Ich lese das Selbstmord-Buch doch noch. Eigentlich will ich nicht. Aber wenn man jemanden einen Arsch nennt, muss man vielleicht auch sein Buch lesen.

Als ich anfange, stelle ich mir vor, dass der Mann im Buch etwa vierzig ist. So alt wie ich. Ich lese den Text, der Protagonist ist fünfundzwanzig. Und sein Blick auf sich und die Welt ist so eitel und egoman, wie er nur bei einem Fünfundzwanzigjährigen sein kann. Ich denke, dass auch Levé so alt war, als er das Buch geschrieben und sich umgebracht hat.

Wenn ich an Tote denke, stelle ich mir manchmal vor, wie sie jetzt aussehen. Nach Monaten, Jahren, Jahrzehnten in ihren Holzkästen unter der Erde. Ich stelle mir vor, wie die Feuchtigkeit, die Tiere und Pflanzen, die Erde ihren Weg in den Sarg gefunden haben. Wie der Körper in den seidenen Beschlag sinkt, wie das Fleisch sich von den Knochen löst, wer in den Augenhöhlen nistet. Ich habe damit angefangen, als mein Opa gestorben ist. Wenn ich bei meinen Eltern war, bin ich manchmal durch das kleine Wäldchen zum Friedhof gegangen, habe sein Grab besucht und mir seine Leiche vorgestellt.

Levé hat sich zweitausendsieben umgebracht. Er ist seit etwas mehr als zehn Jahren tot. Ich mache eine Bildersuche auf Google, und ein Mann sieht mich an. Schlecht gelaunt, kein Fünfundzwanzigjähriger. Eher vierzig, eher genauso alt wie ich. Levé war einundvierzig als er sein Buch beendete, Levé war einundvierzig, als er sich umgebracht hat.