-B-B-B-B-B-Bernhard‹.
Die Nebenwirkungen teile ich in drei Phasen ein. Eins. Die ersten drei Tage. Da darf alles passieren. Schlafstörungen, Tremor, Durchdrehen, von mir aus auch Halluzinationen. Wer in den ersten drei Tagen aufgibt, will es nicht wirklich. Zwei ist die erste Woche, drei der erste Monat.
In der ersten Woche habe ich Kopfschmerzen und Schwindel. Kann auch von was anderem kommen. Zittern, Muskelzuckungen. Wusste ich ja schon. Ganz interessant, noch kein Grund zur Panik, weil Panik eh nichts bringt und die Nebenwirkungen der ersten Tage nichts oder wenig mit den Langzeitnebenwirkungen zu tun haben. Ab der dritten schau ich genau hin, was passiert, und hoffe, dass die letzten Nebenwirkungen auch noch weggehen. Danach mache ich Kassensturz und überlege, ob ich mit der Mischkalkulation aus Wirkungen und Nebenwirkungen leben kann. Kann ich.
Einige Zeit später gerate ich in Panik, weil ich die schlimmsten Nebenwirkungen vielleicht gar nicht bemerkt habe. Sind das nicht Wortfindungsstörungen? Denke ich nicht irgendwie komisch? Und kann es sein, dass ich meine Kinder nicht mehr so gern mag wie vor den Pillen? Und bin ich nicht viel müder als sonst? Fühle ich mich nicht, als würde ich gar nicht mehr richtig aufwachen?
Dann lese ich die Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel nach. Dann denke ich, und was genau wäre jetzt die Alternative? Und, dass ich aufhören muss, Beipackzettel zu lesen.